Mittwoch, 27. Oktober 2010

Meine Freunde: Marco

Es hat wohl mal ’ne Zeit gegeben, da war es schick, wenn Frauen Männernamen kriegten. Deswegen heißt meine Mama ja auch Klaus-Detlef und meine Oma Eberhardt.

Glaubt ihr nicht? Aber wieso heißt dann die Marco Marco und nicht Marca oder Marcantha oder Marclinde? Ich habe die Marco gefragt, doch sie hat nur Mysteriöslächeln vorgeführt und gemeint, tja, sie täte eben was Besonderes sein.

Das sind so Antworten, die mir Liebe entlocken: was Besonderes. Aha. Und warum, bitte schön?

Marco?

Huhu!

Jetzt tut sie schweigen, die Frau Besondershenne. Typisch. Wenn sie Begründung geben sollen für ihre Behauptung, dann kriegen sie das Kichern und machen stattdessen Quizmaster. So sind die Weiber. Alle. Ob sie nun auf Krallen laufen, auf Füßen, Hufen oder Pfoten. Von Frauen kriegt man nie ’ne anständige Antwort – nie!

Seht ihr? Ich muss nun allein überlegen. Was könnte das Besondere an der Marco sein? Erst mal sortieren: Sie ist ein Timneh-Graupapagei. Also ist sie weiß und schwarz mit allerlei Wischiwaschi dazwischen. Die Mia tut ja behaupten, Businessgrau wäre total schick und würde überall zu passen; damit sei man immer richtig angezogen. Okay, aber was soll dann dieser komische rote Schwanz bedeuten? Warum ist das Rot hinten wie bei ’nem Pavian-Po und nicht oben um den Kragen wie ’n Halstuch oder am Kopf? Schließlich gibt’s auch genug Amazonen, die Tomatenklecks auf der Birne tragen und niemand findet was Schlimmes daran. Aber Signalrot am Hintern? – Nä!

Die Marco bei der Kosmetikerin

Zweitens hat die Marco schon ziemlich viele Geburtstage gefeiert, schon über zwanzig. Dafür sieht sie aber noch total flott aus. Sie braucht noch keine Federntönung (tut sie jedenfalls behaupten … höhöhö), und wenn der Gesundheitswagen kommt wegen kostenlos Osterporöse messen, braucht sie auch noch nicht hinzugehen. Andererseits: Soooooo besonders ist ihr Alter auch wieder nicht. Ich kenne noch andere Muttchenhennen, die Cora zum Beispiel. Oder die Oma Granny Paula – die war ja noch viel älter, sogar fast doppelt so alt.

Gut, das kann’s also auch nicht sein. Weiter im Text. Vielleicht tu ich dahinter kommen, wenn ich Betrachtung mache, womit sie ihre Freizeit verbringt. Da sind drei Dinge: Korkarbeiten, tanzen und Kosmetik machen lassen.  

Die Marco liebt basteln. Erst zerschmirgelt sie den Kork, dann sammelt sie die Krümel in Häufchen und schließlich pappt sie das Korkgebrösel auf Frühstücksbrettchen zu Klebebildern, die Wüstenlandschaft darstellen sollen. Vor zwei Jahren gab’s sogar mal ’ne Ausstellung in der Sparkasse bei sich daheim, dort wo die Marco wohnt. Im Käseblatt konnte man das lesen mit Bild, dafür aber hat kein Haushaltsgeschäft in ganz Nordrhein-Westfalen mehr Frühstücksbrettchen zu verkaufen. Die Renate, also Marcos Service-Mensch, fährt ganz bis nach Hamburg oder Stuttgart, weil sie Vermutung macht, dass es dort noch welche geben könnte. Nur: Wenn ich das vergleichen tu mit meinem Engagement für neue Matchbox-Autos, dann ist das ja ganz normal und keineswegs was Besonderes.

Tja, und tanzen tun andere Vögel auch, vielleicht nicht so dolle wie die Marco und auch nicht so voller Vereinshörigkeit, doch tanzen ist nun mal Gewöhnlichkeitssport und nichts Exotisches wie Schlammboxen oder Trapschießen. Der Verein, wo die Marco jeden Freitag Übungstrampeln macht, heißt, glaube ich „Blaugelb Pute von 1903“. Die Marco ist schon mindestens im fünften Goldkurs und tanzt sowohl Latein als auch Formation. Bei Latein muss man altrömisch zählen bei der Rumba, nämlich so: unos … due … Wiegeschritt … tres … quattuor … Wiegeschritt. Bei Formation dagegen macht gleich eine ganze Gruppe drehen und wenden und dann gegeneinander und wieder zusammen wie so zwei Kämme, die mit den Zinken ineinander greifen. Dazu müssen alle Bewegungen genau gleich sein, und natürlich täte es bescheuert aussehen, wenn ein Tänzer ganz groß wäre und ein anderer ganz klein. Die Marco ist daher in der Flachgruppe. Ihre Kollegen sind Eichhörnchen, Eulen, Meerschweinchen, Tauben und Stockenten. Am Wochenende fährt die Truppe manchmal zu Turnieren. In Brüssel waren sie schon und in Rostock und in Salzburg. Für jedes Turnier kriegen die Tänzer neue Klamotten und neue Schuhe. Ich tu’s zwar nicht gern ansprechen, aber im zitronengelben Minirock mit Stiletto-Sandalen sieht die Marco aus wie ’n oller Akten-Ordner, wo jemand mit gelbem Marker darauf herum gekrakelt hat. Das Große Schwarze steht ihr wesentlich besser. 

Ich habe ja lange gedacht, wenn man so viel Zeit verbringt mit andern Hobbyleuten, dann wäre jede Henne irgendwann automatisch verheiratet, selbst jene, die schwer unterzubringen sind wegen dauernd an Autos herumschrauben oder ewig Jogginghose und Baseball-Cappy tragen. Aber so ist es nicht. Die Marco jedenfalls ist noch immer ohne Ehe. Sie hat mir mal gesagt, sie wäre gern Stewardess geworden: in der Welt herumfliegen, alles begucken und nebenbei ’n bisschen Orangensaft servieren.  Das hätte sie toll gefunden, aber so wär’s nicht gegangen wegen der Renate, weil die dann Halt verloren hätte so ganz ohne ihr Zureden und Händchenhalten. Die Marco täte sie betreuen müssen, noch heute, und daher hätte sie Verzicht geübt auf ihren Berufstraum, überhaupt auf jeden Beruf.

Na ja, ob das so stimmt? Ich meine, wir Vögel müssen doch alle zurückstecken für unsere Menschen. Sie sind nun mal voller Hilflosigkeit und Verzagen. Das ist ihre Natur, da müssen wir alle drauf Rücksicht nehmen, aber extra betonen als was Besonderes braucht man’s deshalb noch lange nicht.

Immerhin legt die Marco großen Wert auf ordentlichen Anschein. Die Mia macht das ja auch, hat sogar jetzt einen elektrischen Maukenapparat für Hornhaut wegrubbeln, aber die Marco geht noch ’nen Schritt weiter – sie tut sich von ’ner Professionellen bearbeiten lassen. Die Kosmetiktante kommt einmal in der Woche ins Haus. Dann macht sie die Nägel, drückt Pickel aus, entfernt Damenbart und rasiert die Achseln. Die Marco meint, das hätte sie sich verdient; sie täte der Renate ja sonst kein Geld kosten, außerdem müsse man als Korkkünstlerin und Tanzdame immer gut aussehen. Ich glaube ja, insgeheim tut die Marco hoffen, dass ihr endlich mal ’n Frosch die Schnute hinhält zum Abküssen. Deshalb macht sie so viel Aufwand um ihre Verpackung. Sie kann nicht verknusen, dass andere Hennen schon längst verheiratet sind, nur sie heißt noch Solo mit Nachnamen.

Vielleicht hat die Marco aber nur zu doofen Geschmack bei Männern. Ich tu zwar nicht wissen, wie viele Kerle sie schon heimlich ins Gebüsch hinter der Tanzschule gezerrt hat, aber ich persönlich tu nicht glauben, dass es sehr erfolgreich ist. Die Marco ist einfach zu … aufdringlich. Guckt euch mal an, was sie mit ihrer neusten Flamme anstellt. Hier – das Bild:

Die Marco und ihr Liebhaber

Das Foto ist mir von einem meiner Undercover-Agenten zugespielt worden. Links, das ist der Robert (er will nicht erkannt werden), rechts seht ihr die Marco bei der Annäherung. Ziemlich … einverleibig, nicht wahr? Der arme Kerl, kann sich ja gar nicht wehren! Und was will die Marco überhaupt mit dieser albernen, tropischen, vierbeinigen Lusche anfangen? Tut sie denken, wenn die Farbe passt, dann gibt’s harmonische Kinder?

Fast wäre ich voller Neigung, jetzt hurra zu rufen, weil ich endlich gefunden hätte, was das Besondere an der Marco ist – nämlich ihr Erotikgeschmack. Doch dann ist mir eingefallen, dass die Marco damit genauso wenig allein dasteht. Die Vorliebe für Plüschkerle kenne ich zum Beispiel von der Cora. Ehrlich, das ist wahr! Ich mache euch Beweis: Seht dieses Foto hier unten. Der dicke Rotheini heißt Lucrezio. Er kam aus Parma, zusammen mit Bruder und Schinken. Die Beziehung ist aber schon längst wieder zu Ende. Das ist in der Zeit gewesen, als die Cora mit dem Rory zusammen war.

Cora und ihr Verflossener

Tja, ich geb’s auf. Ich kriege einfach nicht raus, was die Marco mit besonders meint. Für mich ist die Marco eine ganz gewöhnliche Grauhenne. Sie ist lieb und schickt mir jedes Jahr zum Geburtstag und zu Weihnachten einen Matchbox-Katalog. Er ist zwar immer von 1984 oder 2001, aber das macht nichts, weil sie an mich denkt und mir eine Freude machen will, und nur das tut zählen, nichts sonst.

© Max: Papageiengeschichten

2 Kommentare :

  1. Hallo mein lieber Freund Max,

    ich freue mich, dass du so eine hohe Meinung von mir hast, aber auch, dass du dir Sorgen machst, weil ich noch nicht verheiratet bin.

    Aber du musst dir keine Sorgen machen, denn ich will gar keinen Mann. Mit einem Mann müsste ich doch ständig Rücksicht nehmen und alles teilen.

    Nein, nein, das brauche ich nicht mehr.

    Ganz liebe Grüße auch an die Mia und deine Mam

    deine Marco

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  2. Weißt du was, Marco? Um eine Feder hätte ich dich meinem guten Freund, dem Bundesadler, vorgestellt: "Guck mal, hier - die Marco. 'ne ganz liebe Henne voller Milde und selbstlos." Aber wenn ich jetzt lese, dass du keine Rücksicht nehmen und auch nicht teilen willst, dann kann ich das nicht mehr verantworten.

    Schade. Ich dachte, die Kreise, wo der Bundesadler verkehrt, wäre 'n Milieu, was auch dich interessieren täte. Getanzt wird da auch viel. Und viele Fotos gemacht. Und weit verreist. Und edel gegessen.

    Dein Max

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