Montag, 26. Dezember 2016

Der große Apfel, der niemals schläft (1. Teil)

Ich hatte gleich gesagt, dass New York nichts ist für Leute mit Höhenangst. Und die Cora hat gesagt, als sie der Tante Gisela das Taschengeld für die Reise aus den Rippen leiern wollte:
„Der Karlsson macht Konfrontationstherapie. Dabei müssen wir ihm helfen.“

Warum ausgerechnet New York? Und warum schon wieder verreisen? Schließlich waren wir gerade erst von unserm Segeltrip aus der Karibik zurückgekehrt, denn die Ereignisse, von denen ich euch jetzt erzähle, passierten schon im Sommer, und da war ich noch heilfroh, dass ich meine Flügel ungestört von lästigen Seeböen und Meeresrauschen aufs Sofakissen strecken durfte.

„Warum NICHT New York?“, hat der Karlsson geantwortet. „Das ist Kunst, das ist Kultur.“

Manhatten: Tourismus für Könner

Von oben betrachtet sogar nur was für Stahlnerven

Da hatte er allerdings recht. Mit Kunst und Kultur hatte unsere Karibik-Schaukelei auf dem Touristensegler nichts zu tun gehabt. Ich meine, tolle Landschaften, schönes Wetter und freundliche Einheimische fallen ja nicht darunter, oder? Unter Kunst und Kultur verstehe ich so was wie Bilderbegaffe in Museen, Hausfassadenbesichtigungen, Theater- und Opernbesuche und allenfalls noch stundenlanges Gelatsche durch Parks und Straßen, sofern sie nicht der eigenen Heimatstadt angehören, sondern weit weg liegen und damit den Ansprüchen nach Exotik genügen.

„Korrekt“, hat der Karlsson bestätigt.

Ja, Mensch, so was hatten wir doch schon in Paris, was will der Kerl dann noch in New York?

„Noch mehr Kunst und Kultur erleben.“
Dabei hat er ins Telefon geschnurrt, dass ich die Hitze direkt am Ohr spüren konnte.

Ach ja? Und wie war das noch, als er mit uns auf den Montparnasse kommen sollte, was bekanntlich ein Hochhaus ist und wo ihm schlecht geworden war, schon an der Fahrstuhltür, und wo er dann dagestanden hatte mit matschigem Blick und vibrierendem Pelz und uns anschließend vor Erleichterung, dass wir lebend wieder auf der Straße sein durften, 'nen Calvados ausgegeben hatte? Und dann will er ausgerechnet nach New York reisen, wo Manhattan vollsteht mit lauter solchen Wolkenkratzern?

„Kein Problem“, hat der Karlsson getönt. „Das schaff ich.“

„Mein Held!“, ist die Cora ihm prompt zur Hilfe geeilt.
„Gut, dann kannst du ja allein mit ihm hinfahren“, habe ich vorgeschlagen und ein Sonnenbrillen-Smiley hinter die SMS getippt.
Keine halbe Stunde später klingelte das Telefon. Der Karlsson hat mich angeranzt:
„Biste bekloppt? Du kannst doch der Cora nicht erzählen, dass ich mit ihr gemeinsam bei Tiffany's den Sonnenaufgang begrüßen will. Ich bin Single! Und das aus Überzeugung! Dabei bleibt's! Basta!“

So? Hatte ich das gesagt? Hihihi. Es ist doch immer wieder interessant zu erfahren, wie gut die geheimen Informationskanäle funktionieren. Man muss schließlich wissen, wo der Feind steht.

„Natürlich will ich, dass du mitkommst, Max, das ist doch klar“, hat der Karlsson gemeint.
Dagegen musste ich leider zu bedenken geben, dass man mit mir immer auch die Mia einkauft und mit der Mia die Cora, denn ohne die Cora stellt sich die Mia stur, und ohne die Mia lässt mich die Putze nicht ziehen.
„Ist okay.“
Der Karlsson hat das ganz locker gesehen:
„Solange wir Männer in der Überzahl sind, können die Weiber uns nicht viel anhaben.“ 

Ja, und irgendwie sind sie manchmal auch ganz nützlich, das muss man fairerweise hinzufügen. Die Cora hat immer Kopfschmerztabletten und ein Pflaster dabei, und von der Mia erfährt man, in welcher Drogerie vor Ort es gerade kostenlose Mundwasserpröbchen gibt. Auf Reisen sind die ganz praktisch zum Desinfizieren von Hotelklo und -badewanne. Da braucht man nicht selbst alles von daheim mitzuschleppen.

Mir ist nach einem Blick ins Internet aber noch ein ganz anderes Hindernis aufgefallen. Darüber sollte der Karlsson unbedingt Bescheid wissen. In New York nämlich ist man ziemlich eigen mit Hunden. Einerseits gilt die Stadt als hundefreundlich, weil man seine Vierbeiner mit in die Parks nehmen darf, andererseits sind sie verboten in der U-Bahn und in Restaurants und Bars nur nach Wohlwollen akzeptiert. In der Regel gilt Leinenpflicht. Mal ehrlich, würde das dem stolzen, stattlichen Terriermann Karlsson gefallen, wenn wir andern in der Imbissbude verschwänden, um mal schnell ein Kilo Hamburger zu fassen, während er draußen auf dem Bürgersteig warten müsste mit der Leine am Halsband und der Cora oder der Mia am andern Ende der Leine, damit der behördlichen Auflage Genüge getan wäre? Also echt, mir wäre das zu kränkend. Ganz zu schweigen von dem üblichen Gewurschtel am Flughafen, wo man als Hund automatisch hinderlich wird durch das ewige „Leine an, abführen, Leine ab“. So was kann man seinen Mitreisenden auf Dauer schlecht zumuten. Ach, und Steuermarke und Impfmarke (gegen Tollwut) kommen ja auch noch dazu. Die muss man in New York als Hund bei sich tragen. Ich weiß zwar nicht, ob das auch für Touristen gilt, aber Aufwand ist es allemal.

Der Karlsson hat dann am Telefon auch gleich das Schweigen gekriegt. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Tja-aa, wenn man mich und meinen Realitätssinn nicht hätte. Wie oft wären unsere Reisen in der Luftblase dummer, romantischer Ideen zerplatzt?

„Egal“, hat der Karlsson nach einer ziemlich langen Pause in den Hörer geseufzt. „Dann fahren wir eben Taxi, und wir gehen nur dort essen, wo auch ich hin darf.“
Er ließe sich nicht unterkriegen, hat er hinzugefügt; notfalls könne er den Leuten ja noch 'nen ordentlichen Haufen auf den Gehsteig setzen, falls er den Eindruck bekäme, dass er als Tourist nicht willkommen sei.
„Das tun die nicht“, habe ich ihn beruhigt.
„Eben. Glaub ich auch nicht. Die leben doch vom Tourismus. Aber es ist gut, wenn man weiß, wie man sich wehrt. Ich bin schließlich kein Popanz. Ich will genauso zuvorkommend behandelt werden wie jede Touristenskobra, jeder Touristenskunk und jedes Touristenschwein auch.“

Verständlich. Intoleranz schlägt jedem Reisenden auf die Laune. Nun aber mal zur nächsten Frage. Wer sollte den ganzen Kram denn bezahlen?

„Na, ich natürlich!“, hat der Karlsson vollmundig ins Smartphone getutet.

So? Das war mir neu, dass seine Business-Aktivitäten jemals auch nur einen einzigen Cent eingebracht hätten. Allein die bekloppte Idee, seine Insel „Miracle of Pansen“ zu nennen. Wer kriegt da schon Speichelfluss – außer den kulinarisch steckengebliebenen Söhnen des Waldwolfes? Man muss natürlich von „Promise of Praliné“ reden oder von „Île de Crème“, wenn man ein größeres Publikum erreichen will. Und mal ganz abgesehen von den rechtlichen Besitzfragen (die damals noch nicht geklärt waren, als ich unter falschem Namen bei seinem Papa in der Firma angerufen und mich bei den Juristen erkundigt hatte) war  meines Wissens Karlssons Finanzkonzept auch von den Banken nicht gerade freudig aufgenommen worden. Sein Plan sah vor, auf dem vorderen Inselteil eine exklusive Ferienanlage hochzuziehen und im hinteren Teil für Aussteiger eine Art Pfahlbausiedlung anzubieten, wo ökologisch unbedenklich Pansen gekocht, verpackt und verschifft werden könnte. 

Karlssons Insel: dort hinten irgendwo

Da in der Karibik oft recht heftiger Wind weht (saisonweise jedenfalls) und in der Kreditabteilung der betreffenden Banken zufällig kein Hund arbeitete, der den Argumenten die gewünschte Richtung hätte verpassen können, ist dem Karlsson der Kreditantrag abgelehnt worden. Das hat ihn sehr enttäuscht. An die große Glocke gehängt hatte er es zwar nicht, aber man erfährt ja so einiges, solange man seine Mittelsleute großzügig bezahlt.

Doch der Karlsson wäre nicht der Karlsson, wenn ihn das aus der Bahn geworfen hätte. Danach hat er es in Russland versucht. Ihr wisst doch noch? Ludmilla und Tamara, die beiden Fröschinnen von unserm Karibik-Segler? Gut verheiratet mit Millionärsrubeln und immer offen für eine nette Ansprache? Der Kontakt war schnell hergestellt. Man ist dem Karlsson sehr interessiert entgegengekommen. Wo wünsche er denn zu investieren? In Bohröl? Erdgas? Kaviarproduktion? Tourismus? Oder doch lieber in Baumärkte vor Moskau, Kiew und Rostow am Don? 

Ludmilla und Tamara: hier mit Bodyguard

Nun, soviel ich weiß, hat sich der Karlsson daraufhin artig bedankt, den Kontakt aber abgebrochen mit dem Hinweis, die Gold- und Diamantenvorkommen unter seiner Obstwiese im Garten wolle er dann doch lieber einem heimischen Partner anvertrauen, um das regionale Gewerbe zu stärken. Inwieweit er dann noch anderweitig tätig geworden ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Es gab jedenfalls keine Hinweise darauf, dass der Karlsson die Reise nach New York auch nur ansatzweise hätte bezahlen können. Das habe ich ihm auch gesagt, direkt in sein Ohr hinein.

„Na gut, du hast recht“, ist er eingeknickt. „All mein Geld ist noch in der Investitionsphase, da kann ich nichts rausziehen, das ist alles festgelegt.“

Und jetzt?
„Ganz klar – mein Papa zahlt.“

Ja, da ist was dran, wenn man bei solchen Entscheidungen gar nicht erst auf weibliche Hilfe setzt. Frauchens sind dafür gänzlich ungeeignet. Ich kenne das von meiner Else. Die Putze fragt auch immer, warum wir SCHON WIEDER verreisen müssten, wir bekämen doch TASCHENGELD, die Gazellen in Namibia würde doch auch nicht dauernd in URLAUB FAHREN, und im Übrigen hätten wir gerade erst vorletzte Weihnachten ein schönes Fotobuch mit allerlei Reisepostkarten geschenkt bekommen, da könnten wir doch gut drin blättern und uns WEITERBILDEN, ohne ständig in der Weltgeschichte HERUMZUGONDELN.

Unter Männern ist das ganz anders. Da wird nicht viel herumgeredet. Da antwortet man auf die Frage, warum man unbedingt nach New York wolle, mit einem schlichten: „Damit ich vor dem Haus von Miles Davis, dessen Musik du doch so magst, einen stillen Gruß aufs Pflaster hauchen kann“, und schon ist alles geritzt. Man wird auf den Schoß gezogen, man kriegt über den Kopf gestreichelt und erfährt, dass man ein ganz, ganz entzückender Hund ist, voller Herz und überraschendem Zartgefühl.

In der Tat, der Karlsson hat viel dazugelernt seit damals, seit seinem Fortbildungsseminar in der Schweiz und unserm Kurztrip nach Paris. Gute Menschenkenntnis ist wichtig für eine erfolgreiche Freizeitgestaltung.

Da nun also Flug und Unterkunft finanziell geregelt waren, hieß es den nächsten Punkt abzuarbeiten. Das Hotelzimmer gilt ja immer für zwei Personen, also konnten wir noch jemanden mitnehmen außer den beiden Mädels, zumal Karlssons Papa großzügig gleich zwei Flugkarten zu spendieren bereit war (nachdem der Karlsson ihm seine Lieblingspuschen wieder ausgebuddelt und vor den Esstisch gelegt hatte). Wir tendierten zu Pit und Luke. Was man kennt und was sich bewährt hat, auf das sollte man zurückgreifen.

„Okay“, hat der Pit gesagt. „Ich bin dabei.“
Fast hätte ich ihn gar nicht verstanden am Telefon. Vermutlich hatte er Salamischeiben im Mund.
„Was futterst du denn schon wieder?“, habe ich mich zur Wehr gesetzt. „Es ist sehr unhöflich, nebenbei zu kauen, wenn man mit jemandem spricht“,
„Geht dich gar nichts an.“
„Blödmann“
„Selber.“

Ich muss zugeben, mir fiel ein Stein vom Herzen, dass unsere Kommunikation wieder den alten herzlichen Ton angenommen hatte, denn kurz nach unserer Karibikreise war eine längere Funkstille eingetreten. Der Pit behauptet nämlich noch immer steif und fest, dass es uns nie auf die unbewohnte Insel verschlagen hätte, sondern dass wir die ganze Zeit lautlos im Ruderboot im Nebel ums Schiff herumgepaddelt wären, nur um ihn zu ärgern. Meine Beteuerungen, dass wir so was nie tun würden, haben ihn leider nicht überzeugen können. Wie gesagt, deswegen ist er noch heute sehr misstrauisch, aber wenigstens redet er wieder mit mir. Die Mia hat ihm zum Erntedankfest einen kleinen Kompass an der Uhrenkette geschenkt. Ich bin sicher, wenn der von mir gekommen wäre, hätte er ihn mir an den Kopf geschmissen – sogar durch Telefon.

Vom Luke kam leider eine Absage. Er könne nicht schon wieder weg, er müsse sich erst mal ums Geschäft kümmern, hat er gesagt. Es gäbe so viel nachzuholen und nachzubessern. Oh-oh, mancher Kunde wäre ziemlich angefressen. Da sei so einiges schiefgegangen, während er sich in der karibischen Sonne geaalt hätte. Zwar sei der Telefonservice mit dem freundlichen Mädchen an der Strippe (der Amy) ganz gut angekommen, an der praktischen Umsetzung der Aufträge jedoch hätte es gewaltig gehapert. Statt Fachpersonal habe man ihnen einen neuen Mitarbeiter geschickt, diesen kleinen dunkelhaarigen Burschen mit der Kurzfellfrisur in dem viel zu großen Blaumann. Das könne man so nicht hinnehmen, beim besten Willen nicht. Er hätte vier Kaninchenställe mit Hustensaft ausgesprüht (alle glücklicherweise leer), drei Katzenbäume mit Stacheldraht umwickelt, um sie vor Mäusebefall zu schützen, und vor dem Supermarkt im Nachbardorf Flyer verteilt mit Fotos von Borkenkäfern und Maulwürfen und der Bitte, sich zu melden, falls jemand die Gesuchten kenne. Zu Begrüßung an der Haustür habe es jedes Mal geheißen:
„Kammerjäger, Kammersänger,
ich bin hier der Eurofänger.
Ich bin geck, ich bin Jack,
wenn ich geh, ist alles weg.“

Die Daheimbleiber

Oh-ha! Allerdings, das ist harter Tobak. Da kann ich den Luke gut verstehen. Aber bei Familienangehörigen kann man ja leider nicht so durchgreifen, wie man es gern täte. Soweit mir bekannt ist, hat der Luke nur ein bisschen den Lohn gekürzt, ansonsten einmal deutlich hinterm Treppengeländer Aufstellung genommen wie 'n Monarch bei der Regimentsansprache und einmal scharf hinuntergebrüllt, dass er Jacks und Amys Schlafplätze an durchreisende Unken und Schnecken vermieten werde, wenn so eine Sauerei noch mal vorkäme. Seitdem macht er Nachtschichten im Stall, um den Imageverlust zu beheben. Im Gewerbe ist man ganz schnell weg vom Fenster, wenn man die falschen Leute einstellt.

Schade, für uns hieß das, dass wir neu planen mussten. Und natürlich, als hätte ich's gewusst, ging auch gleich das übliche Gemecker los. Manche wollten unbedingt mitfahren. Der Karlsson und ich haben aber gleich gesagt, dass ein zweiter Hund nicht in Frage käme, denn bei den ganzen Beschränkungen in New York müssten wir uns nicht noch eine Zweitfassung antun. Das führte zu unterschiedlichen Reaktionen. Während die Polly nur lakonisch zur Kenntnis gab, dass sie sowieso nicht mitgefahren wäre (ich liebe unkomplizierte Frauen), hat die Amy 'nen Schreikrampf gekriegt. Ich wäre 'n ganz fieser Arsch, hat sie ins Telefon geplärrt.
„Wieso ich? Das ist doch Karlssons Reise“, habe ich geantwortet.
„Aber du hast ihm gesagt, dass ich nicht mit darf. Ich kenn dich. Du sagst das immer. Nie darf ich mit. Immer lasst ihr mich hier. Du bist so gemein, Max, du … du … du … blöde Stinkmorchel, du.“

Ui, danach musste ich erst mal das Smartphone auswringen. Dann kam der Jack an die Reihe. Er hatte ebenfalls Wichtiges loszuwerden:
„Max, warum darf ich nicht mit? Ich habe die ganze Zeit geübt. Ich bin auf dem Rummelplatz "Wilde Maus" gefahren, so wie du's gesagt hast, sogar mit vollem Magen. Ich kotz jetzt nicht mehr ins Flugzeug. Ganz bestimmt nicht, ich bin geheilt.“

Für das Abwimmeln ungeeigneter Reisegäste habe ich dem Karlsson einen dreistelligen Betrag in Rechnung gestellt. Schließlich bin ich nicht sein Sekretär und es ist nicht jedermanns Sache, schwere Vorwürfe und nervliche Zerrüttungen unbeschadet in seinen Alltag zu integrieren. Als dann auch noch die Marina aus Pits und Lukes Pferdestall anrief und sich nach einer Müttergenesungskur erkundigte, hatte ich die Faxen dicke. New York hing mir bereits zum Hals raus, aber so was von! Und das, obwohl wir noch gar nicht losgefahren waren.

„Tut mir leid, Marina,“ habe ich gesagt. „Mit Müttergenesungskuren kenne ich mich nicht aus, aber wenn du willst, kannst du mit nach New York fliegen. Der Karlsson wird dir eine eigene Sitzreihe spendieren, damit du's bequem hast, natürlich 1. Klasse wegen der Beinfreiheit. Und um dein Heu und die Pferdeäpfel mach dir man keine Sorgen. Dafür gibt’s Lieferanten. Der  Karlsson wird genügend Tüten mitnehmen und dann sicher gern hinter dir einsammeln.“

Seitdem habe ich eine Bewunderin mehr. Unser reiselustiges Lockenköpfchen aus Schleswig-Holstein allerdings war stinksauer.
„Du redest vielleicht einen Scheiß zusammen“, hat er behauptet.
Marina war dann schwer zu beruhigen gewesen. Sie hätte sich so sehr auf New York gefreut, hat sie geschluchzt, als der Karlsson plötzlich mit 'ner Packung Mon Cherie vor der Boxenklappe stand und von einem „Missverständnis“ stammelte. Mir hat er eine Rechnung geschickt über eine Bahnfahrt (hin und zurück), über zwei Taxifahrten, über eine Packung Mon Cherie sowie über zwei Currywürste mit Pommes und Malzbier. Da kann er aber lange warten, dass ich das bezahle. Wo kämen wir denn hin, wenn jedes unverbindliche Aussprechen privater Gedanken zu finanziellen Konsequenzen führte?

Immerhin war nun eins klar: Wenn kein Kater mehr mitfahren wollte und kein Hund mehr mitfahren durfte, blieben nur noch wir Vögel übrig. Die Mia war begeistert:
„Au ja! Dann kann ja der Harald mitkommen, mein süßer Schatz.“

Boah nee, das musste nicht sein. Ich erinnere mich noch an England. Dauernd ist er in jeden Tümpel und jeden Bach gestiegen, und nachts im Hotel bin ich wach geworden, weil seine Plattfüße so 'nen Krach machten beim Schlappen zum Klo. Andererseits wäre es sicher sehr praktisch, ihm in New York die Hundeleine umzuhängen. Bei seinen stämmigen Schultern könnte er den Karlsson bestimmt problemlos hinter sich herziehen. Na, wie wär's, Lockenköpfchen? Ha ha ha.

Glücklicherweise hatte Mias Teichfregatte sowieso keine Zeit. Er musste seinen Onkel zur Darmvorsorge begleiten. Der Karlsson war erleichtert. Die Mia war angefressen. Die Cora hat sie getröstet:
„Nimm's positiv, Liebes. So ein bisschen Abstand hält die Beziehung frisch. Im Übrigen haben andere Hennenmütter auch schöne Hähne.“
Hinter der SMS waren sechs Smileys zu sehen, alle mit Gezwinker am Auge. Oh Mann, da hatte die Cora wohl gerade 'nen Hormonschub erlitten, oder woraus sonst speisten sich ihre Beziehungstipps?

Vom Paule jedenfalls nicht, mit dem ist sie nicht liiert; den kann man nicht für Coras erotische Entgleisungen verantwortlich machen. Gerade deswegen hätte ich es gut gefunden, wenn er unser fünfter Reisepartner geworden wäre. Alles schien günstig. Er war gerade daheim, kein Aufenthalt im Knallbirnenheim, kein Hausarrest. Trotzdem stand er nicht zur Verfügung. Er musste nämlich den Engelbert nach Dänemark begleiten. Jawohl, nach Dänemark. Der Kleine ist jetzt ausgewachsen, kein puscheliges Entenküken mehr, sondern ein echter grünköpfiger Stockenten-Erpel. Seine Berufsausbildung steht jetzt an. Lange hat man auf ihn eingeredet, dass Koch nicht der richtige Beruf für eine Ente sei, besonders nicht in der Weihnachtszeit – vergeblich, er ist nicht davon abzubringen. Trotzig hat er immer wieder aufgestampft mit seinen Gummiflatschen und extra nicht die Badewanne ausgewischt nach dem Planschen, um sich zu rächen. Koch sei nun mal sein Traumberuf, basta! Außerdem wolle er nicht bei irgendwem lernen, sondern gleich beim Meister, beim dänischen Kasserollenkoch, also bei dem aus dem Fernsehen. Ihr wisst schon, er macht manchmal als Gastpromi in der Muppet Show mit.

Die Tante Gisela ist wirklich nicht zu beneiden. Erst hatte sie große Sorgen mit meinen Freund Coco (Gott hab ihn selig) und seinem Alkohol, dann die Cora, die sich einfach nicht verheiraten lässt, der Paule als genaues Gegenteil mit seinen unsoliden Freundinnen und den regelmäßigen Aufenthalten in der Heilanstalt und schließlich als jüngstes Familienmitglied der Engelbert mit seinen bekloppten Zukunftsplänen. Manche Familien scheinen das Unglück geradezu gepachtet zu haben.

Für uns hieß das: Okay, dann bleibt eben ein Reiseplatz frei. Solange wir mit dem Pit drei Männer wären und die beiden Schnatterhennen, die Mia und die Cora, im Griff hätte, könnten wir uns getrost aufs Abenteuer einlassen. Der Karlsson war happy. Es konnte losgehen. Die Rucksäcke waren schnell gepackt. Wir trafen uns in Hamburg auf dem Flughafen. Die Cora war aus Duisburg gekommen und hatte bei uns übernachtet (Jesses, nee ...) Der Rest wohnte ja sowieso in der Nähe. 

Der Karlsson: glücklich, dass endlich alles geklärt war

Der Karlsson trug seine beiden neuen Anhänger am Halsband, die die Mia ihm gebastelt hatte aus Pappe, Wasserfarben und transparentem Nagellack. Hoffentlich würde das als Tollwutimpfung und Steuermarke durchgehen. Der Pit hatte eine Mettwurst dabei und ein Fresspaket mit Schinkenbrötchen und Eiersalat. Leider musste alles an der Kontrolle abgegeben werden. Der Pit hat's mit Fassung getragen. Dafür kriegte er im Flugzeug Mias Hackbällchen vom Mittagsmenü, und meine hat er gleich auch noch mitgefressen, als ich ungeplant zum Klo war wegen Unpässlichkeit. Eine Tablette von der Cora (die von der Werbung mit dem Ausflug im Heißluftballon) hat dann aber schnell alles wieder in Ordnung gebracht. Außerdem dauert's nicht lange bis New York. Da ist man ratzfatz da. Bald schon konnten wir die Hochhäuser von Manhatten sehen.

„Na?“, habe ich den Karlsson gefragt. „Schon weiche Knie?“

Fortsetzung folgt.

P.S. Ich weiß, das war erst die Vorbereitung auf die Fahrt. Ihr wollt natürlich wissen, wie es weiterging in New York. Ich fürchte, ihr werdet noch darauf warten müssen, denn ich kann euch leider nicht versprechen, dass ich so schnell wieder zum Schreiben komme. Bleibt mir trotzdem treu. Irgendwann geht’s weiter. 

Fotos: Cora und Paule: © G.H.
          Pit, Luke, Jack, Amy und Pferde: Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson und Polly: Terrierhausen


© Max: Papageiengeschichten

Freitag, 23. Dezember 2016

Weihnachten 2016

Liebe Freunde, liebe Menschen, liebe Leser, liebe alle ...

... lasst es euch gut gehen, seid nett zueinander, verderbt euch nicht den Magen, verheddert euch nicht im Lametta und räumt schön ordentlich hinter euch auf, wenn ihr die Geschenke ausgepackt habt. Wir kriegen das schon hin, nicht?

Euer Max (mit Mia, den Matschfaltern und der Putze)

P.S. Dreistöckige Matchboxgaragen nehme ich gern auch außerhalb der offiziellen Lieferzeiten entgegen. Klingelt einfach dreimal.

Foto: Pixabay

Mittwoch, 14. Dezember 2016

I'm so sorry

Jawoll. Ich schäme mich vor Scham. Vor langen Wochen hatte ich versprochen, euch meinen Reisebericht aus New York zu liefern - damit ihr im Bilde seid, was wir alles erlebt haben und wie aufregend diese Stadt ist. Natürlich hatte ich mich sofort hingesetzt und zu schreiben begonnen, auch die Fotos sind entwickelt und hübsch zurecht gemacht. Ankündigungen muss man schließlich einhalten.



Doch dann passierte das Unfassbare: Die Putze hat mich vom PC gejagt und das gilt noch heute. Sie wird bald woanders unsere Körner und unser Taschengeld verdienen gehen und das macht sie derart konfus und ungeschmeidig, dass alles durcheinander gerät. 

Ich kann euch sagen, furchtbar, wie kurz vor der Evakuierung geht es hier zu. Abends sitzt sie vor der Lampe und näht Namensschildchen in all ihre Taschen, Jacken und Schals. Tagsüber werden Bohnen und Marmeladen eingekocht und Waggonladungen von Sauerkraut angesetzt. Sonst käme sie später nicht mehr dazu, heißt es. Und da demnächst auch keine Zeit mehr bliebe zum Großreinemachen, müssen wir alle mit anpacken und das Sofa wegrücken, den Kleiderschrank feucht auswischen und die Fenster putzen. 

Meine Aufgabe ist es, mit einer Pudelmütze über dem Kopf hinter die Heizkörper zu gucken und dabei die Wollmäuse aufzulesen. Die bleiben am Bommel hängen. Die Mia muss die Gewürzdöschen putzen und neu etikettieren, nur der Roosevelt und der Otis brauchen nichts zu tun, weil sie zu klein und zu blöd sind. Vorsichtshalber habe ich sie trotzdem in der Nachttischschublade eingesperrt, damit sie nicht im Weg rumhängen. 

Ich nehme an, es geht auf die Undankbarkeit dieser beiden Matschfalter zurück, dass kurz darauf das Passwort für meinen PC-Account gehackt war. Nun kam ich nach Feierabend gar nicht mehr an meine Seiten. Ich meine, die Zeit war sowieso schon knapp genug durch die viele Schufterei im Haushalt, und die Putze hat mich nie zwischendurch abhauen lassen, auch nicht um meiner Reportagepflicht euch gegenüber willen, deshalb war es doppelt ärgerlich, dass die beiden Gummifliegen mich obendrein so schöde von jeglicher schriftstellerischen Aktivität abgeschnitten haben. Glaubt mir, ich habe die Flügel gerungen, gefleht und wüste Beschimpfungen ausgestoßen - nichts. Kein Erbarmen. Der PC blieb unerreichbar. Immer wenn ich mich neu angemeldet hatte, war am nächsten Morgen mein Passwort wieder weg - leider auch, nachdem ich den Roosevelt und den Otis drei volle Tage und Nächte im Nachtschrank eingesperrt hatte. Gegen solche diabolischen Energien komme ich nicht an. Dafür ist meine Kraft zu gering.


Na, jedenfalls wisst ihr jetzt, warum der Reisebericht noch immer nicht fertig ist. Ich hoffe auf euer Verständnis und auf eure Geduld. Es ist nun mal nicht einfach, mit 'ner aufgescheuchten Else, zwei dämlichen Fledermäusen und 'ner albernen Disco-Henne den Wohnraum zu teilen. Das bringt selbst den stärkten Grizzly an seine Grenzen. Hach, und dann naht auch noch Weihnachten! Das Fest der Liebe, des Friedens und der vielen freien Zeit. Dass ich nicht lache. Freie Zeit ist hier gar nicht. Alles nur Augenwischerei.

Also dann. Jetzt wisst ihr Bescheid. Irgendwann werde ich sicher die Oberhohheit über unsern PC zurückerobert haben. Dann werde ich auch den Reisebricht einstellen können. Ich habe ihn nicht vergessen, ich bin nur ganz, ganz dolle verhindert. 

Fotos: Cora: © G.H.
          Pit: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: © Terrierhausen
          Stadtbild: Pixabay

© Max: Papageiengeschichten

Montag, 12. Dezember 2016

Der Spruch des Tages (160)


Das wollte ich klarstellen, bevor sich zum Jahresende die Spekulatius und Zimtsterne wieder zurückziehen.

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Mittwoch, 7. Dezember 2016

Der Spruch des Tages (159)

Jetzt zur Weihnachtszeit muss unbedingt darüber gesprochen werden:


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Mittwoch, 30. November 2016

Der Spruch des Tages (158)


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Montag, 21. November 2016

Der Spruch des Tages (157)


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Donnerstag, 17. November 2016

Der Spruch des Tages (156)


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Freitag, 11. November 2016

Der Spruch des Tages (155)


Die Mia

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Dienstag, 8. November 2016

Der Spruch des Tages (154)


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Mittwoch, 2. November 2016

Der Spruch des Tages (153)


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Freitag, 28. Oktober 2016

Der Spruch des Tages (152)


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Montag, 24. Oktober 2016

Der Spruch des Tages (151)


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Freitag, 21. Oktober 2016

Der Spruch des Tages (150)


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Montag, 17. Oktober 2016

Der Spruch des Tages (149)


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Donnerstag, 13. Oktober 2016

Der Spruch des Tages (148)


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Mittwoch, 12. Oktober 2016

Der Spruch des Tages (147)


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Montag, 10. Oktober 2016

Der Spruch des Tages (146)


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Freitag, 7. Oktober 2016

Der Spruch des Tages (145)


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Samstag, 1. Oktober 2016

Guckt mal, was ich gemacht habe



Falls man's nicht genau erkennt: Es ist ein Verband. Er befindet sich auf dem Unterarm der Putze.

Nun bin ich ja nicht der Typ, der mit seinen Heldentaten protzt. Außerdem bin ich der Meinung, dass gewisse private und geradezu intime Angelegenheiten nicht in die Öffentlichkeit gehören, schon gar nicht mit Fotos und Namensnennung. Hier sollte man Diskretion walten lassen, schließlich bleibt heutzutage mit den modernen Staubsaugern unter jedem Teppich noch genug Platz übrig, um das eine oder andere drunterzukehren. 


Leider aber lebe ich mit der Putze zusammen und die hat andere Vorstellungen. Um es genau zu sagen: Sie hat mich gezwungen, hier einen detaillierten Tatsachenbericht einzustellen. Er soll als Warnung dienen für all jene Besucher, die vielleicht durch Zufall oder mit Absicht hier vorbeikommen und denken, wir Amazonen seien Kuscheltiere.

Eins vorneweg: Wir sind tolle, faszinierende Wesen, und wer sich für ein Leben mit uns entscheidet, der wird reich belohnt werden – sofern er weiß, worauf er sich einlässt.

Aber leider gibt es noch immer viele Stereotypen und Vorurteile, was uns und unsere Haltung betrifft. Um zu verstehen, was letztens bei uns zu Hause geschehen ist und worauf ich hinaus will, halte ich es für nützlich, ein paar grundsätzliche Dinge vorauszuschicken:

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1. Wir leben NICHT in einem runden Käfig (die Optik macht uns ballaballa).

2. Unser Käfig steht NICHT frei im Raum (wir sind Fluchttiere und wollen uns nicht rund um die Uhr nach allen Seiten verteidigen müssen).

3. Wir leben NICHT in einem Käfig, der ungleich größer ist als wir selbst (oder wohnt einer von euch im Gästeklo?).

4. Wir sind Schwarmtiere und brauchen Artgenossen – mindestens einen Partner oder einen guten Freund.

5. Wir haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten – wir mögen nicht automatisch jede andere Amazone oder jeden Menschen; das kann schon mal ein Familienmitglied zum Feind degradieren, obwohl er nichts Schlimmes getan hat.

6. Aber all jene Menschen, die wir mögen und mit denen wir zusammenleben, gehören zu unserm Schwarm und wir sind gern mit ihnen zusammen.

7. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir alles mit ihnen teilen – manche von uns lassen sich gern streicheln oder steigen auf die Hand, andere wollen das nicht.

8. Auch wenn wir meist friedlich und freundlich sind, bleiben unsere Instinkte erhalten.

9. Zur Balz- und Brutzeit, wenn unsere Hormone das Regiment übernehmen, können wir meist nicht mehr klar denken, sondern machen das, was die Natur von uns verlangt – es ist gut möglich, dass wir dann unsere Menschen als Störenfriede betrachten und angreifen.

10. Zur Aufgabe eines Amazonenhahnes gehört es in diesen Zeiten z.B., seine Frau (und später seine Brut) zu verteidigen – wer einen Vergleich möchte, der erinnere sich bitte an wild gewordene männliche Schwäne auf dem Teich; auch sie tun nichts anderes, als ihre Familie zu schützen.

11. Auch wenn die heiße Phase der Hormonproduktion abgeklungen ist und wir wieder friedlich sind, haben wir Amazonenhähne oft ein ganzjähriges Interesse, die Familienhirarchie zu korrigieren – denn bei der Wohnungshaltung sollte der Mensch das Oberhaupt sein, doch wir Hähne sind nun mal Männer und daher der Meinung, dass der Posten des Schwarmchefs nur uns gebührt.

12. Deshalb ist mit gewissen Testattacken immer zu rechnen, wenn sie auch meist harmloser Natur sind – richtig zugebissen wurde bei uns bisher nie, allenfalls gekniffen, leicht gehackt, mit den Füßen voran der Putze ins Gesicht gesprungen oder mit viel Tamtam Eindruck geschunden; trotzdem bleibt es eine unerlaubte Grenzüberschreitung eines Untertans und muss geahndet werden.

13. Handaufzuchten sind Vögel, die nicht von ihren Eltern aufgezogen wurden, sondern vom Züchter – dazu nimmt er die Küken aus dem Nest, füttert sie mit der Spritze und prägt sie so auf den Menschen.

14. Wir halten Handaufzuchten, sofern sie ohne Not vorgenommen werden, für eine Vergewaltigung – zwar sind solche Jungvögel in der Regel süß und schmusig und somit attraktiv für potentielle Käufer, doch wenn sich mit der Geschlechtsreife die Instinkte durchsetzen, hat der Vogel keine artgerechten Verhaltensweisen gelernt, die er anwenden könnte, um Situationen angemessen zu händeln.

15. Handaufzuchten haben meist keine natürliche Hemmschwelle vor Menschen und von daher kaum Skrupel zuzubeißen, wo andere Artgenossen (wie die Mia) lieber noch mal eine Runde fliegen und allenfalls eine Scheinattacke starten.

16. Ich, der Max, ich bin eine Handaufzucht. 

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So, das war eine lange Vorrede. Jetzt kommen wir zu den Ereignissen.

Vor einem Monat etwa habe ich die Putze angegriffen. Ich saß auf meiner Schaukel, sie am Computer und schrieb da was. Als sie sich runterbeugte, bin ich gestartet – geradewegs auf ihren Nacken zu. Ich weiß nicht mehr, ob ich da reinbeißen oder mich nur mal umschauen wollte, jedenfalls hat die Putze in einer instinktiven Abwehrreaktion den Arm hochgerissen. Das fand wiederum ich nicht so toll und plötzlich saß ich zusammen mit dem Arm auf der Tischplatte und hatte meinen Schnabel tief ins Fleisch gehauen. Ich meine richtig tief. Böse tief. So tief, dass wir Amazonen nicht loslassen, wenn wir schon mal so weit vorgedrungen sind. Die Putze hat mich am Hals gepackt und geschrien: „Lass los!“ Die Zange saß allerdings ordentlich fest.

Gleich darauf wurde ich eingekerkert. Die Putze war fassungslos. Das wäre das erste Mal, dass ich ohne erkennbaren Grund angegriffen hätte, hat sie gemeint. Und noch nie wäre sie so zugerichtet worden. Das wäre fies gewesen und vor allem absolut unnötig. Es gäbe nichts zu verteidigen und einfach wegzufliegen, ohne zuzubeißen, wäre auch eine Option gewesen.
Dann wurde der Medizinschrank durchsucht. Eine Binde fand ihren Weg auf den Arm, um das Blut zu stoppen. Es war aber nicht die von oben auf dem Foto, sondern eine andere.

Ich finde, wenn man es freundlich ausdrücken will, kann man mein Werk durchaus als „Skin art“ bezeichnen, denn sooooo übel sieht das doch nicht aus, was ich da gemacht habe, oder?


Okay, es war alles geschwollen und heilte auch nicht so spektakulär kreativ, wie es zum Zeitpunkt der Herstellung ausschaute. Es dauerte Wochen, bis sich eine gewisse Glätte einstellte, und (hö hö) es werden mit Sicherheit Narben zurückbleiben.

So weit, so gut. Bis hierhin kann jeder. Jetzt aber kommt's.

Nach etwa vier Wochen war alles ganz gut abgeheilt – bis auf eine komische Quaddel an der Stelle, wo einst mein Oberschnabel gesessen hatte. Diese Quaddel hatte sich sozusagen als nachträgliche Gabe eingestellt, war plötzlich entstanden und einfach da. Sie tat nicht weh, nichts puckerte darin, sie sah nur total bescheuert aus (nein, ich zeig sie euch hier nicht!), doch weil die Putze in solchen Dingen eher pragmatisch ist als eitel, hat sie sich nicht weiter drum gekümmert.

Neulich nun sagte jemand zu ihr, das mache aber einen ziemlich unheimlichen Eindruck, das könne doch so nicht richtig sein, ob sie nicht mal einen Arzt fragen wolle? Also ist die Putze, als sie am Nachmittag auf dem Weg zum Einkaufen an der Praxis ihres Hausarztes vorbeikam, schnell  nach oben gelaufen, um sich einen Termin geben zu lassen. Och, das wäre nicht nötig, hat man ihr dort gesagt, sie könne gleich dableiben und im Wartezimmer Platz nehmen. Gut.

Dann kam die Ärztin. Sie sprach von einem Abszess. Der sitze allerdings so tief unten, dass sie ihm mit den Mitteln, die sie dort als Internisten zur Verfügung hätten, nicht beikommen könnten. Die Putze wurde an die Chirurgie überwiesen. Dort am Telefon meinte man, ja ja, die Patientin könne gleich vorbeikommen. Also ist die Putze in den Bus gestiegen und direkt von der einen Praxis zur andern gefahren.

Wie gesagt, sie hatte eigentlich nur Tomaten einholen wollen – aber eine halbe Stunde später lag sie  auf der Pritsche und wurde zur OP fertig gemacht.

Wirklich wahr, es war eine richtige Operation, zwar ambulant, aber mit allem Drumherum, was dazugehört: desinfizieren ohne Ende, Mundschutz, Haarhaube, örtliche Betäubung.

Und was war das Ergebnis? Es wurde ein Stück Schnabel in der Wunde gefunden. Das Schnabelstück stammte von mir.

Doch es war nicht, wie man denken könnte, die Spitze meines Zinkens abgebrochen (das hätte die Putze bemerkt, wenn dort was gefehlt hätte), sondern es war von der Seite ein Stück abgeblättert, und weil Schnäbel immer aus mehreren Schichten bestehen, ist ihr das nicht weiter aufgefallen. 


Man sieht daran, mit welcher Wucht und Tiefe ich damals zugebissen hatte – so heftig und tief, dass dabei was vom Schnabel abgesprungen und im Arm steckengeblieben ist.

Seitdem musste die Putze jeden Tag zum Chirurgen zum Verbandswechsel (von Tetanus war obendrein die Rede). Inzwischen darf sie das allein zu Hause machen, und es sind auch nur noch diese dicken Pflaster wie oben auf dem Bild, mit denen sie sich weiterhin den Unterarm dekorieren darf. Ich für meine Person bin wieder friedlich und gucke mir alles gemütlich aus der Ferne an.

Wozu dieses ganze Brimborium? Es war nur ein bisschen beißen, es war nur ein bisschen Schnabel.

Okay, ich streiche die beiden letzten Sätze. Ich will es nicht mit der Putze verderben. Schließlich hat sie mich wieder rausgelassen aus dem Kerker, und dafür muss man dankbar sein. 

© Max: Papageiengeschichten

Mittwoch, 28. September 2016

Der Spruch des Tages (144)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Mittwoch, 21. September 2016

Der Spruch des Tages (143)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Montag, 19. September 2016

Der Spruch des Tages (142)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Freitag, 9. September 2016

Demnächst in diesem Kino

Wie ihr wisst, waren wir in den Sommerferien verreist. Wir, das sind der Pit, der Karlsson, die Cora, die Mia und ich. Karlssons Papa hat bezahlt.

Wir waren hier:


Hat es jemand erkannt? Die Holsteinische Schweiz? Hessen? Münsterland?

Nein, ganz falsch. Um hierhin zu kommen, muss man in ein Flugzeug steigen oder auf ein Schiff. Genau genommen handelt es sich um den ländlichen Part jenes Bundesstaates, den wir besucht haben, und dazu gibt es selbstverständlich eine Hauptstadt, und die heißt Albany. Doch dort waren wir nicht, sondern in der größten Stadt dieses Bundesstaates, und das ist die hier: 

..........

Natürlich hatten wir uns vor der Reise eingehend erkundigt, wie man sich als Tourist zu verhalten hat:

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Danach waren wir gut vorbereitet und konnten unser Abenteuer beginnen.

Es grüßen bis zur Berichterstattung:


Im Auftrag
Euer Max
(Chefreporter)

Fotos: Cora: © G.H.
          Pit: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: © Terrierhausen
          New York Landschaft, New York Silhouette: Pixabay
          Videos: © Buzzfeed (YouTube)

© Max: Papageiengeschichten

Sonntag, 4. September 2016

Watt next ...?

Liebe Leser,

ihr wisst, dass der Blog hier für seinen seriösen Reisejournalismus bekannt ist. Wir fahren irgendwohin und ich schreibe anschließend darüber. Damit sind wir bisher gut gefahren … äh, ich meine, das hat bisher gut geklappt.


Nun ist es ja so, dass wir gerade den Bericht unserer Bahamas-Reise hinter uns haben. Die Kreuzfahrt selbst hatten wir im Frühjahr unternommen. Das ist mittlerweile auch schon wieder ein halbes Jahr her. Dazwischen war genug Zeit, um erneut zu verreisen (ich sage nur … Sommerferien). Jene, die dabei waren, wissen davon. Diesmal ging es nicht in die klebrige Sonne, nicht auf ein Schiff und auch nicht an einen Strand mit seinem nervtötenden Wellengeschwappe. Dass ich auch von dieser Reise erzählen werde, versteht sich von selbst, die Frage ist nur, wie und wann. 

Und jetzt kommt ihr ins Spiel, meine lieben Leser.

Ihr sollt mir nämlich sagen, wie ich den neuen Reisebericht publizieren soll. Es stehen zwei Möglichkeiten zur Wahl:
  1. Ich schreibe erst mal alles zusammen, bis der Bericht komplett fertig ist, und präsentiere euch dann jede Woche eine Folge (wie damals mit Paris). Oder:
  2. Ich schreibe in unregelmäßigen Etappen, so wie ich gerade Zeit habe, und stelle die Folge dann hier ein, so wie es sich ergibt.
Was fändet ihr besser?

Mit der ersten Version käme zwangsläufig erst mal lange Zeit gar nichts für euch zum Lesen, aber dann alles schön regelmäßig hintereinander bis zum Schluss. 

Bei der zweiten Version könnte ich nicht vorhersagen, wie groß die zeitlichen Lücken in der Berichterstattung sein werden, jedoch wäre zu erwarten, dass die Berichte ausführlicher gerieten. Das läge an der Muße, die mir für jede Folge bliebe. (Und nein, „sich verlabern“ möchte ich in diesem Zusammenhang nicht als den korrekten Begriff anerkennen. Da kann die Mia noch so unken und die Augen verdrehen.)

Also, schreibt mir bitte in die Kommentare, was ihr dazu meint.

Hochachtungsvoll
euer Chefredakteur




 Fotos: Schreibmaschine, Zeitung, Papier, Mikrofon: Pixabay
© Max: Papageiengeschichten
 

Dienstag, 30. August 2016

La isla bonita (10. Teil)

Unser Leben hatte erheblich an Komfort gewonnen, seit wir wieder die „Princess Graziella“  betreten hatten. Die Mia und die Cora sind gleich am Bordkiosk einkaufen gegangen, um den Verlust an Sonnenmilch, Nachtcreme, Nagellack und Pickelstift auszugleichen. Die Bordfunkerin/Zweite Servierkraft unterhielt dort einen kleinen Stand, der auf Anfrage besucht werden konnte. Mit allerlei Tüten kamen sie zurück.
„Na, hatten sie dort auch Pilzführer?“, habe ich mich erkundigt.
An Bikinis und Badeanzügen zum Sonnenbaden waren die Damen durch Zweit- und Drittgarnituren ja Gott sei Dank noch gut versorgt.

Mia
Außerdem wurden Termine bei der Kosmetikerin vereinbart, denn die Schnäbel, die durch das ständige Gehacke in die Kokosnüsse doch recht gelitten hatten, bedurften professioneller Behandlung. Leichte Deformierungen waren zu beklagen.
„Hach, man kann sich ja gar mehr nicht unter die Leute trauen“, hat die Mia geschnattert.
Später lag sie mit der Cora auf der Behandlungspritsche, einen nassen Lappen überm Gesicht, so dass nur der Schnabel rausguckte, während die Pflegetante ihr mit der Feile an der Gurke herumhobelte, bis die Spitze wieder korrekt mittig nach Süden zeigte. Die Cora kriegte zusätzlich eine Kurpackung für strapazierte, stumpfe Federn. Wie 'ne Teigrolle im Küchentuch lag sie festgewickelt auf 'nem Alutablett und starrte an die Decke. Durchs Schlüsselloch habe ich alles beobachten können.

Unterdessen hatte sich der Karlsson für das Gemeinwohl verdient gemacht. Er hatte sich um die Verpflegung gekümmert. Lange war er in der Küche gewesen, um mit dem Chefkoch die Menüs der restlichen Tage zu besprechen. Da wir die einzigen Gäste waren, stand unsern Wünschen nichts im Wege. Seitdem gab es morgens ein englisches Frühstück mit reichlich gebratenem Speck, Eiern und Toastbrot – „Die Bohnen können Sie weglassen“ – oder alternativ Baguettes mit Salami oder kalten, halb aufgeschnitten Frikadellen vom Vortag, schön mit Majo und Ketchup bestrichen. Mittags und abends wurden Fleischgerichte serviert, manchmal auch Wurst. Fisch hatte sich der Karlsson verbeten, ebenso allzu viel Grünzeug und jegliche Zubereitung mit Kokosflocken oder -milch.

Unsere Aufbaukost: schmackhaft und abwechslungsreich

Der Pit war irritiert. Zwar tat er immer schön mitmampfen bei der attraktiven Speisefolge und meist saß er wie gehabt als Erster am Essenstisch, doch man sah ihm an, dass ihm etwas nicht geheuer war. Immer wieder schaute er heimlich in die Runde, als hätte er noch nie Kreuzfahrtgäste beim Dinieren  gesehen.
„Ist was?“, hat die Mia gefragt und sich sie Krallen abgeleckt.
Ihr tropften Fettperlen ins Dekolletee. 

Pit
Besonders der Karlsson schien suspekt. Und damit war sicherlich nicht gemeint, dass er neuerdings selbstbewusst Nachschlag forderte, statt wie früher höflich zu warten, bis man ihm etwas zuteilte.
„Das habe ich so gelernt“, hatte er früher gesagt, jetzt dröhnte sein „Mademoiselle?!“ durch den Salon, noch bevor der letzte Fleischhappen den Weg von der Servierplatte auf seinen Teller gefunden hatte.

Gleich am zweiten Tag hat mich der Pit beiseite genommen.
„Du, Max?“, hat er geflüstert. „Sag mal … der Karlsson, war der gestern nicht irgendwie dicker?“
„Dicker?“, habe ich zurückgefragt.
„Ja, dicker. Ich weiß, das klingt blöd, aber er kommt mir so eingefallen vor im Gesicht und so schmal um die Hüften. Dabei sehen seine Beine irgendwie … muskulöser aus.“
„Nee“, habe ich gesagt, „das kann nicht sein, das kommt dir nur so vor. Und von was sollten seine Beine denn Muskeln gekriegt haben? Das sind nur seine Locken. Der muss zum Frisör.“
„Es sieht aber so aus. Als hätte er Sport gemacht.“
„Sport? Was fürn Sport?“
„Na, Kickboxen zum Beispiel. Oder Hanteln stemmen. Oder Schwimmen. Marathon.“
„Ach, Quatsch“, habe ich ihn beruhigt. „Du hast Delirium von der vielen Sonne und dem Geschaukele vom Schiff. Am Karlsson ist nichts anders. Der ist so wie immer. Und mein Schnabel ist auch nicht gesplittert. Der ist auch so wie immer.“

Luke
Später ist er zum Luke gelaufen. Dort hat er sich die nächste Irritation geholt. Der Luke lag ausgestreckt auf einem Kissen unter dem Sonnenschirm, neben sich einen dänischen Krimi, Sonnenbrille, Orangensaft und Salzstangen, und hat nicht mal das Handtuch vom Gesicht genommen, sondern lediglich ein lapidares „Carpe diem!“ hervorgebrummt. Das war bemerkenswert, denn mit dem Müsli und Salat futternden, Vitaminpülverchen schluckenden Öko-Kater vom Reisebeginn hatte das nur noch wenig zu tun. Bei den Wurst- und Fleischgaben zu den Mahlzeiten griff er nun ebenso beherzt zu wie alle andern (sogar zum Frühstück), und das Fitnessprogramm im Gymnastikraum hatte er gänzlich eingestellt zugunsten einer konsequenten Liegetherapie, bei der es darauf ankam, sich möglichst wenig zu bewegen.

„Geht's dir gut?“, hat der Pit gefragt.
Er stand vorm Luke wie das Rotkäppchen vorm Wolf in Großmutters Bett.
„Bestens“, hat die Antwort gelautet. „Pit, mein Lieber, da du gerade da bist, könntest du mir bitte mal das Handtuch gerade ziehen? Es wirft Falten und darauf liegt es sich so unbequem."

Den Mädels ist der Pit mit Inselausflügen gekommen. Man werde bestimmt bald wieder irgendwo halten und da könne man doch gemeinsam einen schönen Tag am Strand verbringen, so mit baden, aufs Meer gucken, Sandburgen bauen und so. Na, wie wär's?
„Näää! Keine Lust!“
Die Mia und die Cora hockten am Swimmingpool (der noch von der Ludmilla und der Tamara übrig war), natürlich schön im Schatten, mit einem Maracuja-Cranberry-Milchshake in Reichweite und einem Flügel halb im Wasser. Das wurde als erfrischend empfunden – solange es sich nicht um Salzwasser handelte.

„Die sind alle verrückt geworden“, hat der Pit sich beklagt.
„Du auch, Max“, hat er hinzugefügt, als ich ihm nicht antworten wollte.
Ich lag mit dem Karlsson unterm dritten Sonnenschirm. Wir hatten fest geschlafen. Dabei wird man nicht gern gestört.

Nachmittags haben wir uns stets eine kleine Erfrischung kommen lassen, 'n bisschen was Süßes oder Obst, denn Vitamine sind ja wichtig.

Von den Trauben mochte ich die Kerne am liebsten

Am Abend nach dem Dinner wurde an Deck noch ein wenig beisammengesessen. Beim Schein des Windlichts haben wir Karten gespielt, Halma oder Domino, so wie wir es früher schon gemacht hatten. Oder wir haben einfach nur den frischen Wind genossen und die Gewissheit, dass man nicht mehr dauernd auf den Horizont starren musste, um nichts zu verpassen. Das Schiff hat weiter seinen Kurs um die Inseln und Atolle genommen, genau wie im Programm vorgesehen, allerdings inzwischen ohne Landgänge, denn die hatten wir abbestellt.
„Ihr seid echt nicht mehr zu retten“, hat der Pit gemeint.

Die reizende Landschaft hat niemand beachtet

Im gleichen Maße, wie wir an einer wellnessbetonten Freizeitgestaltung interessiert waren – und das auch gnadenlos durchzogen –, fing der Pit leider an, sich zu langweilen. Zunächst hatte das niemand beachtet, doch als er überall herumzufummeln begann auf der Suche nach Sinn und Ziel, kriegte ich rote Ampeln ins Gehirn. Oft war er unten beim Personal, hockte in der Küche, ließ sich den Maschinenraum erklären, half beim Erstellen der Magazinlisten und tüterte sogar an den Tauen herum.
„Ich lerne jetzt Seemannsknoten“, hat er beim Mittagessen verkündet.
Wenig später konnte er auf dem Vorderdeck besichtigt werden, wie er die Reklamefähnchen einer einheimischen Margarinefirma in den Vorderpfoten hielt und damit herumfuchtelte in Richtung Meer.
„Soll das das Fahnenalphabet sein?“, hat sich der Luke gewundert.
Die Cora hatte Bedenken:
„Hoffentlich kommt kein Schiff vorbei. Wer weiß, was er denen da zuwedelt: „Guten Tag, Sie Arschgesicht“ oder „Hilfe! Wir brauchen 50 Tonnen Backpflaumen“ oder irgend so was Beklopptes.“

Der Pit: Nanu, es bimmelt ja, wenn man den Klöppel bewegt

Mir bereiteten die unbeaufsichtigten Erkundungsgänge am meisten Sorge. Nicht dass wir plötzlich rückwärts segeln täten oder womöglich kenterten und in die Rettungsboote müssten. Darauf hatte ich jetzt am wenigstens Bock.
„Du hast ja keine Ahnung“, habe ich dem Karlsson geantwortet, als er mich beschwichtigen wollte. „Der hat schon mal 'n ganzes Schloss in Schutt und Asche gepopelt. Der kennt da nix.“
Daraufhin hat der Karlsson geseufzt, hat „Lass mich mal machen“ gesagt und ist unter Deck verschwunden. 

Karlsson
Am Nachmittag haben wir irgendwo angelegt. Jemand von der Mannschaft ist zu uns an den Sonnenschirm gekommen.
„Ihre Bestellung ist da, Mister Karlsson“, hat es geheißen.
Bestellung? Was für 'ne Bestellung?
„Ich habe mir erlaubt, uns 'n bisschen Spaß kommen lassen“, hat der Karlsson gesagt. „Extra aus Nassau. Damit wir mal auf andere Gedanken kommen – und nur für uns Jungs!“

Jo, und dann lag da 'n Boot am Anleger, aber nicht so eins für Handbetrieb (das wäre ja noch schöner gewesen), sondern ein sogenanntes Speedboat, eins für Wassersport, für Angeberei und Adrenalin.
„Na, ist das nichts?“, hat der Karlsson geprotzt.
Der Luke hat aber nur neutral geguckt, ich habe auch nichts gesagt, lediglich der Pit war aus dem Häuschen.
„Das ist ja der Hammer!“, hat er gerufen.

Ein gewisser William von den Bahamas hat am Lenkrad gestanden. Der war gleich mitgemietet. Er sollte uns ein paar Runden durch die Bucht fahren. Wir sind ins Boot gesprungen. Gut, warum also nicht ein bisschen durch die Landschaft schippern? Wenn's dem Pit Freude machen täte und solange wir nicht selbst für Bewegung sorgen müssten – meinetwegen.

Kein Ort für Spaghettisoße und offene Weine

Die andern drei haben auf dem Boden hinter unserm Chauffeur Platz genommen, ich saß auf dem Armaturenbrett neben dem Lenkrad.
„Alles klar?“, hat der William gefragt. „Bitte festhalten, wir geben Gas.“
Danach weiß ich nur noch, dass eine riesige Pranke von vorn auf mich zukam. Ich bin rückwärts geflogen, fast raketenartig abgezischt. Zum Ausbreiten der Flügel hatte ich keine Zeit gehabt. Das ging eine ganze Weile so. Als ich mich wieder orientieren konnte, war das Boot weg und unter mir nur Wasser. 

Ich
Ich meine, ich als Vogel bin fliegen gewohnt und man hat ja auch seine Kenntnisse und Fähigkeiten, aber das hier – nee! Man setzt einen doch nicht einfach auf dem offenen Meer aus. Das ist ja unerhört.

Gott sei Dank ist mir noch rechtzeitig eingefallen, mit den Flügeln zu schlagen, sonst wäre ich glatt abgestürzt. Später ist das Boot dann zurückgekommen. Es fuhr jetzt bedeutend langsamer. Ich konnte unfallfrei wieder zusteigen. Allerdings habe ich mich gewundert, wo die anderen waren. Der William hat nur wortlos mit seinem Daumen über die Schulter gezeigt. Und tatsächlich, dort waren die drei, zur Mauer aufgeschichtet, flach an die Rückwand geklatscht. Man musste schon genau hinschauen, um zu bemerken, dass es sich um einen Hund und zwei Kater handelte. Bewegt haben sie sich nicht, gesagt auch nichts. Leicht hätte man sie mit einem Stapel achtlos abgelegter Bettvorleger verwechseln können.

„Na, Jungs? Wie war's?“, hat die Mia gefragt, als wir wieder an Bord kamen.
„Männlich-schnell, was?“, hat die Cora gekichert.
Seitdem hatte der Luke Ohrenschmerzen, dem Pit drückte 'n Pfeifton aufs Trommelfell, mir fehlten sieben Schwanz- sowie sechs Schwungfedern, und der Karlsson hatte Rücken, weil er den Aufprall vom Pit und vom Luke abgekriegt hatte, kurz nachdem er selbst gegen die Rückwand gedonnert war. Irgendwie hatte ich die Schnauze voll vom Wassersport. Und vom Segeln. Und vom Meer. Und vom Sonnenschein und all dem lieblichen Feriengedöns, das einem nach einer gewissen Zeit gehörig auf den Zeiger gehen kann.
„Ich würde jetzt gern bei uns zu Haus an der Terrassentür liegen und nach draußen gucken, wie der Sturm die Apfelbäume schüttelt“, hat der Karlsson gesagt.
„Ja, ich müsste auch mal nach dem Rechten sehen“, fand der Luke. „Hoffentlich läuft alles gut mit dem Geschäft.“
Der Mia hatten sich inzwischen sogar unakzeptable Hindernisse in den Weg gestellt:
„Die haben hier nur Enthaarungscreme, von der ich Pickel kriege.“

An Nassau und den Bahamas sind wir auf dem Rückweg nur vorbeigefahren. Es ging direkt nach Miami. Dort war unsere Schiffsreise zu Ende.

Miami

Wir haben uns einzeln per Handschlag von der Mannschaft verabschiedet.
„Du musst denen 'n Trinkgeld geben“, habe ich der Cora zugeflüstert.
„Wieso ich?“ hat sie gemeckert.
„Weil das deine Reise war. Schon vergessen?“

Vom Schiffsanleger sind wir mit dem Taxi direkt zum Flughafen gefahren. Wir mussten noch ein wenig warten, bis unser Flug ging, aber vom Terminal aufs Rollfeld zu gucken war ja auch mal ganz schön. Dort schaukelte es wenigstens nicht.

Hübsch, in Miami die Fahrt zum Flieger, aber jetzt dort liegen? Nee!

Die Cora hat der Tante Gisela im Duty Free eine Flasche Parfüm gekauft („It's never too late“ von Isolde Beutelmann.)
„Das ist besser als Pralinen und mit irgendwas muss ich mich ja bei ihr bedanken.“
Das stimmt. Die Kreuzfahrt zu spendieren ist sehr nobel gewesen. Dass dann einiges – sagen wir mal – unteroptimal gelaufen ist, dafür konnte sie nichts. Wir hatten jedenfalls Geld gespart. Wer weiß, wofür wir das noch brauchen täten.
„Jetzt bin ich aber pleite“, hat die Cora geseufzt.

Cora
Vom Rückflug gibt es nichts Interessantes zu berichten. Im Bordkino lief der „Fluch der Karibik“ und zu essen gab es Scholle mit Feldsalat und Kokoskuchen zum Nachtisch. In Frankfurt haben wir uns von der Cora verabschiedet. Sie ist mit dem Zug nach Duisburg weitergefahren.
„Tschüs dann, war super“, haben wir ihr nachgerufen.
„Ja, bis zum nächsten Mal. Bleibt frisch und sauber.“
In Hannover sind die Mia und ich ausgestiegen, der Luke, der Pit und der Karlsson sind bis Hamburg weitergefahren.

Soviel ich weiß, hat sich niemand unserer Menschen beschwert, dass er uns in einer Form zurückbekommen hätte, die ihnen nicht gefallen täte. Im Gegenteil, wir sähen so wunderbar erholt aus, hat es überall geheißen („Der Pit, so 'nen entspannten Zug um die Nase“). 

Und der Karlsson, na, der hätte wohl ordentlich zugelegt an den Hüften, was? Tja, es war wie mit Majestix bei Asterix und Obelix: Der hatte auf dem Rückweg von seiner Kur dieselben gastronomischen Stationen besucht wie auf dem Hinweg. Das hatte sehr zur Genesung beigetragen. Und Muskeln bilden sich auch schnell wieder zurück, wenn man sie nicht trainiert.

Ende.

Fotos: Cora: © G.H.
          Pit und Luke: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: © Terrierhausen

          Landschaft, Schiff mit Glocke, Speedboat,  Miami 1, Miami 2, Taue: Pixabay
          Bratwurst, Bockwurst, Kotelett 1, Kotelett 2, Hackbällchen, Grillfleisch, Braten, Fleischteller: Pixabay
          Früchte, Törtchen 1, Törtchen 2, Törtchen mit Obst: Pixabay

© Max: Papageiengeschichten