Sonntag, 21. März 2021

Wir sind furchtlos und brauchen das Geld (Teil 2)

Als wir uns zum zweiten Durchgang anstellen mussten, war es wenigstens schon taghell in Wohnzimmer. Deswegen hat einem auch keine grelle Lampe mehr ins Gesicht geschienen, als die Kosmetiktante unsere Federn beziehungsweise unser Fell stumpf puderte, und dass beim Knipsen vor der Leinwand nicht ständig ein Blitzlichtgewitter losprasselte, sondern jetzt ohne Blitz fotografiert wurde (bei Scheinwerferlicht natürlich), empfand ich als sehr angenehm. Trotzdem wurden wir herumgescheucht wie Sklaven: Guck nach oben! Den Kopf ein Stück nach rechts! Nach links! Geradeaus! Augen nicht so starr! Weicher! Noch weicher!  Mund zu! Mund auf! Läääächeln!

Kameras mögen grün

 
Ständig musste man sich bewegen, neue Positionen einnehmen und immer neu dabei schauen. Das war ein elendes Gehampele und Grimassenschneiden. Bei Profifotos knipst man ja tausend Stück nahtlos hintereinander, gewissermaßen auf gut Glück, in der Hoffnung, dass hinterher ein paar brauchbare Aufnahmen dabei sind. Irgendwann wusste ich gar nicht mehr, wie ich noch gucken sollte. Ganz anders die Mia: Die hat sich da verrenkt, als ginge es um ein Aerobic-Video, oder sagen wir besser um eine Mischung aus Aerobic und Schlafzimmerfotos. Dauernd ist sie mit ihrem Hintern auf dem Schemel herumgerutscht. Sogar die Beine hat sie in die Luft geworfen und einen Schmollmund gemacht mit ihrem Schnabel. Der Fotograf war wohl Kummer gewöhnt, denn er hat die Mia nicht darauf hingewiesen, dass sie nur einen braunen Cordhut präsentieren soll, sondern er hat sie über den grünen Klee gelobt, wie toll sie das mache, und jaaa, weiter so, sie sei echt talentiert. Darüber war sie sie so begeistert, dass sie ganz vergaß, sich  - wie beim ersten Durchgang - über die Hutauswahl zu beschweren. Noch eineinhalb Stunden vorher war sie nämlich der Meinung gewesen, dass der Hut ihr nicht stehe und dass die andern viel besser dabei wegkämen. Jetzt lautete ihr Credo:
„Ein echtes Model kann alles tragen.“

Andere haben sich von den Kommandos überhaupt nicht beeindrucken lassen. Der Pit zum Beispiel. Der hat immer nur seine beiden Gesichtsausdrücke hintereinander abgespult, egal wie sehr der Fotograf gelockt und motiviert hat. Ansonsten saß er stocksteif auf dem Schemel und bewegte sich keinen Zentimeter. Das Gleiche hat der Karlsson gemacht, allerdings in der entgegengesetzten Richtung. Während der Pit absolut nicht zum Lächeln zu bewegen war, hat er konstant die Zunge raushängen lassen und gestrahlt, gestrahlt, gestrahlt. Irgendwann hat der Fotograf aufgegeben und ist selbst mit der Kamera um den Karlsson herumgelaufen, statt ihn zu neuen Posen aufzufordern.

Die meisten von uns haben es aber ganz gut hingekriegt, das rechte Maß von Bewegung und Stillhalten. Auch so branchenfremde Leute wie die Polly haben brav gelächelt, wenn sie darum gebeten wurden.
„Macht's Spaß?“, hat sich die Cora fürsorglich erkundigt, da Pollys Interessen ja sonst etwas anders gelagert sind.
„Ist ganz interessant“, kam als gelangweilte Antwort.

Soeben hatte man ihr weißes Krümelzeugs auf die Schnauze geklebt, damit es aussah wie Schneeflocken, dazu noch Wetgel, um das winterliche Feeling komplett zu machen, so als hätte sie mit der Schnauze im Schnee gebuddelt. Mal gerade, dass die Polly nicht nach der Hand der Kosmetikerin geschnappt hat, so sauer hat sie dreingeschaut. Ich dagegen hätte gern mit ihr getauscht, denn auch für die zweite Runde bekam ich das stinkende Puder ins Gesicht gepuschelt. Das hat vielleicht in der Nase gekitzelt, nicht zum Aushalten! Und dann hat mich die Cora angemacht, ich soll in die Flügelbeuge niesen wegen der AHA-Regel, die blöde Henne. Sie selbst ist die ganze Zeit um den Fotografen herumgeschwänzelt, obwohl sie noch gar nicht dran war. Sie hat sich alles abgeguckt, was er machte. Stand da mit rausgestrecktem Hintern und den Flügeln auf dem Rücken und hat geglotzt. Bestimmt dachte sie, dass sie daheim mit diesem ungefragten Praktikum eine ebenso gute Fotografin werden könne.

Dabei hat sie ihren Einsatz verpasst. Denn als es hieß, sie soll vor die Leinwand kommen und sich auf den Schemel stellen, war ihr Hut weg. Genau genommen war es eine Krone gewesen, so ähnlich wie die von der Amy beim ersten Mal. Sie hatte auf dem Ständer neben der Couch gehangen. Die Cora war sehr stolz gewesen, dass man sie für dieses edle Teil ausgewählt hatte (und nicht die Polly, die Amy oder die Mia). Alles war jetzt am Suchen. Ein irrsinnig hektischer Trubel war von Null auf jetzt losgebrochen. Keine Zeit! Keine Zeit! Es musste weitergehen. Herrgott, wo war diese dämliche Krone? Der Fotograf schnauzte jetzt jeden an: Was für 'n Saftladen! Disziplin! Disziplin! Disziplin! Schließlich holte jemand eine flache Mütze aus dem Requisitenkoffer und warf sie wie eine Frisbee-Scheibe quer durchs Wohnzimmer. Sie landete direkt vor dem Schemel. Ohne Umschweife wurde sie der Cora auf dem Kopf gesetzt. Ich finde, in Anbetracht ihrer Enttäuschung ist Coras Modelfoto doch noch ganz hübsch geworden. Die Krone fand sich übrigens später im Vorgarten hinter der Hecke wieder. Keine Ahnung, wer sie dort hingebracht hatte. Derjenige muss aber einen verantwortungsvollen Sinn für die AHA-Regel haben, denn es heißt doch + L, nicht wahr? L steht für Lüften und gelüftet war die Krone jetzt ausreichend, ha ha ha.

 


Zwischendurch, wenn sie gerade nicht an der Reihe waren, haben der Luke und die Amy die Kaffeetassen abgeräumt und die leeren Brötchenteller in die Küche getragen. Im gleichen Zug kam der Pit mit dem Servierwagen angerollt und brachte Nachschub. Jetzt ging es um einen Vormittagsimbiss mit kalten Würstchen, Käsebroten, Paprikastreifen und frischem Orangensaft. Man konnte dem Luke ansehen, dass er mit dieser Bewirtung nicht ganz einverstanden war. Ihn quälten Bedenken, dass wir später nach Abzug der Crew nicht genug Zeit haben würden, um alles picobello aufzuräumen, bevor Tante Susanne und Lisa von der Arbeit zurück wären. Doch der Pit meinte nur, keine Bange, das kriegten wir schon hin. Außerdem hatte er den kleinen Jack in die Küche gestellt. Er musste das Geschirr in die Spülmaschine sortieren und anschließend wieder ausräumen. Als ich mal gucken ging, was der Pit noch so an Fressalien vorrätig hielt (keine Trüffel?), hat der Lütte zu mir gesagt:
„Nächstes Mal komme ich mit auf die Reise; das habe ich mir verdient.“

Rasch habe ich die Küchentür zugeknallt und mir mit der Kralle die Ohren ausgeputzt. Schlechtes Ohrkino wird man so schlecht los. Leider konnte ich weder die Polly noch die Cora oder die Mia oder den Karlsson dazu bewegen, Jacks Küchenjob zu übernehmen, um blödsinnigen Ansprüchen von Anfang an die Basis zu entziehen. Auch der Pit zeigte sich uneinsichtig:
„Lass den Lütten in Ruh. Wir haben lange mit ihm gearbeitet. Er hört jetzt gut.“

Na, prima, ich hatte getan, was in meiner Macht stand. Und die Mia hatte noch immer nicht verraten, wie viel Geld  uns das Shooting einbringen würde. Wir sollten ihr vertrauen, hieß es, und schön weitermodeln. Das haben wir gemacht – im dritten Durchgang. Davon mehr im nächsten Post.

Fotos: 
           Cora: © G. H. 
           Pit, Luke, Jack und Amy: © Club der glücklichen Vierbeiner
           Karlsson und Polly: © Terrierhausen 
           
           Kamera: Pixabay
           ALLE Kopfbedeckungen: AlLes: Pixabay

© Max: Papageiengeschichten

Samstag, 13. März 2021

Wir sind furchtlos und brauchen das Geld (Teil 1)

Wir werden berühmt!

Mit dem Verreisen klappt es ja noch nicht so gut in diesem Jahr, aber der kluge Tourist sorgt vor. Geld für die Reisekasse braucht man immer, und nachdem wir im Harz bekanntlich einem Sklavenkommando anheimgefallen und wegen Geldmangel nicht hatten entkommen können, wollen wir diesmal finanziell vorsorgen, damit so was nicht noch mal passiert. Immer auf die Kreditkarte von Karlssons Papa zu spekulieren, ist ja auch kein Zustand, und dem Luke mit seinem ach so spendablen Portemonnaie möchte ich liebend gern mal einen vor den Latz knallen. Man fühlt sich immer so verpflichtet, wenn er die Flugkarten auf den Tisch legt. Nein danke sagen und sich schnöde umdrehen und weggehen, das wär's. Natürlich haben haben wir ja noch sein Reisegeschenk zum Mount Everest vor uns, und das werden wir selbstverständlich noch in Anspruch nehmen, doch danach möchte ich unsere finanzielle Unabhängigkeit ausleben. Die Frage ist bloß, woher das viele Geld nehmen.

Manchmal hat die Mia ganz gute Ideen. Sie liest ja alle Weiberzeitschriften rauf und runter, allen voran die „Tussi“, dann natürlich den Klassiker „Fell, Federn, Schwarte – der heiße Flirttreff“, dann die „Bona“, „Happy Chick“, „Cosmetic Queen“, „Make your day“, „Beautiful Nail Polish“ und die „Luxury“. Ich weiß das so genau, weil die Putze unsere Voliere damit auslegt, und dann kann man das beim Einschlafen von oben sehen. In einer dieser Lappen stand neulich eine Anzeige. Die hat mir die Mia gezeigt. Gesucht wurden Models zum Fotografieren von Kopfbedeckungen.

„Ja und?“, habe ich gefragt.
„Da machen wir mit. Das wird gut bezahlt.“ 
Ich weiß nicht … ich als Model für Hüte?
„Doch, gerade du! Die suchen außergewöhnliche Köpfe, steht extra hier drin. Du mit deinem Holzschädel wirst der absolute Hit sein, glaub's mir.“

Dann ist die Mia zum Telefon gerannt und hat die Cora mit der Neuigkeit bejubelt. Aus dem Smartphone kam ein dumpfer Laut, der sich anhörte wie ein heiseres Wildschwein, dass „Hipp, hipp, hurra!“ schrie. Man beachte, dass sich die Mia diesmal nicht mit stundenlangem Schnattern aufhielt, sondern nur knapp „Dann machen wir's so“ sagte und sofort eine Mail an die Anzeige aufsetzte. Um die Antwort nicht zu verpassen, nahm die Mia das Smartphone sogar mit aufs Klo. Irgendwann bimmelte es tatsächlich. Es war aber nur die Cora, die wissen wollte, ob sie vor dem Fototermin zum Frisör gehen soll. Die Frisöre hätten ja Gott sei dank wieder geöffnet, nur müsse sie sich rechtzeitig einen Termin reservieren lassen.

Zu diesem Zeitpunkt war ich noch der Meinung, dass es sich um eine reine Schnapsidee handelte. Ich verspürte nicht die geringste Lust, meinen Kopf in eine Kamera zu halten, mit Hut schon gar nicht.

Doch dann kam alles anders. Ich hörte, wie die Mia am Telefon sagte:

„Ich kann mindestens 10 Models stellen … ja … verbindlich … selbstverständlich … wegen der Location sage ich Ihnen noch Bescheid … ja, genau … zu diesem Preis … für sechs Stunden … schicken Sie mir bitte den Vertrag zur Unterschrift.“ 
„Bist du bekloppt?“, habe ich gefragt.
„Keineswegs“, hat die Mia gemeint, „Entspann dich. Das wird uns einen Haufen Geld einbringen, und eine Menge Fun wird’s auch geben.“ 
 
„Fun“ hatte sie gesagt und „Lookäischn“. Merkt ihr was? Hier war Östrogen am Werk. 
 
Die Mia ließ nicht locker. Energisch hat sie auf ihrem Smartphone herumgetippt. Offenbar war die Amy am andern Ende.
„Gib mir mal den Pit!“, hieß es ohne Umschweife.
Anschließend wurde ich Zeuge, wie die Mia sich erkundigte, ob bei denen in Schleswig-Holstein die Möglichkeit bestehe, unbemerkt von den dort wohnenden Menschen eine Foto-Crew mit Requisiten aufs Grundstück zu schleusen, um für sechs Stunden eine Foto-Sässchn zu veranstalten. Als Honorar winke ein Haufen leicht verdiente Kohle für unsere Reisekasse.

Erst hatte ich gedacht, der Pit würde die Mia mit tausend Fragen auslaugen wie ein Vampir sein Opfer oder gleich den Hörer auflegen, aber falsch – ihm gefiel der Vorschlag. Sein Haus als Hintergrund für Modefotos – joo, das hätte was. Und natürlich sei es klug, dabei die Menschen außen vor zu lassen, sonst würden sie einem bloß vor den Füßen herumstehen. Wenn man zeitig genug am Tag beginne, müsste es reichen, bevor Tante Susanne und Lisa von der Arbeit zurückkämen. 

„Gut.“

Die Mia war zufrieden. Ort, Tag und Uhrzeit wurden der Agentur übermittelt. Kurz darauf hatte sie auch die restliche Runde abtelefoniert. Ich hörte sie Befehle bellen:
„Karlsson, wasch dir die Locken! Und bring die Polly mit!“
„Cora, es klappt! Ja, der Paule kann nicht schaden, nimm ihn mit!“
„Amy, räum die Bude auf! Stell Salzstangen hin!“
„Luke, du wirst großartig aussehen mit Zylinder! Ich freue mich schon auf die Fotos.“
„Jack, diesmal darfst auch du mitmachen! Putz dir die Zähne, wir machen Hutbilder!“
 
Mir rauschte es nur so in den Ohren, wie das flutschte. Im Nu hatte die Mia alles organisiert. Von niemandem kam ein Widerspruch, das hat mich am meisten gewundert. Später habe ich heimlich den Karlsson und den Pit angerufen. Das interessierte mich, warum die beiden gestandenen Kerle sich plötzlich von so albernem Schickimicki-Fotogedöns beeindrucken ließen.
„Wieso?“, hat der Karlsson gesagt. „Was sollte ich dagegen haben, wenn jemand meinen Charakterkopf fotografieren will und auch noch Geld dafür zahlt?“

Na, mit dem Charakterkopf hatte mich die Mia schon viel früher ködern wollen, doch ich bin nicht darauf reingefallen. Sollte der Karlsson tatsächlich die Sache nicht durchschauen? Das stank doch geradezu nach weiblicher Naivität. Bestimmt würden wir uns dort ausziehen müssen, um nackt Gummistiefel zu präsentieren oder Cocktailgurken oder 13er Maulschlüssel.

„Ist mir egal, mach ich auch“, hat der Karlsson nur lakonisch gemeint. „An mir ist alles sexy.“
 
Auch der Pit wollte meine Vorbehalte nicht verstehen.
„Was du immer hast; wir können das Geld gut gebrauchen. Du bist ja nur sauer, weil die Idee nicht von dir ist, stimmt's? Wenn uns die Fotoheinis dumm kommen sollten, schmeißen wir sie einfach raus.“
So simpel war das also. Aus Protest habe ich mir trotzdem nicht die Federn gewaschen, als wir zwei Wochen später nach Schleswig-Holstein fuhren. Mir kam das alles immer noch sehr windig vor.

Der Pit hatte uns gebeten, dass wir uns alle früh morgens zu einem bestimmten Zug treffen sollten, damit uns das Taxi alle zusammen einsammeln und zum Haus bringen könne. Es war noch dunkel. Kein Wunder, denn wir waren um vier Uhr morgens aufgestanden. Als wir in Hamburg zur S-Bahn, unserem Treffpunkt, kamen, warteten die Cora und der Paule schon auf einer Bank. Nähere Begrüßung zwischen der Mia und der Cora mit dem obligatorischen gegenseitigen Rennen in die geöffneten Flügel musste wegen der Abstandsregeln diesmal ausfallen. Selbstverständlich trugen wir alle Masken. Ich nickte dem Paule vorschriftsmäßig zu. 

In aller Herrgotts Kälte
 

„Frisch hier“, hauchte er und quetschte seine Flügel tiefer unter seine Silberschärpe vom 2. Platz beim Karaoke-Singen.

Die Cora zeigte der Mia, wie wunderbar flauschig und duftend ihre Federn von dem neuen Shampoo geworden waren. Es roch aufdringlich nach Apfel, Zimt und Rosenblätter. Sie sei ja so wahnsinnig gespannt auf die Foto-Crew, meinte sie, denn von den Profis könne sie bestimmt eine Menge lernen, was sie dann später bei ihren eigenen Fotos anwenden könne.
„Wo werden unsere Fotos eigentlich veröffentlicht?“
Ja, das würde ich auch gern mal wissen, aber die Mia hatte keine Antwort darauf. Die Cora sollte lieber mal aufpassen, dass sie mit ihrem Parfüm nicht den Fotografen in Ohnmacht versetzte. Solche Künstler sind ja oftmals sehr empfindlich, habe ich zu bedenken gegeben.
„Blödmann!“, wurde ich angefaucht.
Der Paule hat gelacht.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis endlich auch der Karlsson und die Polly eintrafen. Sie kamen mit Rucksack und Bart-Simpson-Maske gemächlich angefedert. Ich hatte in der Zwischenzeit einen kompletten Nachtmarsch auf der Stelle absolviert, um die Füße warm zu halten.

„Wo bleibt ihr denn so lange?“, hat die Mia gemeckert.
In der Tat – die kürzeste Anfahrt, aber als Letzte kommen.
„Ich hatte den Beutel mit dem Diät-Müsli zu Hause vergessen; wir mussten noch mal zurück.“
Wie … der Karlsson war jetzt endgültig unter die Körnerjünger gegangen? Das konnte ich kaum glauben.
„Quatsch! Müsli heißt natürlich Rindfleisch, Schweinefleisch, Putenfleisch und Pansen, schön gewürfelt.“
Ach so, der arme Kerl muss ja Diät halten, seit er Niere hat.

Die Polly wurde von der Cora gefragt, ob sie sich auch so doll freue auf den Model-Job?

„Es geht so“, kam als Antwort. „Ich bin nur hier, weil ich auch mal wieder mit will, wenn ihr demnächst wegfahrt.“
Um nicht alles noch schwerer zu machen, hatte ich beschlossen, diesen Einwand aus meinem Gehirn zu streichen. Er hatte nie stattgefunden und die Polly würde in Zukunft nie mehr unsere Reisegruppe bereichern wollen – basta!

Weiter ging's mit der S-Bahn. Es war noch immer stockdunkel. Was konnte man auch anderes erwarten von Anfang März? Als wir ausstiegen in der Provinz, wurde wir gleich von einem Taxi in Empfang genommen, so wie es der Pit organisiert hatte. Allmählich begann es zu dämmern. Auch deswegen durften wir nicht direkt vor der Haustür aussteigen, sondern mussten das letzte Stück zu Fuß zurücklegen. An der Hecke fing uns die Amy ab.

„Pst – hier!“, hat sie gerufen.
Fast hätte ich sie übersehen, nur an ihren weißen Flecken konnte man sie erkennen.
Wir mussten uns ducken (auch wir Vögel, denn besser sei besser) und wurden ein Stück zur Seite geführt. Die Hecke gab uns noch immer Schutz, und das war auch gut so, denn von dort konnten wir beobachten, wie an der Haustür das Licht anging. Tante Susanne kam heraus und ging zum Auto. Wir warteten, bis sie vom Hof gefahren war und wir die Rücklichter nicht mehr sehen konnten.
„Lisa ist auch schon weg“, hat die Amy gesagt.

Jetzt ging alles ganz schnell. Ein Van fuhr vor, allerlei Leute stiegen aus, trugen Lampen und Koffer und gerollte Leinwände ins Haus. Wir standen ein wenig ratlos auf dem Bürgersteig herum.

„Kommt doch rein“, hat die Amy schließlich gesagt.
Das muss die Mia daran erinnert haben, dass sie ja gewissermaßen die Chefin von dem Ganzen hier war. Eilenden Schritts stampfte sie über die Türschwelle und schrie:
„Hier bin ich – wer ist der Fotograf?“

Eigentlich hätte ich mich erst mal ordentlich aufwärmen wollen, einen schönen Kakao trinken oder so was, doch die Crew war ruckzuck fertig mit dem Aufbau und wollte keine Zeit verlieren. Nicht mal richtig begrüßen hatte ich die andern können. Na ja, wir mussten ja auch Abstand halten. Ich sah nur den Luke hinten an der Tür stehen. Er beobachtete alles mit dem Pokerface des Geschäftsmannes, der gewohnt ist, keine Emotionen zu zeigen, selbst dann nicht, wenn fremde Schuhe Dreck auf den Teppich latschten und man später zusehen müsste, wie man das schnell genug wieder weg kriegt, bevor die Damen des Hauses zurückkehren. Die Amy hatte in der Tat ganz gut aufgeräumt, keine Schnarchkissen lagen herum, allerdings fehlten die Salzstangen. Die Möbel waren von der Crew zusammengeschoben worden. In der Wohnzimmermitte war eine Art Studio mit einer Leinwand entstanden, auf die große Strahler helle Kegel warfen. Der kleine Jack saß mit blanken Augen davor. Seine Schlappohren wippten vor Aufregung. Ich wette, seine Tätigkeit als very important Mitarbeiter in Lukes Business war nicht halb so aufregend wie das hier.

„Hallo, Pit“, habe ich gerufen, als was Rotgeringeltes einen Servierwagen hereinschob.

Immerhin, er hatte Chips, Hackfleischbällchen, Käsebrötchen und Kannen mit Kaffee und Tee zusammengestellt. Wahrscheinlich war ihm der Ruf als guter Gastgeber wichtig. Einer der Lampenhalter hat sich gleich eine Tasse eingeschenkt. Zum Nachahmen blieb aber keine Zeit, denn jetzt stützten sich ein paar Frauen auf uns. Ich wurde hochgehoben und auf eine Platte gestellt. Nebenan wurde die Polly abgeführt, um sie ebenfalls einer kosmetischen Nachbesserung zuzuführen. Das hatte ich im Augenwinkel beobachten können. Jemand puschelte mir mit einer stinkenden Puderquaste im Gesicht herum. Dann wurde es eng auf dem Kopf, weil man mir allerlei Hüte und Mützen aufsetzte – und wieder absetzte, weil man offenbar mit dem Ergebnis nicht zufrieden war. Zwischen den Niesanfällen habe ich sehen können, wie bereits der Luke mit einer Art Militärmütze auf dem Scheitel vor die Leinwand geschoben wurde und gleich darauf ein Blitzlichtgewitter durch den Raum zuckte.
„Ja, gut so“, hat der Fotograf gerufen. „Nach links schauen … und jetzt den Che-Guevara-Blick … prima … ja … wunderbar … du bist ein echtes Talent … weiter so.“

Na ja, um ehrlich zu sein, den Luke habe ich nicht einmal lächeln sehen während der ganzen Aktion. Doch offenbar war das auch gar nicht gewünscht. Mit manchen Kopfbedeckungen musste man nämlich ernst gucken, um den Typus stilecht rüberzubringen. Der Luke kriegte das echt gut hin, das muss man ihm lassen. Auch der Pit blieb konsequent ernst. Die Mia war sauer, weil sie, wie sie meinte, nur „so doofe“ Hüte abkriegte, während die Amy entzückt war über die schicke Krone, die sie im ersten Durchgang tragen durfte.

Okay, der erste Durchgang war ja für uns alle noch neu. Später wurde es dann richtig anstrengend. Wir mussten uns alle sehr konzentrieren. Model sein ist ein echter Knochenjob, das könnt ihr uns glauben. Nur dem Karlsson blieb die gute Laune bis zum Schluss erhalten. Er lachte und strahlte mit hängender Zunge, als gäbe es einen Orden zu gewinnen. Manchmal kam mir der Verdacht, dass er heimlich ein privates Extra-Honorar ausgehandelt hatte, denn anders konnte ich mir seine aufgeräumte Fügsamkeit nicht erklären. Doch davon und wie es mit uns andern weiterging, berichte ich im zweiten Teil.

Hier seht ihr schon mal die besten Fotos aus dem ersten Durchgang. Nicht schlecht, was? Der charismatische Zylinderkopf in der ersten Reihe, das bin übrigens ich. 

 

 
Fotos: Cora: © G. H.
           Pit, Luke, Jack und Amy: © Club der glücklichen Vierbeiner
           Karlsson und Polly: © Terrierhausen 

          Fotostudio, Bahnsteig: Pixabay
          ALLE Kopfbedeckungen: AlLes: Pixabay

© Max: Papageiengeschichten