Mittwoch, 30. März 2011

Smilla

Ich stehe ja sonst nicht so auf Hunde. Hinten quirlen sie Wind in die Atmosphäre und vorne schnorcheln sie einen feucht ab. Bei den meisten holt man sich ‘ne Genickstarre wegen hochgucken müssen, aber wenn man dann mal sagt: „Flieg mal ‘ne Runde“, bleiben sie sackartig am Boden kleben. Außerdem bin ich Vegetarier. Meine Bemühungen, diesbezüglich ein wenig Aufklärung zu leisten, enden jedes Mal in einem schnippischen: „Sieht man – du kannst ja noch nicht mal ‘nem Kaninchen nachrennen.“ Oder sie mampfen einem voller Demonstration Knochen vor oder machen Quiz nach dem Motto: „Ich pupse jetzt mal und du rätst, ob ich Pansen gefuttert habe.“

Nee, diese Chappi-Wölfe sind ‘ne Welt für sich. Ihnen fehlt das Leichte des Segelflugs und der fröhlich aufklatschenden Kleckse. Während wir Vögel uns gern mit Holz- und Papierarbeiten beschäftigen und dabei unsern Homo-Sapiens-Mitbewohnern  bei der Gestaltung von Türrahmen und Tapeten zur Seite stehen, bevorzugen Hunde Tiefbauarbeiten und ziehen sich nicht selten großen Ärger oder wenigstens Unverständnis zu. Wie schnell ist nach der Buddelei im Beet das Eigenheim zusammengeklappt!

Trotzdem teilen wir ein gemeinsames Schicksal: Wir sind alles Tiere, die mit Menschen zusammenleben. Dadurch sind wir alle in der Karitas tätig, ob wir nun zwei oder vier Beine haben oder Fell, Schwarte oder Federn tragen. Wir sind verantwortlich für unsere Menschen, müssen auf sie aufpassen, sie fordern, ihnen Streicheleinheiten und Lebenssinn spenden, sie trösten, aufmuntern und bei Laune halten. Das ist ein 24-Stunden-Job für Profis. Aber nicht jeder Kollege kann damit umgehen, sollte unsere Aufopferung  – was leider oft geschieht – mit Renitenz beantwortet werden. Man sieht schließlich genug Menschen ganze Kühlschränke plündern, statt uns das schädliche Zeug zu überlassen; wir würden es schon angemessen vernichten. Auch dient das Vollkacken des Sofas (Vogel) bzw. das Okkupieren der Sitzfläche (Hund) allein der Gesundheit unserer Zweibeiner, damit sie vom Fernseher wegbleiben und sich stattdessen sinnvolle Bewegung verschaffen beim Putzen oder Aufräumen. Vielen Menschen fehlt es aber an Einsicht. Da heißt es standhaft bleiben und unsere gottgegebene Aufgabe demütig annehmen.

Nun ist es ja so, dass die meisten von uns ihre Menschen daheim betreuen. Allerdings gibt es Kollegen, deren Aufgaben weit über das Übliche hinausreichen. Sie gehen neben der herkömmlichen therapeutischen Arbeit einem auswärtigen Beruf nach. Eines dieser tapferen Geschöpfe möchte ich euch vorstellen.  Sie heißt Smilla. Sie wohnt in Hamburg und hat ein Frauchen und ein Herrchen.

Das ist sie.

Sieht sie nicht aus wie eine Prinzessin? Auf diesem Bild erkennt man es nicht so gut, weil sie liegt, aber die Smilla ist hinten länglich. Ich glaube, wegen Unkenntnis denken viele, ihre Vorfahren hätten sich nicht einig werden können beim Design und daher von allem ein bisschen was dazugebastelt: ein wenig Dackel, ein wenig Corgi, Pinscherfell und die Schnauze von einem Mini-Schäferhund. Dabei ist die Smilla british born, jawohl. Alles ist Absicht und nennt sich Lancashire Heeler. Mir gefällt besonders ihr glänzendes Fell und dass ich unterm Bauch durchkriechen könnte, wenn ich das wollte. Hochstelzige Leute sind nicht so mein Fall.
 
Lancashire liegt in England, England liegt in Great Britain, Great Britain ist eine Insel und um Insel herum ist Wasser. Vielleicht ist das der Grund, warum die Smilla in jede Feuchtigkeitsansammlung hopsen muss. Ihr Frauchen macht sich das zunutze – und da wären wir auch schon bei Smillas beschwerlichem Alltag.


Das hier ist noch harmlos. Frauchen backt rasend gern Plätzchen, ist sich aber unsicher über Geschmack und Konsistenz. Die Smilla muss kosten. Oft schäumt ihr danach der Magen, der Appetit ist verdorben und die Krümel kratzen am Rachenzäpfchen. Mir ist aber nicht bekannt, dass sich die Smilla jemals darüber beklagt hätte. Sie ist ein braves Mädchen.


Wochentags  geht’s ins Büro. Smilla begleitet ihr Frauchen. Sie passt auf, dass sie die Handschuhe dabei hat, den richtigen Bus nimmt und auf dem Weg von der Haltestelle zum Gebäude nicht etwa ins Café oder zum Kinderspielplatz  abbiegt. Ihr Frauchen davon zu überzeugen, dass ein bisschen auswärtige Beschäftigung ihr gut täte, statt daheim den ganzen Tag Kekse zu backen, war, glaube ich, nicht ganz einfach. Aber die Smilla hat sich durchgesetzt. Nur muss sie halt immer anwesend bleiben, um mit sanfter Führung Selbstvertrauen und Eigenständigkeit zu fördern. Ich kenne das von meiner Mama. Sie ist auch so furchtbar unselbstständig. Wenn ich nicht dauernd ein Auge darauf hätte, würde sie glatt mit den Vitaminbrausetabletten das Dampfbügeleisen entkalken und das Zitruspulver in die Teetasse schütten. Nur besitze ich nicht so einen schönen Firmenausweis. Da kann jeder gleich sehen, dass die Smilla im Dienst ist.


Wer nun denkt, in der Mittagspause täte sich die Smilla ausruhen können, der irrt. Mitnichten. Dann ist nämlich Freigang dran. Frauchen muss soziale Kontakte pflegen. Das will geübt sein. Die Smilla führt sie in den Park zu andern Menschen, die auch alle so betreut dort herumstehen. Angestrebt wird Frischluft mit leichter Konversation.


Bleibt noch Zeit übrig für die Aufarbeitung spezieller Defizite, so trainiert die Smilla gern das Über-die Brücke-Gehen. Frauchen hat nämlich Angst davor. Da heißt es beharrlich bleiben. Frauchen wird so lange gerufen und gelockt, bis sie einmal fehlerfrei über die Bohlen taumelt. Zur Belohnung darf sie sich einen Kaffee am Kiosk holen.


Die Smilla kontrolliert dann das Wechselgeld.



Wieder im Büro, muss die Smilla manchmal zu Besprechungen. Gern lässt sie das Frauchen zwar nicht allein, aber sie ist im Betriebsrat und da muss man eben hin und wieder mit andern beisammensitzen. Gemeinsam wird geraten, was man im Betrieb besser machen könnte, einen Frolic-Spender aufstellen zum Beispiel oder statt Freitagsarbeit eine obligatorische Nachtwanderung einführen. Über ihre großen Erfolge schweigt die Smilla. Ich mag es, wenn man nicht protzt.


Die Smilla redet ungern darüber, aber ich weiß es trotzdem:  Sie macht noch einen Nebenjob. Ihr Frauchen soll sich schließlich auch mal ‘nen schönen Schal extra gönnen oder zum Frisör gehen können. Daher ist die Smilla beim FBI, macht also Schnüffeldienste. Ich habe sie gefragt, ob es nicht doof wäre, den Leuten so dick auf die Augen zu drücken, was man tut – under cover ginge doch anders? Da hat sie geantwortet:
„Ach was. Die Menschen kriegen das nicht mit. Die denken, FBI wäre die Abkürzung von Futter-Bring-Imbiss.“
Wenn sie der Smilla Bestellzettel für Pizza in die Schnauze drücken wollen, tut sie einfach so, als täte sie es nicht bemerken. Das ist eine geniale Taktik. Ich bin auch oft sehr taub. Menschen müssen auch mal Lösungen allein finden. Wenn man ihnen alles abnimmt, kommen sie nie zu Potte.

Nach Dienstschluss geht‘s dann erst richtig los. Dann müssen diverse Reha-Programme und Freizeitbeschäftigungen absolviert werden. Nicht immer klappt alles wie schon hundert Mal geübt. Smilla hat gut zu tun:


Frauchens Pottmonet suchen.


Frauchen den Wink-Eumel nachtragen (sie soll damit Konditions- und Stretchübungen machen, schmeißt ihn aber immer weg, wenn sie denkt, die Smilla täte es nicht sehen). 


Frauchens Hausschlüssel zurückholen, der ihr ständig beim Armwedeln aus der Hand rutscht. Da, der Kreis über der Smilla, das ist die Plumpswelle.


Frauchens Einkauf bewachen (im Supermarkt gab‘s Riesen-Radieschen vom Ural im Sonderangebot – Anlieferung inklusive).



Schwimmunterricht geben (Sommer).


Frauchen heimleuchten (Winter).


Bei der Post helfen.



Motten vertreiben.



Und schließlich zum Abschluss des Tages noch eine Runde Mensch-ärgere-dich-nicht spielen. Falls jemand jetzt einwenden sollte, dass auf dem Spielfeld mehr Knöppe stehen müssten – ja, das stimmt. Dieses Spiel hier ist vereinfacht, damit Frauchen frühzeitig ins Bett kommt. Die Smilla möchte ja auch mal ihre Ruhe haben.


Wenn die Menschen endlich in den Federn liegen, zieht sich Smilla auf die Fensterbank zurück und beginnt ihren Nachtdienst: das Haus bewachen,  Einbrecher fernhalten und streunende Marder aufschreiben, die keinen Pupsbeutel dabeihaben.

Ist es nicht Wahnsinn, was dieses zarte Mädel alles leistet? Und dabei ist sie fast nie schlecht gelaunt. Sie erträgt alles so tapfer. Jede noch so schwere Aufgabe. Stumm mit einem stillen Lächeln. Wie schaffst du das, Smilla?

Echt, ich habe das wirklich gern wissen wollen. Die meisten, die ich kenne, schnarchen ja gern mal zwischendurch. Die Smilla hat aber nur einen Zwinker-Smiley geschickt und dann vom Wetter geredet. Am nächsten Tag kriegte ich noch ‘ne Mail. Darin stand nur ein Satz:

„Ich nehme Dope - in Kerstins Plätzchen ist Liebe drin.“

© Max: Papageiengeschichten  
© Fotos: Smilla the Heeler

Sonntag, 27. März 2011

Post aus Ticataca-Balla-Land

Gestern lag eine Ansichtskarte im Briefkasten. Sie steckte zwischen ‘nem Werbeprospekt mit räkelnden Putenschnitzeln drauf und Mias Monatsabo von „Fell – Federn – Schwarte. Der heiße Flirttreff“. Die Karte tat grell leuchten. Erst dachte ich, der Coco hätte geschrieben von dort, wo er jetzt lebt, wegen zeigen von schönem Fensterblick, damit wir uns keine Sorgen machen, aber dann habe ich gesehen, dass die Karte an die Mia adressiert war. Weil die Mia aber so unkommunistisch ist, wenn’s um Privates geht, nehme ich an, würde sie uns nie und nimmer daran teilhaben lassen. Deswegen übernehme ich das für sie. Ich verrate euch, was auf der Karte steht und von wem sie ist.

Ihr kennt doch noch diesen weißen Mützenheini aus Australien? Er war über Weihnachten bei uns zu Besuch. Offiziell tat das unter Schüleraustausch laufen, in Wahrheit hat er sich nur die Wampe vollgefuttert. Die leere Tüte mit den Erdnusswürmern wehte jedenfalls aufm Balkon zwischen den Winterstrünken im Blumenkasten. Das haben die beknackten Dachtauben als Aufforderung missverstanden und ihren eigenen Müll gleich hinterhergeschmissen. Der ganze Balkon lag voll mit Kaugummipapier, leeren Caprisonne-Tüten, Coffee-to-go-Bechern und Dönerpapier. Und wer musste alles zusammenkehren? Ich! Anschließend hat mich die Mama sogar noch abgebraust, weil ich Knofigeruch unter den Füßen hatte und Ketchup am Bauch. Den bekloppten Sidney deswegen aus dem Klofenster schubsen durfte ich aber nicht, weil die Mama meinte, zu Besuch täte man immer nett sein müssen, besonders wenn er aus einer andern Kultur käme und vielleicht nicht immer wüsste, wie man es bei uns handhabt.

Allerdings. Der Sidney ist anders. Besonders am Kulturellen. In seinem Kulturbeutel hatte er Deo-Spray „Oschn Wju“ und ‘n Foto von ‘nem Emu. Vermutlich seine Oma. Wo wir hier surfen täten, hat er wissen wollen, und ob ich schon mal von ‘nem Hai in die Hacke gebissen worden wäre.
„Aufm Ententeich“, habe ich beantwortetet und: „Nein, ich war schneller.“

Und dann wie er schlafen tat. Das müsst ihr euch angucken. Zum Abkacken. Die Voli ist unsere, das fahle Houdini-Gebammel mit gelbem Nackengewedele, das ist der Sidney.



Kann man so einen ernst nehmen? Auf meinen Matchboxautos ist er ausgerutscht und mit dem Schwanz hat er mein Biene-Maja-Puzzle durcheinander gerührt. Ich war froh, dass er endlich weg war. Soll er daheim Beutelhoppler zählen oder mit unreifen Kiwis nach Pelikanen schmeißen oder was man halt so tut, wenn man ausm Busch kommt. Was schert’s mich?

Aber dann plötzlich war diese Karte da. Von vorn sieht sie so aus:


B. Cortes/Visipix.com

Hinten drauf steht:

Liebe Mia,
 
ich möchte mich noch einmal für die wundervolle Zeit bei euch bedanken. Es war so schön! Inzwischen bin ich wieder in der Schule. Wir haben bald Osterferien. Möchtest du mich nicht besuchen kommen? Die Landschaft vorne auf der Karte gehört uns. Mein Papa besitzt eine Ferienanlage, eine Fluggesellschaft und mehrere Boutiquen. Du könntest natürlich alles kostenlos nutzen. Bitte grüß deine liebe Mama herzlich von mir und den Roosevelt und den Otis. Ich hoffe, die dicke grüne Töffelbirne ist inzwischen gut in ihre Anstalt zurückgekehrt.
 
Dein Sidney.

Was sagt man dazu? Mich tut er mit keinem Wort erwähnen. Ich finde so ein Verhalten ohne Verzeihung. Unhöflich und ohne Dank. Ich glaube, die Mia findet Australien genauso doof wie ich. Strand auch. Für lau ebenfalls. Und Boutiquen erst recht. Deshalb liegt die Karte jetzt in Mamas Fotobuch „Planierraupen und historische U-Boote“. Weil die Mia ja so gern darin liest, wird sie die Karte bestimmt bald finden.  

© Max: Papageiengeschichten

Freitag, 18. März 2011

Dreck - Mensch - Wohlbefinden

Wie ihr wisst, leben wir mit einer Menschenfrau zusammen. Menschenfrauen sind anders als wir. Sie lieben aufräumen und putzen. Das muss man wissen, um sie bei Laune zu halten. So etwas wie das hier ...


... macht sie glücklich. Sie haben dann zu tun, der Mülleimer klappert, der Wischlappen singt, die Augen leuchten und die Bäckchen glühen. Für die seelische Gesundheit unserer Mama tun die Mia und ich alles. Für das obige Werk hatten wir extra unsern Mittagsschlaf abgebrochen und waren heimlich in die Küche geflogen. Immer wieder denken wir uns Neues aus, damit keine Langeweile aufkommt. Aber es ist schwer, die Qualität des Unterhaltungsprogramms aufrechtzuerhalten. Oft sehen wir die Mama einen Flunsch ziehen. Manchmal kriegt sie sogar winzige Knippelaugen und Gestammel kommt aus ihr herausgefaucht. Dann wissen wir, dass wir das nächste Mal 'ne Schaufel drauflegen müssen; das Maximale an Putzgenuss hatten wir wohl noch nicht geschafft. 

Heute haben wir ein neues Event gestartet. Die Mama war nämlich nicht gut drauf, summte nur leise vor sich hin und tat Schnapspralinen futtern. Ist doch klar, dass wir da einspringen; auf uns ist Verlass. Erst hat die Mia Perlen vom Lederspielzeug genagt. Die klackern so schön im Staubsauger.

Die Mia schuftet

Außerdem macht es der Mama Freude, wenn sie sich auf den Bauch legt und mit dem Lineal unter den Kommoden und Schränken herumfuchtelt wegen einfangen der weggerollten Perlchen. Als die Mia dann schwächelte, habe ich übernommen. Die abgefetzten Lederstückchen sind nur so durch die Gegend geflogen. Zum Aufsaugen sind sie zu groß, also darf sich die Mama danach bücken. Ihr gibt das Elastik in den Gelenken und Training beim Achtgeben. Beides zusammen massiert das Wohlbehagen.

Ich + ich + ich + ich

Während ich noch mit dem Perlengedöns beschäftigt war, ist die Mia auf die Schaukel geklettert und hat schon mal angefangen, die Pappringe zu zerschreddern. Man muss sich gut festhalten auf dem wackeligen Stock. Dazu dann möglichst krumme und große Stücken abreißen, damit auch sie nicht in den Staubsauger passen. Sich bücken und auf dem Boden kriechen mag doch die Mama so gern! Die Mia hat sich wirklich klasse angestrengt. Ich habe das überprüft durch regelmäßiges Kontrollgucken.

Links, das bin ich. Rechts, das ist die Mia


Leider aber sind wir nicht fertig geworden, weil plötzlich die Tür aufging und die Mama reinkam. Da war natürlich die Überraschung hin. Genug Pappbrösel hatten wir so schnell nicht geschafft; dafür war die Zeit zu kurz. Seht selbst, ein anständiger Dreckhaufen sieht anders aus.



Am Aufreißen der Augen konnte ich sehen, dass die Mama ebenfalls kein Glück fühlen tat. Ihr Mund wurde ganz schmal. Bestimmt hat sie sich die Enttäuschung weggebissen, damit wir's nicht merken sollten. Trotzdem hat sie gleich den Handkehrer geholt und die Pappschnippel aufgefegt. Kein Wort ist über ihre Lippen gekommen; sie kann prima Schauspiel vorführen. Das liebe ich so an ihr: Sie macht Verschleierungstheater, nur damit wir denken sollen, unsere Aktion wäre ein voller Erfolg geworden. Dennoch war ich natürlich unzufrieden. Es hätte so schön werden können! Stattdessen mussten wir nun auf der Schaukel hocken und der Mama in den Nacken starren, wie sie da unter uns auf allen Vieren mit dem Kehrer hantieren tat. Aber auch da: keine Klage über die geplatzte Überraschung. Als alles wieder sauber war, hat sie uns sogar noch fotografiert. Die Sonne hat so doof geschienen. Deshalb ist die Tapete so kitschig blau geworden.


Die Mia und ich haben versucht, mit freundlicher Lächelei der Mama doch noch ein wenig Heiterkeit zu retten. Keine Ahnung, ob uns das gelungen ist. Sie hat nicht mehr mit uns geredet. Jetzt hockt sie in der Küche und liest Zeitung. Ich glaube, es ist die Seite mit den Kleinanzeigen, "Verkaufe ..." und so. Vielleicht sollten wir das nächste Mal was Matschiges nehmen? Unsere Bananenscheiben im Wassernapf einweichen und dann an die Wand klatschen? Das bringt sicher viel mehr Putzvergnügen als ein paar läppische Pappschnipsel. Ich werde das gleich mal mit der Mia bereden.

© Max: Papageiengeschichten

Sonntag, 13. März 2011

Good bye, Coco

Manches weiß ich einfach nicht, zum Beispiel, wie man in seinem Herzen ein bisschen Licht macht, wenn man furchtbar traurig ist. Ich meine, ich habe ja begriffen, dass wir alle nur auf der Welt sind für eine bestimmte Zeit und dass wir gehen müssen, wenn unsere Zeit um ist, aber was in meinem Kopf Sinn ergibt, muss noch lange nicht mein Herz interessieren. Dort ist es gerade sehr finster, mein Magen ist klumpig und in meinem Hals steckt so was wie ein Riesenknödel, aber nicht, weil ich ihn gegessen hätte, sondern weil ich meinen Freund Coco vermisse. Er ist nicht mehr da. Er ist heute gestorben.

Und jetzt sitze ich hier mit einer schwarzen Gardine vor meinem Denken. Viele Worte habe ich nicht mehr, die ich nun schreiben könnte, denn sie begleiten gerade den Coco in seine neue Heimat. Ich leihe sie ihm gern aus. Mögen die Klänge, das Licht, die Winde und die Wärme ihm ebenfalls Geleit geben. Und dann soll er sich melden, wenn er angekommen ist. Und Bescheid sagen, wenn er sich eingerichtet hat. Ich werde dann schon wissen, dass die extragroße Portion Glücksschauer von ihm kommt, wenn ich demnächst in den Sternenhimmel schaue.  

Bestimmt warten schon der Chicco, der Lee, die Oma Granny Paula und all die andern toten Freunde auf ihn. Vielleicht haben sie ihm ein Büfett gemacht mit Nudelsalat und Erdnüssen, Pfannkuchen und Käseplatte. Sie nehmen ihn in die Flügel, drücken ihn und zeigen ihm, was alles Tolles er dort erleben kann. Er wird sich leicht fühlen und frei, weil er kein Leid mehr hat. Er darf alles essen, darf fliegen bis zum Abwinken und alles zerschreddern, was ihm unter die Krallen kommt. Niemand wird ihn dafür tadeln, höchstens die Oma Granny Paula ein wenig, weil sie wert legt auf gute Manieren, egal wo. So ist sie nun mal, da kann man nichts ändern.

Wenn ich daran denke, muss ich ein bisschen lächeln. Es klingt so gut, dass ich fast finden könnte, unser Leben hier auf der Erde wäre nur ein doofer Abklatsch, voller Entbehrung und Einschränkung. Aber ich bin überzeugt, dass das Bequeme und Angenehme nur schön strahlt vor einem dunklen Hintergrund. Der Coco hatte es schwer, kurz bevor er gestorben ist, aber er hatte es auch gut, weil er bei Leuten leben durfte, die ihn lieb hatten. Ich weiß nicht, ob tote Tiere, dort wo sie jetzt sind, viel an uns, an die Zurückgelassenen, denken. Das ist es ja gerade: Ihnen geht es prima, sie haben viel zu tun mit einrichten, sich zurecht finden, ummelden, die neuen Nachbarn kennen lernen, aber wir bleiben zurück und fühlen den Verlust mit aller Wucht. Unser Leben ist noch immer so wie vorher, nur dass jetzt ein Platz leer ist - und das tut so verdammt weh.

Trotzdem glaube ich, dass der Coco uns nicht vergisst. Er ist ein treues Familienmitglied und ein aufrichtiger Freund. Er kann Liebe von Zufall unterscheiden. Ganz bestimmt wird er auf seiner Einzugsparty das Glas heben und in Richtung Duisburg prosten. Der erste Schluck wird für seine geliebte Mama Gisela sein, der zweite für seinen Papa, der dritte für Cora und der vierte für Julia, Philipp und Tobias: from Coco with love. Noch oft werden sie später zusammensitzen, die neuen alten Freunde, und sich Geschichten erzählen von daheim, von ihren Erlebnissen, von ihrem ersten Leben, von uns.  Wir machen es ja genauso. Die Erinnerung an unsere  Lieben wärmt unser Herz, auch wenn gleichzeitig eine dicke Kordel alles zusammenschnürt. Unsere Trauer ist ein Zeichen, dass unsere Liebe echt ist.  

Mach’s gut, Coco, alter Junge. Du bist ein feiner Kerl. Pass auf dich auf … und bleib glücklich.

© Max: Papageiengeschichten
© Foto: G. H.

Dienstag, 8. März 2011

Halauf

Mann, tat mir vorgestern der Kopf weh. Und der Nacken so steif. Ich hatte damals extra zu meinem Züchter gesagt: „Wenn du mich rausschmeißen tust, dann bitte zu jemandem, der nicht in irgendwelchen Schunkellanden wohnt.“ Das hat ja auch ganz gut geklappt. Ich lebe jetzt in Niedersachsen und da ist man auf eine sparsame Art albern. Man säuft zwar und macht Fröhlichkeit, doch zieht man sich dafür nicht extra um.

Die Mia ist da ganz anders. Dauernd muss sie in die Disco rennen: hier mit dem Hintern wackeln, dort die Caipi in den Mief stemmen. Die täte glatt auf ‘nen Seniorennachmittag  gehen und dort die Schleichpolonaise mitlatschen, nur damit jeder ihr neues Glitzertop zu sehen kriegt. Deshalb hat es mich nicht gewundert, als sie zur Mama gesagt hat, sie wolle zum Fasching. Offiziell machte sie Behauptung, der Bienenzüchterverein bei uns im Viertel täte das ausrichten, ganz harmlos, nur ‘n bisschen nett zusammenhocken, aber natürlich wusste ich, dass die Mia in Wahrheit auf  ‘ne Gothic-Party wollte. Aber mich tat das ja nicht ankratzen (für 10 Euro schweig ich über alles). Ich sollte ja auch gar nicht mitkommen, sondern der Harald war als Begleitung gedacht. Das ist ihr neuer Partner beim Geocaching. Er ist ein Schwan. Über die Mia tu ich mich immer wieder wundern: Nun wollte sie ausgerechnet mit einem, der Plattfüße hat, im heißesten Szenetempel aufschlagen. Und die Mia ist doch so popelig. Steht dann mit ihrer getigerten Handtasche unter diesem aufgeblasenen Frischkäse und hält sich an seiner orangefarbenen Stakse fest, damit sie nicht unter die Räder kommt, oder wie sollte ich mir das vorstellen?

„Du bist ekelig, Max!“, hat sie gekreischt. „Und hör auf, mich Leda zu nennen!“
Immerhin, fürs Geocachen ist Feuchtputer eine gute Wahl. So kann die Mia in den Bäumen suchen und der Harald übers Wasser schwimmen. An Land gurken sie dann gemeinsam durchs Gestrüpp.
„Mein Operettenheld“, säuselt die Mia ihm zu.
Dafür wird sie prompt zum Eisbecher eingeladen.

Der Harald war auch schon mal bei uns zu Besuch. Beim Teetrinken spreizt er eine Feder ab. Über griechische Mythologie kann er stundenlang labern, aber wie man Feta überbacken tut, das weiß er nicht. Wenn er den Flügel aufreißt zum Fuchteln, ist anschließend der ganze Puderzucker von den Waffeln geweht. Ich habe ihn gefragt, ob er Werbung für Klopapier macht; er wäre bestimmt die ideale Besetzung, weil er so hygienisch gucken kann. Da ist ihm Ratlosigkeit den Schlauch runtergerutscht. Man konnte direkt zusehen, wie ‘n Gnubbel  seinen Hals durchquerte.  Mit einem Pfirsichkern sähe das bestimmt noch viel schicker aus. Nee, wirklich, die Mia hat manchmal ‘nen Männergeschmack, dass man nur den Schwanz schütteln kann.
 
Andererseits wusste die Mia natürlich, dass sie damit durchkäme. Mit dieser aseptischen Wassersäule täte die Mama sie anstandslos ziehen lassen zu ihrem komischen Imkerfasching. Ein Kostüm hatte sie sich auch schon ausgesucht. Dies hier: 
 
„Was soll das denn darstellen?“, hatte Mama gefragt.
„Ich geh als Lailala. Das ist eine Königin vom Planeten Olli. Die Leute von „Star Treck“ wissen, wer das ist“, war es zur Antwort gekommen. Ist euch Hennenhackigkeit ein Begriff?

Na, unserer Voli-Putze kann man ja auch alles aufbinden. Sie ist halt ein bisschen schlicht im Kopf. Kein Wunder, wenn man sich nur fürs Kochen und fürs Putzen interessieren tut. Die Mama hat auch nur ganz selten Migräne. Daran sieht man den Vorteil von wenigen Synapsen. Wo nichts flutscht und jagt, kann auch nichts knattern und kokeln.

Was die Mia aber nicht erzählt hatte: Das Kostüm war nicht vollständig. Es gehörten noch ein gefütterter Umhang dazu, ein Lederhalsband mit Nieten, Netzstrümpfe und jede Menge Wimperntusche für den Apokalypse-Blick. Die Mia wollte sich später heimlich umziehen. Die Sachen hatte sie in den Umhang gerollt und alles unten auf der Straße in eine Telefonmuschel geklebt. Unter die Decke; da würde es niemand bemerken. Nur blöderweise ist dann alles ganz anders gekommen.

Der Harald rief an. Er täte nicht weg können. Es wäre doch Sonntag. Gerade wären Menschen am Teich aufmarschiert mit Tragetaschen voller Brotreste. Die würden jetzt im Wasser landen, und zwar unkontrolliert. Die gesamten Nachbarn (also die Enten) hätten sich schon auf den Weg gemacht. Der ganze Teich, alles voller Paddelspuren. So was gehe natürlich nicht, da müsse die Familie zusammenhalten. Alle Mann seien zur Verteidigung geordert: retten, was das Zeug hält. Anschließend täte einer die Beute bewachen müssen, die ganze Nacht hindurch:
„Meine liebe, liebe Mia, rate mal, wen’s erwischt hat.“

Ui, sind der Mia da die Federn auf Revolution geklappt. Ein Käseigel kann‘s nicht schöner hinkriegen. Das Handy hat sie in die Ecke gepfeffert. Und dann tat auch schon das Geplärre losgehen:
„Nie mehr geh ich irgendwohin …  Ich hatte mich so gefreut … Warum muss das Leben immer zu mir so fies sein? … Was sag ich jetzt den Bienenzuchtnarren? … Ich hatte doch schon Eintritt bezahlt.“
Boah, die Feinheiten lass ich hier mal aus, nicht wahr? Das wird euch nicht wirklich interessieren, Weiberintrige halt. Nur so viel: Für Ersatz war’s zu spät, und ich mit meinem weichen Herzen konnte mich nicht dagegen wehren. Ihr tut es ahnen:  Nun war also ich verdonnert zum Mitgehen. Mit der Mia in den Gothic-Club „Grabplatte“. Mit Kostüm. Na, bravo.

Okay, ganz umsonst kam’s mich nicht, das muss ich zugeben. Als die Mama in der Küche war wegen Rausrücken einer Begleitpauschale, hatte ich in Privatverhandlung noch zusätzliche 20 Euro abgemacht. Die Prinzessin Lailala war bereit, sie mir großzügig zu überlassen. Schnabelknirschen kann die Mia übrigens auch sehr gut. Ich meine nur, falls das jemand noch nicht wusste.

Nächste Frage: Was zieh ich an? Ich wollte ja zuerst so gehen, wie auf dem Foto hier, aber da hatte die Mia wieder das Plärren gekriegt: Ich sei ja so gemein … Sich einfach ‘ne Feder an die Birne zu klatschten … wie ‘n Idiot … Nicht mal ein bisschen anpassen könnte ich mich … Sie täte sich schämen … Am besten, sie ginge in den Teich; dort würde sie wenigstens jemand retten.
 
Na gut, ja, bitte schön, da habe ich mich eben für ein anderes Kostüm entschieden. Hauptsache, die Mia hielt die Klappe. Gekratzt hat das Ding wie Hulle. Und im Club ist mir Kakao draufgekleckert. Aber hat das jemandem auch nur ein Arschzucken entlockt? Das war das letzte Mal, dass ich mich dem Karneval hingegeben habe. Man hat schließlich Priorität.

So musste ich mit

Die Mama hat nichts gemerkt. Sie tat tatsächlich denken, wir würden zum Bienenfasching gehen. Hinter der Telefonmuschel hat sich die Mia aufgebrezelt. Ich musste den Taschenspiegel halten. Dann mit der Straßenbahn zum Club. Kaum drin, hat mich die Mia abgeranzt, ich soll mich mal schnell in die Ecke verziehen, nicht dass sie noch einer mit mir zusammen sehen täte. Danach ist sie weggeperlt mit albernem Gestöckel und Gekiecher. Die Netzstrümpfe taten Falten werfen. Das sah aus, als hätte sich die Mia ein altes Einkaufsnetz um die Waden getütert.

Mir war das recht, dass ich nicht mit der Mia mitziehen musste. In diesem Schuppen war’s sowieso viel zu dunkel; da konnte man sich schlecht unterhalten. Komische Musik hatten die auch, nichts von den Who oder den Beach Boys. Und die Leute – nee! Ein Neonhase hoppelte an mir vorbei; der war verkleidet als Schildkröte, nur halt auf Gothic getrimmt. Als Panzer trug er eine Salatschüssel auf dem Rücken. Seine Freundin war ein Pudel, aber als Schwein verkleidet: in gruftirot. Am andern Ende stand der helle Pinsel in die Höhe, mit schwarzen Pfeifenreinigern auf Kringel getrimmt.
„Warst du schon in der Räucherkammer, oder hast du Sonnenbrand?“, habe ich gefragt.

Oi, dieser Blick. Abgemurkst hat sie mich damit. Ich bin dann an der Theke geblieben, Studien treiben. So einen Aufmarsch an verzückter Blödheit kriegt man ja sonst nirgends geboten. Zwischendrin flogen Bonbons durch die Gegend. Ein paar sind mir am Schädel gelandet. Deswegen hatte ich vorgestern die schlimmen Kopfschmerzen. Vom vielen Ausweichen ist auch noch der Hals steif geworden. Ich glaube aber nicht, dass man mich mit Absicht beworfen hat, denn erstens bin ich immer und überall beliebt, wo ich auftauchen tu, und zweitens können Leute nie richtig zielen, wenn sie sich’s vornehmen.

Die Mia habe ich den ganzen Abend nicht mehr gesehen. Nur einmal kam eine Gräfin Dracula zu mir und machte Erkundigung, ob es mir gut gehe.
„Ja, wieso?“, habe ich zurückgefragt. 
Na, sie dächte nur, weil … Als Knacki auf Freigang hätte ich es doch sicher nicht leicht, hier mit den leckeren Erdnüssen und der stilvollen Gesellschaft klarzukommen. Dafür habe ich der Mia später die Haustür vor der Nase zugeknallt. Ich hatte ja den Schlüssel. Zack war die Kiste zu! Erst der Roosevelt hat sie reingelassen. Da war es schon fast Morgen. Sie soll auf dem Fensterbrett gehockt und am Badfenster gekratzt haben. Die Mama hat nichts mitgekriegt. Der Otis hat dann die Netzstrümpfe aus dem Mülleimer gefischt und daraus eine Absturzvorrichtung gebastelt. Die hängt jetzt unter seinem Schlafplatz im Kleiderschrank. Meinetwegen. Vorher sind er und der Roosevelt ja auch nicht härter gelandet, wenn sie abgetrudelt sind nach dem Anschubsen. Mamas Schuhe fangen eine Menge ab.

Jedenfalls habe ich den Karneval überlebt. Meinem Kopf geht es wieder gut und meinem Nacken auch. Die Mia redet nicht mehr mit mir. Das ist angenehm. Diese Ruhe – herrlich. Eins möchte ich aber gern noch wissen, nämlich von euch. Im Gothic-Tempel hat es niemand erraten können. Schafft ihr’s? Als was bin ich eigentlich gegangen?

© Max: Papageiengeschichten

Sonntag, 6. März 2011

Rätsel 19

Das letzte Mal war die Cora ganz fix. Mal sehen, ob sie das Tempo halten kann.


Tipp: Das ist Metall, silbrig.

Donnerstag, 3. März 2011

Rätsel 18

Schwarz auf schwarz. Es ist aber trotzdem leicht zu erkennen, was es ist, nicht wahr?



Tipp: Das haben wir geschenkt bekommen, aber nicht zum Geburtstag.