Ich stehe ja sonst nicht so auf Hunde. Hinten quirlen sie Wind in die Atmosphäre und vorne schnorcheln sie einen feucht ab. Bei den meisten holt man sich ‘ne Genickstarre wegen hochgucken müssen, aber wenn man dann mal sagt: „Flieg mal ‘ne Runde“, bleiben sie sackartig am Boden kleben. Außerdem bin ich Vegetarier. Meine Bemühungen, diesbezüglich ein wenig Aufklärung zu leisten, enden jedes Mal in einem schnippischen: „Sieht man – du kannst ja noch nicht mal ‘nem Kaninchen nachrennen.“ Oder sie mampfen einem voller Demonstration Knochen vor oder machen Quiz nach dem Motto: „Ich pupse jetzt mal und du rätst, ob ich Pansen gefuttert habe.“
Nee, diese Chappi-Wölfe sind ‘ne Welt für sich. Ihnen fehlt das Leichte des Segelflugs und der fröhlich aufklatschenden Kleckse. Während wir Vögel uns gern mit Holz- und Papierarbeiten beschäftigen und dabei unsern Homo-Sapiens-Mitbewohnern bei der Gestaltung von Türrahmen und Tapeten zur Seite stehen, bevorzugen Hunde Tiefbauarbeiten und ziehen sich nicht selten großen Ärger oder wenigstens Unverständnis zu. Wie schnell ist nach der Buddelei im Beet das Eigenheim zusammengeklappt!
Trotzdem teilen wir ein gemeinsames Schicksal: Wir sind alles Tiere, die mit Menschen zusammenleben. Dadurch sind wir alle in der Karitas tätig, ob wir nun zwei oder vier Beine haben oder Fell, Schwarte oder Federn tragen. Wir sind verantwortlich für unsere Menschen, müssen auf sie aufpassen, sie fordern, ihnen Streicheleinheiten und Lebenssinn spenden, sie trösten, aufmuntern und bei Laune halten. Das ist ein 24-Stunden-Job für Profis. Aber nicht jeder Kollege kann damit umgehen, sollte unsere Aufopferung – was leider oft geschieht – mit Renitenz beantwortet werden. Man sieht schließlich genug Menschen ganze Kühlschränke plündern, statt uns das schädliche Zeug zu überlassen; wir würden es schon angemessen vernichten. Auch dient das Vollkacken des Sofas (Vogel) bzw. das Okkupieren der Sitzfläche (Hund) allein der Gesundheit unserer Zweibeiner, damit sie vom Fernseher wegbleiben und sich stattdessen sinnvolle Bewegung verschaffen beim Putzen oder Aufräumen. Vielen Menschen fehlt es aber an Einsicht. Da heißt es standhaft bleiben und unsere gottgegebene Aufgabe demütig annehmen.
Nun ist es ja so, dass die meisten von uns ihre Menschen daheim betreuen. Allerdings gibt es Kollegen, deren Aufgaben weit über das Übliche hinausreichen. Sie gehen neben der herkömmlichen therapeutischen Arbeit einem auswärtigen Beruf nach. Eines dieser tapferen Geschöpfe möchte ich euch vorstellen. Sie heißt Smilla. Sie wohnt in Hamburg und hat ein Frauchen und ein Herrchen.
Das ist sie.
Sieht sie nicht aus wie eine Prinzessin? Auf diesem Bild erkennt man es nicht so gut, weil sie liegt, aber die Smilla ist hinten länglich. Ich glaube, wegen Unkenntnis denken viele, ihre Vorfahren hätten sich nicht einig werden können beim Design und daher von allem ein bisschen was dazugebastelt: ein wenig Dackel, ein wenig Corgi, Pinscherfell und die Schnauze von einem Mini-Schäferhund. Dabei ist die Smilla british born, jawohl. Alles ist Absicht und nennt sich Lancashire Heeler. Mir gefällt besonders ihr glänzendes Fell und dass ich unterm Bauch durchkriechen könnte, wenn ich das wollte. Hochstelzige Leute sind nicht so mein Fall.
Lancashire liegt in England, England liegt in Great Britain, Great Britain ist eine Insel und um Insel herum ist Wasser. Vielleicht ist das der Grund, warum die Smilla in jede Feuchtigkeitsansammlung hopsen muss. Ihr Frauchen macht sich das zunutze – und da wären wir auch schon bei Smillas beschwerlichem Alltag.
Das hier ist noch harmlos. Frauchen backt rasend gern Plätzchen, ist sich aber unsicher über Geschmack und Konsistenz. Die Smilla muss kosten. Oft schäumt ihr danach der Magen, der Appetit ist verdorben und die Krümel kratzen am Rachenzäpfchen. Mir ist aber nicht bekannt, dass sich die Smilla jemals darüber beklagt hätte. Sie ist ein braves Mädchen.
Wochentags geht’s ins Büro. Smilla begleitet ihr Frauchen. Sie passt auf, dass sie die Handschuhe dabei hat, den richtigen Bus nimmt und auf dem Weg von der Haltestelle zum Gebäude nicht etwa ins Café oder zum Kinderspielplatz abbiegt. Ihr Frauchen davon zu überzeugen, dass ein bisschen auswärtige Beschäftigung ihr gut täte, statt daheim den ganzen Tag Kekse zu backen, war, glaube ich, nicht ganz einfach. Aber die Smilla hat sich durchgesetzt. Nur muss sie halt immer anwesend bleiben, um mit sanfter Führung Selbstvertrauen und Eigenständigkeit zu fördern. Ich kenne das von meiner Mama. Sie ist auch so furchtbar unselbstständig. Wenn ich nicht dauernd ein Auge darauf hätte, würde sie glatt mit den Vitaminbrausetabletten das Dampfbügeleisen entkalken und das Zitruspulver in die Teetasse schütten. Nur besitze ich nicht so einen schönen Firmenausweis. Da kann jeder gleich sehen, dass die Smilla im Dienst ist.
Wer nun denkt, in der Mittagspause täte sich die Smilla ausruhen können, der irrt. Mitnichten. Dann ist nämlich Freigang dran. Frauchen muss soziale Kontakte pflegen. Das will geübt sein. Die Smilla führt sie in den Park zu andern Menschen, die auch alle so betreut dort herumstehen. Angestrebt wird Frischluft mit leichter Konversation.
Bleibt noch Zeit übrig für die Aufarbeitung spezieller Defizite, so trainiert die Smilla gern das Über-die Brücke-Gehen. Frauchen hat nämlich Angst davor. Da heißt es beharrlich bleiben. Frauchen wird so lange gerufen und gelockt, bis sie einmal fehlerfrei über die Bohlen taumelt. Zur Belohnung darf sie sich einen Kaffee am Kiosk holen.
Wieder im Büro, muss die Smilla manchmal zu Besprechungen. Gern lässt sie das Frauchen zwar nicht allein, aber sie ist im Betriebsrat und da muss man eben hin und wieder mit andern beisammensitzen. Gemeinsam wird geraten, was man im Betrieb besser machen könnte, einen Frolic-Spender aufstellen zum Beispiel oder statt Freitagsarbeit eine obligatorische Nachtwanderung einführen. Über ihre großen Erfolge schweigt die Smilla. Ich mag es, wenn man nicht protzt.
Die Smilla redet ungern darüber, aber ich weiß es trotzdem: Sie macht noch einen Nebenjob. Ihr Frauchen soll sich schließlich auch mal ‘nen schönen Schal extra gönnen oder zum Frisör gehen können. Daher ist die Smilla beim FBI, macht also Schnüffeldienste. Ich habe sie gefragt, ob es nicht doof wäre, den Leuten so dick auf die Augen zu drücken, was man tut – under cover ginge doch anders? Da hat sie geantwortet:
„Ach was. Die Menschen kriegen das nicht mit. Die denken, FBI wäre die Abkürzung von Futter-Bring-Imbiss.“
Wenn sie der Smilla Bestellzettel für Pizza in die Schnauze drücken wollen, tut sie einfach so, als täte sie es nicht bemerken. Das ist eine geniale Taktik. Ich bin auch oft sehr taub. Menschen müssen auch mal Lösungen allein finden. Wenn man ihnen alles abnimmt, kommen sie nie zu Potte.
„Ach was. Die Menschen kriegen das nicht mit. Die denken, FBI wäre die Abkürzung von Futter-Bring-Imbiss.“
Wenn sie der Smilla Bestellzettel für Pizza in die Schnauze drücken wollen, tut sie einfach so, als täte sie es nicht bemerken. Das ist eine geniale Taktik. Ich bin auch oft sehr taub. Menschen müssen auch mal Lösungen allein finden. Wenn man ihnen alles abnimmt, kommen sie nie zu Potte.
Nach Dienstschluss geht‘s dann erst richtig los. Dann müssen diverse Reha-Programme und Freizeitbeschäftigungen absolviert werden. Nicht immer klappt alles wie schon hundert Mal geübt. Smilla hat gut zu tun:
Frauchens Pottmonet suchen.
Frauchen den Wink-Eumel nachtragen (sie soll damit Konditions- und Stretchübungen machen, schmeißt ihn aber immer weg, wenn sie denkt, die Smilla täte es nicht sehen).
Frauchens Hausschlüssel zurückholen, der ihr ständig beim Armwedeln aus der Hand rutscht. Da, der Kreis über der Smilla, das ist die Plumpswelle.
Schwimmunterricht geben (Sommer).
Frauchen heimleuchten (Winter).
Bei der Post helfen.
Motten vertreiben.
Und schließlich zum Abschluss des Tages noch eine Runde Mensch-ärgere-dich-nicht spielen. Falls jemand jetzt einwenden sollte, dass auf dem Spielfeld mehr Knöppe stehen müssten – ja, das stimmt. Dieses Spiel hier ist vereinfacht, damit Frauchen frühzeitig ins Bett kommt. Die Smilla möchte ja auch mal ihre Ruhe haben.
Wenn die Menschen endlich in den Federn liegen, zieht sich Smilla auf die Fensterbank zurück und beginnt ihren Nachtdienst: das Haus bewachen, Einbrecher fernhalten und streunende Marder aufschreiben, die keinen Pupsbeutel dabeihaben.
Ist es nicht Wahnsinn, was dieses zarte Mädel alles leistet? Und dabei ist sie fast nie schlecht gelaunt. Sie erträgt alles so tapfer. Jede noch so schwere Aufgabe. Stumm mit einem stillen Lächeln. Wie schaffst du das, Smilla?
Echt, ich habe das wirklich gern wissen wollen. Die meisten, die ich kenne, schnarchen ja gern mal zwischendurch. Die Smilla hat aber nur einen Zwinker-Smiley geschickt und dann vom Wetter geredet. Am nächsten Tag kriegte ich noch ‘ne Mail. Darin stand nur ein Satz:
„Ich nehme Dope - in Kerstins Plätzchen ist Liebe drin.“
© Max: Papageiengeschichten
© Fotos: Smilla the Heeler