Sonntag, 3. Februar 2019

Investigativer Journalismus: Poofkissen

Kurz nach Weihnachten hat mir der Karlsson dieses Foto geschickt. Ich soll mal gucken, er liege auf seinem Weihnachtsgeschenk, das seine Leute ihm spendiert hätten, weil ihm nach der Polarreise so kalt gewesen sei.


Aha, dachte ich, er hat eine Riesenqualle bekommen - so what? Nee, hat er geantwortet, das sei keine Qualle, sondern ein saugemütliches Poofkissen.
„Und?“, habe ich gefragt. „Warum zeigst du mir das?“
„Na, weil es so weich ist. Du kannst du dir nicht vorstellen, wie weich, Max. Egal wie ich mich hinlege,  immer gibt es softig nach. Und immer an den richtigen Stellen. Herrlich! Ich kann jetzt supergut chillen - und gut schlafen erst recht.“
Daraufhin habe ich mir das Foto noch mal genauer angeschaut:
„Hmmmm, dann liegst du auf dem Bild also mit der Schnauze nach links?“
„Ja.“
„Gut, dass du es dazusagst, mein lieber Freund ...“
„Wieso? Bei dem Kissen ist es völlig Wurscht, wie rum man liegt, gemütlich ist es allemal. Ich habe noch nie so ein tolles Poofkissen gehabt. Schon allein deshalb hat sich unsere Polarreise gelohnt.“

Okay, ich freue mich ja mit meinen Freunden, wenn sie von ihrem spendablen Personal erzählen und mehr zum Fest abstauben konnten als beispielsweise ein 20-teiliges Puzzle mit einem albernen Hundespann drauf, aber abgesehen davon sind wir uns ja wohl einig, dass die orthopädisch einzig empfehlenswerte Ruhehaltung die in der Horizontale ist. Wir Amazonen schlafen nur so.


Seht ihr? Wir waren noch nie wegen Rückenschmerzen beim Arzt. Um den Komfort zu erhöhen, kann man beim Ruhen auch noch einen Fuß einziehen. Das sieht man auf den Fotos leider nicht, ist aber außerordentlich entspannend und trägt überdies zum Muskelaufbau an den Knöcheln bei, denn man muss ja seinen Körper in der aufrechten Haltung stützen, auch im Dunkeln, ohne dass man ständig auf seine Füße gucken könnte, um zu kontrollieren, ob man noch gerade sitzt. Übrigens ist das die Mia hier auf zwei der Bilder. Ich bin das oben rechts. Natürlich bevorzuge ich beim Schlafen geschlossene Augen, aber macht das mal, wenn neben einem die Putze mit der Digicam herumhantiert.

Allerdings muss ich anmerken, dass andere Zweibeiner (Menschen) sich schwer tun mit der gesunden Schlafhaltung und Vierbeiner es diesbezüglich ebenfalls an jeglicher Disziplin fehlen lassen, was man daran erkennt, dass sie sich bei jeder Gelegenheit fahrlässig in die Waagerechte schmeißen. Pferde und Giraffen ausgenommen. Nun bin ich nicht auf der Welt, um die Rückenprobleme meiner Zeitgenossen zu missionieren. Sollen sie sich doch die Knochen verrenken, wenn sie lustig sind. Was geht mich das an? Trotzdem war nach Karlssons Foto meine professionelle Neugier geweckt. Warum war es dem Karlsson so wichtig, mir sein neues Bett zu zeigen? Wollte er damit etwas andeuten? Vielleicht sogar um Hilfe flehen? War ich Zeuge der verzweifelten Hinweise einer zwar munter plappernden, aber unter der Oberfläche stumm leidenden Kreatur geworden?

Daraufhin habe ich mir die Fotoordner meiner Freunde noch mal vorgenommen. Und was soll ich sagen? Ich bin schockiert. Es gibt Missstände aufzudecken und nichts auf der Welt wird mich daran hindern, genau dies zu tun. Unter dem trauten Dach meiner lieben Hunde- und Katzenfreunde tut sich Erbärmliches. Keiner von ihnen, aber auch keiner, bekommt die Aufmerksamkeit und Pflege, die ihnen zusteht. Sie müssen ihren Schlaf an Orten und in Behältnissen fristen, die vielleicht einer Schneckenfamilien würdig wären, aber nicht einer sensibel fühlenden Gestalt mit Beinen, Bauch und Kopf, die alle zusammen nach Raum und Freiheit verlangen. Ich beginne die Beweisführung mit dem Karlsson und der Polly.


Hübsch sieht er ja aus, der Strandkorb, und ist nett dekoriert. Und auch die (immerhin angedeutete) Teil-Horizontale der Fotomodelle weist in die richtige Richtung, aber ich bitte euch - draußen? Und dann zu zweit in einer Schlafstatt? Nein, das kann man nicht als artgerecht bezeichnen.


Hier sieht man hilflose Fortschritte. Der Karlsson darf jetzt im Haus schlafen, wenn auch noch auf der Fußmatte (oben links). Danach hat man ihm zwar ein Bett gekauft, doch wie lange muss man seine Brille nicht geputzt haben, wenn man nicht bemerkt, dass es viel zu klein ist (unten links)? Auf dem Bauch liegen kann der Karlsson darin nicht. Stattdessen muss er auf dem Rücken liegen, seine Vorderpfoten in die Luft strecken und den Kopf ungesund zur Seite neigen. Das ist inakzeptabel. Auf dem dritten Bild hat man ihm einen kleinen Schlafpartner zwischen die ansonsten gemütlich ausschauenden Polster gesteckt. Was soll das? Unachtsamkeit? Schikane?


Schon gewusst? Ein Hund möchte sich ausstrecken. Da nutzt es nichts, wenn man ihm ein gestreiftes Kissen auf den Stuhl legt, wo er sich nur zusammenfalten kann, um nicht runterzufallen (Bild 1 und 2). Derartig unnatürliche Krampfhaltungen führen zu Nackenstarre, tauben Pfoten, Verstopfung und schlechter Laune. Das muss mal gesagt werden. Heutzutage haben Hundehalter ausreichend Möglichkeiten, sich im Internet über die Bedürfnisse ihrer anempfohlenen Vierbeiner zu informieren. Da kann man nicht mehr mit der Ausrede kommen: „Das habe ich nicht gewusst.“ Oder: „Er hat ja nie was gesagt.“ Mal ehrlich, ich würde auch nicht mehr reden, wenn ich am Morgen nach diesen nächtlichen Faltübungen 'nen Kopf wie 'ne Gasuhr hätte.

Leider geht es unter andern Dächern auch nicht besser zu. Der Haushalt von Karlsson und Polly ist – Gott sei's geklagt –  keine unrühmliche Ausnahme. Das Beweismaterial aus dem Vierbeinerhaushalt vom Pit ist nicht weniger niederschmetternd. Aber auch hier wird man mich nicht daran hindern, den Finger in die Wunde zu legen, damit diese Missstände endlich aufhören. Fangen wir mit dem Pit an:


Jahrelang musste er sich sein Ruhelager in der Küche suchen (Bilder 1 – 3) oder auf dem Esstisch zwischen den Familienpapieren. Jawohl – auf dem Esstisch. Soll ich's buchstabieren? E-S-S-T-I-S-C-H.

Hier noch mal für die Zweifler:


Deutlich zu sehen: Die Schwanzspitze passt nicht mit drauf. Muskelschwund ist die Folge. Außerdem möchten auch Vierbeiner auf einer elastische Unterlage liegen. Der Tisch ist hart, glatt und kalt. So kann man sich ein Schnitzel halten, aber doch keine Kreatur mit lebendigem Speck auf den Hüften. Furchtbar. Mir ist ganz schlecht geworden, allein beim Betrachten der Fotos.


Genauso inakzeptabel ist das Abschieben auf Plätze, die für Blumenpötte oder anderes Dekowerk gedacht sind. Wie man deutlich sieht, muss der Pit auf der Fensterbank schlafen (Bild 1 und 3). Der Luke (oben rechts) hat seinerseits auf dem bereits bekannten Aktenordner Platz genommen (bestimmt nicht freiwillig!) und sich schließlich aus Verzweiflung ins Nähkörbchen gequetscht (unten rechts). Was das mit den inneren Organen anrichtet, kann man sich ausmalen. Ein Wunder, dass unter diesen Verhältnissen Lukes Geschäft so floriert. Er muss über eine starke Widerstandskraft verfügen (oder über Resi Lenz, von der heute jeder redet), wenn er derart malträtiert noch fähig ist, erfolgreich seinem Tagesgeschäft nachzugehen. Aber auch für einen Hund (hier die Amy, Bild links unten) ist es alles andere als tragbar, auf der Sofalehne zu hocken. Wie gesagt, im Allgemeinen ist die aufrechte Haltung empfehlenswert, aber hier kann keine Entspannung eintreten, wenn der Hund gleichzeitig jonglieren muss, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Hunde gehören mit dem Hintern auf ebene und ausreichend große Flächen – Punkt.

Apropos Amy. Das arme Ding hat es besonders schwer:


Entweder muss sie sich – wie der Karlsson – auf einem viel zu kleinen Kissen zusammenknautschen (Bild 1), oder sie muss auf dem Kratzbaum Platz nehmen (Bild 2), oder sie hat den Pit im Weg liegen, mit dem sie sich das Lager zu teilen hat. Als mir bewusst wurde, was hier abgeht, war mir auf einem Schlag klar, warum die Amy immer so vogelig ist. Da muss man ja vogelig werden, wenn man auf den Katzenbaum verbannt wird. Unhaltbare Zustände sind das. Nicht nur für den Körper ist es anstrengend, so dazuliegen, sondern auch die Psyche leidet, wenn man zu einer Katze degradiert wird, obwohl man ein Hund ist. Ich werde mal mit der Tante Susanne reden und ihr für die Amy eine Psychotherapie vorschlagen. Ich kenne da eine sehr kompetente Ameise, die erfolgreich Selbstbehauptungskurse anbietet.

Ansonsten sind die gleichen Fehler wie bei Polly und Karlsson zu beanstanden:


Sobald die Halter endlich die Notwendigkeit eines angemessen weichen Untergrundes erkannt haben, kaufen sie leider viel zu kleine Kissen, auf denen sich das Haustier (hier der Luke, Bild 4) nicht ausstrecken kann, ohne schmerzhafte Dellen einzustecken. Oder es muss auf das wohlbekannte Zusammenfalten zurückgegriffen werden (Pit, Bild 3). Zu diskutieren ist ebenfalls nicht, dass sich zwei Tiere ein Lager teilen müssen. Einer kommt dabei immer zu kurz (Bild 1 und 2), außerdem stört es die Erholung, wenn einem der Whiskasgeruch des andern in die Nase steigt oder man sich nach dem Aufstehen fremde Haare wegklopfen muss. Überhaupt ist zu fragen, ob derartig intime Nähe unter nicht Verheirateten oder Verlobten moralisch statthaft ist. Schließlich ist bekannt, dass viele Männer lieber allein sind, als Frauen oder andere Kerle um sich zu haben.

Übrigens, wer hat's gemerkt? Der kleine Jack kommt bei dieser Aufstellung nicht vor, obwohl er sonst immer denkt, er verpasst was. Als verantwortungsvoller Journalist bin ich dem natürlich nachgegangen. Ich habe recherchiert. Dabei stellte sich heraus, dass er einen Zettel mit seinen Datenschutzbestimmungen an den Kühlschrank gehängt hat. Darin verbittet er sich jegliches Fotografieren ohne seine Zustimmung, insbesondere wenn er schläft oder ruht. „Was fragst du eigentlich so blöd?“, hat er noch zu mir gesagt und dann das Smartphone ausgeschaltet, nachdem ich ihm versichert hatte, dass er nicht mit uns verreisen könne, solange er noch ins Flugzeug kotzt.

Über psychosomatische Reaktionen überforderter Jugendlicher schreibe ich ein andermal.

Ich denke, jetzt ist klar geworden, welch entbehrungsreiche Haltung unsere Katzen- und Hundefreunde tagtäglich – und meist stumm leidend – erfahren. Ich habe mit meiner Aufdeckung meine Stimme für sie erhoben und fordere die Politik und alle mitfühlenden Zwei-, Vier- und Mehrbeiner auf, dafür zu sorgen, dass diese Verhältnisse bald der Vergangenheit angehören. Sprecht darüber, wo immer ihr euch trefft. Legt zusammen und kauft mir eine dreistöckige Matchboxgarage, nee, ich meine natürlich euren Freunden große, weiche und gemütliche Poofkissen.

Hier ist noch mal zur Erinnerung ein Beispiel, wie es sein muss:



Auch die drei Wiener Mädels Thaya, Io und Mika haben so ein Kissen. Ich glaube, es ist genau das gleiche, jedenfalls in der gleichen Farbe. Leider habe ich kein Bild davon, aber unser Karlsson ist ja auch sehr lieb anzuschauen, nicht wahr?

Fotos: Karlsson und Polly: © Terrierhausen
          Pit, Luke, Amy und Jack: © Club der glücklichen Vierbeiner

© Max: Papageiengeschichten