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Paris in der Dämmerung: Gut, was? |
Nach dem Abendessen habe ich mich richtig aufs Hotelzimmer gefreut. Wir waren lange genug herumgelaufen, nun wäre es schön, wenn ich mir mal das Pay-TV vom Sessel aus anschauen könnte. Doch nichts da, das Lockenwiesel war noch immer nicht fertig. Jetzt hieß es:
„Männer, habt Ihr alle eure Krawatten dabei, so wie ich's euch zu Hause aufgetragen hatte?“
Mir tat Übles schwanen.
Krawatte? Wo wollte der Kerl mit uns hin?
„Wir gehen in die Oper.“
„Schick!“, haben die Mädels in die Flügel geklatscht.
Dem Pit sind die Mundwinkel nach unten entgleist. Ich habe zu bedenken gegeben, dass ich müde sei.
„Quatsch!“, hat der Karlsson insistiert. „Auf, auf! Frisch voran! Die Kunst wartet auf uns!“
Wir sind kurz ins Hotel gefahren, um diese blöden Fliegen anzulegen, über die ich mich zu Hause schon gewundert hatte, wozu die da wären. Den Mädels taten jetzt filigrane Diademe auf der Birne thronen. Die hatten sie in Hannover billig im Kostümverleih geschossen.
„Ist gar nicht wahr“, hat die Cora geschimpft.
Gerochen haben sie jetzt wie eine NACHGESPRÜHTE explodierte Parfümerie.
Wie das Opernhaus hieß, weiß ich leider nicht mehr („Palais Garnier“, meint die Cora). Es war aber sehr eindrucksvoll. Alles in Rot und Gold gehalten. Wir haben auf dem Balkon gesessen. Die Eintrittskarten hatte der Karlsson online bestellt, wir brauchten sie nur noch an der Kasse abzuholen.
„Gibt's hier Popcorn?“, hat der Pit gefragt.
„Nein, aber nachher geht jemand mit Döner und Chipstüten durch die Reihen“, hat der Karlsson geantwortet und sauer geguckt.
Mit dem war heute nicht nicht mehr gut Kirschen essen.
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Das Palais Garnier |
Die Cora hat den Lütten unterwiesen:
„Wenn nachher die Leute auf die Bühne kommen, darfst du nicht zu jaulen anfangen, hörst du? Und nichts auf die Orchesterleute werfen.“
Zu diesem Zeitpunkt war es mir mental noch recht gut gegangen. Das sollte sich jedoch schlagartig ändern, als ich erfahren tat, wie die Oper hieß, in die wir geraten waren.
„Operette, nicht Oper“, hat die Mia verbessert.
Meinetwegen.
Sie hieß … „Die Fledermaus“!
Boah! Ich dachte, mir zieht's die Schwanzfedern vom Hintern. Leck mich am Arsch! Singende Matschfalter!
Die Mia hat gekichert, der Pit hat mir süffisant mit der Pfote auf die Füße gepatscht:
„Nimm's nicht so schwer. Es geht vorüber.“
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Boah ... |
Es wurden dann sehr lange zwei Stunden, das kann ich euch sagen. Der Lütte ist kurz vor der Pause eingeschlafen. Wir haben ihn auf unserm Balkon liegen lassen, während ich auf dem Klo war und der Karlsson den Mädels im Foyer 'n Glas Sekt ausgegeben hat. Ich wurde streng angeguckt: Das sei ja bloß 'n verkleideter Mensch und keine richtige Fledermaus, die da singen tat. Ich sollte mich nicht so anstellen, ich wäre 'n Banause und sowieso total unmöglich und blöd.
Ach, das tat die Cora jetzt erst bemerken? Ich war jedenfalls heilfroh, als mir draußen endlich wieder frische Luft das Gehirn durchpustete und normaler Straßenkrach meine Ohren erquickte. Wie kann man nur ein ganzes Musical nach diesen albernen Nachpelerinen benennen? Oder gibt’s etwa die Operette „Der Grottenmolch“? Oder „Die Rache des Zitronenfalters“? Na also. Warum dann setzt man ausgerechnet diesem Kroppzeug so ein Denkmal?
Wieder daheim im Hotelzimmer habe ich lange nicht einschlafen können. Das lag allerdings auch am Lütten und am Karlsson, weil sie noch ziemlich lange an ihren Knochenresten herumschabten. Das macht 'nen Krach, als würde jemand mit dem Messer auf einen vertrockneten Ast einkloppen, bis er splittert. Der Pit futterte Ölsardinen. Keine Ahnung, wo er die schon wieder herhatte. Alle drei lagen in ihrem Schnarchkissen, das sie am Morgen an der Rezeption bestellt hatten und das vom Zimmermädchen inzwischen abgeliefert worden war. Diese Unart, im Bett zu essen, hat wohl nichts mit Kultur zu tun, was? Aber in die Oper gehen und Fledermäuse beklatschen. Na, vielen Dank.
Am Morgen nach dem Frühstück lautete die Parole: Louvre.
Aha. Wenigstens kein Geträller.
Ich habe nachgeschaut, wo wir aussteigen müssten:
„Station Rue de Ravioli.“
Leider haben wir das nicht gleich gefunden.
„Es heißt ja auch Rivoli, nicht Ravioli, du Depp“, hat die Cora sich aufgeregt.
Ich glaube, dort kann man ankommen, wann man will, ob früh oder spät, immer ist es voll. Jeder will wenigstens einmal im Urlaub den Kunstfreund und -kenner spielen, auch wenn er Gemälde sonst nur als Abreißkalender kennt. Immerhin ist der Louve das größte Museum der Welt. Das lässt man sich nicht entgehen, nicht mal als holsteinischer Landterrier.
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Der Louvre, die Glaspyramide und der Karlsson |
„Weswegen gehen wir dahin? Was gibt es da zu gucken?“, hat sich der Lütte erkundigt.
„30.000 Exponate auf 60.000 Quadratmetern.“
Dem Jack sind die Augen rausgequollen:
„Müssen wir das alles ablaufen?“
„Na, klar!“, hat der Pit gesagt und sich einen weggegrinst. „Am Ausgang werden einem dann Fragen gestellt, ob man auch hübsch aufmerksam gewesen ist. Stell dich schon mal darauf ein.“
Der Lütte hat sich nun noch enger an den Karlsson gehalten. Er machte einen jämmerlichen Eindruck. Fast war man geneigt, mit einem „Kriegst nachher auch 'n Eis“ zu antworten, doch da musste er nun durch. Das gehört zum Mannwerden dazu. Uns schenkte ja auch niemand was.
Wider Erwarten wurde es dann gar nicht so schlimm. Die meisten Touristen wollen sowieso nur zu drei Stellen. Man braucht also nur in der Herde mitzulatschen, dann kommt man automatisch an. Die erste Station, die wir besucht haben, ist dieses berühmte Geflügelweib auf dem Podest. Sie heißt Nike. Das ist Griechisch.
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Die Nike von Samothrake |
Nun ja, alt ist sie schon, sogar sehr alt, und Flügel sind mir von Natur aus sympathisch, aber ohne Kopf? Da fehlt doch was.
„Ist das die Stammmutter von der tollen Sneakers-Firma?“, hat die Mia gehaucht.
Und der Karlsson hat uns informiert, dass er die Statue schon viel früher gefunden und ausgebuddelt hätte, wenn er dort wohnen würde, das könnten wir wohl glauben. Alle keine guten Nasen, die Leute.
Die zweite Station hat uns noch mal zu einer kaputten Frau geführt. Sie heißt Venus (oder Aphrodite) von Milo. Auch sie ist eine griechische Göttin.
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Die Venus von Milo |
„Die hätte ich auch viel früher gefunden“, hat der Karlsson klargestellt.
Der war eingeschnappt. Der hatte gerade begriffen, dass ihm der Ruhm als schnüffelnder Archäologe durch die Lappen gegangen war.
Ich fand diese angedetschte Kunst eigentlich ganz gut, denn was schon kaputt ist, kann nicht mehr viel leiden. Wir waren schließlich mit dem Ringelplüsch unterwegs und daher musste man immer damit rechnen, dass neben einem was zusammenkrachte. Bisher hatte er sich ja gut gehalten. Das Versailler Schloss stand noch, der Eiffelturm auch und der Arc de Triomphe ebenfalls. Aber wer wusste schon, wann Mr. Hyde wieder Macht über ihn gewinnen würde, und dann hieße es, den Propeller anzuwerfen und abzuhauen. Vorrest musste er allerdings nur davon abgehalten werden, sein Nutella-Crêpe aus dem Rucksack zu holen und reinzubeißen. Die Cora tat missbilligend den Kopf schütteln.
An der dritten Station wurde es schwierig für uns. Vorher die großen Statuen hatten wir ja einigermaßen gut sehen können vom Boden aus, aber jetzt dieses popelige Bild an der Wand mit den vielen Menschen davor, da war ja nichts zu erkennen.
„DAS ist die Mona Lisa?“, hat sich die Cora gewundert. „Ich dachte, die wäre größer.“
Gelle? Die würde ich glatt durch die Klappe meiner Voliere kriegen, ohne an den Seiten stecken zu bleiben.
Jetzt war Kreativität gefragt. Ich bin einem Touristen vorne in der ersten Reihe auf die Schulter geflogen und habe höflich gefragt, ob ich da mal eben sitzen bleiben dürfe, ich täte sonst der Dame nicht ins Gesicht schauen können. Die Cora und die Mia haben es mir nachgemacht. Der Pit, der Karlsson und der Lütte mussten am Boden bleiben.
„Hey, die grinst“, habe ich die Info nach unten weitergegeben.
„Ja, für 'ne Stickvorlage ganz okay", hat die Mia hinzugefügt.
„Verpass ich was?", hat der Karlsson raufgebrüllt.
„Verpass ich was?", hat der Karlsson raufgebrüllt.
Mehr war nicht drin, wir mussten weiter. Als wir den Louvre verließen, war es Essenszeit. Der Jack war froh, dass uns niemand am Ausgang aufhielt. Er hat sich noch lange umgeschaut, ob nicht doch noch jemand angerannt käme, um den museumspädadogischen Erfolg zu überprüfen.
Beim Burgeressen in einem netten Imbiss sind sich der Karlsson und der Pit näher gekommen – das erste Mal, seit wir in Paris waren. Ich durfte Zeuge einer anrührenden Unterhaltung werden:
„Wie findest du Schleswig-Holstein?“
„Gut, und du?“
„Ich auch.“
Mir tat ein Stein vom Herzen fallen, hatte ich doch Bedenken gehabt, ob das gut gehen würde mit den beiden. Schließlich war der Karlsson neu in der Truppe – und dann gleich Terrier? Der Pit wiederum als Interessenvertreter der Vierbeinerseite im häuslichen Familienverband war Autorität gewohnt und ließ sich nicht gern von einem Feldwebel hin und her schicken, selbst wenn der zahlte. Aber, hey, es war ja alles in Ordnung. Nach diesem intimen Gespräch konnte man direkt von Seelenverwandtschaft sprechen. Die beiden waren auf dem Weg zu einer innigen, tiefen, aufrichtigen Freundschaft. Ich würde mich entspannen können. Mein Gott, was war ich dankbar.
"Was gackerst du denn so entrückt?", hat mich die Cora gefragt.
Ach, was wusste die schon? Ein Engel war gerade durchs Burgerrestaurant geflogen und sie hatte es nicht mal bemerkt.
"Was gackerst du denn so entrückt?", hat mich die Cora gefragt.
Ach, was wusste die schon? Ein Engel war gerade durchs Burgerrestaurant geflogen und sie hatte es nicht mal bemerkt.
Fortsetzung folgt.
Fotos: Cora © G.H.
Pit und Jack © Club der glücklichen Vierbeiner
Karlsson © Terrierhausen
Palais Garnier, Stadtansicht, Mona Lisa, Burger, Nike: Pixabay
Venus, Louvre: Morguefile
© Max: Papageiengeschichten