Sonntag, 24. Oktober 2021

Tschüs, macht's gut

Wundert ihr euch über die komische Überschrift? Nun, manchmal kommen Dinge auf einen zu, die man nicht erwartet. So ging es uns auch. Die Mia und ich, wir wohnen nämlich nicht mehr bei der Putze. Wir leben jetzt an der holländischen Grenze bei einer Familie in der Außenvoliere. Wir haben viele Nachbarn. Links von uns wohnt ein Blaustirnamazonenpärchen und rechts von uns zwei Graupapageien. Und dann ist da noch viel buntes Kleingeflügel, das der Zucht und Ordnung bedarf. Damit befasse ich mich augenblicklich.

Ganz freiwillig sind wir zuerst nicht ausgezogen, das muss ich zugeben. Das kam so: Nachdem ich die Putze zum dritten Mal böse angegriffen und böse verletzt hatte, meinte sie, so ginge das nicht weiter. Wenn man gemeinsam in einem Haushalt wohnt, dann müssen alle aufeinander Rücksicht nehmen. Es gehe nicht an, dass sich einer ständig daneben benimmt, und sie, die Putze, nicht mehr durch die Wohnung laufen könne, ohne Angst haben zu müssen, angefallen und gebissen zu werden.

Damit meinte sie mich. Aber weil sie das mit Tränen in den Augen sagte und ich in den letzten sechs Jahren es immer geschafft hatte, dass sie mir jedes Mal eine weitere Chance einräumte, dachte ich, sie mache wieder nur leere Späßekens. Doch diesmal blieb sie hart. Ich hätte sie diesmal ziemlich gefährlich verletzt und außerdem einen weiteren Raum der Wohnung erobert, und das mache die Sache nicht einfacher. Jetzt sei Schluss. Ich würde mich nie ändern, ich würde nicht aufgeben, bis ich die ganze Wohnung kontrollieren würde, und dann sei sie ihres Lebens nicht mehr sicher.

Okay, das ist ihre Sicht der Dinge. Jetzt komme ich mit meiner: Die spinnt, die Else! Es ist doch nur natürlich, dass der einzige intelligente Mann der Familie die Verantwortung übernimmt und der einzigen schwachen Frau der Familie zeigt, wo's langgeht, notfalls mit einem bisschen Nachdruck. Es hat ihr doch gefallen, am Wochenende in der Notaufnahme zu sitzen. Die Verbände waren jedes Mal superschick. Sonst hatte die niemand, das muss man ja auch mal anerkennen, nicht wahr?

Also, ich finde, die Putze übertreibt maßlos. Aber gut, so ist es nun mal, es lässt sich nicht ändern. Die Mia ist mitgekommen, obwohl sie die Putze noch nie gebissen hat (die Memme!). Sie ist der Meinung (nach reiflicher Überlegung), dass neue Situationen auch neue Chancen eröffnen. Wenn sie weit weg von Hannover wohnt, muss sie sich nämlich nicht mehr mit dem Harald auseinandersetzen. Dass er sie damals so schnöde abserviert hat, geht ihr noch immer nach. Und manchmal hat man sich auch unterwegs getroffen; das hat alte Wunden aufgerissen. Aber jetzt am Niederrhein wird er ja wohl nicht mehr auftauchen, der Flatschendepp. Die Mia begrüßt das sehr. Außerdem hat sie bereits ein kleines Business aufgezogen, indem sie unsern neuen Nachbarn Kosmetiktipps gibt, also den weiblichen und vorerst noch umsonst. Zu Halloween will sie eine Party veranstalten. Sie näht mit den andern Weibern schon fleißig kürbisgelbe Kostüme. Die Rosakakaduhenne sieht darin vielleicht dämlich aus! Ich könnte mich wegschmeißen über die mickrigen Krempenhütchen der Kanarienvögel. Am andern Ende des Grundstücks wohnen sogar Nandus, ihr wisst schon, diese graupuscheligen Laufvögel mit den kleinen Köpfen. Mit denen haben wir aber wenig zu tun. Man sieht daran zumindest, dass es nicht langweilig wird.



Am Anfang war es noch ungewohnt, den ganzen Tag draußen zu verbringen. Doch man gewöhnt sich schnell daran. Woran ich mich aber nicht gewöhne, ist das ständige Gebrabbel des Wellensittichschwarms weiter links neben uns. Maaaann, das tötet einem vielleicht den Nerv! Jetzt habe ich Regeln aufgestellt, wann Ruhezeiten einzuhalten sind und wann sie sich unterhalten dürfen. Noch klappt es leider nicht reibungslos, daher werden Sanktionen nötig (zusammenfalten, Kloppe androhen und die Kolbenhirse durchs Gitter nach draußen schmeißen). Insgesamt wissen sie aber schon, wer hier der Herr im Haus ist. Da ich mich so gut mache, ist bereits unser neuer Herbergsvater an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich ihm nicht bei der Organisation des ganzen Vogelladens behilflich sein möchte. Ha! Hab ich's doch gewusst – ohne mich geht es nicht. Ich bin jetzt Manager. Ich kann euch sagen, dagegen ist Pits Geschäftsführerposten ein Fliegenschiss. Ich habe den ganzen Tag alle Krallen voll zu tun. Es ist ein schöne Erfahrung, wenn alles flutscht und die Alexandersittiche stramm stehen vor Ehrfurcht. Die Mia wird wahrscheinlich nach Halloween in der Verwaltung anfangen und die Kassenbücher führen. Auf uns warten viele neue Aufgaben.

Natürlich haben wir bei alledem auch an die Putze gedacht. Es ist ja nicht so, dass wir schlechte Jahre bei ihr hatten. Sie so traurig zu sehen beim Gedanken an den  Abschied hat uns schon einen Stich versetzt. Deshalb habe ich mich um Nachfolger bemüht. Bei „Fell, Federn, Schwarte – dem heißen Flirttreff“ habe ich eine  Annonce aufgeben. Glücklicherweise gibt es dort nämlich jetzt auch eine Online-Version, und die ist kostenlos. Folgenden Text habe ich geschrieben:


Suche zwei Mitbewohner mit Flügeln (!) für bedürftigen Haushalt. Vorhanden sind eine alte Frau und zwei zu vernachlässigende Fledermäuse. Unterkunft und Verpflegung sind gut, doch darüber hinaus werden Anstrengungen erwartet zu den Bereichen Haushaltsführung, sozial, emotional und Kommunikation. Der männliche Part sollte intelligent sein, furchtlos, reisefreudig und journalistisch interessiert. Er muss natürliche Autorität ausstrahlen, moralische Grundsätze vertreten und das gewisse Etwas mitbringen. Beim weiblichen Part reichen schöngeistige und modische Ambitionen. Das Zusammenleben ist auf Dauer angelegt. Es erwartet die Mitbewohner eine Aufwandsentschädigung in Form schöner Reisen und eigener PC-Accounts. Ernstgemeinte Antworten mit Fotos bitte an Max von Gelbnacken.

Was soll ich sagen? Die Leute haben uns die Bude eingerannt. Die Mia und ich hatten alle Hände voll zu tun, den Schrott auszusortieren. Die Tölpelhenne kam gar nicht in Frage (zu laut) und der alte Seeadler auch nicht (er trank). Am Ende, nach vielen, vielen Stunden des Sortierens und Befragens, blieben zwei Treffer übrig, von denen wir meinen, dass sie gut zur Putze und dem Roosevelt und Otis passen. Sie sind bereits eingezogen. Von ihnen kommen positive Nachrichten. Die Putze ist nämlich nicht dem Wahnsinn verfallen, nachdem ich nicht mehr auf sie aufpassen kann. Es geht allen gut.

Nun, das beruhigt auch die Mia und mich. Wir können uns jetzt ganz unsern neuen Aufgaben widmen. Die Zeit ist gekommen uns zu verabschieden. Wir gehen mit Wehmut, denn wir denken an die vielen schönen Reisen und Abenteuer, die wir mit euch erleben durften. Habt Dank für eure Freundschaft und für euer Engagement, das diesen Blog hier über zehn Jahre lang aufrecht erhielt. Ihr seid tolle Leute! Passt auf euch auf, bleibt gesund und allseits neugierig und positiv in euren Gedanken. Wir werden euch nie vergessen!
 

Euer Max und eure Mia

P.S. Dürfen wir euch noch um etwas bitten? Unterstützt bitte unsere beiden Nachfolger. Sie haben unsere Flugkarten zum Mount Everest bekommen und werden mit euch auf Reisen gehen. Nehmt sie bitte wohlwollend auf. Sie lernen noch. Habt Spaß mit ihnen. Sie sind wirklich ganz nett. Ihren Blog findet ihr hier: 

https://boff-reporter.blogspot.com/

© Max: Papageiengeschichten

Sonntag, 3. Oktober 2021

Der Spruch des Tages (199)