Sonntag, 30. November 2014

Die große Sause (9. Teil)

Am nächsten Morgen kriegte ich einen nassen Waschlappen ins Gesicht. Am andern Ende war die Cora. Sie tat flöten:
„Na, Dickerli? Wohin fahren wir heute?“
Wahrscheinlich dachte sie, die K.o-Tropfen in der Disco gestern hätten mir Totalausfall bereitet, aber selbstverständlich wusste ich jederzeit über sämtliche Logistik Auskunft zu geben.
„Wir machen Kulturprogramm“, habe ich geantwortet. „Wir fahren eine Destillerie besichtigen – Whisky.“
„Oh, schick.“
Die Cora tat in die Flügel klatschen.
„Ohne Verkostung!“, habe ich klargestellt. 
Der Grunzer gab zu bedenken, ob es so was überhaupt in England gäbe, er täte Whisky nur aus Irland oder aus Schottland kennen.
„Wir fahren ja auch nach Schottland“, habe ich gesagt. „Genauer gesagt nach Loch Lomond. Das ist ein Gewässer nördlich von Glasgow.

In Schottland heißen viele Seen Loch. Das ist deren Ausdruck für See. Man spricht es sogar aus, wie wir es tun, so wie „doch“, nur eben mit L am Anfang. 

Reizende schottische Löcher

Den Loch Lomond kenne ich von Tim und Struppi. Dort kann man lesen, dass der alte Seebär Captain Haddock gern den Whisky gleichen Namens trinkt, und manchmal schlabbert sogar der Hund ein Glas leer, falls er es zu fassen kriegt, wofür er dann von seinem Herrchen 'nen Arschvoll kassiert. Mich tat dieses geheimnisvolle Gebräu schon immer interessieren, allerdings hat die Whisky-Marke, die es dort mittlerweile tatsächlich gibt, nichts mit dem Loch Lomond bei Tim und Struppi zu tun, denn die Zeichnungen und Geschichten gab es schon viel früher als die Firma, die heute unter diesem Namen ihren Whisky vertreibt.

Mir war auch gar nicht speziell daran gelegen, diese eine Destillerie zu besuchen, ich wollte nur generell mal gucken, wie es da so zugeht, und der Loch Lomond gefiel mir auf den Bildern im Reiseprospekt. Schön grün und ohne Sandstrand. Dort würden wir nicht Gefahr laufen, über ausgelegte Sonnenölmenschen steigen zu müssen (wie in Blackpool) oder zeit-, energie- und weiberfressende Shoppingmeilen zu absolvieren (wie in Liverpool).

Dem Harald war das ein breites Grinsen wert. Der freute sich auf ausgiebigen Süßwassersport. Mit fuchtelndem Stockschirm ist er vor uns hergewatschelt. 
„Hey, hier lang! Links, du Fanfarendirigent“, hat der Pit ihm nachgerufen, als wir am Bahnhof angekommen waren.

Die Fahrt nach Glasgow dauerte etwas mehr als drei Stunden. Landschaftlich ist die Aussicht dort sehr einfach gehalten. Reizvoll, aber aufs Notwendigste beschränkt. Es gab das zu sehen, was Großbritannien am besten kann: grüne Hügel, ehrlichen Himmel, weiße Wolken. Damit hatte man schon in Wales gute Erfahrungen gemacht. Jetzt in der Grafschaft Cumbria, die wir durchfuhren, baute man auf ähnliches Konzept. Wir lagen gemütlich im Polster und guckten in die Ferne. 

Landschaft in Cumbria, Passanten

Der Mia klebten weiße Tupfer am Schnabel. Das war After Eight. Es dauerte nicht lange und jeder raschelte in den leeren Tüten herum auf der Suche nach dem letzten versteckten Täfelchen. Nur der Pit hatte anderes zu tun. Er hielt 'ne Mettwurst in der Pfote wie andere Leute 'n Strauß Blumen.

Aaaah, aber dem Harald geriet die Nase ins Kräuseln. Sehr schön. Sein Gefieder tat plötzlich irgendwie – wie soll ich sagen? – aufwolken. Es wurde flauschig, besonders obenherum, und gleichzeitig bräunlich, erst nur leicht an einigen Stellen, dann großflächig überall. Eigentlich sah er total dreckig aus. Der Schnabel war auch wieder nachgedunkelt. Die Mia kriegte Glubschaugen:
„Geht's dir nicht gut, Liebster?“

Der Grunzer hat geglotzt wie 'n Insektenforscher, der 'ne Polka tanzende Schildlaus beobachtet; die Cora kramte in ihrem Rucksack nach einer passenden Tablette:
„Würde Rapidolax helfen?“
Und der Ringelplüsch tat seelenruhig weiter seine Mettwurst mampfen. Wunderbar. Ich hatte schon befürchtet, in Conwy wäre die Kühlkette abgerissen, so lange, wie der Harald und der Pit keine intime Nähe hatten leben dürfen. Aber jetzt schien alles wieder in Ordnung zu sein. Der Harald passte jetzt auch farblich und im Muster viel besser zum Ringelplüsch.
„Wie eineiigen Zwillinge“, habe ich geseufzt.

In Glasgow sind wir direkt an den Schalter gegangen. Die Stadt haben wir uns gar nicht erst angeschaut. Mit dem Bus ging's weiter. Das Pensionszimmer konnte gleich am Schalter mit reserviert werden und auch die Führung durch die Whiskybrennerei am Nachmittag.

Hach, was war das für ein prachtvolles Lüftchen, als wir dann am Hügel standen und auf das spiegelglatte Wasser hinabschauten. So sieht also ein schottisches Loch aus, live und in natura. Ich tat meine Luftsäcke tief mit Ruhe und Sauerstoff füllen. Ruhe deshalb, weil die Mia mit dem Harald in der Pension geblieben war, um ihn ordentlich in der Dusche abzuschrubben in der Hoffnung auf Rückerhalt weißer Farbe. Der konnte jetzt also nicht blödsinnig johlend ins Wasser rennen und mir den schönen Anblick verhunzen. Der Pit war in den Garten sein Schnarchkissen ausbürsten gegangen und die Cora war ihn begleiten. Genau genommen tat ich jetzt mit dem Grunzer allein auf dem Hügel stehen.
„Wollen wir ein bisschen im Wald spazieren gehen?“, hat er gefragt.
Warum nicht? Solange ich keinen Löwenzahn suchen müsste oder von erzürnten Ameisen ein Bein gestellt kriegte, könnte ich mich endlich mal ungestört beim Frankensepp über den Stand meiner Matchboxgarage informieren. Der persönliche Kontakt mit entsprechend zart gewählten Fragen kann da oft Wunder wirken, viel mehr als simples Drohen und fachgerechtes Nörgeln.

Das erste Stück sind wir geflogen, dann, als wir mitten im Mischwald waren, der den Loch Lomond an etlichen Stellen berührt, ging's zu Fuß weiter. Es war schattig kühl und ab und zu knackten Zweige unter den Füßen. Wenn ich allerdings gewusst hätte, dass man uns belogen hat im Reiseprospekt mit dem scheinheiligen Gesülze von Frieden, Ausspannen und lieblicher Vegetation, wäre ich natürlich zu Hause geblieben. In Wahrheit nämlich tat dort die brutalste Kriminalität wüten, jawohl!

Das glaubt mir ja keiner, wenn ich das erzähle. Die andern haben's ja auch nicht geglaubt, als wir später davon berichtet haben. Aber alles ist wahr – ich schwöre!

Ich hatte mich gerade zum Grunzer gewandt mit einer Bemerkung über den Zusammenhang von Geldnot und Faulheit, da machte es „Zäng“ und etwas Längliches blieb neben uns in der Baumrinde stecken. Beim näheren Hinsehen zeigte sich, dass es ein Pfeil war. Gleich darauf kriegten die Büsche hinter uns ungewohntes Geräusch, die Zweige wurden auseinander gebogen, ein Jüngelchen mit grünem Hütchen kam zum Vorschein und bellte uns an:
„Wanderer! Alles, was ihr habt, her zu mir! All euren Besitz!“

Ich dachte, ich hör nicht richtig. Was hatte das Milchbübchen hier Karneval zu machen? Das Kostüm war genauso grün wie wir, nur im Farbton etwas lodenartiger, mehr aufs Waldleben zugeschnitten. Eine Strumpfhose gehörte dazu, weiche, knöchelhohe Wildlederstiefel und ein Köcher mit rot befederten Pfeilen darin. Irgendwie kam der Typ mir bekannt vor.
„Kennen wir uns?“, habe ich deshalb gefragt.
„Nö, nicht dass ich wüsste – Geld her!“
Da dämmerte es mir endlich:
„Sag mal, Burschi, gehörst du nicht ganz woandershin?“
„Ja, nach Nottingham. Ich bin hier im Urlaub.“
„Und da kannste nicht mal entspannen? Nimmst deine Arbeit mit?“
„Na ja, man muss in Übung bleiben. In unserm Job verliert man schnell den Anschluss bei der rasanten technischen Entwicklung heutzutage.“
„Ja? Wir haben aber nichts dabei. Oder siehst du was an uns? Wir sind nackt.“

Da ist der Waldknabe einmal um uns herumgeschlichen. Erst hat er geguckt, dann hat er die Achseln gezuckt, dann hieß es „Schönen Tag noch“ und weg war, im Gebüsch verschwunden, genauso schnell, wie er gekommen war. Nur der Grunzer tat noch immer säulenartig dastehen, die Flügel lächerlich in die Höhe gereckt. Dem hatte es die Spucke verschlagen. Gut, dass wenigstens ich Stahlnerven besitze. Hätte ich nämlich die Flügel hochgerissen, hätte der Räuber die Kreditkarte gesehen, die ich dort am Gummiband dabei hatte, und das wäre ja nicht nötig gewesen trotz allem Verständnis für die Arbeitsplatznöte der britischen Jugend.

Auf dem Rückflug hat der Grunzer gemeint:
„Irgendwie hatte ich ihn mir älter vorgestellt.“
„So? Wen denn?“
„Na, den Dschingis Khan von eben.“

Unsere Pension. Außen ländlich ...

... innen erstaunlich geräumig

Als wir an der Pension ankamen, taten die andern schon auf der Bank sitzen.
„Wo bleibt ihr denn so lange? Der Bus fährt gleich.“
Die Mia sah sehr sauber aus, der Harald war noch immer schmutzig braun, die Cora tat kichern und der Pit seine Barthaare putzen.

Eins muss ich aber mal energisch anmerken: Über den sehr lehrreichen Vortrag in der Whiskybrennerei hatte ich mir extra Notizen beiseite gelegt. Ihr wisst schon, Angaben über Temperatur, Luftdruck, Lagerzeiten und Produktionskapazität. Alles Dinge, die ich euch liebend gern hier mitteilen täte, nur leider ist mir jegliche Lust vergangen. Bedankt euch bei den Spacken, dass ihr jetzt auf diese total interessanten Informationen verzichten müsst. Boah, was war das 'ne scheinheilige Bagage –  und ich sag noch: keine Verkostung. 

Erst sind alle noch brav mit durch die Keller gelatscht, um jeden Kessel herum und um jedes Fass. Aber dann war ich nur mal kurz draußen, weil ich gehört hatte, dass manche Whiskyfirmen Gänse halten statt Wachhunde, und da hatte ich mal gucken wollen, ob das dort auch so wäre. Hinterm Haus habe ich tatsächlich ein paar Damen getroffen und sehr anregende Gespräche geführt über Arbeitszeiten, Verpflegung, gewerkschaftliche Anbindung und so weiter. Als ich zurückkam, war es bereits geschehen: Man reichte Henkelgläser herum, an denen begierig genuckelt wurde, einschließlich dem Grunzer. Das Ende war das hier:



 Nur der Harald war noch genauso nüchtern wie ich.


Auf dem Rückweg im Bus wurde es noch schlimmer. Puppenlustig ist wohl die passende Beschreibung. Zum Schluss hat der Pit seine Mettwurst rumgehen lassen und jeder hat mal abgebissen, sogar der Grunzer und der Busfahrer. 

Was war ich froh, als ich den kichernden Fuselhaufen hinter der Pensionstür hatte. Wie ein Schneepflug haben der Harald und ich alles vor uns hergetrieben, was offiziell zu uns gehörte. Bis ins Bad. Tür von außen zu. Ausnüchterungszelle. Aus die Maus. Man muss auch mal hart durchgreifen. Die nächsten zwei Stunden war Ruhe. Dann artiges Klopfen:
„Gibt's was zu essen?“

Ich habe den Tisch vorsichtshalber auf dem Zimmer decken lassen, solange ich nicht sicher sein konnte, dass nicht einer der Delinquenten im Speisesaal den Kronleuchter entern würde, um „God save the king“ zu schmettern. Meine Wahl fiel auf vegetarisch: überbackene Zucchini. Wem das nicht gefallen täte, der könnte sich ja die Mettwurst vom Pit reinschnibbeln. 

Erst viel später, als es schon zu dämmern begann, sind wir alle zusammen noch mal rausgegangen. Es war still und friedlich um den See und wunderbar blau. Wir hatten drei Mayonnaise-Eimer aus der Küche mitgenommen, damit wir darauf sitzen und die Füße ins Wasser baumeln lassen konnten. Wir haben nicht viel geredet, jeder war mit sich beschäftigt. Der Harald zog lautlos seine Kreise.

Der Loch Lomond

Mir tat das gut gefallen, weil es doch ein versöhnlicher Schlussstrich war unter die haarsträubenden Ereignisse: erst der Überfall, dann das Besäufnis im Whiskykeller und gerade eben die Entziehungskur. Was sollte jetzt noch Schlimmeres passieren? Hier am paradiesischen Gewässer in den letzten idyllischen Farben des sich verabschiedenden Tages?

Tja. Was sollte jetzt noch passieren? Da war selbst ich sprachlos.

Aber davon berichte ich euch das nächste Mal.

Fotos: Cora © G.H.
          Grunzer © U.W.
          Pit © Club der glücklichen Vierbeiner
          Loch 2, Loch 3, Holzhaus, Schwan 1, Glas mit Whisky, Fässer 1, Fässer 2, Hotel innen, Gänse, Loch Lomonmd
          Cumbria, Landkarte: Pixabay
          Loch 1, Zucchini: Morguefile
          Robin Hood: Resawe, DeviantArt, Bild steht unter Creative Commons Licence

© Max: Papageiengeschichten              

Rätsel 192

Schönen guten 1. Advent.

Na, schon die Lichterpyramide ins Fenster gestellt, die Backrezepte für die Weihnachtsplätzchen beiseite gelegt?

Wir haben keine Tanne und Fichte in der Wohnung, weil die Putze behauptet, wir würden doch nur alles zerrupfen und auf den Boden schmeißen - Frechheit!

Dafür lass ich sie jetzt nicht mitmachen beim Rätsel. So.

Was ist das?


Das ist etwas mit Pixel (solche Rätsel löst ihr doch besonders gern ;-)). Es hat gelbe, beige und schwarze Karos, und wenn man die Karos mal weglässt, ist auf dem Bild die Lösung zu sehen. Die Lösung braucht man nicht zum Ausmessen des Tapetenbedarfs beim Renovieren.

Sonntag, 23. November 2014

Die große Sause (8. Teil)

Am nächsten Morgen beim Frühstück hat die Cora die Kanne Earl Grey allein ausgesoffen. So 'n Durst, so 'n Durst. Tja, Guinness macht halt 'nen trockenen Schnabel, zumindest wenn man zu viel davon trinkt.
„Hab ich nicht“, tat die Cora behaupten. „Ich war nicht besoffen, ich hab nur weich liegen wollen. Der Pit ist soooo kuschelig.“
Das konnte die fränkische Ökogurke natürlich nicht auf sich sitzen lassen:
„Aber Coralein, wie kannst du so so was behaupten? Bin ich dir nicht mehr genug?“, hat der Grunzer gejault.
Und der Pit war der Meinung, dass man seinen Wert als vollwertigen Kater nicht so schnöde auf sein Äußeres reduzieren dürfe. Er hätte mehr zu bieten als ein flauschiges Fell.
„So? Was denn zum Beispiel?“, habe ich gefragt.
„Na, Bescheidenheit, Verantwortung, Weitsicht, Bildung – und gutes Benehmen.“
Oh, Hilfe! Dann hatten wir ja den falschen Kater gerettet. Der Pit, den ich kenne, ist ganz anders.


Ich will die dusselige Knackwurst zurück! Die bin ich gewohnt! Die vermiss ich! Geh zurück, wo du herkommst, du falscher Geist!

Da hat der Ringelplüsch für den Rest des Vormittags nicht mehr mit mir geredet. Meine Würstchen hat er auch mit der Pfote vom Teller gerollt und auf seinem gestapelt. Und dann hat er noch zum Harald gesagt, wenn ich jetzt irgendwie aufmucken täte, würde er einen Totenkopf ins Porridge ritzen. Er wäre gerade nicht ausreichend gelaunt für dämlichen Humor. Dafür hätte es zu sehr gezogen in der blöden Burg.

Okay, vielleicht würden wir uns darauf einigen können, dass wir alle ein bisschen Erholung gebrauchen konnten. Die letzten Tagen waren doch ein wenig stressig.
„Au ja!“, tat die Mia schreien. „Wir fahren baden, an den Strand.“
„Jaaa … nach Blackpool“, hat die Cora nachgelegt.
Von neuen Bikinis war die Rede, die man sich extra angeschafft habe, und vom Sonnenspray „Birdy Summer“ mit Lichtschutzfaktor 200 und Anti-Klebeformel, besonders für die feinen Federchen an Bein und Po.
„Arschteuer bei Houglas.“

Dagegen war natürlich nicht anzukommen. Gegen solche Argumente versagt männliche Hirnleistung.
„Na schön, fahren wir eben nach Blackpool.“

Die Fahrt dauerte nicht lange. Die Verbindung mit dem Zug ist gut, denn nicht umsonst genießt Blackpool den Ruf einer nationalen Badewanne. Früher mal exklusives Strandbad gewesen mit flanierenden Damen in Rüschenkleidern und Sonnenschirm, heute eine Art Vergnügungspark, aber mit einem noch immer großzügigen Strand, der viel aufnehmen kann an lagerndem Volk. Falls gerade Ebbe ist, hat man noch mehr Platz.

Als wir ankamen, war der Himmel bedeckt. Es fing sogar zu dröppeln an. Wir standen gerade an der Straßenbahnhaltestelle. Dann wurde es immer mehr, und schließlich hockten wir alle unterm Stockschirm vom Frischkäse, während rundherum das Wasser nur so auf den Boden klatschte. Das war das erste Mal, seit wir den Fuß auf britischen Boden gesetzt hatten; das muss man fairerweise dazusagen. Nur leider ließen sich die Weiber nicht davon beeindrucken. Die waren stinkig und das zeigten sie auch.
„Wenn ihr jetzt auch noch so rummufft wie die Knackwurst, dann könnt ihr alle zusammen am Bahnhof bleiben“, habe ich gewarnt. 

Shit weather
„Siehste? Erst habt ihr alle über mich gelacht und jetzt seid ihr froh, dass ich den Schirm dabei habe“, hat der Harald unbedingt anbringen müssen.
Der Grunzer hatte auch was zu melden:
„Du, Pit, dein Schnarchkissen zieht Wasser.“
Die Cora war der Meinung, dass das zu verhindern gewesen wäre, wenn der Pit zu Hause das Schnarchkissen mit Zeltspray imprägniert hätte. Das fand die Mia nun wieder überhaupt nicht, denn sie meinte, dann wäre das ja kein Schnarchkissen mehr, sondern ein Schlauchboot. Währenddessen hat der Pit unbeeindruckt seinen Rucksack aufgezogen, hat eine durchsichtige Plastikplane rausgeholt und seelenruhig alles ums Schnarchkissen gewickelt. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre mal eben Zigaretten holen gegangen und nie wiedergekehrt.

Boah, was für 'n bekloppter Haufen. Ich tat mich plötzlich müde fühlen, so richtig total müde.

Doppeldeckerstraßenbahnen
Okay, in der Straßenbahn war's ja wieder trocken. Wir stiegen die Stufen hoch. Jawohl, die Stufen, denn das ist das Besondere an Blackpool. Dort gibt es Doppeldeckerstraßenbahnen. Es sind die einzigen in ganz Europa, glaube ich. Man hat eine prima Aussicht von dort oben. Wie der Ringelplüsch seinen Trolli die Treppe hochgekriegt hat, weiß ich allerdings nicht. Ich habe gesagt, der Harald soll sich neben ihn setzen. So schnell gebe ich nicht auf gegen Katzenallergien jeglicher Art; das bin ich meinem weichen Herzen schuldig. Gnihihi.

Blackpool hat am Strand mehrere Piers. Das sind so Stege, die weit raus ins Meer ragen. Sie sind ordentlich breit und mehrheitlich mit Freizeit und  gastronomischen Behausungen belegt. Außerdem gibt es Karussells im Vergnügungspark – hier auf dem Foto zu sehen als Riesenrad. 

Grunzer und Cora mit dem Seebad Blackpool bei Ebbe

Als wir ausstiegen, hatte es aufgehört zu regnen. Der Himmel war auch wieder etwas blau und der Strand erfreute durch angenehme Leere. Den knatschigen Weibern hat das aber noch immer nicht gefallen, weil sie sich partout aufs Sonnenbaden versteifen wollten. Wir sind erst mal das Gepäck unterstellen gegangen. Trotz Feriensaison war es nicht schwer, ein Hotelzimmer zu kriegen, sofern man ordentlich was springen ließ. Der Pit hat im Bad zum Trocknen sein Schnarchkissen über die Badewanne gebreitet. Ich habe gerade noch einschreiten können, dass die Cora ihm das Ding nicht noch trocken fönen tat. Manchmal hatte ich den Eindruck, das Stollenputchen wandelte auf verbotenen Pfaden, so wie sie dem Pit neuerdings Annäherung schenkte. Jedenfalls tat der Grunzer missmutig gucken. Oder waren ihm nur die Reiswaffeln feucht geworden?

Als Nächstes ging's zum Karussellfahren. Nur nicht unterkriegen lassen von hinderlichem Wetter und zickigen Mitreisenden.
„Hopp-hopp, die Herrschaften, ein bisschen mehr Tempo, bitte.“
Wir sind Achterbahn gefahren, Autoscooter und Wilde Maus. Ins Kettenkarussell hat der Frischkäse nicht gedurft, weil dort keine Gurte vorhanden sind und die Leute Angst hatten, der Schwan täte ihnen um die Ohren fliegen –  als ganzes Stück, meine ich. Wir andern haben uns an den Stangen festgehalten. Krallen sind dafür besser geeignet als Schwimmlappen. 

Grunzer und Harald

Cora und ich

In der Geisterbahn hat die Mia gequiekt wie nicht ganz dicht. Als sie rauskam, hat sie mit dem Gesicht beim Grunzer unterm Flügel geklebt. Die Cora tat sie anglotzen, dass ich schon dachte, gleich würde die Mia zu 'nen Häufchen Dürrfleisch zusammenschrumpeln. Ich habe schnell 'ne Portion Pommes spendiert, um der weiblichen Lawa 'nen Korken aufzudrücken. Vielleicht täte es ja noch ein bisschen halten.

Gott sei Dank klarte es sehr schnell auf. Plötzlich war die Sonne da. Mir wurde warm neben dem Frittenöl. Die Weiber kriegten erst das Juchzen, dann das Rennen. Im Galopp ging's zurück zum Gepäck. Mit Beach-Ausrüstung und den geklauten Hotelhandtüchern waren sie wieder da. Wir machten uns auf den Weg. Ein stilles Plätzchen sollte es sein, das hatte ich mir ausgebeten. Doch gar nicht so einfach bei all den Leuten, die genau wie wir aus dem Nichts geschwappt kamen, aber mehrheitlich schon den Strand gekapert hatten.
„Wie lange müssen wir denn noch laufen?“, tat die Cora meckern.
Der Harald trug an den Henkeln sämtliche Taschen und Beutel um den Hals.

Ah, endlich wurde die Belegung dünner. Zwischen den Hingestreckten tat sich zunehmend helle Farbe zeigen. Das war der Strand. Und dann stockte mir plötzlich der Atem. Hatte ich Fata Morgana oder war das wirklich – wow! – der … der … der da saß? Die andern standen auch wie angewurzelt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Mia hatte sich als Erste wieder ein. Wie 'ne Rakete ist sie durch den Sand gestampft, direkt auf ihn zu. Wahrscheinlich wird man so furchtlos, wenn man oft genug Oscarverleihung guckt.
„Kann ich ein Autogramm haben, Mister Frosch?“, habe ich es flöten hören.


Dann hat die Mia ihm 'nen Kassenbon hingehalten und 'nen Stift und der Hollywoodstar hat seine Unterschrift draufgekritzelt. Anschließend wurde gewinkt von der Mia, so wie 'ne Königin den Untertanen Huld spenden tut; daraufhin haben wir andern uns ebenfalls in Bewegung gesetzt, bis wir stumm dem Frosch in der Sonne standen. Lange sind wir aber nicht geblieben, schließlich wissen wir, was sich gehört. Solche VIPs wollen auch mal unter sich sein. Wir haben nur noch erfahren, dass der Frosch auf Urlaub war, genau wie wir, und, nein, Miss Piggy wäre nicht mitgekommen und auch nicht der dänische Koch und nicht die große Kasserolle.

In schicklichem Abstand haben wir uns nebenan in den Sand gesetzt. Ruckzuck hatten die Mädels ihre Bikinis an. Vielleicht dachten sie, Hollywood würde rübergucken, aber da wurde nur stur aufs Wasser geschaut. Obwohl ich zugeben muss, dass es mich schon interessieren tat, ob man bei Oscars mehr auf große Oberweite steht oder auf Körbchengröße „Fliegenschiss“. Wir hatten mit der Cora und der Mia beides zu bieten. 

Alle mal raten: Wer ist wer?

Mit Bademode hatten wir Jungs natürlich nichts am Hut. Echte Männer sind allein mit Sonnenbrillen perfekt gekleidet.


Ansonsten hatte jeder gut zu tun, je nach Geschmack und Vermögen. Die Weiber haben in der Sonne geschmort, der Harald war im Meer schwimmen, der Pit hat im Schatten unterm Stockschirm Zeitung gelesen (warum bloß?), und ich habe mit dem Grunzer Burg Conwy nachgebaut:


Fast hätten wir nicht gemerkt, als es Abend wurde. Der Frosch war schon weg und auch wir kriegten allmählich Hunger. Im Hotel dann kurz frisch machen: Sonnenöl bzw. Salzwasser aus dem Gefieder waschen, Sand ausschütteln (Grunzer), Deo auftragen (die Mädels), Parfüm auflegen (Mia) und die Barthaare in Form ziehen (Pit). Die Sonne verschwand gerade hinter den Wolken, als wir am Pier ankamen. Das Licht war grandios.
„Stell dich mal dazu, du bist farblich so schön passend“, habe ich zum Ringelplüsch gesagt.
Tolles Bild geworden, nicht?

Auf dem Pier

Gegessen haben wir woanders, in einem Straßenrestaurant.

Grunzer, Mia, Harald

Es gab Gemüselasagne mit Spinat. Die grünen Sprenkel am Harald hat die Mia mit Spucke weggekriegt.


Später waren wir in einer Disco. Ein Pub kam nicht in Frage, auf gar keinen Fall. Ich hatte die Faxen dicke, und die Cora hatte außerdem versprechen müssen, dass sie kein Guinness trinkt. So sind es Cocktails geworden. 

Disco-Nahrung: Cora und Grunzer

Ich habe auch einen Cocktail probiert. Gefahr tat nicht bestehen, weil so gut wie kein Alkohol drin war. Das hätte ich sonst geschmeckt. Später hat der Pit gesagt, es wäre eine Supernacht gewesen. Er hätte erst total viel getanzt und dann mit ihm hier an der Bar gesessen: 

Man täte echt leicht mit den Leuten ins Gespräch kommen, egal ob man sich kennt oder nicht, Hauptsache, man hat Interessantes zu berichten. Er für seinen Teil hätte von Holstein erzählt, vom Leben zwischen Rapsfeldern und Ostessekieseln. Schade nur, dass ich so gar nichts mitgekriegt hätte von alledem. Es wäre wirklich die totale Highlight-Disco gewesen. Aber ich wäre ja lieber sternhagelvoll auf dem Klo liegen geblieben, mitten auf den Papiertüchern, untergeschoben von ihm und dem Grunzer, und hätte geschnarcht wie 'n Sägewerk – bis sie mich aufgeladen und ins Hotel geschleppt hätten.

Die Cora und die Mia taten das Gleiche behaupten, der Harald ebenfalls. Ich kann das nicht glauben. Es sind K.o-Tropfen im Spinat gewesen, hundert Pro. Anders kann ich mir das nicht erklären. Man wird doch nicht besoffen von so 'n bisschen Fruchtsaft.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora © G.H.
         Grunzer © U.W.
         Pit © Club der glücklichen Vierbeiner
         Frühstück, Landkarte, Straße im Regen, Doppeldeckerstraßenbahn, Blackpool Strand, Kermit, Hintergrund Strand,
         Cocktail, Wachsfigur, Brotkorb: Pixabay
         Achterbahn, Karussell, Schwan 1, Schwan 2, Strand, Blackpool Pier, Restaurant, Lasagne: Morguefile

© Max: Papageiengeschichten

Rätsel 191

Tach, tach, tach.

Heute habe ich Orange. Und wieder Pixel.



Das ist es etwas, was wir so in dieser Form wie auf dem Foto nicht zu Hause haben. Es ist aber praktisch und jeder kennt es. Man braucht es nicht zum Braten von Steaks.

Sonntag, 16. November 2014

Die große Sause (7. Teil)

Nee, das ist nicht Montreal, auch nicht Singapur, das ist Liverpool. Habt ihr nicht gedacht, was? 


Aber von Anfang an.

Am Vormittag sind wir im Bahnhof eingefahren. Wales hatten wir verlassen, wir waren wieder in England. Nach der Aufregung in Conwy taten wir uns sehr freuen auf ungestörte Anonymität in der Großstadt. Noch konnten wir uns aber nicht sicher sein, dass man uns nicht suchte. Am Bahnsteig tat uns jedenfalls niemand erwarten; das war schon mal gut. Trotzdem hieß es aufpassen. Wir haben den Pit samt Gepäck in der Bahnhofshalle in eine Ecke gestellt. Die Cora hat gegenüber auf 'nem Ständer gesessen und aufgepasst, damit wir gleich Bescheid wüssten, falls man den Pit verhaften täte. Allerdings war der Ringelplüsch getarnt, denn schließlich wollten wir es Scottland Yard nicht ganz so einfach machen. Die Orienthaube gab's günstig aus der Kramkiste am  Spielzeugstand.

Wir andern sind inzwischen in den Zeitschriftenladen gegangen wegen Überprüfung der Schlagzeilen in den Tageszeitungen. Vielleicht stand da ja „Schwerverbrecherkatze gesucht“ oder „Sabotage-Anschlag auf nagelneu renovierte Burg“. Jedes Deckblatt haben wir einzeln aus der Halterung gezogen und durchkämmt, doch – uff – nichts zu lesen vom Pit oder von irgendwas, das auf uns schließen ließ. Dem Grunzer tat vor Erleichterung der Hintern auf die „Times“ sinken.

Als wir zurückkamen, war der Pit weg. Die Cora auch. Das war ja 'n schöner Mist. Zu früh gefreut. Nun ging die ganze Hetzerei von vorn los. Knackwurst suchen – als hätten wir nichts Besseres zu tun. Ich wollte gerade die Aufgaben verteilen, da kam die Cora aus der Damentoilette gelatscht.
„Wo kommst du denn jetzt her?“, habe ich gefragt.
„Man wird doch wohl noch aufs Klo gehen dürfen“, war die Antwort.
„Aber nicht ohne den Pit!“
Dass Weiber nie begreifen können, was Verantwortung heißt beim Wachestehen. Man lässt das Objekt nicht aus den Augen – nie.

Den Pit haben wir dann doch noch gefunden. Er war nicht weit entfernt, nur ein paar Meter. Schaut selbst. Oben das Bild zeigt den korrekten Zustand, so wie man sich einen soliden Schankbetrieb wünscht, das untere Bild offenbart einen klitzekleinen Fehler. Wer findet ihn?


Mann-o-Mann, der hatte vielleicht Nerven.

Konnten wir jetzt endlich zum normalen Urlaubsprogramm zurückkehren? Gut.

Ein Hotel war schnell gefunden. Ohne Gepäck sind wir gleich weitergezogen. Nur keine Zeit verlieren. Die Putze hatte gesagt, Liverpool wäre berühmt wegen seiner Musik.
„Ja, die haben hier Geburtsstunde von Komponisten“, meinte der Harald.
„So was wie unser Beethoven, glaube ich“, hat der Grunzer hinzugefügt.
„Nee, nicht ganz so alt. Eher wie Caruso oder Greta Garbo, weil die Putze die schon als Kleinkind gekannt hat – also die englischen Komponisten. Das muss so um 1920 gewesen sein“, fand die Mia.

Näheres war im Touristenblatt zu lesen. Aha, hierum ging es: Merseybeat. Der Mersey ist der Fluss, an dem Liverpool liegt. Dort haben sich Clubs gebildet, manchmal im Keller, in denen junge Leute ungewöhnliche Musik gemacht haben, so mit Gitarren, Schlagzeug und Gesang. Das war neu, das kannte man noch nicht, weil es sich anders anhörte als das, was aus dem Radio kam. Die berühmteste dieser Kneipen ist wohl der Cavern Club. Und das berühmteste Orchester, das daraus hervorgegangen war, hatte vier Männer mit komischen Helmfrisuren, schwarzen Stiefeletten und einem gelben Unterseeboot. Aber das war später, als man sie schon überall kennen tat. Wir machten uns auf die Spurensuche.

Das bin ich mit dem Pit am Punkt drei der Touristenroute.


Die Namen auf den Ziegeln sind alles Musiker, die mal was in den Hitlisten hatten. So sehr ich auch suchen tat, Boney M. hab ich nicht finden können, Adamo auch nicht.


„Blödmann“, hat die Cora den Kopf geschüttelt.
Wieso? Was tat sich die Henne hier aufblasen? Nur weil sie die vier Jahreszeiten vom Grunzer geschenkt bekommen hatte, brauchte sie hier keinen auf überheblich zu machen. Einen Kalender kann schließlich jeder auf  CD brennen.

Das ist auch einer von dem berühmten Vier-Mann-Orchester, von dem ich gerade gesprochen habe. Seine Statue hängt sogar über der Straße. Seinen Namen habe ich aber vergessen. Ringo hieß er nicht.


Im Cavern Club haben wir eine Cola getrunken. Man kann sich dort tagsüber alles anschauen. Musik gibt's abends. Der Laden ist zwar nicht mehr original, sondern renoviert, aber es war trotzdem sehr interessant, an historischem Ort zu sitzen. Man kriegt gleich ein ganz anderes Gefühl von Erhabenheit und Bedeutung.

Gegessen haben wir an 'ner Imbissbude: gefaltete Pfannkuchen mit pikanter Füllung. Sehr lecker und auch farblich nicht weiter störend am Harald. 

Pit und Grunzer

Dem Harald hatte übrigens der gestrige Tag mit seiner Distanz zum Pit sichtlich gut getan. Der Frischkäse tat nur noch wenig niesen und der schwarze Schnabel war auch wieder weg zugunsten seines natürlichen Zustands. Da sieht man mal wieder, wie verheerend sich Katzenhaare auf sensible Kreaturen auswirken können. Das hätte ich niemals für möglich gehalten.

Die Mia war überglücklich.
„Mein schöner Adonis“, tat sie sülzen und dauernd an seinem Hals herumtatschen. 

Wie man sieht, der Harald war wie neu

Jedes Mal, wenn's um die Ecke ging, dachte ich, gleich rutscht er aus auf der Schleimspur und fliegt lang hin, aber er ist heil über alle Klippen gekommen. Sogar die Shoppingtour am Nachmittag hat er tapfer abgewatschelt. Auf einmal befanden wir uns nämlich in einer Einkaufsstraße. Das hatte ich leider zu spät bemerkt. Fürs Umkehren war keine Zeit mehr, die Mädels hatten bereits Entzückungsschreie ausgestoßen. Der Grunzer tat nachölen:
„Coralein, möchtest du dir was Hübsches aussuchen?“

Die beiden Weiber

Idiot. Jetzt hatten wir den Salat. Endloses Rumgestehe vor jedem Schaufenster. Und dann noch sagen müssen, ob die roten Hot Pants an Coras Straußeneihüften besser aussehen täten als die gelben.
„Ich fände einen Wickel aus Frühstücksspeck für dich sehr süß und vorteilhaft“, habe ich gesagt.
Da wurde ich nicht mehr um Rat gefragt.

Die Mia

Trotzdem hat die Prozedur Stunden gedauert. Der Harald und der Grunzer als Liebhaber haben ja nichts sagen können wegen ihrer Verpflichtung zum Klappehalten, aber ich habe immer schön demonstrativ den Schnabel aufgerissen, ohne mir den Flügel vorzuhalten. Der Pit saß sowieso meistens mit dem Rücken zum Laden und guckte auf die Straße. Manchmal ließen sich Katzenweiber blicken. Dann hat der Pit einen auf Latino Lover gemacht. Der Buckel wurde rund, der Schwanz zur Laterne und der Bart zum Glockenspiel. Doch die beiden juchzenden Hennen tat das alles nicht die Bohne stören. Die kriegten nichts mit in ihrem Kaufrausch. Wenigstens mussten wir keine Tüten schleppen. Alles wurde per Internet nach Hause beordert.

Am Abend dann endlich Einkehr zum Dinner fassen. Was taten mir die Füße weh. Der Grunzer hatte Bauchgrummeln und der Pit Kaugummi unter allen vier Pfoten. Nur die Mädels taten perlen wie Schampusbläschen beim Knutschen mit dem Kaviar. 

Es gab Reis mit Currysoße und Fleisch. Ich glaube nicht, dass es Pute war. Anschließend sind wir in einen Pub gegangen. Die Cora wollte unbedingt dorthin, weil sie noch so 'nen Durst hätte und es an der Theke gemütlicher wäre als am Tisch im Restaurant. Ha! Die wollte nur ans Guinness, die alte Schnabeltasse.

Wir haben sehr aufgepasst, dass die Cora nur dran nippen tat. Dennoch ist es passiert. Blau wie 'n Kegelclub war sie. Gelallt hat sie und sich wieder bäuchlings beim Pit in den Nacken gekrallt. Diesmal haben wir aber von innen das Hotelfenster geöffnet (wir wohnten im Parterre). 

Der Pit beim Aufpassen

Von dort haben wir die Cora mit dem Spannseil von Pits Trolli nach oben gezogen. Sie hatte das Seil um den Bauch. Der Grunzer tat wieder hilflos glotzen. Oder war es entsetzt? Dabei müsste er doch langsam mal wissen, was für 'ne Marke er sich mit der Duisburger Biersemmel angelacht hatte. Als die Cora dann auch noch zu singen anfangen tat, haben wir sie im Bad eingesperrt – unter Protest vom Frankenheini. Er ist dann aus Solidarität zu ihr gezogen. Mir war das sehr recht. Er mit seinem Bauchgetöse wäre nämlich auch bald dort gelandet, aber freiwillig ist immer angenehmer als Zwang. Ich bin ja eher der weiche Kumpeltyp, nicht die Faust, die auf den Tisch haut.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora © G.H.
          Grunzer © U.W.
          Pit © Club der glücklichen Vierbeiner
          Liverpool: Flickr; Bild steht unter Creative Commons Licence
          Restaurant innen, Essen, Gürtel, Futtertheke, Markthalle, Bonbons: Morguefile
          Landkarte, Ziegel, John-Lennon-Statue, Penny Lane, Pub: Pixabay 

© Max: Papageiengeschichten

Sonntag, 9. November 2014

Die große Sause (6. Teil)

Die Nacht war diesmal besonders kurz. Ich hatte nicht gut geschlafen. Im Hellen, als wir das Pensionszimmer genommen hatten, war nicht zu erkennen gewesen, dass wir uns in der Einflugschneise eines Flughafens befanden. Auch dass unmittelbar neben uns ein stark beanspruchtes Krankenhaus stehen musste, hatten wir nicht gewusst. Ständig jaulte irgendein Blaulicht. Es hatte ununterbrochen gerumpelt und gebebt. 

Ich hatte noch das Feeling eines Kloppschnitzels, als der Grunzer mich wecken tat:
„Du, Max, wo ist der Pit?“
Wieso? Lag er denn nicht in seinem Schnarchkissen?
„Eben nicht. Er ist heute Nacht überhaupt nicht zurückgekommen.“
Ach, dann wird er sicher schon beim Frühstück sitzen. Kein Grund zur Aufregung.
„Wir machen uns aber Sorgen“, meinte der Harald. Und die Mia wollte wissen:
„Sei ehrlich, Max, du weißt doch was. Wo ist der Pit?“
Nö, ich wusste nichts.
Nein.
Echt jetzt.
Wirklich nicht.
Okay, man hat mich bedrängt, da habe ich nachgegeben. Sofort blubberte Empörung hoch:
„Waaaas? Das glaub ich jetzt nicht! Das hast du doch wohl nicht gemacht wie beim Roosevelt und Otis? Wir gehen sofort zur Burg und befreien ihn.“
Na gut, ich war ja auch der Meinung, dass die Zeit ausreichen täte, um dem Pit das exklusive Gefühl einer nächtlichen Disco zu vermitteln. Nach dem Frühstück würden wir ihn holen gehen.
„Nein, nicht nach dem Frühstück – sofort!“
Wenn die Cora einen auf energisch macht, sieht sie aus wie eine Personalunion aus Galeerentrommler, Krankenschwester und Kaltmamsell. Da ist es besser, man fügt sich.

Den Harald haben wir in der Pension gelassen. Er sollte unauffällig das Büfett abräumen und in Tüten lagern, damit wir darauf zurückgreifen könnten, denn schließlich hatten wir Bed & Breakfast bezahlt.

Als wir auf die Straße traten, war schon halb Conwy unterwegs. Junge, war das ein Verkehr. Die eine Karawane wälzte sich mit uns voran, die andere kam uns entgegen, viele Möbelwagen darunter und Autos mit Dokumenten an der Windschutzscheibe.
„Haben die hier Demo von der Gewerkschaft „Schlepp & Stemm“ oder was soll das bedeuten?“, tat sich die Mia wundern.
Ich fand das ja auch alles ziemlich sonderbar, aber richtig gruselig wurde es, als wir an der Burg ankamen. Ich glaube, wir haben eine halbe Stunde nur stumm dagestanden und geglotzt.

Das konnte doch nicht wahr sein.

Erinnert ihr euch, wie wir am Abend zuvor in der Burg gewesen waren und die Besichtigungstour gemacht hatten? Da hatte die Burg noch so ausgeschaut:



Jetzt sah sie so aus:


Hier noch mal von der andern Seite:


Wow, wie hatte der Ringelplüsch das bloß hingekriegt? Bestimmt hatte er wieder irgendwo dran herumgepopelt und dann war alles über ihm zusammengebrochen. Wo steckte er überhaupt?

Ich hatte als Erster meine Geisteskraft zurück. Ich bin unter der Absperrung durchgelaufen, im Zickzack um die Hosenbeine herum, immer tänzelnd ausweichend, damit ich nicht getreten wurde, und dabei die Augen nach oben gerichtet zum Empfang rötlicher Ringeloptik. Ich bin gelaufen und gelaufen (fliegen erschien mir zu auffällig). Nicht dass ich mir Sorgen um den Pit machen tat, keineswegs, denn solche Leute, die eine ganze Burg köpfen und ausweiden, haben meistens noch die berühmten dicksten Kartoffeln, von denen die Bauern immer reden, und hocken wahrscheinlich längst im Straßencafé und futtern Butterkuchen. Aber ich hatte Ferien, ich hatte nicht die geringste Lust, meine Zeit in frischer Zerstörung zu verplempern. Der Pit sollte sich endlich hermachen, aber dalli, damit wir weitermachen könnten in unserm Urlaubsprogramm.

Gerade dachte ich, warum haben die bloß einen dicken Cornedbeef hinten im Polizeiauto sitzen? Und wieso spricht er? Und woher kennt er meinen Namen? Mönsch, da seh ich ihn, den Pit, auf der Rückbank vom Streifenwagen. Er tat wild gestikulieren:
„Hier! Maaaaax! Hiiiiiier bin ich! Kannst du mir die Versicherungskarte von Tante Putze bringen? Die brauch ich. Und bring mir einen Cheeseburger mit auf dem Rückweg! Und 'ne Cola light!“
Ich wollte gerade was antworten, da kam ein Mann auf mich zugelaufen:
„Hey, du! Kennst du den Kater? Gehört ihr zusammen?“
Nö, hab ich gesagt, nie gesehen, ist mir ganz unbekannt. Wer ich denn sei und was ich hier hinter der Absperrung zu suchen hätte, wollte der Kerl noch wissen. Da hab ich gesagt, ich wäre der Feriengast vom Polizeipräsidenten und mit ihm hergekommen wegen lehrreicher Feldforschung am konkreten Objekt. Dann bin ich in die Kehrtwende gegangen und habe mich vom Acker gemacht.

Der Inhaftierte

Die andern taten noch immer dort stehen, wo ich sie verlassen hatte. Sie waren gut integriert in eine Herde einheimischer Unfallgucker vor der rotweiß geringelten Bandsperre. Der Chor meiner Mitreisenden jubelte ein kräftiges „Gott sei Dank“ zur Antwort auf meinen kurzen Bericht über Pits unversehrten Zustand. Wir gingen ein wenig beiseite, um zu beratschlagen.

Okay, fassen wir mal zusammen:

Conwy hat gar keinen Flughafen. Das Gerumpel und Gedröhne in der Nacht war die Burg gewesen, die in Vibration geraten war. Als Ursache konnten wir den Ringelplüsch annehmen, auch wenn wir noch nicht genau wussten, wie er das angestellt hatte. Aber offenbar war das Malheur schnell entdeckt worden, denn bereits in der Nacht hatte man das, was noch zu retten gewesen war an Stühlen, Teppichen und Bildern, in Sicherheit gebracht. Jetzt tat der Ringelplüsch festsitzen. Wir mussten überlegen, wie wir weiter vorgehen sollten. Hier wimmelte es vor Schutzpolizei und Scottland Yard. Sogar einen Detektiv hatten sie hergekarrt aus seinem Urlaubsdomizil in der Nähe. 
„Wer ist dafür, dass wir den Pit hierlassen und weiterziehen?“, habe ich gefragt.
Kein Flügel ging hoch. Okay, dann mussten wir umdisponieren. Jetzt war Organisationsgeschick notwendig. Gut, dass ich das zufällig perfekt beherrsche. Ich tat die Aufgaben verteilen.

Als Erstes habe ich die Mia losgeschickt. Von allen Abkömmlichen konnte sie am besten fliegen. Sie sollte sich unauffällig in einen Baum setzen und den Streifenwagen mit dem Pit darin beobachten. Tatsächlich war es dann auch die Mia, die später hinter dem Wagen herflog und uns so sagen konnte, wohin sie den Pit gebracht hatten.

Den Grunzer habe ich in die Pension geschickt. Er sollte dem Harald beim Packen helfen. Außerdem sollte er die Rechnung bezahlen, dann das Gepäck zusammen mit dem Harald im kleinen Park in der Stadtmitte im Gebüsch verstecken und vorsichtshalber schon mal am Bahnhof eine Fahrkarte kaufen gehen.
„Wohin?“
„Öhm … nach Liverpool.“ 

Der Grunzer am Versteck im Park mit Lunch-Paket XXL

Den Teicheumel mit seiner weißen Spargelform konnte ich im Moment überhaupt nicht gebrauchen. Wer wusste denn, wie lange wir benötigen würden, um den Pit zu befreien? Vielleicht bis in die Nacht? Aber im Dunkeln leuchtet der Harald so unschön. Ich kenn das von früher, als ich noch mit Kakadus unterwegs war. Die leuchteten auch immer total unpassend zwischen den Sträuchern hervor. Weiß ist eine absolut unbrauchbare Farbe für die Flucht. Deshalb gibt es wohl auch so wenig gesuchte Schwerverbrecher unter Eisbären und Schneegänsen. Wenn man darüber nachdenkt, wird einem das plötzlich klar.

Die Cora würde mit mir mitkommen, d.h. wir würde uns trennen und jeder für sich hinter der Absperrung versuchen, nähere Informationen einzuholen. Falls jemand die Cora fragen täte, wer sie sei, sollte sie einfach sagen, sie wäre die Schwester vom Feriengast vom Polizeipräsidenten, dann würde man sie bestimmt in Ruhe lassen.

Wir schwärmten aus. Ich machte mich auf den Weg zu den Herrengrüppchen, die überall in den Ruinen herumstanden. Ich tat mal hier horchen und mal dort. Manche Männer taten mit London telefonieren, andere waren von der Versicherung und nannten Zahlen. Ui, waren da viele Nullen dran. Ich hatte auch gar nicht den Umrechnungskurs für englische Pfund dabei. Das wäre dann in Euro ja noch einiges mehr, als es sich sowieso schon angehören tat, nicht wahr? 

Ich in der Ruine

Zwischendurch haben wir uns immer mal wieder vor der Absperrung getroffen. Der Grunzer machte einen guten Job. Er brachte die Büfetttüten vom Frühstück mit, die der Harald gepackt hatte. So hatten wir was zu futtern. Der Mia haben wir den Imbiss in den Baum gebracht, weil sie ihren Posten doch nicht verlassen durfte, und der Harald musste auch im Gebüsch bleiben, solange der Grunzer unterwegs war. Der Streifenwagen vom Pit war noch immer verriegelt. Von der Cora kam die Nachricht, dass Burg Conwy früher ein Dach hatte. Das war ja 'n schöner Mist, nun war das auch noch weg.

Spät am Nachmittag saß die Mia plötzlich neben mir, ganz außer Atem. Sie hätten den Pit weggefahren, keuchte sie, nun sei er auf dem Polizeirevier. Mehrstöckiges Haus mit dicken Wänden und etlichen Fenstern. Keine Ahnung, was mit ihm wäre, man sähe ja nichts von außen.
„Sollen wir einen Rechtsanwalt einschalten?“
„Nö“, habe ich entschieden. „Die Befreiung schaffen wir allein.“
Wir machten uns sofort an die Arbeit.

Nachdem ich alle zusammengesucht hatte …


… ging's erst mal zum Bahnhof, das Gepäck einschließen, für alle Fälle, falls wir es mal sehr eilig haben sollten. Wir zerrten die Rucksäcke unter der Parkbank hervor. Der Frischkäse war erleichtert, weil die Eichhörnchen ihn mit Kletten beworfen hatten. Der trauerte der walisischen Gartengestaltung keine Träne nach. Um ihn ein bisschen aufzumuntern, sind wir anschließend ans Meer gegangen. Conwy liegt ja direkt am Wasser und wir hatten ja noch Zeit, bis es dunkel würde und wir mit der Befreiungsaktion beginnen könnten. Wir haben am Ufer gesessen und Eis gegessen, während der Harald zwischen den ankernden Bötchen seine Runden strampeln tat.

Als es endlich anständig zu dämmern begann, haben wir uns auf den Weg gemacht. Nun wurde es ernst. Den Harald haben wir am Bahnhof abgeliefert, denn mit Weiß war noch immer kein Blumentopf zu gewinnen. Leider stand das Polizeirevier in voller Beleuchtung, weil noch hart gearbeitet wurde wegen der Schwere des Verbrechens. Aber auf der Rückseite sah's ganz gut aus. Alles dunkel und ruhig. Hier würden wir anfangen. Vielleicht hätten wir Glück und es ließe sich von außen eine Bewegung erkennen, die zum Pit gehören könnte. Hoffentlich hatten sie ihn nicht in die Zelle gesperrt.  

Unsere Operationsbasis

Wir sind von Fensterbrett zu Fensterbrett geflogen und haben durch die Scheiben ins Schwarze gestarrt. Irgendwann meinte der Grunzer:
„Ich glaub, hier ist was.“
Jetzt taten wir zu viert starren. Mir glubschten die Augäpfel raus.
„Ist das Rundliche, Helle da der Pit?“
Hm, ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
Egal, irgendwo mussten wir ja ansetzen. Wo war das noch genau? Erster Stock ganz hinten rechts. Okay, jetzt kam der schwierigste Teil: vorn ins Gebäude eindringen und von innen besagtes Zimmer erobern. Es versteht sich von selbst, dass der Kommandant höchstpersönlich dieses heikle Angelegenheit übernehmen würde.

„Wenn ich nicht zurückkomme, sagt auf der Botschaft Bescheid“, habe ich noch gerufen.

Dann bin ich durch den Haupteingang zwischen all den Beinen hindurch in die Polizeistube gelaufen, immer dicht rechts an der Wand entlang bis zur Abbiegung ins Treppenhaus. Aufhalten tat mich keiner. Wahrscheinlich guckte niemand runter. Schwein gehabt, das Treppenhaus war leer. Im ersten Stock war auch alles dunkel. Uff. Die letzte Tür, wo täte ich die finden? Äh, das war das Klo. Also ein Schlüsselloch zurück. Hier musste es sein. Ich habe leise die Klinke runtergedrückt. Die Tür knarrte auf. Sehen konnte ich nichts, aber zu hören kriegte ich was:
„Mensch, jetzt kommt ihr erst? Ich sitz hier und sitz hier. Dosenfutter haben sie mir gegeben, und ihr macht da draußen womöglich big Fete.“

Na, das war ja niedlich. Ich hör wohl nicht recht? Man tut, man macht, man riskiert sein Leben und dafür wird man hier auch noch angeschnauzt. Ich hätte sofort auf dem Hacken umkehren sollen, gar nicht weiter drum kümmern, doch leider schlägt ein viel zu mildes Herz in meiner weichen Brust.
„Mach hinne, Max, sonst kommt noch einer.“

Ich habe die Schreibtischlampe angeknipst. Dadurch wurde Genaueres sichtbar. Wir befanden uns in einem Büro. Auf dem Fußboden stand eine helle Transportbox mit dem Pit drin. Sie zu öffnen war kein Problem. Auch den Fenstergriff zu betätigen stellte keine Herausforderung dar. Schwierig wurde es erst, als sich das Fenster als verriegelt herausstellte. Öffnen ließ sich nur eine schmale Klappe unter der Decke.

„Passt du da durch, Pit?“, habe ich gefragt.
„Klar“, meinte der Angeber.
Draußen über dem Fensterbrett hingen die Cora, die Mia und der Grunzer. Sie haben an den Vorderpfoten gezogen. Ich habe geschoben. Trotzdem tat der Ringelplüsch festhängen.
„Nu mach dich doch nicht so fett!“
Unter Zuhilfenahme einiger gezielter Dolchstiche mit meinen Krallen in den abstehende Hinterbau ging's dann endlich voran. Der Pit wurde plötzlich ganz schlank. Er stand draußen auf dem Fensterbrett. Puh, geschafft. Jetzt nur noch heil runterkommen.
„Kriegst du das hin, Pit?“, hat die Cora gefragt.
„Klar“, hat der Angeber geantwortet.
Er ist bäuchlings an einem Wasserrohr runtergerutscht. Dann war er unten. Gott sei Dank, wir konnten uns dünne machen. 

Grunzer, Pit und Cora im Garten des Polizeireviers

Auch auf dem Weg zum Bahnhof hat uns niemand aufgehalten. Wir sind zügig marschiert. Wo's möglich war, haben wir die dunklen Passagen gewählt. Ansonsten fährt man gut, wenn der Schwerverbrecher ganz außen an den parkenden Autos entlang geht, wobei die Unschuldigen ihn von der andern Seite mit ihren Körpern ein wenig abdecken. Und so groß ist die Stadt Conwy nicht, da ist nachts nicht viel los.

Im Bahnhof vor den Schließfächern tat schon der Harald warten. Er hatte einen Müsliriegel im Schnabel.
„Da bist du ja wieder“, rief er freudig aus, bevor er seine Flugwedel um den Pit klappen tat.
Für Intimitäten war jetzt aber keine Zeit. Noch waren wir nicht in Sicherheit.
„Wann geht der nächste Zug nach Liverpool?“, habe ich gefragt.
„Heute Nacht. Wir müssen noch ein paar Stunden warten.“

Wir haben uns weit draußen auf dem Bahnsteig hinter einige Gepäckwagen gequetscht. Hier kam niemand vorbei. Es war kühl von unten und ungemütlich von oben. Dann endlich nach ewigem Warten fuhr der Zug ein. Nicht nur der Pit, wir alle waren heilfroh, als die Türen zuschnarrten und wir uns in Bewegung setzten. Das hätten wir geschafft. Aber nach Conwy zurückkehren würden wir wohl nie mehr dürfen. Schade eigentlich, so ein hübsches Städtchen. Jetzt war nicht nur ihre Burg kaputt, sondern auch ihr ganzer Fremdenverkehr dahin. Was sollten sie den Touristen jetzt noch zeigen? Ich glaube, das nehmen sie uns noch lange übel.

Wir haben nicht viel geredet während der Fahrt. Jeder hatte seine eigenen Gedanken. Der eine mehr, der andere weniger. Einer hat sogar gekichert. Ich will nicht glauben, dass es der Pit war.

Übrigens: Im Büro im Polizeirevier hatte ich was mitgehen lassen. Es lag neben der Schreibtischlampe. Es war das hier: das offizielle Polizeifoto vom Pit. Ich finde, man hat ihn gut getroffen, unsern niedlichen, fleißigen Abrissrambo. Oder seid ihr anderer Meinung?


Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora © G.H.
          Grunzer © U.W.
          Pit © Club der glücklichen Vierbeiner
          Morguefile: Burg Conwy 2, Burg Conwy 3, Polizeiauto, Guinness,
          Pixabay: Landkarte, Burg Conwy 1, Parkbank, Cola, Pommes, Wand, Sherlock Holmes, Hinterhof,
          Rasen, Regenschirm, Schloss

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