Dienstag, 21. Juli 2015

Grün ist nicht gleich grün

Wir knipsen jetzt ohne Blitz, auch drinnen. 

Guckt ihr:



Okay, das bin ich und mit mir als Motiv kann man nichts falsch machen. Doch von vorn.

Ich mag es gar nicht sagen. Es ist mir so peinlich. Warum muss ausgerechnet mir das passieren? Hätte der Kelch nicht an mir vorbeigehen können? Soll ich's wirklich aussprechen? Echt? Auf eure Verantwortung. Also dann ...

Die Putze ist 'n Riesenkamel.

Die hat doch tatsächlich die Digicam verschlampt. Weg ist sie. Futschikato. Im Nirwana verschwunden. Dabei hat sie die Digicam geliebt wie nichts Gutes, vor allem weil sie behaupten tat, damit bekämen wir auf den Fotos ein angemessen erbsengrünes Gefieder, so wie Amazonen nun mal auszusehen hätten.

Nun ist etliche Zeit verstrichen, in der die Putze Gelegenheit hatte, das Schicksal gebührend zu betrauern (oder ihre eigene Blödheit). Währenddessen sind wir nicht mit Fototerminen belästigt worden. Die Zeit der Buße diente auch der Überprüfung, ob die Putze noch länger bereit wäre, auf jedwedes Geknipse zu verzichten. Die Antwort lautete: nein. Also haben wir seit neustem Ersatz.

Ich kann euch sagen, hier ist was los. Die Else hat keine Ahnung vom Fotografieren. Erst liest sie in den Bedienungsanleitung (begleitet von häufigem "Häh?"), dann fummelt sie uns mit dem Ding vor der Nase herum und flötet schleimig, damit wir nicht abhauen. Ausprobieren nennt sich das.

Das Gute: Die Kamera braucht keinen Blitz mehr, auch nicht, wenn bei uns die Gardine vorgezogen ist. Mir ist das ja egal, ich bleib auch beim Blitzen ruhig sitzen, aber die Mia kann das nicht leiden und haut immer ab. Jetzt bleibt auch sie hocken. Die Putze ist entzückt.

Süß sieht die Mia aus, findet sie:




Nun ja, das Gefieder ist nicht mehr so knackig tiefkühlerbsig grün wie früher, das muss ich zugeben, aber so ist es halt natür, wenn das Umgebungslicht so ist, wie es ist.

Findet ihr das schlimm? Ich wollte an dieser Stelle nämlich um Nachsicht bitten für die Putze. Sie übt doch noch. Ältere Menschen sind da nicht mehr so flott unterwegs.

Oder ist es doch besser mit Blitz?


'n bisschen käsig sehe ich aus, nicht wahr? Nix mehr mit Tiefkühlerbse. Andererseits hat mich die Putze bei dem Foto mit dem Zoom vom Dachbalken geholt. Deswegen kann man mir indiskret in den Schnabel gucken, und für das Geknabber am Holz habe ich 'nen Anschiss gekriegt. 

Ich melde mich wieder, wenn die Else dazugelernt hat. Es kann sich nur um Monate handeln. Habt Geduld.

Sonntag, 19. Juli 2015

Die große Sause (18. Teil)

Ja, ich weiß, ich hinke nach. Dass aber auch alles immer so schwierig sein muss. Schon längst hätte ich hier die fällige Anschlussschreibe betrieben, weiß ich doch, dass ihr endlich wissen wollt, wie es weiterging mit unserer Etappe in London.

London! Denkt mal an, dort waren wir gelandet. Und wie hatte das ausgesehen? Ich war im Hotel geblieben, hatte alle zweie von mir gestreckt, um Abstand zu gewinnen von der Gurkentruppe, die sich meine Begleitung nannte und mir noch immer mit Anspruch und Generve an den Hacken klebte. Die andern waren unterdessen auf Touristentour gegangen. Kultur und Museen hätten sie besichtigt, taten sie behaupten, aber als sie abends wieder zurück waren, hatten sie so einen merkwürdigen Geruch in den Klamotten, so eine Mischung aus Pommesfett, billiger Bahnhofsseife und Sklavenaufstand; ihr wisst, was ich meine. Eine Mokkatasse mit Goldrand und Queen Mum hatten sie mir mitgebracht. Vielleicht war's auch Miss Marple; ich kann die beiden so schlecht auseinanderhalten. Queen Mum ist doch die mit dem fliederfarbenen Hut und Miss Marpel die ohne, oder?
„Damit du auch was Royales hast“, hat die Mia gesagt.
Das Ding ist mir am nächsten Morgen beim Zähneputzen aus der Kralle gerutscht. So 'n Pech aber auch. Hätte ich besser aufpassen sollen?

Leute, ihr kennt mich. Ich bin ein verträglicher Charakter mit viel Geduld und Toleranz. Schon oft hätte ich während unserer Reise allen Grund gehabt zur schlechten Laune, doch immer wieder hatte ich mich zusammengerissen, um das Gemeinschaftserleben nicht zu trüben. Aber was zu viel ist, ist zu viel. Man tat mich hier systematisch um die Nachtruhe bringen. Das verursachte angegriffene Gesichtszüge. 

Dauernd knipste jemand das Licht an. Türengeklapper. Klospülung. Kaum war man weggeduselt, schreckte man wieder hoch.

Und dann diese fiesen Träume. Sie taten mich belästigen. Von der Cora zogen Unmengen an Schnapsflaschen durch mein Gehirn. Es ging zu wie auf einem Altglassortierband, nur dass die Flaschen voll waren, aufrecht standen und daher dumpf schepperten statt hell. Zwischendurch tauchten die Porträts von der Cora auf und grinsten zu mir herab. Als ich mich darüber beschweren tat am nächsten Morgen, hat die Cora behauptet, damit hätte sie nichts zu tun, sie hätte gestern den ganzen Tag nur Cola light getrunken.

Coras Bottle-Parade

Ach ja? Dann war das dauernde Geschlabber von der Knackwurst wohl auch nur Einbildung, was? Lag da im roten Schnarchkissen, schnurkelte unschuldig vor sich hin, während es mir in den Ohren schmatzte. Zum Verrücktwerden. Ein ohrenbetäubender Lärm:


Am nächsten Tag tat der Pit alles von sich weisen. Das könne nicht sein, hat er gemeint, er täte nie träumen, allenfalls gelegentlich davon, dass er einem grünen Pausenclown den Hals umdrehen würde, oder von einem Wochenende eingeschlossen in der Thunfischfabrik, aber nie und nimmer würden ihm Träume von so einem Girlie-Kram mit Eiswaffel kommen.

Wir im Hotel: Pit, Cora, Mia, ich und Harald

Zwischen den Kopfschmerzattacken und dem Liderzucken habe ich dann noch mitgekriegt, wie die Mia der Cora auf dem Weg ins Bad zuflüstern tat:
„Morgen gehen wir noch mal zum Piccadilly Circus. Das war super heute. Lass mich nur machen. Dem Eierkopp werde ich schon was erzählen.“


Piccadilly Circus

Soso, Piccadilly Circus. Das war ja interessant. Ging man dort nicht dem Konsum und dem Vergnügen nach? Und mir hatte man was von Museum und Kultur vorgeschwärmt. Na warte. Nicht, dass ich ein Spielverderber wäre, aber die Leute waren schließlich allein unterwegs und ich als Reiseleiter hatte die Verantwortung. Spontan kam mir der Gedanke, den Urlaub augenblicklich zu beenden. Gern hätte ich zum Abschied diesen herrlichen Anblick auf das malerische London geboten, doch für den Sonnenaufgang war es leider schon zu spät, außerdem hatten wir das Frühstück schon bezahlt:

London

Als wir am Tisch saßen und der Tee eingeschenkt wurde, habe ich erst mal gewartet, was jetzt kommen würde. Und tatsächlich, pünktlich hat der Grunzer zu sülzen angefangen:
„Cora, Liebste, welches Museum gehen wir heute besuchen?“
Ih gitt, was der wohl dafür bekommen hat? Darüber mag ich gar nicht nachdenken. Erotischen Schweinkram gegen serviles Nachplappern. Darauf hatte ich nur gewartet. Jetzt kam mein Einsatz.
„Ihr werdet nirgends hingehen“, habe ich gesagt, „in kein Museum und auch sonst nicht. Wir fahren heute nach Hause.“
Über den engelhaften Klang meiner Stimme war ich selbst erstaunt und – das gebe ich zu – auch ein wenig entzückt.

Die Mia hat mich angestarrt mit offenem Mund. Der Pit hat weiter seelenruhig die Würstchen von der Servierplatte geklaubt, als hätte er nichts gehört, und dem Harald hing das Porridge am Schnabel, als er sich anschicken tat, irgendwas zu antworten, das mit „Ja, aber ...“ beginnen sollte.

Na, irgendwelche Einwände?

Ich habe lange gewartet, jeder hätte was sagen können, doch es kam nichts, nur Schweigen. Wahrscheinlich war der Pit im Grunde seines Herzens dankbar, dass er endlich genügend Luft zwischen sich und die Fahndungsliste bringen konnte, und die Mia war erleichtert, dass sie nicht mehr so viel Geld ausgeben musste für all den Modekram, der sie dauernd anlachte und gekauft werden wollte. Das sind schließlich Belastungen, die hart aufs Gemüt schlagen.
„Ich geh dann mal meinen Rucksack packen“, hat die Cora gesagt.

Im Hotel hatten sie mir empfohlen, nach Southend-on-Sea zu fahren. Das ist auf der Landkarte rechts ein Stück hinauf zur Küste, die zum Kontinent zeigt. Das Bundesland heißt Essex. Dort gäbe es einen Yachthafen. Wenn man uns irgendwo mitnehmen täte als Anhalter, dann wäre dort die Chance mit am größten.

Wir sind am Nachmittag angekommen. Während der Fahrt im Zug hatte niemand mit mir gesprochen. Mir war das recht. Meinen Kopfschmerzen tat das gut. Die Mia hat ihrer Teichfregatte am Hals gelegen, der Grunzer seiner Cora, und der Pit hat Pediküre gemacht. Fehlte nur noch der Nagellack. Ich wusste gar nicht, dass er so eitel ist. Irgendwann war ein zerknüllter Zettel über die Rückenlehne geworfen worden und in meinem Schoß gelandet. „Stinkstiefel“ stand darauf. Bestimmt ein Irrläufer.

Southend-on-Sea ist ein altes Seeband mit mondäner Vergangenheit, so ähnlich wie Blackpool, wo wir ja auch waren. Inzwischen hat aber das bunte Vergnügen die Oberhand gewonnen. Auch darin stimmt man mit Blackpool überein. Und noch was ist fast identisch: der lange, lange Pier, der ins Wasser ragt. Nur ist der in Southend-on-Sea noch viel länger, mit 2.158 m sogar der längste der Welt. Seht ihr? 

Pier in Southend-on-Sea

Man muss sich gut überlegen, ob man dort entlang flanieren möchte, denn wenn man mittendrin keine Lust mehr hat, muss man trotzdem den ganzen Weg zurücklaufen.

Gleich nach der Ankunft am Bahnhof bin ich unverzüglich aufgebrochen zum Yachthafen. Erst mal die Überfahrt klarmachen, nicht? Auf die beruhigende Wirkung weiblicher Charmanz in Form der niedlichen Mia und der mütterlichen Cora habe ich diesmal verzichtet, aus Bedenken, dass sie mir womöglich hätten weismachen wollen, sie hätten kein Schiff gefunden, und deswegen müssten wir noch länger in England bleiben. Ich dagegen habe männlich-forsch jeden Skipper angehauen, der sich blicken ließ, und so war nach kurzer Zeit tatsächlich eine Schiffspassage gefunden, und zwar nach Holland, aber leider erst für den nächsten Tag. Nun gut, dann hieß es eben noch eine weitere Hotelnacht zu bezahlen. Das war jetzt auch schon egal.

Als ich zurückkam, hatten die Spacken das Gepäck im Schließfach eingeschlossen und waren schon mal losgezogen. In Southend-on-Sea gibt es viele Fahrgeschäfte, Restaurants und andere Vergnügungen. Man kann zum Baden an den Strand gehen …

Southend-on-Sea

… oder Gokart fahren, hier zu sehen links unten am Bildrand als Gokart-Bahn:


Southend-on-Sea

Nur dass es bei uns nicht nachts war, sondern helles Sommerwetter. Mit tat es auf den Kopf scheinen. Das machte flau in der Birne. Die andern kamen und kamen nicht. Die hatten mich einfach stehen lassen. Unerhört. An meinen Rucksack konnte ich nicht ran, weil der ja mit weggeschlossen war. Die Kreditkarte hatte die Mia. Ich kriegte Durst. Ich kriegte Hunger. Ich kriegte schwere Beine. Ich kriegte Mordswut. Wie Piek Blöd musste ich in sengender Hitze an dem dämlichen Bahnhof herumstehen.

Als am Abend noch immer niemand da war, habe ich mir einen leeren Eispott aus der McMampf-Zentrale geholt. Den habe ich in der Fußgängerzone aufs Pflaster gestellt. Okay, meine Version von „Probier's mal mit Gemütlichkeit“ war vielleicht nicht ganz so überzeugend wie das Original, weil ich viel schlanker bin als Baloo und die meisten Engländer ja auch keine deutsche Poesie verstehen, aber am Ende tat es reichen für einen Hamburger ohne Pommes und ohne Getränk. Die nötigsten Körperfunktionen konnten dadurch aufrechterhalten bleiben.

Mit der Dunkelheit wurde es dann kühl. Das Publikum änderte sich.
„Wie viel?“, wurde ich dauernd gefragt.
Was die mich ständig anzuquatschen hatten? Ich wollte nichts kaufen.

Und dann endlich, kurz vor Mitternacht, sah ich den Spackenhaufen um die Ecke biegen – puppenlustig mit Girlande um den Kopf und deutlich nach Alkohol riechend. Es war die reinste Grölerei, nur ohne Ton.
„Warum hast du denn nicht drinnen auf uns gewartet, wenn dir die pralle Sonne nicht bekommt?“, hat die Cora gefragt.
Und der Pit wollte wissen, ob ich uns schon ein Hotel rausgesucht hätte, Zeit genug wäre ja gewesen.
„Gib mir sofort die Kreditkarte!“, habe ich die Mia angewiesen.
Als ich sie hatte, folgte die Klarstellung:
„Ich bezahle euch keine Unterkunft. Seht zu, wo ihr übernachtet, mit mir jedenfalls nicht.“

Pit
Erst haben sie dumm geguckt, dann hat die Mia die Schultern gezuckt und gesagt:
„Na gut, dann gehen wir eben wieder. Ist ja noch alles offen.“

Ich weiß nicht, ob die in den Seebädern auch Polizeistunde haben oder die Nacht durchmachen dürfen. War mir aber egal. Die Gurkentruppe ist wieder abgezogen in Richtung buntes Licht und ich habe mir, kaum waren sie weg, ein Pensionszimmer genommen, direkt hinterm Bahnhof. Mann, war ich müde. Ich bin sofort eingeschlafen, nachdem ich die Erdnüsse und Käsekräcker aus der Minibar gefuttert hatte. Endlich mal eine Nacht ohne klappende Klotür, ohne schlabbernde oder scheppernde Träume und ohne Fuselmief.

Am nächsten Morgen um sieben stand ich erfrischt an unserm Treffpunkt vor den Schließfächern. Die andern waren schon da, lagerten auf dem Fußboden, zwar ohne Girlanden, aber zum Teil mit ihrem Schlafanzug zugedeckt. Genau genommen hatte sich alles – bis auf den Harald, der war zu groß dazu – in Pits Schnarchkissen gedrängt. Er selbst lag in der Mitte, die Mädels und der Grunzer hockten am Rand drumherum. Das Ganze hatte was von billigem Adventskranz mit schief abgebrannten Kerzen.

Mit einem lauten „Aufstehn!“ wusste ich fröhliche Zuversicht in die Szenerie zu bringen. Alles zuckte zusammen. Wie lange sie dort schon zugebracht hatten und warum man sie behördlicherseits nicht hatte entfernen lassen, weiß ich bis heute nicht. Das soll auch ihr Geheimnis bleiben; ich muss nicht alles wissen.

Zum Frühstücken war keine Zeit mehr, wir durften unsere Passage nicht verpassen. Ich habe Druck gemacht. Der Harald hat dem Pit beim Verschnüren des Schnarchkissens geholfen. Die Cora machte dauernd Dehnübungen mit dem Hals und dem Nacken. Der war wohl unelastisch an den Gliedern. Mit dem Bus sind wir zum Yachthafen gefahren. Unser Boot war schon auf. Man wartete bereits auf uns.

„Wow!“, tat die Mia rufen, als sie den Kasten sah.


Ganz schön imposant, nicht?

Das Boot war unterwegs in sozialer Mission. Die Mannschaft bestand aus straffälligen Jugendlichen, aus Auto knackenden Warzenschweinen, klauenden Elster-Mädchen, prügelnden Ottern und Schule schwänzenden Antilopen, allesamt zu Hause in einem Zoo in Holland. Durch das gemeinsame Erleben auf der Schifffahrt sollten Verantwortung und gutes Benehmen geübt werden. Deshalb war das Boot so groß, damit alle draufpassten. Man war, genau wie wir, auf der Heimfahrt. Southend-on-Sea sollte die letzte Etappe sein. Es waren die ersten Tiere, die wir als Reisegruppe trafen. Waren wir also doch nicht allein.

Wir wurden freundlich an Bord begrüßt. Ein Emu mit Punk-Locke tat uns die Koje zeigen. Spartanisch war sie. An der Wand hing die Hausordnung.
„Die kannst du schon mal studieren“, habe ich zum Pit gesagt. „Dann weißt du Bescheid, wenn zu Hause der Knast auf dich wartet.“
„Blödmann!“, hat er gefaucht.
Ich bin ja nach wie vor überzeugt, dass sich Conwy seine schändlich zusammengekrachte Burg noch vergüten lassen wird. In diesem Fall wäre ich bereit, dem Pit zu Weihnachten ein Pfund Sülze in den Arrest zu schicken. Zu einem intimeren Kontakt wäre ich hingegen nicht bereit. Das färbt sonst noch ab.

Gleich nachdem wir unter Deck waren, sind die Leinen losgemacht worden. Davon haben die andern allerdings nicht viel mitgekriegt, weil sie schon schliefen. Augenblicklich weggeratzt. Es muss wohl eine lange Nacht gewesen sein heute morgen. Selbst schuld. Ich habe unterdessen gemütlich an Deck gesessen. Das Wetter wurde zwar zunehmend diesiger, aber regnen tat es nicht, und bei kühleren Temperaturen schmecken die Bratkartoffeln dreimal so gut.

Die Küche auf dem Schiff war echt lecker. Gekocht hat ein Erdmännchen mit Kochmütze, von Haus aus ein Autoknacker allerersten Ranges, doch das tat man dem Schokopudding nicht ansehen. Mir hatten sie das Tablett an den Liegestuhl serviert.
„Die andern wollen nichts“, habe ich gesagt.

Auch sonst hat man uns in Ruhe gelassen. Am Nachmittag bin ich an Deck eingeschlafen. Geweckt hat mich der Harald.
„Wo ist hier der Kühlschrank?“, wollte er wissen.

Ich weiß nicht mehr, wie lange wir unterwegs waren. Am nächsten Tag sind wir jedenfalls in Holland angekommen. Noch im Yachthafen hat die Cora Onkel Giesbert angerufen, ob er uns abholen käme.
„Ach, Gott“, hat er gemeint. „So plötzlich?“

Die delinquenten Jugendlichen sind mit Bussen von ihrem Zoo abgeholt worden; wir dagegen mussten noch warten. In dem kleinen Hafen gab's nicht viel zu sehen, der Pit kam dennoch mit einer überdimensionalen Schachtel angeschoben. Eine rote Schleife war drumherum gebunden.
„Was willst du denn damit?“, habe ich gefragt.
„Das ist für Tante Gisela. Vielleicht brauchen wir ihr Wohlwollen.“
Hm … nicht dumm gedacht. Wer weiß, was uns alles vorauseilen täte an üblen Gerüchten. Dann wäre es gut, wenn Tante Gisela auf unserer Seite stünde. Notfalls könnte sie schönes Wetter bei der Putze machen – oder den Päckchenversand an den Pit im Knast übernehmen. An teuren Pralinen sollte man bei Menschenfrauen nie sparen. Die sind in jedem Fall klug investiert. 


Gegen Abend endlich kam Onkel Giesbert. Es war noch hell, wurde aber langsam dunkel.

Wir haben typisches Holland gesehen:




Und typische Autobahn:




Viel geredet hat niemand. Wir waren irgendwie … gesättigt. Die Englandreise gehörte uns und sie sollte auch unsere bleiben, jetzt jedenfalls noch. Es war zu früh zum Erzählen.
„Ihr seid aber schweigsam“, hat sich Onkel Giesbert gewundert.

Irgendwann haben wir Tiger & Turtle gesehen:

Tiger & Turtle

Da wussten wir, dass wir in Duisburg angekommen waren. Nun noch ein kleines Stück und wir waren bei der Cora daheim.

„Wie gut seht ihr aus!“, hat Tante Gisela gerufen, als sie die Tür aufmachte, und die Cora an sich gedrückt, bis sie kaum noch Luft kriegte.

Engelbert
Ich habe die Pralinenschachtel überreicht.
„Du bist so ein guter Junge.“
Ich kriegte den Kopf getätschelt.
Der Paule kam von hinten, der Engelbert ebenfalls (der übrigens gar nicht mehr niedlich und puschelig ist) und auch der Onkel Jürgen. Zum Abendbrot gab's Miracoli klassik. Darauf hatten wir alle einen Jiep.

Nach einer Nacht in der gleichen keuschen Anordnung wie zu Beginn unserer Reise und nach einem guten Frühstück hat uns Onkel Giesbert zur Autobahnauffahrt gefahren. Das heißt, der Grunzer ist dageblieben. Der musste ja in die andere Richtung, runter nach Franken. Wir andern haben den Flügel rausgestreckt. Aber erst als die Mia das Gefieder ein Stückchen gerafft und das linke Bein vorgestreckt hatte zum Gewippe in der Hüfte, hat jemand angehalten und uns mitgenommen. Wenigstens tat er direkt nach Hannover fahren. Der Pit ist noch zu uns mitgekommen.

„Wie gut seht ihr aus!“, hat die Putze gerufen, als sie die Tür aufmachte, und die Mia an sich gedrückt, bis sie kaum noch Luft kriegte.
Pralinen waren keine mehr da; die waren alle in Duisburg geblieben.

Irgendwie merkt man den Unterschied zu einem herzlichen Haushalt, in dem man gern gesehen und vorbehaltlos willkommen geheißen wird. Bei uns kam niemand von hinten angelaufen. Nur ein Tennisball kam geflogen, mir direkt an den Kopf. Mit Rot war in den gelben Filz geschrieben:
„Du bist tot!“

Mein Gott, so nachtragend? Vorsichtshalber habe ich den Schlüssel von der Schlafzimmertür gezogen, nachdem die Matschfalter darin verschwunden waren. Nicht dass sie mir die gute Laune verderben täten. Ich war ja gerade erst angekommen.

Den Schlüssel hat die Putze noch drei Tage gesucht. Schlafen musste sie deswegen im Wohnzimmer auf der Couch. Dort hatte sich bereits der Pit mit seinem Schnarchkissen breit gemacht. Er musste auf den Fußboden umziehen. Beschwert hat er sich nicht. Wahrscheinlich tat ihn der Instinkt warnen vor der Zerstörungskraft der enthemmten Hormone bei verwirrten Frauen in den Wechseljahren. Ich weiß, wovon ich rede.

Der Roosevelt und der Otis haben eine Drei-Tages-Diät gemacht. Zu essen gab's nichts, zu trinken das lecke Gießwasser aus der Fangschale der Yucca-Palme. Zuvor hatten wir aber noch den Pit rausgeschmissen. Sein Zug ging am nächsten Morgen. Mit dem roten Schnarchkissen auf dem Trolli tat er auf dem Bahnsteig stehen.
„Also dann“, habe ich gesagt.
„Also dann“, hat er geantwortet.

Harald
Der Harald war längst auf seinen  Ententeich verschwunden und die Mia hatte bereits ihre Einkäufe durchgesehen, die inzwischen zuhauf über den Versand eingetroffen waren. Es war fast so, als wären wir nie fort gewesen – aber nur fast. Meine Matchbox-Autos waren allesamt eingestaubt. Sie bedurften dringend der Reinigung. Ich habe mich gleich an die Arbeit gemacht. Schön, wieder daheim zu sein. Ich werde nie wieder verreisen, jedenfalls nicht in verantwortlicher Mission. Man kommt ja nie zur Ruhe, aus Angst, dass was passieren könnte. 

Fotos: Cora: © G.H. 
          Pit: © Club der glücklichen Vierbeiner

    Pier in Southend-on-Sea: Ian Britton, Flickr, Foto steht unter Creative Commons License; der Rahmen ist von mir 
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    Strand in Southend-on-Sea: daredevil_81, Flickr, Foto steht unter Creative Commons License; der Rahmen ist von mir
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    Southend-on-Sea bei Nacht: Alexander Baxevanis, Flickr, Bild steht unter Creative Commons Licence; der Rahmen ist
    von mir eingefügt 

© Max: Papageiengeschiichten