Samstag, 8. Februar 2020

Malibu

Mein lieber Scholli, das war diesmal sehr hart, den Karlsson mitzukriegen. Im September, als wir Lukes Einladung nach Kalifornien folgen wollten, hielt ihn sein Papa noch immer auf Platz eins der Liste „Stay at correction center, don't travel around“. Inzwischen hatte der Karlsson schon den Schuppen aufgeräumt, den Komposthaufen umgeschaufelt und sogar (mit Pollys Hilfe) Marmelade eingekocht. Die Kreationen „Mirabelle-Meerretttich“ und „Boskop-Kümmel“ waren allerdings nicht gut angekommen und hatten das Strafmaß noch einmal um das Nähen umweltfreundlicher Staubsaugerbeutel erhöht. Allmählich drängte die Zeit, da Lukes Flugscheine bereits eingetroffen waren und wir endlich wissen mussten, ob der Karlsson nun mit dürfte oder nicht.

Hierhin sollte es gehen: nach Malibu

„Weiß nicht“, hieß es aus dem Knast.
Einmal am Tag durfte der Delinquent mit seinem Handy nach draußen telefonieren.
„Der Pit sagt, er würde mal mit deinem Papa reden“, habe ich ihn aufgemuntert.
„Ob das hilft?“, hat der Karlsson gejammert. „Der Papa niest immer, wenn ihm Katzenhaare unterkommen – sogar am Telefon.“
Seine Stimme klang resigniert.

Aber welche Wahl hatten wir denn? Eine Tabledance-Nummer der Mia mit wippendem Po im kurzem Röckchen würde den Papa sicher nicht erweichen, genauso wenig wie Coras selbstgebackene Dinkel-Kekse. Wir hätten es natürlich mit einem Erpresserbrief versuchen können, so wie ich sie immer verschicke, um die Dachtauben geschmeidig zu halten, aber unterm Strich erschien uns Pits Vorschlag dann doch am besten.

Er verweigert bis heute nähere Auskunft, wie er es geschafft hat, aber Tatsache ist: Der Pit hat den Papa rumgekriegt. Ich nehme an, das holsteinische Sülzkotelett hat den armen Menschen derart belabert mit seinem Geschäftsführergedöns und dem Versprechen, der Karlsson könne bei ihm und beim Luke ein solides und fachlich anspruchsvolles Praktikum machen, dass es dem Papa ganz schwindelig wurde und er nur schnell „Ja, ja“ gesagt hat, um den Laberfred loszuwerden. International erfolgreiches Unternehmen? Ha! Wenn ich das schon höre! Als wäre Lukes Rattenfängerei mit Pit auf seinem Schnarchposten, der sich „Geschäftsführer“ nennt, was anderes als lokales Kleinhandwerk. Aber nach außen hin groß aufdrehen, das können die beiden Angeber.

Immerhin – es hat geklappt. Danach durfte der Karlsson seinen Rucksack packen (freilich ohne Taschengeld) und wurde sogar nach Hamburg zum Bahnhof gefahren. Als Beweis sieht man hier auf den Fotos, wie sich der Papa verabschiedet. Gott sei Dank war der Karlsson so geistesgegenwärtig, dass er seine Demutsmiene noch aufgesetzt hielt, damit nicht in allerletzter Minute etwas schiefginge. Stellt euch vor, er hätte übers ganze Gesicht gestrahlt und „Juhuu, jetzt haun wir auf die Kacke!“ geschrien. Das hätte den Papa gewiss in seiner Meinung über sein mildtätiges Tun beeinträchtigt.

Vorbildlich: Der Karlsson weiß sich zu benehmen

In Hannover sind die Mia und ich zugestiegen. Der Pit hatte einen Tag vorher die Wagennummer durchgegeben. Als wir den Gang entlang kamen, standen die beiden schon an der Abteiltür und warteten auf uns.
„Ah, da kommen Hänsel und Gretel“, hat der Karlsson gerufen und blöde gelacht.
Der Pit hat mir eine Kralle unters Kinn gehalten und „Kille-kille“ gesagt. Dann folgte noch mal albernes Gelächter, diesmal im Duett. Die Mia guckte säuerlich wegen der blöden Begrüßung, kriegte aber wenigstens den Rucksack abgenommen. Ihre hellblaue Strandtasche mit der Aufschrift „Paris“ (also ob es da Meer gäbe) hielt sie allerdings fest umklammert. Meinen Rucksack musste ich selbst ins Abteil tragen. Irgendwie kamen mir die beiden verändert vor.
„Klar, die haben ja auch gesoffen“, hat die Mia festgestellt.

Ist das wahr? Der Karlsson und der Pit hatten Fusel dabei? Ach, deshalb saßen wir im Abteil und nicht im Großraumwagen: Das war geplant. Wie sich bald herausstellte, hatte der Karlsson eine Flasche „Gestreifter Kater“ ins Gepäck geschmuggelt zum Anstoßen mit dem Pit als Dank für die geglückte Rettung. Den Namen fand er offenbar unwiderstehlich. Zwar hat der Likör nur etwa 20 Prozent Alkohol, doch wenn man die ganze Flasche aussäuft, dann ist man danach gut dabei, vor allem wenn man das Pensum in der einen Stunde Fahrt von Hamburg nach Hannover schafft. Beide waren hackevoll. Der Pit hat die Krallen quer über das Rückenpolster gezogen, so dass es flauschig aufwolkte, und sich dabei ausgiebig gestreckt, während der Karlsson Zoten erzählt und ständig gekichert hat. Dass eine Dame anwesend war, vermochte ihre Heiterkeit nicht zu bremsen.
„Dame? Wer? Ach, die Mia, hahaha.“
Ich dachte, gleich gibt es Tote, so wie die Mia geglotzt hat.

Als der Schaffner kam, haben wir den Karlsson noch rechtzeitig vor das zerfledderte Rückenpolster drapieren können, bevor der Schaden auffiel, und beide haben für zehn Sekunden die Klappe gehalten. So war der Schaffner gleich wieder weg. In der Bahn ist Alkohol verboten, nicht? Und Vandalismus auch.

Puh, das war gerade noch mal gutgegangen. Aber die größte Herausforderung stand uns noch bevor: Wir waren vor dem Abflug noch für einen Abend bei Coras Familie eingeladen. Coras Mama wollte den Karlsson kennenlernen, genauer gesagt den Helden, der die Cora im Sommer auf unserer Wanderung durch den Spessart aus dem Fuchsbau gerettet hat.
„Wer hat ihr den Quatsch denn erzählt?“, hatte ich am Telefon gefragt.
„Na, Mensch, wenn wir schon lügen, um unsere Ägyptenreise zu verschleiern, dann müssen wir auch was zu erzählen haben vom Spessart, sonst fällt das auf“, hat sich die Cora gerechtfertigt.
„Ach, und dann hast du behauptet, der Karlsson hätte dich selbstlos ausgebuddelt?“
„Ja.“
„... und gegen den Fuchs gekämpft und dich seinem Maul entrissen?“
„Nein, das war der Pit.“

Ach, du liebe Güte. Kein Wunder, dass wir jetzt ein Problem hatten. Ungeachtet, dass der Pit und der Karlsson ihre Rollen als Lebensretter eigentlich ganz gut fanden (sie grinsten immer dämlich, wenn die Sprache darauf kam), wäre es bestimmt nicht vorteilhaft, wenn sie sich als besoffene Honks präsentierten. Bis Duisburg mussten wir sie also nüchtern kriegen, schließlich weiß man vom Karlsson, welche Störung ein angefressenes Elternteil verursachen kann. Bei der Tante Gisela wollten wir das nicht auch noch riskieren.

Gott sei Dank schliefen der Pit und der Karlsson kurz hinter Göttingen von selbst ein. Lautes, likörgeschwängertes Sägen erfüllte das Abteil.
„Ich geh mal in den Speisewagen“, hat die Mia gesagt.
Ich musste zurückbleiben und die beiden Idioten bewachen.
Kurz vor Duisburg hat die Mia Erfrischungstücher verteilt. Da sie die Lappen direkt auf die Nasen gelegt hatte und der ausdünstende Alkohol in den Augen brannte, waren beide Alkoholleichen augenblicklich hellwach. Mit aufgerissenen Glubschern saßen sie kerzengerade auf dem Sitz.
„Na, ausgeschlafen?“, hat die Mia gestänkert.
Dann kriegten beide noch eine Krallenvoll Tic-Tacs verabreicht, die sie lutschen mussten, um die Fahne zu übertünchen, und hinaus ging's in die feindliche Welt.
 
Der Paule holte uns ab. Das war notwendig geworden, weil die Cora beim Fotokurs im Gemeindehaus war. Er hockte auf einem Lastenwagen der Bahn. Über der Schulter trug er eine goldene Schärpe mit der Aufschrift „2. Platz“. Die hatte er beim Karaoke mit seiner neuen Freundin Virginia (einem Dackel!) gewonnen. Dass der Typ mehrere Wochen im Jahr im Knallbirnenheim verbringen muss, ist sofort verständlich, auch ohne dass man seine Geschichte im Detail kennt.
 „Wieso? Was hast du gegen Dackel?“, hat er gesagt.
Schnell habe ich den Pit nach vorne geschoben, um die Sprache auf etwas anderes zu bringen, und folgerichtig hat der Paule erst kurz in die Luft geschnüffelt und dann festgestellt:
„Alkohol kommt bei uns nicht gut an.“
Der Pit guckte zum Karlsson, der Karlsson guckte zum Pit, und schon ging das Gelächter wieder los.
„Wenn ihr jetzt nicht sofort aufhört, könnt ihr die Erfrischungstücher gleich hinterlutschen“, habe ich gesagt.

Zu Hause bei Duisburgs warteten Tante Gisela und Onkel Jürgen schon auf uns. Jetzt hieß es, die Nerven zu behalten. Anweisungsgemäß setzten sich der Karlsson und der Pit wohlerzogen auf die Fliesen, hielten die Schnauze fest verschlossen, atmeten unauffällig durch die Nase und nickten nur sparsam - das allerdings möglichst freundlich ­-, wenn sie angesprochen wurden. Die Übergabe der Mozartkugeln habe vorsichtshalber ich übernommen. Die Mia steuerte spitze Schreie der Wiedersehensfreude bei. So war schon mal der größte Teil der Aufmerksamkeit umgelenkt. Zwar kriegte der Karlsson noch seinen Dankespatscher auf die Frisur gelegt und auch dem Pit wurde gedankt für Coras Rettung, doch damit war es dann getan. Von nun an hielten sich die beiden unauffällig in der zweiten Reihe.

Erleichternd kam hinzu, dass wir im Garten Platz nahmen. Es war ja September und noch sehr warm draußen. An der frischen Luft, dazu noch über die Entfernung, konnte man den Fuselmief nicht so gut wahrnehmen. Auch sonst hielten sich der Pit und der Karlsson ziemlich gerade, nickten allerdings immer wieder kurz ein. Ich habe sie dann mit einem Krallenstupser wieder unter die Lebenden gebracht.

Eigentlich hatte es Eis geben sollen, doch weil der Engelbert, dieser Unglücksrabe, unbedingt seine Lektion aus dem Elektro-Fernkurs hatte ausprobieren wollen, war der Strom ausgefallen und das Eis natürlich zerlaufen. Deshalb wurde eine Obsttorte aufgetischt. Ich dachte, ich seh nicht richtig: Kirschen! Rotobst! Gräulich und abscheulich!
„Hmmm, das ist aber lecker!“, hat der Karlsson gejubelt und MEINEN Teller hingeschoben. „Der Max möchte bitte zwei Stück. Er mag Kirschen soooooo gern.“
Na warte, das kriegst du wieder!
Ich wurde nur triumphal angegrinst.
Die Mia hat ihr Kuchenstück erst auf dem Teller zerkleinert und dann häppchenweise unter viel Gequassel in den Topf mit den Staudentomaten entsorgt. Sie mag Rotobst nämlich genauso wenig wie ich, aber weil sie nicht neben dem Karlsson saß, gelang ihr der Coup. Dem Pit schmeckte es ausgesprochen gut, aber bei dem gibt es ja kaum etwas, das er nicht mag. Am Ende war Tante Gisela sehr zufrieden mit uns.

Später, als die Cora vom Fotokurs zurück war, haben wir unterm Pflaumenbaum Boccia gespielt. Wir Vögel kriegten Pfannenwender zum Abschlagen und es gab auch keine großen Holzbälle, sondern leichte Gummibälle. Die Tore hat der Karlsson mit der Schnauze in den Rasen gerammt. Leider kam währenddessen plötzlich eine Pflaume angeflogen und traf ihn am Hinterkopf. Eine Beule war nicht zu sehen, trotzdem hat er großspurig aufgejault.
„Das machst du nicht noch mal, Max!“, hat er mich angeranzt.
Ich? Wieso? Ich hatte doch gar nichts getan, nur friedlich mit meinem Schläger zwei Meter hinter ihm gewartet, bis er fertig wäre. Von der Cora kam vorwurfsvolles Kopfschütteln. Dabei schaute sie mich direkt an.

Eine Stunde lang haben wir gespielt. Vier Bälle landeten in Nachbars Garten. Die leeren Chipstüten haben wir gleich hinterhergeworfen. Gewonnen hat dann der Pit knapp vor dem Paule, der Mia, dem Karlsson, der Cora und mir. Boccia ist ein blödes Spiel.

Anschließend mussten wir im Haus Coras „Fotostudio“ besichtigen. Es lag im ausgebauten Dachgeschoss. Dort standen wir vor einem weißen aufgespannten Bettlaken und wunderten uns.
„Wo ist denn jetzt dein Studio?“, habe ich gefragt.
Die Cora war beleidigt:
„Da isses doch. Du stehst genau davor.“
Ach so, ja … das weiße Laken. Wenn man genau hinschaute, konnte man auf dem Schemel davor den Buchrücken von „Klasse Fotos – auch von dir“ lesen. Der Plunder daneben – Hüte, Schals und die wohlbekannte hellblaue Puschel-Boa aus anderen Urlauben – stellte wohl die Requisiten dar.
„Interessant“, hat der Pit gegähnt.
Als wir runtergingen, bemerkte jemand, dass der Karlsson fehlte. Er fand sich in der Nische mit den Koffern und Reisetaschen wieder. Er war dort eingeschlafen.
„Nun reiß dich mal zusammen, es ist ja bald vorbei“, hat die Mia ihm zugezischt.

Zum Abendessen haben wir auf der Terrasse die Windlichter angemacht und dann den Engelbert gegrillt. Nee, Quatsch, ist nur Spaß. Es gab Hamburger mit Salat. Den Engelbert haben wir die ganze Zeit nicht zu Gesicht bekommen. Wie es hieß, war er unterwegs, um über Ebay eine neue Lötlampe und 30 Meter Kabel abzuholen. Stattdessen kam Onkel Giesbert, um den Stromausfall zu beheben. Seine Handwerkertasche hatte er noch im Schuppen stehen vom letzten Mal, als der Engelbert beim Montieren einer Regenwalddusche am Küchenwaschbecken das Haus unter Wasser gesetzt hatte. Tante Gisela und Onkel Jürgen haben es wirklich nicht leicht mit ihren Heimtieren. Das kann man nicht oft genug wiederholen. Mein alter Freund Coco, die Schnapsdrossel, war ja schon schlimm genug, aber der Paule und der Engelbert setzen dem ganzen die Krone auf, abgesehen von der Cora, die einfach niemand heiraten will und die jetzt auch noch eine große Fotografin sein möchte.

Die Hamburger allerdings waren sehr lecker. Das fanden auch der Karlsson und der Pit. Für zwanzig Minuten machten sie einen völlig fitten Eindruck. Das Mampfen ging roboterhaft und zügig voran, als wären sie gerade eben aus einem zweiwöchigen Wellnessurlaub zurückgekehrt.
„Erstaunlich ...“, fand auch der Paule.
„Praktisch, so ein goldenes Lätzchen um die Schulter“, hat der Karlsson beiläufig bemerkt.
Augenblicklich lag ein gewisses Knistern in der Luft. Zum Glück war es inzwischen dunkel geworden und damit unsere Abreise herangerückt. Die Flüge nach Übersee gehen ja meistens spät abends, damit man sein Ziel am nächsten Tag zu einer manierlichen Zeit erreicht.

Tante Gisela hat uns noch ein bisschen Taschengeld zugesteckt (neben der üblichen Ermahnung, dass wir auf uns aufpassen sollten), dann hat uns Onkel Jürgen nach Frankfurt zum Flughafen gefahren. Von Engelbert keine Spur. Paule und Onkel Giesbert winkten uns vor der Haustür nach. Jedenfalls sah es so aus im Schein ihrer Taschenlampen. Das Licht im Haus ging noch immer nicht.

Im Flugzeug sind der Pit und der Karlsson sofort eingeschlafen. Von denen haben wir nichts mehr mitgekriegt. Nur wenn sie sich auf unseren beiden Sitzen zu breit machten oder zu laut schnarchten,  kam wieder mein Krallendolch zum Einsatz. Dann grunzten sie nur kurz auf und ratzten weiter. So eine ruhige Flugreise hatte ich schon lange nicht mehr: keine Kekskrümel aus irgendwelchen Provianttüten unterm Hintern und keine Vorträge über Tierschutzaktionen in den Ohren – herrlich.

Kurz vor der Landung ist der Pit aufgewacht. Er klagte über Kopfweh und sah auch so aus. Die Cora konnte helfen. Als auch der Karlsson erwacht war, wollte er allerdings keine Tablette haben, sondern einen Eimer voll Wasser. Die Stewardess brachte ihm einen Sektkübel aus der 1. Klasse. Minutenlang hörte man ununterbrochenes Geschlabber, danach einen gottvollen Seufzer, gefolgt von der Feststellung:
„So, ich bin bereit.“

Wir landeten in Los Angeles. Hier waren wir schon mal, damals, als wir die Cartwrights auf der Ponderosa besucht hatten, aber nur kurz. Der größte Flughafen der Stadt heißt LAX. Damit ist keine Abkürzung für ein Abführmittel gemeint, sondern das Kürzel, das man als Banderole an den Koffer kriegt, wenn man wieder abreist. Aber so weit waren wir ja noch nicht, wir kamen ja erst an.

Los Angeles

In der Flughalle stand ein uniformierter Typ mit einem Pappschild vor der Brust: „Mister Max from Germany.“
„Ich glaube, damit sind wir gemeint“, hat die Cora gesagt.
Sie trug ihren Rucksack auf dem Rücken und um die Schulter eine lila Standtasche mit der Aufschrift „Milano“ (auch so eine Stadt mit viel Küste). Dort gucke das Glas einer Sonnenbrille hervor.

Wie sich herausstellte, hatte die Cora recht. Wir wurden zu einer Limousine geführt. Zwar war es keine Stretchlimousine, sondern eine normal lange, aber immerhin glänzte sie teuer in der kalifornischen Sonne und hatte getönte Scheiben.
„Wow … schick!“, hat die Mia in die Flügel geklatscht.

Na, da hatte sich der Luke, dieser Großkotz, aber ordentlich ins Zeug gelegt, um uns zu beeindrucken. Er schmiss ja nur so rum mit dem Geld. „Seht her – ich kann es mir leisten“, sollte das wohl bedeuten. Aber ich ließ mich nicht ködern, nur die Mädels hatten glänzende Augen.
„Pfff“, habe ich gemacht, um mein Desinteresse mitzuteilen.
Ich saß neben dem Barfach mit der Cola und den gerösteten Erdnüssen. Klimaanlage, Fernseher und ein Sekt zur Begrüßung gehören ja heutzutage zur Standardausstattung jedes Kleinwagens. Darüber musste man nun wirklich nicht begeistert sein.

Außerdem beschäftigte mich eine andere Frage, nämlich ob wir den Karlsson anleinen müssten so wie in New York, schließlich waren wir jetzt auch in den USA, nur woanders. Oder war das Ländersache? Immerhin hatte er seinen Impfpass dabei, sonst hätte er gar nicht einreisen dürfen. Die andern guckten mich ratlos an. Keiner hatte sich vorher darüber informiert. Das war ja mal wieder typisch.
„Ich glaube, hier in Kalifornien muss man Vögel anleinen“, hat der Pit gesagt, und alles hat gewiehert wie blöd, auch die Mia und die Cora.
Okay … bitte, dann sag ich eben nichts mehr, Sollten sie den Karlsson doch einsperren. Was ging mich das an? Und um den Pit würde ich mich auch nicht mehr kümmern. Mir doch egal, ob er die schönen hellen Ledersitze zerkratzte.

Die Mädels prosteten sich mit dem Sekt zu. Sie waren bester Laune. Kurz bevor auch der Karlsson und der Pit zugreifen wollten, habe ich einen strengen Blick losgelassen und schnell zwei Dosen Limo hingeschoben. Daraufhin hat der Karlsson gar nichts mehrt gesagt, sondern hartnäckig aus dem Fenster geguckt. Vom Pit kam die Idee, sich die Schale Erdnüsse in einen alten Brotbeutel aus seinem Rucksack zu schütten. Ich habe so getan, als würde ich nichts sehen. Geschah der Autovermietung ganz recht, wenn man in diesem Saftladen nicht mal Goldfischli anzubieten hatte. Oder Schokolinsen.

Malibu liegt nördlich von Los Angeles und ein Stück weiter westlich. Wir fuhren an Santa Monica vorbei und dann ein Stück direkt am Pazifik entlang auf dem Pacific Coast Highway. Überall standen Palmen herum, aber auch andere grüne Bäume. Der Highway ist im Grunde nur eine breite Landstraße. Rechts wurde er begrenzt von den (oft grün bewachsenen) Hügeln des Santa-Monica-Gebirges, und links versperrten die Häuser der Anwohner den Blick auf den Ozean. Mir würde es nicht gefallen, wenn an meinem Küchenfenster die Autokolonnen der Reisenden vorbeizögen. Aber vielleicht bezahlte man viel Geld, um dort wohnen zu dürfen.

Auf dem Coast Pacific Highway

Später, in der Nähe von Malibu, wurde der Fels nackter, die Straße kurviger und der Blick aufs Wasser freier. Malibu selbst ist ja keine Stadt im herkömmlichen Sinn, sondern ein ziemlich weitläufiges Gebiet aus etlichen Strandabschnitten und verschiedenen Siedlungen oder auch nur einzelnen Häusern, manche direkt am Strand mit schwappenden Wellen am Unterbau, andere ganz weit oben im Felsen, denen man ansah, dass sie einen atemberaubenden Ausblick haben mussten.

Ausgerechnet vor so einem Haus – eigentlich war es mehr eine Villa – hielt unsere Limousine. Das Hotel war zweistöckig, wie überhaupt alle Häuser in Malibu ziemlich flach sind. Ich nehme an, das hat den Karlsson sehr erfreut. Wir wurden in eine Suite geführt. Man beachte: in eine Suite, nicht in ein simples, einzelnes Hotelzimmer. Unser Ensemble bestand aus einem geräumigen Schlafzimmer, einem Bad mit Whirlpool und einem noch größeren Wohnzimmer, alles in hellem Holz und Weiß gehalten. Da sich Schlaf- und Wohnzimmer gegenüber befanden und beide eine Terrasse hatten, offenbarte sich uns auf der einen Seite ein fantastischer Blick auf den Strand und den Ozean und auf der andern Seite auf den nierenförmigen Hotelpool.

Malibu: zwischen Pazifik und Gebirge

Vor lauter Begeisterung brachte die Mia nicht mal ihr übliches „Wow … schick!“ heraus. Sie war so geplättet, dass sie nur stumm und zombiehaft von einer Zimmerecke zur andern watschelte.
„Ganz schön nobel“, fand auch die Cora.
„Pöh … Prahlgurke“, habe ich geantwortet.
„Aber sehr ansprechend“, hat mich der Karlsson korrigiert.
Vom Pit kam keine Stellungnahme. Er war mit dem Tisch auf der vorderen Terrasse beschäftigt.

Mensch, das sah ich ja jetzt erst! Dort war ein ganzes Büfett aufgebaut: Früchte, gegrillte Filetstücke, Lachshäppchen, Gemüseplatten, Kuchen, Puddings und sogar ein ganzer Lobster lag orange und tot auf seinem Bett aus Salatblättern. Champagnerflaschen ruhten in eisgefüllten Behältnissen, die silbern in der Sonne glänzten. Das weiße Tischtuch wehte sanft im Wind, riesige Sonnenschirme spendeten Schatten, und wenn man dennoch Zeit hatte, hochzugucken, wurde man umhüllt von dem herrlichsten Urlaubsblau am Himmel, das man sich denken kann.

Jetzt übertrieb der Luke aber wirklich. Ja, ja, wir hatten es ja begriffen: Der Kater schwamm in Geld. Die Brosamen würde er nicht vermissen, die er hier so arrogant seinen bedürftigen Gästen vor die Füße warf. Es hätte mich nicht gewundert, wenn im Bad die Klobürste einen goldenen Stiel gehabt hätte. Am liebsten wäre ich gleich wieder umgekehrt, schließlich bin ich nicht käuflich, aber andererseits: Hätten wir alles verderben lassen sollen?

„Ja, kommt essen“, hat die Cora gesagt. „Sonst wird’s noch schlecht hier in der Hitze.“
Ruckzuck hatte sich der Karlsson die Filetstücke vom Teller gezogen. Er mampfte sie ungeniert auf dem Terrazzoboden. Ob die Mia inzwischen ihre Sprache wiedergefunden hatte, war nicht zu beurteilen, weil sie abwechselnd Schampus schlürfte und von einem Lachsbrötchen abbiss, während es die Cora auf die Torten-Etagere abgesehen hatte und der Pit auf den Lobster.
„Max, hast du keinen Hunger?“, wurde ich aus vollem Mund gefragt.
Allein aus Prinzip habe ich mich mit einer mageren Selleriestange begnügt. Sollten die andern ruhig sehen, dass es noch Kreaturen gab mit Prinzipien und Disziplin.
„Schön blöd“, hat der Pit gemurmelt und weiter mit seinen Krallen den armen Lobster zerteilt.
Wenigstens tranken er und der Karlsson keinen Alkohol; darüber konnte man ja schon froh sein.

Überall, wohin man sich wandte, hörte man schlingen, schlürfen und kauen. Jetzt wartete ich nur noch auf die ersten Fressleichen. Hoffentlich hatte die Cora Tabletten gegen Bauchweh dabei. Nach einer halben Stunde lagen alle schnarchend auf der Liege. Niemand rührte sich mehr. Na prima, das würde dauern, bis sie wieder fit wären.

Als ich aufwachte, schien mir die Sonne auf den Schädel. Die andern waren schon auf den Beinen. Die Mädels hatten ihre Sonnenbrillen aufgesetzt und standen mit ihren Strandtaschen vor meinem Stuhl. Der Pit und der Karlsson sahen gesund und energisch aus.
„Los, du Schlafmütze, steh auf, wir gehen den Luke besuchen.“
Boah, mein Kopf!
„Du hättest halt mit der Birne unterm Sonnenschirm bleiben sollen – so wie wir“, hat die Mia gesagt.

Als wir aus dem Hotel traten, kam gleich der Fahrer vom Flughafen angerannt. Aha. Der Shuttleservice war also inbegriffen. Wir fuhren in leichten Serpentinen den Hang hinunter. An einem belebten Strandstück wurden wir ausgeladen, damit wir uns noch ein bisschen umschauen könnten.
„Mister Lukes Arbeitsplatz ist ein Stück weiter hinten. Einfach geradeaus gehen, dann sieht man schon die Wasserwacht.“

Malibu: Ob es denen manchmal auf die Liege schwappte?

Jo, hier war viel los. Strandliegen mit schicken Auflagen reihten sich aneinander, kleine umzäunte Quadrate mit Tischen und Sesseln offerierten einen mehr privaten Aufenthalt, aber trotz aller Möblierung war der Strand breit genug, so dass man sich aus dem Weg gehen konnte. Wir wanderten vorne im festen Sand nah am Wasser. Nur der Pit mied den direkten Wasserkontakt. Katzen sind halt etwas wasserscheu. Niemand hat uns angehalten und auf eine Leinenpflicht angesprochen. Recht so, das kam dem Karlsson zugute und auch uns, denn so mussten wir nicht wieder die anstrengende Körli-Karli-Nummer abziehen. Die Cora hat Fotos gemacht. Ich persönlich fand die vielen Möwen störend, die überall herumstanden, unnütze Wegelagerer, die auf Zuwendung spekulierten.
„Tach“, hat der Karlsson gesagt und ist weitergegangen.
„Haste mal 'n Dollar?“, hat uns aber nur einer angehauen.
Von den andern wurden wir nur stumm beäugt.

Weiter hinten wurde der Strand tatsächlich leerer. Er waren vor allem Surfer unterwegs. Nur wenige Badegäste lagen auf ihren Handtüchern. Mitten im Sand stand eine Holzhütte. Das musste die Wasserwacht sein. Schon von weitem konnte ich einen grauen Popel ausmachen. Er glotzte beharrlich auf die Wellen. Ab und an schien er ein Fernglas an die Augen zu führen. Sollte das der Luke sein?
„Oh, Mann, ich mach mir gleich in die Federn“, hat die Mia mit zittriger Stimme gehaucht. „Vielleicht sehen wir … Päääm!“
„Päm? Ach, Liebes, die ist doch schon über fünfzig“, hat die Cora geantwortet. „Die arbeitet bestimmt nicht mehr hier.“
Die Mia zog einen Flunsch.

Als wir nah genug herangekommen waren, sprach uns der Popel an:
„Hallo, da seid ihr ja! Kommt rein.“
Er trug ein hautenges Leibchen in Orange-Rot mit der Aufschrift „Baywatch“. Kaum in der Kabine angekommen, ist die Mia dem Luke um den Hals gefallen. Wie toll alles wäre, hat sie gejubelt, wie schön das Hotel, wie praktisch der Chauffeur und überhaupt wie supernett Lukes Großzügigkeit sei, uns diesen wunderbaren Urlaub zu ermöglichen.
„Danke, danke, danke!“
Das zwang uns natürlich, ebenfalls unserer Höflichkeit Ausdruck zu verleihen. Man hörte ein vielstimmiges Gemurmel („Ja, danke“) und mir tat augenblicklich wieder der Kopf weh.

Lukes Rettungsbude nach Feierabend

Ob er schon viele gerettet hätte, wollte der Karlsson wissen. Na ja, hat der Luke uns aufgeklärt, er sei ja nicht für den Einsatz direkt am Wasser zuständig, sondern er müsse die Wellen im Auge behalten und dann im Erstfall mit der Trillerpfeife seine Kollegen verständigen. Okay, das erklärt, warum man sich für einen Kater entschieden hatte. Die haben wenigstens gute Augen und können auch in der Dämmerung gut sehen. Aber mal ehrlich, ich habe es ausprobiert: Nach ca. 30 Sekunden Gestarre auf diese dusseligen Wellen verschwamm doch alles. Was sollte an diesem Job spannend sein?

Der Luke war dennoch von der Sinnhaftigkeit seines Tuns überzeugt und meinte, er hätte den Aufnahmetest im Assessment-Center nicht umsonst als Bester unter 300 Mitbewerbern gewonnen. Wir ahnten ja gar nicht, wie interessant und gleichzeitig entspannend es hier wäre, eine wahre Wohltat, um aus dem Alltagstrott herauszukommen und mal tief durchzuatmen. Er sei jedenfalls sehr froh, dass er alle paar Monate hier Dienst tun könne. Es gäbe immer wieder Unvernünftige, die gerettet werden müssten, und das sei eine schöne Ergänzung zu seinem sonstigen Beruf, wo es doch eher darum gehe, andere Lebewesen um die Ecke zu bringen.
„Erst seit ich hier bin, merke ich, wie wertvoll das Leben ist.“
„Toll …!“, hat die Cora ihn andächtig angeschleimt.
Bei mir machte sich sofort wieder das Ziehen im Schädel bemerkbar.

Der Luke hat uns noch für den Abend zum Essen in ein Strandrestaurant eingeladen. Dann haben wir ihn allein gelassen, um ihn nicht bei seiner verantwortungsvollen Tätigkeit zu stören.
„Für mich wäre das nichts“, hat mir der Karlsson unterwegs zugeraunt. „Zu eintönig.“
Als Einziger hatte sich der Pit bei alledem bedeckt gehalten. Er futterte Kekse aus einer grünen Schachtel mit aufgedruckten Schmetterlingen, ließ aber nicht erkennen, ob er sich freute, seinen Chef zu treffen, oder wie er sonst zu der ganzen Angelegenheit stand. Aber vielleicht war das auch nur klug, denn als Arbeitnehmer tut man gut daran, sich für Neutralität zu entscheiden, zumindest wenn man seinen Bombenjob als geschäftsführende Schnarchnase behalten will. Stolz mit aufgestelltem Schwanz tippelte der Pit vor uns den Strand entlang. Ihn im hautengen Leibchen mit der Aufschrift „Baywatch“ konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Das Restaurant, in das uns der Luke eingeladen hatte, befand sich auf dem berühmten Holzsteg, dem Pier von Malibu. Tagsüber war es hier voll von Urlaubsgästen. Die Haken rechts und links an den Geländern sind zum Festmachen der Angelruten. Viele verbringen also hier ihren Tag mit angeln. Jetzt am Abend waren nur noch jene Leute übrig, die sich das dortige Restaurant leisten konnten oder wollten – so wie wir.

Der Pier (mit den Anglerhaken am Geländer)

Der Luke saß schon auf einer Eckbank, ein Glas Bitter Lemon vor sich. Mit uns kam eine Wolke „Sweet Sunset“ und „Impossibility“ hereingeweht, denn die Mädels hatten sich feingemacht. Der Karlsson aß – wie konnte es anders sein? – ein großes T-Bone-Steak mit Kartoffeln, der Pit bestellte einen beratenen Fisch, und die Mia, die Cora, der Luke und ich teilten uns eine Doppelportion Nudeln mit italienischem Namen. Für eine Selleriestange war es zu spät. Wie hätte es ausgesehen, wenn ich dem Luke seine Einladung um die Ohren geschlagen hätte, indem ich sein protziges Mahl verschmähte? Nein, so was macht man nicht. Glücklicherweise waren die Trüffel würzig und die Nudeln schön bissfest. Zu trinken gab es Alkoholfreies, weil niemand unangenehm auffallen wollte.

Noch fünf volle Tage Urlaub lagen vor uns, bevor es zurückging, da hieß es klug zu planen. Vom Luke erfragten die Mädels daher touristische Highlights. Der Karlsson hörte nur beiläufig zu, weil sich die Knochen auf seinem Teller nur mühsam zerbeißen ließen. Der Pit lutschte seine Gräten ab. Am liebsten hätte ich gefragt, ob mir der Luke das Geld für das teure Abendessen auszahlen würde, damit ich meinen Matchbox-Fuhrpark aufstocken könnte. Mit der Kohle hätte ich diesbezüglich auf Jahre ausgesorgt. Aber natürlich spricht man so was nicht an, solange einem noch das Zitronensorbet im Schnabel zerläuft.

Noch mal der Pier: romantisch, nicht?

Als es an die Heimfahrt ging und unser Fahrer bereits mit geöffneter Limousinentür auf uns wartete, kriegten wir einen Schreck, denn der Luke kam nicht mit.
„Wo willst du denn noch hin?“, hat die Mia ungeniert gefragt.
„Nach Hause schlafen“, hat der Luke geantwortet.
„Wieso? Wohnst du denn nicht bei uns im Hotel?“
„Nein, ich schlafe in der Unterkunft für die Angestellten.“

Waaaas? Das war ja wohl die absolute Spritze, an Dekadenz nicht zu überbieten! Wir wurden hier mit Luxus geködert wie Proleten, denen es auch mal gut gehen sollte, und der Kerl poofte unterdessen bei seinen Kollegen in der billigen Firmen-Herberge. I gitt! Dass der Luke so weit gehen würde, uns so vorzuführen, das hätte ich nicht gedacht. Aber wie heißt es so schön? In der Not lernt man die Kreaturen kennen. Sehr wahr. Ab jetzt würde ich von der schmierigen Socke nichts mehr annehmen – jedenfalls nicht mehr, als ich anzunehmen gezwungen wäre. Komisch, dass die andern keinerlei Bedenken hatten. Sie verabschiedeten sich herzlich vom Luke (die Mädels mit Küsschen links und Küsschen rechts) und stiegen zufrieden auf die Ledersitze.
„Das Essen war extrem lecker“, hat der Pit gerülpst, und alles hat genickt.
Heutzutage gibt es einfach keine Moral mehr.

An nächsten Tag wollten die Mädels an den Strand zum Sonnen. Das traf sich gut, denn der Karlsson hatte es aufs Surfen abgesehen.
„Du kannst surfen?“, habe ich gefragt.
„Na ja, ich will es halt mal ausprobieren“, hat er zugegeben. „Ich will mir ein Surfbrett leihen.“


Wo wir am Strand lagen, war es nicht so dicht bewohnt

Wir sind losgezogen, erst mit der Limousine wieder den Berg runter und dann zu Fuß in die Nähe von Lukes Wachhäuschen. Er war schon wieder im Dienst, glotze wieder eifrig auf den Horizont, als ginge ohne ihn die Welt unter. Einmal hörten wir ihn in die Trillerpfeife blasen. Sofort kam ein muskulöser Jüngling in orange-roter Badehose angespurtet und warf sich nach Lukes kurzer Anweisung in die Wellen. Es war aber nur ein Schwimmer, der einen Krampf im Bein hatte, kein vorwitziger Hai, der mal eben einen Happen nehmen wollte. Trotzdem wurde das Unfallopfer an Land geschleppt. Oben im Wachhäuschen sah man den Luke einen Block zur Hand nehmen und etwas notieren. Vermutlich handelte es sich um den Rettungsbericht. Von dieser bürokratischer Last hatte er uns gestern beim Abendessen nichts vorgeschwärmt.

Die Mia und die Cora haben ihr Handtuch im Sand ausgebreitet, den Kinderregenschirm, den sie dabei hatten (woher auch immer), aufgespannt und sich darunter in den Schatten gelegt. Auch der Pit hatte mit Surfen nichts am Hut – wen wundert's? Er hat sich zu den Mädels unter den Schirm gequetscht. Das Buch, das er aufschlug, hieß „Meine erste Million in 30 Tagen“. Ach, herrje, das hatte uns gerade noch gefehlt.

Mir schlug Unverständnis entgegen, als ich verlauten ließ, dass ich es ebenfalls mit dem Surfen versuchen wolle.
„Duuuuuu?“, hat der Karlsson gerufen.
Ja, warum denn nicht?
Na, weil ich als Vogel kein Surfbrett mieten könne, hat der Karlsson geantwortet. Die Bretter müsse man sich ja an den Fuß ketten, damit sie nicht verloren gingen, und wenn einem die Kette zu weit sei, so wie bei mir, dann würde sich bestimmt kein Händler finden, der einem dennoch ein Brett gibt.

Ach, wirklich? Deswegen hatte ich ja vorgesorgt. Der Karlsson guckte nicht schlecht, als ich mein eigenes kleines Surfbrett aus dem Rucksack schälte.
„Das ist ja ein Frühstücksbrettchen!“, hat er geschrien.
Na und? Ich hatte es zu Hause extra präpariert, ein Loch reingebohrt und eine der Halsketten der Putze durchgezogen. Damit konnte ich das Brett prima um meinen Knöchel schnallen. Okay, es stand „Mutti ist die Beste drauf“, aber das konnte man ja nach unten tun, und das Holz war solide und naturbelassen und schwamm sicher ganz toll.

In Kalifornien sind die Wellen meist nicht so hoch wie in Hawaii

Der Karlsson hat die Augen verdreht. Dann ist er mit seinem Surfbrett ins Wasser gestiegen und ein Stück hinausgeschwommen. Dort konnte man sehen, wir er vergeblich versuchte, aufs Brett zu kommen. Es wollte und wollte nicht gelingen. Kaum war er drauf mit seinem Bauch, kam das Ganze ins Schaukeln und er rutschte vornüber zurück ins Wasser.

Ha! Dann müsste ich eben mal zeigen, wie's geht. Vorsichtshalber bin ich im seichten Wasser geblieben, direkt am Strand, wo der Schaum in den Sand lief. Ich habe das Brett vor mir in Position gebracht, eine schöne Welle abgewartet, habe mich mit dem Bauch draufgezogen und … das Ganze noch mal gemacht. Und noch mal. Und noch mal. Wahrscheinlich lag es doch an dem blöden Holz, dass es einfach zu rutschig war. Ich fand keinen Halt. Irgendwann war mir, als würden fremde Leute im Kreis um mich herumstehen und auf mich heruntergucken. Eine graue Katze im strammen Leibchen war auch dabei.
„Mach die Augen auf, Max“, hörte ich jemanden sagen.
Es klang wie der Luke, aber das konnte ja nicht sein. Der war zu Hause in Schleswig-Holstein und machte Ratten und Mäuse tot.

Später habe ich dann gemerkt, wo ich war. Wie man mir mitteilte, hatte ich mir mein eigenes Frühstücksbrettchen an den Kopf gehauen. Der Luke hätte gepfiffen und der Jüngling von vorhin hätte mich rausgehoben und in den Sand gelegt. Ohnmächtig wäre ich gewesen, deshalb durfte ich nicht zurück ins Wasser. Ich musste mich zu den Mädels und dem Pit unter den Kinderschirm setzen. Das Surfbrett habe ich nicht wieder angerührt. Der Luke war zurück in seine Holzbude gegangen und schrieb dort wahrscheinlich seinen Rettungsbericht. Auch der Karlsson war ins Wasser zurückgekehrt. Ich konnte beobachten, wie er dort herumhampelte. Nach etwa zwei Stunden stand er endlich auf dem Brett, wenn auch nicht lange. Immerhin hielt er sich aufrecht. Dann fehlte mir ein Stück, denn die Mädels hatten mich losgeschickt, etwas zu trinken zu holen. Der Pit kam mit. Er hatte Hunger. Als wir wiederkamen, machte der Karlsson gerade einen Salto vorwärts (natürlich mit Brett).
„Du musst besser balancieren!“, habe ich ihm zugerufen.
„Brüll hier nicht so rum!“, hat mich die Mia angefaucht.

Insgesamt sind wir den ganzen Tag bis zum späten Nachmittag am Strand geblieben. Zwischendurch habe ich noch mehrmals aufbrechen müssen, um die kulinarische Versorgung zu gewährleisten, und jedes Mal, wenn ich zurückkehrte, konnte der Karlsson schon ein Stück mehr. Kurz bevor wir aufbrechen wollten, ist er dann durch die Wellen gesaust wie ein junger Gott. Zwar sah er aus wie ein Yeti nach dem Läusebad, so nass wie sein Fell an ihm klebte, doch seine Bewegungen waren kraftvoll und sportlich. Er konnte sogar schon so etwas wie einen Wellentanz aufführen, das heißt wedeln und anderen Surfern ausweichen. Wir waren schwer beeindruckt. Sogar die Mia und die Cora haben jetzt zugeschaut. Wenn der Karlsson eine Sequenz besonders gut hinkriegte, haben wir applaudiert. Ich glaube zwar nicht, dass er es hören konnte dort draußen in dem Meeresgetöse, aber es ging ja um die Solidarität. Nicht umsonst sagt man uns nach, dass wir jeden ehren und bewundern, der über seinen Schatten springt und Großes leistet.

Zum Abendessen haben wir uns auch die nächsten Tage mit dem Luke getroffen. Selleriestangen waren aber nirgends zu bekommen. Einmal hat er uns im Hotel besucht, denn dort gab es auch leckeres Essen. An Alkohol traute sich niemand heran, nicht im Beisein vom Luke und auch nicht in seiner Abwesenheit. Irgendwie wirkte er dämpfend auf derartige Gelüste. Vielleicht war es seine gesunde Lebensweise, die abschreckend wirkte, oder die Autorität seines Geldbeutels, der man sich würdig zu erweisen bemühte. Auf jeden Fall gab es ausnahmsweise mal keine Gelage an der Hotelbar, sondern alles strebte brav nach der abendlichen Nahrungsaufnahme in die Privatgemächer zur abstinenten Nachtgestaltung. Meist haben wir noch ferngesehen. Unser Medien-Center in der Suite brachte alles in Kino-Qualität. Den Mädels gefiel Oprah am besten, der Karlssons und ich wollten Actionfilme sehen und der Pit die Börsennachrichten. Gut, dass noch zwei Tablets auf dem Sideboard lagen, sonst hätte es Streit gegeben. 

Ansonsten waren wir unterwegs, die Umgebung erkunden. Die Limousine brachte uns hin. Einer der Ausflüge führte über Beverly Hills nach Hollywood. Los Angeles ist ja so groß, dass man sich entscheiden muss, was man sehen möchte. Allein aus diesem Grund lege ich wert darauf, dass unsere weiblichen Mitreisenden in der Unterzahl bleiben. Auch diesmal wäre es um ein Haar böse ausgegangen, denn die Mia und die Cora wollten shoppen gehen. Mit 3 : 2 wurden sie überstimmt. Das hinderte sie allerdings nicht daran, hundsgemein ihren Trumpf auszuspielen. In LA gibt es nämlich einen berühmten Wolkenkratzer, den „U.S. Bank Tower“. Er ist mit 310 Metern das höchste Hochhaus in Kalifornien. Damit aber nicht genug: Vor ein paar Jahren hat man an der Außenfassade einen Glastunnel angebaut, damit die Touristen etwas zu sehen bekommen. Dort kann man sich auf einen Stofflappen setzen und rutscht dann in Serpentinen den so genannten „Skyslide“ hinunter. Wie gesagt, alles ist aus Glas: der Boden, das Dach und die Seiten drum herum.

Uh, hoch: der U.S. Bank Tower

Als der Karlsson davon hörte, hat er sich augenblicklich umentschieden. Shoppen fand er plötzlich doch nicht so doof. Die Mia hat fies gegrinst. Nur meinem Widerstand und Coras Intervention war es zu verdanken (der Pit hat sich rausgehalten), dass wir uns schließlich auf ein Alternativprogramm verständigten konnten. Die Mädels kriegten als Zugeständnis eine Fahrt durch Beverly Hills, dafür durften wir Jungs uns was anderes aussuchen. Unsere Wahl fiel auf Hollywood. Früh morgens ging's los.

Beverly Hills ist eine selbstständige Stadt im County von Los Angeles. Es liegt nördlich von LA und damit in der Nähe von Malibu. Wir fuhren diesmal also nicht die ganze Strecke auf dem Pacific Coast Highway nach Los Angeles hinein, sondern bogen vorher ab und wurschtelten uns über Wohn- und Geschäftsstraßen voran.

Die Mia war total aufgeregt. Unbedingt wollte sie die Schule sehen, wo Brenda, Donna und Dylan all die tollen Sachen erlebt hatten, damals in „Beverly Hills 90430“.
„90210“.
„Was?“
„Beverly Hills 90210 hieß das“, hat die Cora berichtigt.
Und vorsichtshalber hat sie hinzugefügt, dass es sich dabei um eine Fernsehserie handelt, nicht um die Realität:
„Das weißt du, Mia, nicht?“
Na klaaaar, sie wäre ja nicht doof, hat die Mia abgewinkt.

Eigentlich habe ich während der ganzen Fahrt nicht ganz verstanden, was so besonders an Beverly Hills sein sollte, denn außer vielen verschlossenen Toreinfahrten, hohen Zäunen und Hecken, hinter denen man allenfalls reiche Anwesen vermuten konnte, war nicht viel zu sehen. Okay, es sah alles sauber und großzügig aus, die Palmen wippten unter dem gewohnt grandiosen azurblauen Himmel, doch wenn das alles war, fand ich es ein bisschen wenig. Deshalb haben der Pit, der Karlsson und ich Karten gespielt. Es lag ein Stapel hinter dem Töpfchen mit den Oliven. Die Mädels klebten unterdessen an der Wagenscheibe und versuchten, Celebrities auszumachen. Jede Person, die an der Straße entlang ging oder aus einem Geschäft kam, wurde eingehend begutachtet.
„Ist das nicht …?“, hieß es plötzlich. Oder:
„Guck mal, guck mal, guck mal!“
Mir gingen die spitzen Schreie allmählich auf die Nerven – dem Karlsson auch, aber der traute sich nichts zu sagen wegen der Glasrutsche. Der Pit mampfte ein Schinkenbrot aus der Ablage. Auf den hellen Ledersitzen fielen die Weißbrotkrümel nicht weiter auf. Endlich mal ein Vorteil, dass man in den USA kein Schwarzbrot kennt.

Hatten die Mia und die Cora nun eine Berühmtheit gesehen oder nicht, als wir Beverly Hills verließen? Das vermag ich sogar im Nachhinein nicht zu beantworten, weil die Meinungen auseinandergehen. Nur eins ist unbestritten: Sie hatten die Geschäftsstraße gesehen, den Rodeo Drive, wo Djulia sich von Ritschäts Kreditkarte das berühmte rote Kleid gekauft hatte.
„Watt?“
„Pretty Woman, Max. Wir sprechen von dem Film „Pretty Woman““, hat die Cora gesagt.

Der Rodeo Drive in Beverly Hills

Wenn man geradeaus weiterfuhr, kam man ziemlich genau in Hollywood an. Ich meine natürlich den berühmten Schriftzug am Hang. Von unten kann man ihn gut sehen, weil die Buchstaben 14 Meter hoch sind und zusammen 137 Meter lang. Wir stiegen aus und schauten andächtig nach oben.


„Beeindruckend“, fand der Karlsson.
Außerdem vertrat er der Meinung, dass allein sein Name wirklich gut aussähe, wenn man das „Hollywood“ gegen „Karlsson“ tauschen würde, weil „Max“, „Cora“, „Pit“ und „Mia“ zu kurz wären, um einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Ich glaube, ich irre mich nicht, wenn in diesem Zusammenhang das Wort „popelig“ fiel. Starker Tobak für einen Höhenschisser, nicht wahr?
„Hey, ich kann surfen!“, hat er aufgejault.
Aber da hatten wir uns spontan schon anderweitig entschieden: Wir würden NICHT hinauf in die Hollywood Hills fahren, um uns den Schriftzug von oben anzuschauen. Sogar der Pit machte augenblicklich kehrt und stieg in die Limousine ein.
„Zum Walk of Fame, bitte“, hat die Mia den Fahrer angewiesen.
Dabei warf sie erst den Kopf in den Nacken und schenkte dann dem Karlsson einen zuckersüßen Blick, so wie es David bei Goliath gemacht haben könnte, sofern David eine Frau war.
„Na, dann eben nicht!“, hat der Karlsson gemeint und ist ebenfalls eingestiegen.

Auf dem „Walk of Fame“ kann man sich bekanntlich die sternförmigen Bodenplatten anschauen, die man dort zu Ehren wichtiger Leute aus dem Showgeschäft eingelassen hat. Derzeit sind es fast 2700.
„Die gehen wir jetzt aber nicht alle ab“, habe ich klargestellt.
Den Gehweg selbst gibt es noch gar nicht so lange, wie man vielleicht denken könnte. Er wurde erst Ende der 1950er Jahre gebaut. Deshalb stammt der erste Stern aus dem Jahr 1960. Er gehört Stanley Kramer, dem Regisseur und Filmproduzenten. Die Sterne sind aus altrosa Terrazzo mit einem Symbol aus Messing versehen, das darüber Auskunft gibt, für welche Kategorie die Ehrung vergeben wurde.
„Schaut mal, hier ist Marilyn Monroe!“, hat die Mia gerufen.


Kaufen kann man einen Stern übrigens nicht. Er wird verliehen und von Sponsoren bezahlt. Dies nur zur Info an den Karlsson, falls er der Meinung sein sollte, dass seine acht Buchstaben in dem engen Stern besser aussähen als die drei von „Max“.
„Du hast deinen vollständigen Namen unterschlagen“, hat er geantwortet. „Master of the Universe. So zusammengequetscht wird die Schrift so mickrig, dass man fast nichts mehr lesen könnte.“
Aaaach, dieser Stinkstiefel. Seit er in Ägypten was vom großen Schakal gehört hatte und neuerdings nicht mehr vom Surfbrett fiel, war er zickig geworden wie ein Waschweib.

Ist es zu glauben? Da kann man einfach drüberlaufen

Nach dem Mittagsessen in einem einfachen Restaurant sind wir noch in die Filmstudios gefahren, um an einer Führung teilzunehmen. Eigentlich war es mehr eine Fahrt mit der Touri-Bahn durch alte Kulissen. Man sitzt dort am Fenster und wird an Landschaften und anderen Szenerien vorbeigekarrt. Manches kannte ich, zum Beispiel „Jurassic Park“, anderes nicht. In LA gibt es mehrere solcher Art Vergnügungsparks, doch für alle hatten wir keine Zeit. Teuer waren sie obendrein, selbst wenn der Luke bezahlte. Die Cora verwaltete das Budget. Bei der Herausgabe von Nachtisch oder der zweiten Portion Rumpsteak (für den Karlsson und den Pit) stellte sie sich piefig an. Ihr wäre es peinlich, behauptete sie, wenn sie Lukes Vertrauen derart missbrauchen würde, indem sie uns Gierlappen den Luxus nur so reinschaufeln würde. Um uns zu ärgern, knabberte sie an dem Apfel, den sie vom Frühstücksbüfett eingesteckt hatte. Was anderes rührte sie nicht an. Sie wurde auch nicht schwach, als ich ihr mit meinem „American Cheesecake“ vor dem Schnabel herumfuchtelte. Auf der Rückfahrt nach Malibu allerdings knurrte ihr der Magen. Das konnte man deutlich hören, sogar durch Mias Geschnatter hindurch.

Universal-Studios

Für den Karlsson ist der Ausflug nach LA dann doch noch ein schönes Erlebnis geworden. In den Hollywood-Studios nämlich, als wir die Kulissen besichtigten, kam es mehrmals vor, dass Leute ihn ansprachen und um ein Gemeinschaftsfoto baten. Erst hatte sich der Karlsson gewundert, was das sollte, doch dann hat er schnell begriffen, dass man ihn für einen bekannten Schauspieler hielt. Danach ist er zu Höchstform aufgelaufen, hat sich bereitwillig in Pose gesetzt, hat angereichte Babys zwischen die Pfoten genommen oder ist an Hüften hochgesprungen, um wildfremden Frauen das Ohr zu küssen. Die Mia war ein bisschen angesäuert wegen der Aufmerksamkeit. Trost kam von der Cora. Sie meinte, dass Hunde im Showgeschäft schon immer breiter vertreten wären als so seltene und exquisite Exoten wie wir Amazonen. Daher solle sich die Mia nicht grämen, die Menschen würden halt immer auf das reagieren, was sie kennen.
„Hey, und was ist mir mir?“, hat der Pit gerufen.
„Katzen gibt’s nicht im Film“, habe ich geantwortet. „Nur Shir Khan, und der war unsympathisch.“
Auf der Rückfahrt in der Limousine muss mir jemand einen Kaugummi in den Schwanz geklebt haben. Es hat eine Stunde gedauert, bis ich ihn im Hotel wieder rausgepult hatte. Trotzdem roch es noch tagelang nach pappsüßen Himbeeren.

Auch das ist Los Angeles

Bei unserm nächsten Ausflug wollten wir die Betonung mehr auf Bildung oder Sport legen. Daher entschieden wir uns für die J.-Paul-Getty-Villa. Man erreicht sie, indem man auf dem Pacific Coarst Highway von Malibu zurück nach Santa Monica fährt. Dabei kommt man an Pacific Palisades vorbei. Das wunderschöne Gebäude mit dem roten Dach, dem länglichen Bassin in der Mitte und den luftigen Säulengängen, das aussieht wie eine römische Villa, beherbergt 44 000 antike griechische, etruskische und römische Exponate. Sie entstammen der Kunstsammlung von J. Paul Getty. Das andere Getty-Museum befindet sich in Los Angeles.

Die J.-Paul-Getty-Villa

Uns hat besonders der schöne Garten gefallen. Auf die akkurat geschnittenen Beeteinfassungen konnte man sich prima setzen und alles auf sich wirken lassen. Das heißt, der Karlsson und der Pit mussten natürlich auf dem Boden Platz nehmen, um die filigrane Hecke nicht einzudellen.
„Sieht aus, als wäre alles uralt“, hat der Karlsson gemeint.
„Ja, die Architektur ist der Villa dei Papiri nachempfunden, die damals beim Ausbruch des Vesuvs zerstört wurde“, hat der Pit aus dem Touristenfaltblatt vorgelesen.
Dort war ebenfalls zu lesen, dass die Getty-Villa 1954 gegründet wurde. Na, das war ja wirklich noch nicht alt (behaupten zumindest solche Greise wie die Putze).

Drinnen haben wir Gefäße besichtigt und Teller und Statuen und Schmuck und Münzen. Irgendwann hatten wir Hunger, aber ein Futtertempel war nirgends auszumachen. Gut, dass unsere Limousine – wie immer – auf uns wartete und sogar ein Lunchpaket für uns bereit hielt. Darin waren kleine Brotschnitten mit Lachs und so kleinen schwarzen Kügelchen, die leider etwas ölig schmeckten, Obstsalat, Würstchen, Käsewürfel und Kuchen. Wäre eine Selleriestange dabei gewesen, hätte ich selbstverständlich auf den Rest verzichtet. Doch man musste ja zu Kräften kommen, denn anschließend ging's in die Berge.

Wir fuhren ins Santa-Monica-Gebirge. Den unteren Teil kannten wir ja schon vom Highway und auch den Mittelteil vom Hotel; jetzt wollten wir wissen, wie es ganz oben aussah. Die Limousine hatte keine Mühe mit dem Anstieg, es gab ja Serpentinen. In der Nähe eines Trampelpfades stiegen wir aus, um den Rest zu Fuß zu gehen. Der Fahrer sollte uns in zwei Stunden abholen.
„Cora, meine Liebe, nehmen wir unsere Taschen mit oder lassen wir sie im Wagen?“, hat die Mia gefragt.
Mitnehmen lautete die Devise, denn die Cora hatte den Fotoapparat dabei.

64 Kilometer lang ist das Gebirge. Manche nehmen das Mountainbike. Es war heiß und staubig und ziemlich unaufgeräumt. Überall klatschten einem Büschel ins Gesicht. Auf schattigen Wald wartete man vergeblich. Dort oben gab es nur Gebüsch, Gräser, Sand oder nackten Stein und allenfalls einzelne Bäume, von denen aber niemand wusste, wozu sie gut waren. Dazu knallte einem die Sonne auf den Schädel und dauernd blieb man irgendwo mit den Krallen hängen, ganz abgesehen von der Anstrengung, an Höhe zu gewinnen, denn so war es ja gedacht, dass man sich die Aussicht erst erarbeiten müsste.

Santa-Monica-Gebirge: Hier oben wuchsen keine Pilze

„Mir tun die Knöchel weh“ , hat die Mia gejammert.
Ausnahmsweise musste ich ihr recht geben. Das ständige Laufen bergan ging einem ganz schön in die Muskeln. Wie gut wäre es jetzt gewesen, wenn wir Vögel hätten fliegen können, doch wegen der blöden Strandtaschen kamen wir nur mühsam voran. Die Cora und die Mia sahen aus wie ein Pärchen Postboten-Gnome, die sich durch Mittelerde kämpften, um einen Brief abzugeben, nur dass ihr ständiges Fluchen und Geschimpfe dem Berufsstand keinerlei Ehre erwies. Immer rabiater zerrten sie die Taschen aus Flechten und Ästen, was dem Material natürlich nicht gut bekam.
„Mein „Milano“ ist abgefallen“, hat sich die Cora beschwert.

Schließlich hat der Pit ein Machtwort gesprochen: So gehe das nicht weiter! Er bot sich an, die Mädels auf seinem Rücken zu transportieren. Dankbar und breitbeinig nahmen sie hintereinander in seinem Nacken Platz. Leider kamen wir nicht weit, weil sich sein kurzes Fell als unbrauchbar zum Festhalten erwies.
„Au! Passt doch auf!“, hat er geschrien. 

Deswegen musste der Karlsson ran. An seinen Locken konnte man sich ausgesprochen gut festhalten. Die Mädels stiegen um. Das Ganze hatte fatale Ähnlichkeit mit Safari-Touristen, die sich auf einen Elefanten zwängten. Aber natürlich habe ich nichts gesagt, um Colonel Hathi nicht zu erzürnen. Außerdem lief der Karlsson schneller, als es Elefanten im Verhältnis hinkriegen. Er rannte geradezu. Man sah die Mädels und die Strandtaschen in seinem Nacken auf und ab hüpfen. Der Pit gab Zunder und rannte hinterher. Ich flog über ihnen. Als wir endlich die Kuppe erreicht hatten und der Untergrund wieder einigermaßen waagerecht wurde, fehlten die Cora und die Mia. Oha, wir mussten sie verloren haben. Sollte das heißen, wir müssten den ganzen Weg zurücklaufen und sie suchen? Gerade als ich aufbrechen wollte, um den Aufklärungsflug zu starten, den der Pit und der Karlsson angeordnet hatten, kamen sie durchs Gras gekrochen. Die Strandtaschen hingen in Lappen an ihnen. Sie sahen verschwitzt und dreckig aus. Katapultartig waren sie ins Gebüsch gepfeffert worden durch die Fliehkraft bei gleichzeitiger Erdanziehung durch Fotoapparat und Sonnencreme. Sofort wollten sie nach Hause. Augenblicklich! Unverzüglich! Umgehend! Nö, hat der Karlsson gesagt, er hätte nicht umsonst so dolle Gas gegeben. Jetzt würde er erst mal die Aussicht genießen. Dazu hat er sich an den Abhang gesetzt, tief durchgeatmet und „Aaaah!“ gesagt.

Grummelnd sind die Mädels hinterhergedackelt. Immerhin hat die Cora ein paar schöne Fotos geschossen. Auf einem kann man bis nach Los Angeles schauen. Seht ihr die Hochhäuser dort hinten im Dunst? Das ist LA, wo auch der Tower mit der Glasrutsche steht.

Vorne Vegetation, hinten Zivilisation: Los Angeles

Ich hätte ja gedacht, die Mia würde diese Steilvorlage nutzen, um dem Karlsson irgendwas Doofes zu sagen über das Glasdingens als Retourkutsche für den Flug in die Botanik, aber sie hat nur zusammengknüllt auf dem Stein gesessen und dumpf vor sich hingebrütet. Das sollte man sich merken: Weiber im Gebirge auspowern, dann werden sie vorübergehend zahm.

Zugegeben, ich war auch froh, als die Limousine uns einsammelte. Vor lauter Sonne und Hitze war mir ganz schummrig. Für den Abstieg hatte sich Colonel Hathi wieder zur Verfügung gestellt. Die Strandtaschen (oder was davon übrig war) landeten in einem Abfalleimer. Im klimatisierten Wagen kam ich allmählich wieder zu mir. Auch die andern hingen nur schlaff in den Sitzen und süffelten alle Wasserflaschen leer, die sich im Barfach finden ließen. Noch mal mussten wir so eine Tour nicht haben, darüber waren wir uns einig.

Beim nächsten Ausflug blieben wir in der menschlichen Kultur. Wir besuchten Santa Monica. Einmal waren wir schon daran vorbeigefahrenn, nun wollten wir wissen, was es dort zu sehen gab. Die Mädels führten ihre frisch erworbenen Strandtaschen mit, diesmal in Rosa und ohne Aufschrift, beide trugen das gleiche Modell. Auch in anderer Hinsicht war eine Neuerung eingetreten: Der Zugriff auf Lukes Kreditkarte war von der Cora auf den Pit übergegangen, nachdem sich ein anonymer Schreiber per zugespieltem Zettel beschwert hatte.
„Mir ist das recht“, hat die Cora gesagt. „So brauche ich keine Verantwortung zu tragen.“

Santa Monica

Mit der Loyalität gegenüber unserm Sponsor hatte der Pit weniger am Hut als die geizige Cora. Als Erstes hat er seine Schulden bezahlt (in den Fresstempeln von Malibu); sie stammten noch von unserm Strandtag. Dann kriegten die Mädels einen Boutiquen-Aufenthalt spendiert. Das ließen sie sich nicht zweimal sagen und kauften die neuen Strandtaschen, dazu zwei Bikinis (einer in Glitzer), Fußkettchen, Haarspangen und was man sonst noch so braucht. Wir Jungs hatten unterdessen auf dem Pier gesessen und den Anglern zugeschaut. In Santa Monica fiel unsere Bewirtung dank Pits Weisung ausgesprochen großzügig aus. Die Restaurants waren teuer und Nachschlag an Fisch und Fleisch oder Dessert kein Problem. Leider wurden auch in Santa Monica nirgends Selleriestangen angeboten.

Genau wie Beverly Hills ist Santa Monica eine selbstständige Stadt. Robert Redford und Shirley Temple wurden hier geboren. Man kommt zu Besuch, um sich auf dem Pier zu vergnügen. Es handelt sich um einen Holzsteg genau wie in Malibu, nur dass es drum herum dichter besiedelt ist und man Karussell fahren kann. Ein Riesenrad gibt's auch, große Schiffschaukeln und sogar eine Achterbahn.

Hier war was los, am Pier von Santa Monica

Achterbahn fahren? Da wurde man ja dauernd rausgeschleudert und musste mühsam zurückfliegen. Der Pit und der Karlsson erhielten keine Fahrerlaubnis, da Tiere aus Sicherheitsgründen verboten waren. Wegen der Warteschlange vor dem Riesenrad haben wir uns für einen Bummel entlang der Futterbuden entschieden. Es gab Zuckerwatte, Frozen Joghurt, Waffeln, Hot Dogs, eben alles, was man von einem Rummelplatz erwartet. Ungefähr die Hälfte landete in Pits Provianttüte.

Neben dem Vergnügungspark liegt der „Muscle Beach“. Den musste man gesehen haben. Es ist ein Stück Strand, auf dem sich Menschen treffen, die sich fit halten wollen. Man kann dort Gewichte heben, an Geräten turnen, an Seilen klettern und natürlich all die Übungen machen, zu denen man keine Geräte braucht. Beim Versuch, auf einen Barren zu springen, um eine Bauchwelle vorzuführen, ist der Karlsson abgerutscht und hockte stattdessen breitbeinig mit allen vier Schenkeln auf den Stangen. Weibliches Gekicher war zu hören.
„Wie? Was ist?“, hat er gemeckert.
Recht hatte er, wenn man sich die Mia und die Cora anschaute, wie sie dastanden mit ihren blöden Strandtaschen und Sonnenbrillen und nach allem andern aussahen, nur nicht nach Absolventen schweißtreibender Aerobic-Kurse – vom Pit ganz zu schweigen, der Zuckerwatte futterte. Vielleicht würde er eine sportlichere Silhouette abgeben, wenn er seine Ringel senkrecht tragen würde.
„Als ob du fitter wärst, du grüner Klops“, hat er geantwortet.

Der Muscle Beach (rechts das Riesenrad vom Vergnügungspark)

Ansonsten bummelt man in Santa Monica die Einkaufspassagen entlang. Hatten wir Lust dazu? Ich meine, hatten wir MÄNNER Lust dazu? Nein, natürlich nicht.
„Ihr seid Spielverderber“, hat sich die Mia aufgeregt.
Stattdessen sind wir zum Hippodrom gegangen.
„Echte Pferde? Hier?“, wollte die Cora wissen.
Oh, Mann, natürlich nicht. Das Hipprodrom am Pier ist ein historische Karussell mit Pferden. Es wurde 1916 gebaut.

Das berühmte Hippodrom am Pier

„Wollt ihr mal fahren?“, hat der Pit großzügig angeboten.
„Nee, ich will lieber zum Trazepfliegen“, hat der Karlsson geantwortet.
„Was? Wohin?“
„Zum Trapezfliegen. Dort drüben, seht ihr nicht die Netze, dort neben den Trampolinen?“

Tatsächlich. Wenn man genauer hinschaute, konnte man erkennen, dass in einer Art Sicherheitskäfig aus Netzen hoch oben eine Plattform aufgebaut war, von der aus man – wie im Zirkus – einen Bügel ergreifen und sich in die Tiefe stürzen konnte, um auf der andern Seite wieder auf eine Plattform zu schwingen. Gegen ein ordentliches Entgelt leistete ein Lehrer Anweisung. Ein Sicherheitsnetz am Boden versprach Unversehrtheit bei einem möglichen Absturz. Außerdem waren die Akrobaten angeleint.

Das wollte der Karlsson allen Ernstes ausprobieren? Was war in ihn gefahren? Reichten die Erfolge beim Surfen nicht?
„Lasst mich! Ich will fliegen!“, hat er insistiert.
Wir standen so lange außen vor dem Käfig. Wir konnten beobachten, wie der Karlsson erst eingewiesen wurde mit endlos langen Trockenübungen. Dann durfte er endlich auf die Plattform steigen und kriegte den Bügel in die Vorderpfoten. Das schien aber nicht recht zu klappen, denn der Lehrer wurde jetzt hektisch und zeigte immer wieder auf den Bügel und auf Karlssons Vorderbeine und dass beide besser harmonieren müssten.

So war das wohl gemeint

„Der mit seinen runden Pfoten, womit will er sich festhalten?“, hat die Cora zu bedenken gegeben.
Dies musste inzwischen auch dem Lehrer klargeworden sein, denn man sah ihn jetzt heftigst diskutieren. Aber der Karlsson schüttelte immer nur stur den Kopf. Plötzlich hob er ab, den Körper lang gestreckt wie ein dünner Strich, die Vorderpfoten am Bügel, alles zusammen segelte geradeaus durch die Luft, knallte dann aber leider gegen die Plattform, auf die der Karlsson eigentlich hätte absteigen sollen, so dass er losließ und mit Schmackes, aber noch mit einem künstlerischen Salto, senkrecht ins Sicherheitsnetz rauschte. Ein markerschütternder Schrei begleitete das Ganze. Von dort prallte er nochmals ab, schnellte in die Luft, machte einen zweiten Salto und landete endgültig im Netz. Hatte die Leine versagt?

„Wow … das war toll!“, hat er uns angestrahlt, als er wieder draußen war.
Der Pit musste dem schimpfenden Lehrer eine Entschädigung zahlen, weil sich der Karlsson eigenmächtig gegen Sicherheitsvorschriften gestellt hatte. Den störte das allerdings nicht die Bohne.
„Habt ihr gesehen? Ich bin geflogen!“, hat er wieder und wieder gesagt.
„Ach, das hätte ich dir auch beibringen können", habe ich die Realität geradegerückt.
Nicht, dass der Kerl hier noch bleibende psychische Schäden davontrug.

Wir machten, dass wir wegkamen. Santa Monica hatte seine Schuldigkeit getan.

Die beiden letzten Tage sind wir in Malibu geblieben. Zwar hatte der Luke angeregt, dass wir Santa Barbara, Santa Clarita, Santa Ana oder San Bernadino besuchen könnten, denn dort sei es auch sehr hübsch, doch wir hatten keine Lust auf so viel Heiligkeit. In Malibu kannten wir uns inzwischen prima aus, zumal der Karlsson unbedingt noch mal surfen wollte. Die andern beiden ausschlaggebenden Stimmen für den Strand kamen von den Mädels. Baden wollten sie zwar nicht, denn das Salzwasser mache das Gefieder immer so strohig, doch auf dem Laken liegen und sich sonnen, das gefiel ihnen gut. Sie spannten wieder ihren Kinderregenschirm auf.


Da wir überstimmt waren, mussten der Pit und ich uns nach anderen Vergnügungen umschauen. Das Buch mit den Tipps zum Reichwerden hatte er nicht mehr dabei.
„Schon ausgelesen?“, wollte ich wissen.
„Ja.“
„Na, dann dauert es ja nur noch 26 Tage, bis du Millionär bist.“

Während der Karlsson fast ununterbrochen in den Wellen herumgurkte und die Mädels vor sich hin dösten, haben der Pit und ich beim Beachvolleyball zugeschaut, allerdings nicht lange, nachdem ein verirrter Ball dem Ringelplüsch den Hamburger aus der Pfote geschossen hatte. Der Pit war sauer. Dass man Lebensmittel verschleuderte, dafür hatte er kein Verständnis. So zogen wir weiter, mal zum Pier, gucken, was es Neues gab (nichts), oder in den Spielsalon zum Daddeln an den einarmigen Banditen. Hier hatte der sonst so großzügige Pit den Einsatz auf 100 Dollar pro Person reduziert, um vor dem Luke zu bestehen, falls eine Überprüfung anberaumt werden sollte. Die Möwen standen noch immer stumm in der Gegend herum und machten mich kirre, und auch sonst wusste ich bald nicht mehr, was ich am Strand noch tun könnte.

Ach, dieses Kroppzeug

Irgendwann bin ich zum Luke hinauf ins Wachhäuschen gestiegen. Der Pit wollte nicht mitkommen, was man verstehen kann, denn im Urlaub will man seine Ruhe haben vor seinem Chef. Ich dachte, ich könnte dem Luke meine Hilfe anbieten. Aber er beachtete mich kaum, weil er stur aufs Wasser hinausstarrte.
„Kann ich dir helfen?“, habe ich gefragt.
Ich dachte daran, die Rettungsberichte zu sortieren oder in die Trillerpfeife zu blasen oder zu den Badenden zu fliegen, um sie über die Verhaltensvorschriften zu belehren, oder mit dem Fernglas auf der Fahnenstange zu sitzen und pöbelnde Surfer zu melden. Ich kannte da einen Vierbeiner mit Hippie-Locken, der dort draußen in den Wellen herumfuhr wie ein Rowdy auf der Straße.
„Du willst mir helfen?“, hat der Luke geantwortet. „Na, dann nimm die Papierzange und sammel den Abfall vom Strand. Du kannst natürlich den Müll auch mit dem Schnabel aufspießen, wenn dir das lieber ist.“

Ich dachte, ich hör nicht richtig. Müll aufsammeln? Malibu war doch so sauber, was hatte ich da im Sand zu rühren? Der Luke war also nicht nur großkotzig und undankbar, sondern auch noch blind. Ich habe mich schnell vom Acker gemacht.

Abends bei unserm letzten gemeinsamen Abendessen mussten wir uns die Prahlerei vom Karlsson anhören: Surfen wäre ja so toll! Dieses Kunststück, die Balance auf dem schmalen Brett zu behalten – einmalig! Und dann die Fische, die man beim Tauchen sieht – großartig! Er wäre dem Luke sehr dankbar, dass er ihm dieses wundervolle Abenteuer ermöglicht habe. Und dann hat er noch hinzugefügt mit einem geheimnisvollen Zwinkern, jetzt könne er es ja verraten: Früher hätte er den Luke immer für etwas verschroben gehalten, für unnahbar und irregeleitet in seinen Motiven, doch nun müsse er das revidieren: Der Luke sei ein wahrer Prachtkerl. Daraufhin haben alle die Wassergläser gehoben und auf den Prachtkerl angestoßen. Ich war froh, dass wir nach dem Abendessen zum Flughafen gefahren wurden. Wären wir noch länger geblieben, wäre dem Karlsson sicher ein Surfbrett unter den Zehen gewachsen und er würde heute zweiter Geschäftsführer im holsteinischen Totmacher-Business sein. Der Karlsson benötigte dringend Korrektur, das war klar.

Zum Abschied hat der Luke uns an die Limousine begleitet. Die Mädels verteilten Küsse an den generösen Wohltäter, der Karlsson knallte die Hacken zusammen und verbeugte sich, der Pit sagte „Also dann bis November zu Hause“ und ich machten den Luke darauf aufmerksam, dass im Barfach der Limousine Goldfischli und Schokolinsen fehlten. Dann setzten wir uns in Bewegung. Im Dunkeln konnte man nicht erkennen, ob der Luke uns nachwinkte. Der Flieger ging um Mitternacht. Diesmal bekamen auch wir eine Banderole mit LAX um die Rucksäcke.

Tschüs!

Als wir landeten, war es Mittag in Frankfurt. Die Cora ist gleich nach Duisburg weitergefahren. Vorher hatten sie und die Mia noch ihre Strandtaschen getauscht als Zeichen ihrer Freundschaft. Unter Weibern macht man das wohl so. Der Pit, der Karlsson, die Mia und ich sind mit dem ICE nach Hannover gefahren. Sitze wurden diesmal nicht zerstört, aber es war ja auch niemand besoffen.
„Na, Beach Boy“, habe ich zum Karlsson gesagt. „Bist du wieder normal oder müssen wir uns künftig auf Sporturlaube einstellen?“
„Pöh“, hat er nur gemacht.
Von der Cora waren bereits die Fotos angekündigt, die sie geschossen hatte und die der Karlsson seinen Leuten daheim würde vorzeigen können als Beweis für seinen Mut und seinen edlen Sportsgeist. Vielleicht würde das ja den Papa überzeugen, dass der Karlsson auch weiterhin des Reisens würdig war. Damit wäre immerhin etwas Gutes erreicht.
„Und was zeigst du zu Hause vor?“, habe ich den Pit gefragt. „Den alten Hot Dog aus Malibu, der noch in deiner Provianttüte ist?“
Aber er hat mich überhaupt nicht beachtet.

In Hannover verließen wir die beiden. Wenn der Pit und der Karlsson sich jetzt bis Hamburg noch eine Flasche „Gestreifter Kater“ reinziehen wollten, würde mich das nicht mehr kümmern.

Ich meinte noch zur Mia, dass wir uns gut vorbereiten müssten, wenn wir Weihnachten mit der Polly nach Australien fliegen würden. Und sie, die dumme Nuss, antwortete:
„Wieso? Den Glitzer-Bikini habe ich doch schon."
Nimmt das denn nie ein Ende?

Fotos: Cora und Paule: © G. H.
          Pit und Luke: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: © Terrierhausen

Malibu, Ente, Los Angeles, Wachthäuschen, Surfer I, Surfer II, U:S. Bank Tower, Rodeo Drive, Hollywood-Schriftzug: Pixabay
Bodenplatte, Walk of Fame, Universal-Studios, Los Angeles mit Strand, J.-Paul-Getty-Villa, Gebirge, Gebirge mit LA: Pixabay
Santa Monica, Pier, Malibu-Schild, Trapezkünstler: Pixabay

Coast Pacific Highway: Ken Lund/Flickr, Bild steht unter Common-Creative-Lizenz
Malibu Luftansicht: Doc Searls/Flickr, Bild steht unter Common-Creative-Lizenz
Malibu Strand mit Häusern I: Jim Purdy/Flickr, Bild steht unter Common-Creative-Lizenz
Malibu Strand mit Häusern II: Prayitno/Flickr, Bild steht unter Common-Creative-Lizenz
Mailibu Pier: Kent Kanouse/Flickr, Bild steht unter Common-Creative-Lizenz
Malibu Pier Dämmerung: Trey Ratcliff/Flickr, Bild steht unter Common-Creative-Lizenz
Muscle Beach:www.david baxendale.com/Flickr, Bild steht unter Common-Creative-Lizenz
Hippodrom: Tony Hoffarth/Flickr, Bild steht unter Common-Creative-Lizenz
Malibu mit Möwen: Chris Goldberg/Flickr, Bild steht unter Common-Creative-Lizenz

© Max: Papageiengeschichten