… und ich darf nicht mit auf die Silvesterparty. Die Mia geht allein mit ihrem Schwanenfred und dem Anselmo, diesem grinsenden Stachelklops aus Belgien. Ich hätte mein Recht auf endzeitliches Amüsement verwirkt, heißt es. Als ich daraufhin den Feldwebel bestechen wollte mit ‘ner Tafel Noisette oder wahlweise 2 x Müll runtertragen außer der Reihe, hat meine Ma gesagt, das wird toll werden: Wir beide ganz allein mit ‘ner hübschen Schlager-CD, ‘n paar Luftschlangen, ‘nem Krapfen zum Futtern und Bleigießen um Mitternacht. Dabei tat sie so dämonisch grinsen, dass ich nicht weiß, ob sie sich über mein Leid freut, oder ob sie vor lauter Glückseligkeit alles total ernst meint. Sie war ja schon an Weihnachten so komisch. Jetzt sind ihr die Hormone vollends umgekippt.
Aufgeregt hat sie sich - und wie. Was kann ich dafür, dass sie jeden Dezember eine Heimsuchung von unaufschiebbarer Karitas erfährt? Letztes Jahr hatten wir die beiden Elche aus Skandinavien zu Besuch und diese weiße Haubenlerche, den idiotischen Kakadu aus Australien - alte Leser werden sich noch daran erinnern. Das war Strafe genug, weil ich die drei an den Hacken hatte und mir immer Neues ausdenken musste, wie ich sie bespaßen könnte. Ich meine, es hat ja keiner was dagegen, wenn uns jemand was schenkt, zum Beispiel ein nettes Plüschgeschöpf, meinetwegen einen Teddy oder auch eine Maus. Die kann man sich aufs Sofa setzen und gut ist. Aber muss man stattdessen sein Heim öffnen für jeden Hans und Franz, der sich irgendwo anders mal ordentlich durchfuttern will? Wohlfahrtstouristen, nicht wahr? So isses doch und nicht anders.
Zäng … hatte ich den Topflappen am Kragen. Ich soll mich schämen, hat die Mama gesagt, mir ginge es gut, und wenn man so begünstigt ist vom Schicksal wie ich, dann müsse man umso gerner auch mal was abgegeben an Leute, die es nicht so bequem getroffen hätten.
Wie bitte? Schicksal? Gut getroffen? Habe ich was falsch verstanden? Bin ich seit Weihnachten Besitzer einer Matchboxgarage oder etwa nicht?
Jedenfalls stand am 1. Weihnachtstag der Anselmo vor der Tür. Salvatore Anselmo aus Belgien. Aus Lüttich, wenn ihr’s genau wissen wollt. Er hatte ‘nen Schlafsack dabei.
„Und was ist an dem nun herzzerreißend?“, hatte ich um Auskunft gebeten, als er in den Flur gewatschelt kam.
„Und was ist an dem nun herzzerreißend?“, hatte ich um Auskunft gebeten, als er in den Flur gewatschelt kam.
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Anselmo |
Er sei ein Igel, wurde mir gesagt. Aha. Und weiter? Er hätte den Winterschlaf verpasst. So? Und deswegen dürfe er sich jetzt bei uns Kuraufenthalt abholen? Ja, genau. Er täte sehr schwach und dünn sein und ich solle mich anstrengen, damit es ein denkwürdiger Aufenthalt für ihn werde.
Denkwürdig? Nun, damit kann ich dienen.
Hö hö.
Ich weiß nicht, ob die Mama deswegen so sauer ist. Einen Grund dazu hat sie nämlich nicht. Ich betone: Ich war es nicht, der den Anselmo eine ganze Nacht lang auf dem Balkon ausgesperrt hat. Ich war es auch nicht, der ihm Kaugummi auf die Noppen gepiekt hat. Genauso wenig habe ich ihn gefragt, ob seine Mutter eine geborene von Drahtbürste sei. Und auf gar keinen Fall habe ich ihn mit der Ikea-Allzweckzange am Mützenbommel gepackt und vor die Kamera gehalten. Er grinst doch. Ihm ging’s gut. Was sollen also die fiesen Verleumdungen gegen mich?
Es kann natürlich auch sein, dass die Mama stinkig ist wegen was ganz anderem. Mir fällt da mein Weihnachtsgeschenk ein. Ich hatte ihr nämlich zwei Fotokurse geschenkt. Dass man deswegen rote Ohren kriegt und die Schimpferei anfängt, ist mir total unverständlich. Andere Servicefrauen haben sogar nagelneue Kameras bekommen. Das habe ich selbst in machen Blogs gelesen. Von indiskreter Namensnennung möchte ich hier allerdings absehen.
Und? Haben diese Muttis sich beklagt? Oder gar das Heulen angefangen? Nein, natürlich nicht. Nur meine war angefressen und musste mit Weinbrandbohnen wieder aufgepäppelt werden. Ich hatte ihr ja damals schon zum Muttertag einen Fotokurs geschenkt. Den hatte sie auch brav besucht. Seitdem kriegt sie die Farben auf den Fotos ganz gut hin. Blau ist Blau, Gelb ist Gelb und das Gefieder von der Mia und mir sieht auch recht ordentlich aus. Doch was ist mit dem Rest? Abstände sind gar nicht ihr Ding, und den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, wann es günstig ist, auf den Auslöser zu drücken, dabei muss man ihr auch noch mal ordentlich den Marsch blasen.
Ich habe ihr also zwei Gutscheine überreicht.
Einen gegen das hier:
Und einen gegen dies:
Ist doch peinlich, so was. Wie sehen wir aus? Wie die letzten Honks. Geradewegs den Dinosauriern aus dem Schlamm gekrochen, ohne Genuss von Weiterentwicklung und Kultur. Als wäre inzwischen nichts passiert. Kein Goethe, kein Mozart, kein Rembrandt. Widerlich!
Am Heiligabend war die Mama besoffen. Sie hatte alle Alkoholpralinen auf einmal gefuttert. Ich glaube, sie fühlte sich nicht ganz wohl, war irgendwie angegriffen. Das ist aber noch lange kein Grund, meine Geschenke so grausam in den Dreck zu treten. Mit meinem Geschenk für die beiden Matschfalter hat sie’s genauso gemacht. Dabei hat sie sogar noch geschrien:
„Jetzt ist aber Schluss!“
„Jetzt ist aber Schluss!“
Ich musste mich entschuldigen und dann eine Stunde lang im Bad parken. Ein Bilderbuch und fünf Spekulatius durfte ich mitnehmen. Als ich wieder rausgedurft hatte, tat sie noch immer schäumen vor Wut.
Ich weiß nicht, was sie hat. Der Roosevelt und der Otis mögen‘s warm und feucht. Also hatte ich ihnen einen exklusiven 15-Minuten-Wellnessaufenthalt geschenkt. Darin enthalten waren Sauna, abkühlen und abrubbeln. Sagt selbst, was ist verwerflich daran? Ich hätte ihnen extra den Wasserkocher angeheizt. Dann hätte ich die beiden Pelzfliegen in ein Sieb einsteigen lassen und über den Wasserdampf gehalten. Ihr wisst schon: So ein kleines Sieb mit Haltegriff, womit man sonst die Mandarinenscheiben aus der Dose abgießt.
Was?
Wo denkt ihr hin? Selbstverständlich hätte ich den Deckel auf der kochenden Brühe gelassen. Ich wollte schließlich keine gekochten Fledermäuse haben, sondern nur leicht angedünstete. Wie gesagt, sie mögen das. Sie kriegen dann so knippelkleine Äugelein wie kurz vor der Ekstase, und die Schweißperlen rinnen ihnen lustig über die Gummiflügel in den Pelz hinein. Das mitzuerleben ist die reinste Freude. Auch das anschließende Eintunken in die Kompottschale mit kaltem Wasser gehört natürlich zum Service. Schließlich müssen sich die Poren schließen. Und das Abrubbeln mit dem Frotteewaschlappen hätte ich ebenso gern auf mich genommen. Es ist nicht so einfach, fünfzehn Minuten lang zwei fette, grölende Fledermäuse in der Waagerechten zu halten.
Trotzdem kriegte ich nur grinsendes Stirngetippe als Antwort vom Roosevelt. Der Otis hat mir zugeraunt:
„Dafür verdreht sie dir das Genick – wetten, Eierkopf?“
„Dafür verdreht sie dir das Genick – wetten, Eierkopf?“
Die Welt ist schlecht. Und undankbar. Genauso, wie es der Otis prophezeit hat, ist es dann ja auch gekommen. Mit der Mama Schlager hören müssen und Bleiklumpen interpretieren, das hat mir gerade noch gefehlt. Die Mia darf auf die Party, der Anselmo darf auf die Party, und die beiden Matschfalter haben ihr eigenes Silvestertreffen, irgendwo mit ihresgleichen vom Vampirblog „Red blood, hot blood“. Nur ich muss zu Hause bleiben. Erst die Matchboxgarage nicht gekriegt, und jetzt ‘nen einsamen, auf dem Sofa hockenden Kloß Östrogene betüddeln – na, super!
Ich bin so was von sauer, dass ich glatt vergesse, mir gute Vorsätze vorzunehmen. Habt ihr etwas, das ihr im neuen Jahr besser machen wollt? Zum Beispiel weniger naschen oder sich nicht mehr bei Tante Hildegard mit dreckigen Pfoten auf dem steingrauen Velourledersofa räkeln? In mir warten keinerlei Verbesserungswünsche, jedenfalls keine, in denen ich die Hauptrolle spiele. Es ist alles gut so, wie es ist. Ich habe diesmal nur Wünsche. Einer ist dieser hier:
Kommt gut ins neue Jahr. Auf dass es uns allen Glück, Gesundheit und Freude bringen möge.
Und der andere Wunsch, der sieht so aus:
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© Lachhaft |
Muaaaah … diese bekloppten Dachtauben. Ich könnte mich wegschmeißen vor Gerechtigkeit. Jetzt ist alles nur noch halb so schlimm. Den Rest der Feier, den schaffe ich auch noch. Irgendwie.
© Max: Papageiengeschichten