Sonntag, 12. April 2020

Frohe Ostern


Liebe Freunde und Leser,

wir wünschen euch allen frohe, sonnige und entspannte 
Ostertage.
💓

Früher, vor vielen Jahren, habe ich ja selbst den Osterhasen gegeben, habe Eier versteckt und darüber gewacht, dass die Taubenkinder nicht alles auf einmal wegrafften. Glaubt ihr nicht? Seht her. Die Kostüme liegen noch im Keller, sind aber unterm Flügel etwas eng geworden.





Viele Grüße
euer Max mit der Mia

Foto: Pixabay

Sonntag, 5. April 2020

Home-Office

Machen jetzt alle, ich auch. Das heißt, ich überlege noch, weil mir das Job-Angebot ein bisschen windig vorkommt.

Neulich kriegte ich folgende Mail:

Hi Max, 

hast Du Lust, Dir was zu verdienen? Bock auf einen 450-Euro-Job?
Wir haben so viel zu tun und könnten Deine Hilfe gebrauchen.
Wir warten.

Liebe Grüße
Pit und Luke

Beigefügt war dieses protzige Foto. Es zeigt den Firmenchef (links) mit seinem Geschäftsführer (rechts) am Firmenarbeitsplatz.



Ich ins Totmacher-Business einsteigen? Dazu noch in Schleswig-Holstein? Da musste ich gleich mal nachfragen.

Nee, hat der Luke am Telefon gesagt, ich müsste nicht zu denen umziehen:
„Gott bewahre, dann hockst du uns womöglich die ganze Zeit hier vor den Füßen rum.“
Ich müsste nur zu Hause am PC arbeiten, den Pit entlasten, weil er so viel zu tun hätte und kaum mit der Arbeit nachkäme.

Aha. Und wieso gerade ich?

Weil die andern schon eingespannt wären. Die Amy mache das Telefon und der Jack rücke mit aus zu den Kunden, den Schauplatz aufräumen. Nach seinem erfolgreich absolvierten Praktikum sei er eine prima Stütze, sehr agil im offenen Raum und als Hund hervorragend geeignet zum Abtransport des erlegten Kundengutes. Für Büroarbeit eigne er sich nicht sonderlich, er sei mehr der Outdoor-Typ. Die Amy möchte nur halbtags arbeiten und der Pit sei kurz vorm Burnout. Deshalb sei Entlastung dringend nötig.

Hmmm, mich hat das trotzdem nicht überzeugt. Was sollte ich überhaupt tun?
„Die Beschwerde- und Kondolenzabteilung übernehmen.“
Was heißt das genau?
„Die Kunden abbügeln, wenn sie meckern; ihnen ein bisschen Honig um den Mund schmieren, notfalls auf unsern Hausjuristen hinweisen, dann klappt das schon.“
Okay, aber wäre das nicht eher das klassische Feld für einen weiblichen Mitarbeiter? Ich meine wegen Schwatzhaftigkeit, Empathie, mütterlichen Gefühlen und so?
„Frag doch mal die Cora, die hilft dir bestimmt.“
Nee, hat der Luke geantwortet, er wolle einen Mann in der Firma. Weiber würden immer die Nase in alles stecken, außerdem wären sie bestens über arbeitsrechtliche Angelegenheiten informiert und kämen dauernd mit Forderungen zum Arbeitsschutz und zur Entlohnung. Fehlte noch, dass sie gewerkschaftlich organisiert wären.

Ja, das kann ich verstehen. Dumme Angestellte sind irgendwie praktischer. Bei der Gelegenheit:
„Wie heißt eigentlich die Gewerkschaft, die für euch zuständig ist?“
„PUPI.“
„Was?“
„PUPI. Prävention-Ungeziefer-Plattmacher-Interessensverband.“
Ach so. Da würde ich bestimmt nicht eintreten.
„Siehst du, Max, und genau deswegen will ich dich haben. Du bist ein Mann und genau richtig für den Job.“

Ich geb's zu: Fast hätte mich der Kerl weichgelabert. Lust hätte ich schon, schließlich kann man einen zusätzlichen Euro gut gebrauchen und der Luke zahlt ordentlich. Trotzdem: Mir kam es komisch vor, dass er ausgerechnet mich ansprach, wo er mich doch schon mehrmals über den Tisch gezogen hatte mit seinen Wucherzinsen. Manchmal glaube ich sogar, dass er mich für einen Idioten hält.
„Mensch, Max, bist du nachtragend“, hat er gestöhnt. „Ich brauche keine Lusche, ich brauche einen Mann, der nicht lange fackelt, sondern die Kunden in Schacht hält. Du bist doch Reporter, du schaffst das.“


Also gut, habe ich gesagt, dann soll mir der Luke ein paar von jenen Briefen und Mails zur Ansicht schicken, die später zu meinem Ressort gehören sollen, damit ich einen Eindruck bekäme, um was es sich handelt. Das hat er gemacht. Ich habe sie aufmerksam gelesen. Kostprobe gefällig?

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Januar dieses Jahres hatte ich Sie beauftragt, meinen Schuppen zu säubern. Ich hatte Nagerbefall. Das Problem hat sich nach Ihrem Einsatz zwar gelöst, doch seitdem fehlen mir ein Kilo Hirschfilet und zwei Kilo Rindergulasch aus der Kühltruhe im Schuppen. Außerdem ist das Beet im Vorgarten zerwühlt, viele Sträucher sind ausgebuddelt. Überall sind Hundepfoten zu sehen. Das Beet hatte ich nicht in Auftrag gegeben. Ich bitte um Klärung.

Darauf hatte der Pit geantwortet:

Sehr geehrter Kunde,

die Überprüfung des Ziergartens auf unterirdischen Schädlingsbefall gehört zu unseren Kulanzleistungen, für die wir kein Geld nehmen. Den Verlust ihres Gefrierfleisches können wir uns nicht erklären, da wir am Freitag, als wir bei Ihnen waren, unseren Fischtag hatten.


Sehr geehrte Firma Hopp & Ex,

wir hatten Silberfische im Badezimmer. Sie hatten mit einem chemischen Nebel gesprüht, der noch lange ziemlich penetrant roch. Aber unsern Kindern gefiel das, weil es sie, wie sie sagten, an Pizza al Funghi erinnerte. Nun aber wachsen hinter dem Unterschrank Pilze hervor. Da wir uns nicht auskennen in der Pilzkunde und nichts falsch machen wollen, möchten wir Sie um Nachricht bitten, ob die Pilze giftig sind oder gegessen werden können.

Zu dieser Mail fehlte leider die Antwort vom Pit. Es hätte mich sehr interessiert, wie sich die Quarknudel aus der Affäre gezogen hat. Von Pilzen versteht er ja wohl nichts, höchsten von Pilzgerichten, aber danach war ja nicht gefragt.

Der folgende Brief hat mich sehr nachdenklich gemacht. Er stammt von einer Nagerin. Auch hierbei fehlte die Antwort:

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit Ihrem Einsatz in unserer Scheune bin ich alleinerziehende Mutter von 23 Kindern. Wir leben auf dem Obsthof Müller links neben dem großen Rapsfeld. Uns fehlte es an nichts. Mein Mann war liebevoll, strebsam und verantwortungsbewusst. Er hat sich nicht geschont, um unsere Familie mit gutem Essen zu versorgen. Wie oft hatte er sich die Vorderzähne angebrochen beim Öffnen der Einweckgläser im Vorratsregal? Sie müssen nämlich wissen, dass die Bäuerin sehr gut hauswirtschaftet. Davon haben wir gelebt. Jetzt ist es sehr schwer geworden, denn vorigen Monat haben Sie meinen lieben Mann, den Vater meiner Kinder, um die Ecke gebracht, zusammen mit vier seiner Arbeitskollegen aus dem Saison-Kollektiv.

Ich stehe nun alleine da, kriege keine Witwenrente und weiß nicht, wie ich die Kleinen satt kriegen soll. Zwar stecken mir die Marder von der Tenne manchmal etwas zu und die älteren meiner Kinder gehen bei den Bibern betteln, doch das kann nicht der Weg für die Zukunft sein. Ich möchte eine Ausbildung machen. Ich möchte lernen, wie man Einweckgläser öffnet und Nudelpackungen annagt, damit ich in die Fußstapfen meines Mannes treten und meine Familie allein ernähren kann.

Auf dem Versorgungsamt hat man gesagt, dass ich mich deswegen an Sie wenden soll. Sie sind doch haftpflichtversichert. Ich bitte um unbürokratische Gewährung einer monatlichen Rente, solange ich in der Ausbildung bin. Es muss Essen gekauft werden, eine gemietete Person muss meine Kinder beaufsichtigen und die Rechnungen für 14 neue Zahnklammern sind fällig. Sie werden uns doch helfen? Ich bitte Sie inständig um Ihr Verständnis und um Ihre Verantwortung.

Dazugelegt war ein herzzerreißendes Foto. Es hat mir das Wasser in die Augen getrieben. Nächtelang konnte ich nicht schlafen.

 
Lange habe ich überlegt, was mehr zu gewichten sei, die Solidarität mit den Kunden oder die Gesundheit vom Pit. Sollte ich mich raushalten aus allem, um nicht mit den unangenehmen Begleiterscheinungen des Gewerbes in Berührung zu kommen (ich bin empfindsam!), oder war ich gefragt, den Pit zu retten? Er ist schließlich mein Freund. Noch immer bin ich fertig von der Lektüre und noch immer habe ich keine Antwort gefunden.

Natürlich labert der Luke auf mich ein, dass ich endlich zusage. Vom Pit werde ich volljejammert: Die Arbeit! Die Arbeit! Die Arbeit! Ihm täte dauernd der Kopf weg. Er wüsste nicht, wie er alles schaffen soll! Nun hätte er auch noch Magenschmerzen und Durchfall. Alles psychosomatisch bedingt, Stress, Überbelastung, Zeitdruck.
„Los, Max, tu mir den Gefallen und nimm mir die Beschwerde- und Kondolenzabteilung ab. Ich kann nicht mehr!“
Dazu drang ein schrilles Quieken an mein Ohr, dann hörte man etwas dumpf rumpeln und niemand antwortete mehr ins Telefon. Als ich die Amy anrief und fragte, was passiert sei, schickte sie mir dieses Foto:


Nö, Bauchweh und Durchfall hätte der Bursche nicht, hat die Amy gesagt. Das wüsste sie. Der Pit käme gerade vom Mittagessen (Reis, Hirschfilet und Schokopudding). Um diese Zeit würde er immer ein Nickerchen machen. Stress? Das halte sie für ein Märchen. Die Auftragslage sei zwar hervorragend, aber die Arbeit könne man gut neben dem Telefondienst bewältigen:
„Mittags mache ich immer den Dienst für den Pit mit – bis um fünf, bis er aufwacht. Dann kommen auch der Luke und der Lütte zurück. Dafür kriege ich ein paar Scheine aus dem Safe. Der Pit hat den Schlüssel dazu.“
„Und was macht er vormittags?“
„Er liest. Er hat da so Bücher vor sich mit Zahlen drin. Radieren tut er auch viel und mit Tipp-Ex kleckern. Aber ich weiß nicht, wozu. Ich kümmere mich nicht drum.“

So, so, das ist ja interessant. Ich hab's ja schon immer gewusst: Der Geschäftsführerposten ist ein Schnarchjob. Ich glaube, ich werde den Luke noch ein bisschen zappeln lassen, bevor ich ihm absage. Die Krankenschwester für den Pit spiele ich jedenfalls nicht. Das Foto werde ich aufheben. Man weiß ja nie, ob man es noch mal gebrauchen kann – als diskreten Hinweis zum Beispiel, falls mich der Luke noch mal über den Tisch ziehen sollte. Dann zeige ich das Foto vor und sage: Da! Sieh her! Das macht dein Geschäftsführer, wenn du unterwegs bist: Er schnarcht. Auf den Orkan, der dann folgen wird, freue ich mich jetzt schon.

Überhaupt: Home-Office, so'n Quatsch. Ich mache meine Miet- und Erpressungsgeschäfte immer abends am Smartphone, und das geht auch. 

Fotos: Luke, Pit, Jack und Amy: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Ratte: Pixabay

© Max: Papageiengeschichten