Um es gleich zu sagen: Ich bin stinkig. So richtig angefressen. Kommt mir bloß nicht zu nah, sonst geh ich ab wie ‘n wegpupsender Luftballon. Der dicke alte Mann im roten Bademantel hat nämlich vergessen, meine Matchboxgarage einzupacken. Die steht noch am Nordpol im Geräteschuppen, und wahrscheinlich wird sie gerade von irgendwelchen kleinen unbefugten Lappen malträtiert. Fahren mit ihren unegalen Fingern ihre Elchschlitten die Rampe hoch und runter. Ich könnte heulen. Da wünscht man sich mal was, ein einziges Mal, und dann passiert so was.
Weggesperrt |
Überhaupt der ganze Zirkus. Alle verrückt geworden. Ein Gerenne und Gelaufe. Am Vormittag hat uns die Mama im Schlafzimmer eingesperrt. Da müssen wir immer hin, wenn sie sauber macht. Wir täten ihr sonst im Weg herumhocken, tat sie behaupten. Als wir endlich wieder rausdurften, sah alles noch genauso aus wie vorher: kein Weihnachtsbaum, keine Schale mit arrangiertem Nadelgehölz, nicht mal güldene, dekorativ herumliegende Walnüsse. Halt, doch! Im Wohnzimmer am Breughel baumelte ‘ne kurze Lichterkette und am Türrahmen hingen zwei einsame rote Christbaumkugeln. Wir kennen das schon. Mehr ist nicht drin, weil die Mama meint, offenes Licht wäre nichts für leicht kokelbare Fluggeschöpfe und die Tannenzweige würden wir doch nur runterreißen und zerschreddern.
Festtagsgeduscht |
Dafür legt unsere Mama viel Wert auf die kulinarische Repräsentation. Den halben Nachmittag hat sie in der Küche gestanden. Wir haben so lange ferngesehen. Danach mussten wir noch duschen und die Krallen schneiden und um sechs ging’s dann endlich los: toll gedeckter Tisch mit weißer Tischdecke, Sternchenservietten und ‘ner Landschaft aus Glitzerpapier mit Kräuselbandhaufen.
„Sollen das die Berge von Bethlehem sein?“, hat die Mia gefragt.
Es gab Frikadellen mit Pommes ausm Gefrierbeutel und Erbsen und Wurzeln. Ehe wir allerdings anfangen konnten, musste erst noch der Vollständigkeit Genüge geleistet werden. An Festtagen versteht die Mama keinen Spaß. Da muss alles korrekt sein, bis auf die Stelle hinterm Komma. Die Mettbällchen dampften, der Apfelsaft war eingeschenkt, aber die beiden Matschfalter fehlten. Jedes Jahr das gleiche Theater. Unüberhörbar aufgestanden waren sie, das konnte jeder bezeugen. Sie hatten sich sogar zur Feier des Tages ‘ne Knoblauchzehe hinters Ohr gerieben, aber nun, als es ums Abarbeiten des harmonischen Feiertagsgemampfes ging, da taten sie kneifen.
Die Mia und die Mama sind sie suchen gegangen. Ich habe so lange aufgepasst, dass die Erbsen nicht explodiern, der Ketschup nicht abhaut oder sonst was Fieses passiert, was einem die ganze Atmosphäre verdirbt. Nach zwanzig Minuten waren sie endlich gefunden. Der Kackbraune hatte sich – wie letztes Jahr – bis zum Hals im Blumentopf eingebuddelt, und der Roosevelt lag mit ‘ner goldenen Schleife zusammengezurrt wie ‘ne Kohlroulade auf der leeren Milchpackung im gelben Sack. Was soll ‘n der Mist? Die ganze Stimmung im Eimer. Nie kann mal was klappen. Die Mama tat mich angucken mit chinesischen Augen und perfekt imitierten Nussknackerlippen.
„Wir sprechen uns noch“, tat sie säuseln.
„Wir sprechen uns noch“, tat sie säuseln.
Ja, watt denn? Bin ich der Pelzfliegen Kindermädchen?
Das Essen war dann aber doch noch ganz nett. Dem Roosevelt und dem Otis ist es sowieso egal, wie die Frikadellen aussehen, Hauptsache Brathack, und ich finde fettige Elastikpommes und kaltes Dosengemüse auch mal ganz interessant.
Nach dem Aufräumen ging’s dann aber richtig los. Tür auf zum Wohnzimmer und hin zum Gabentisch. Dass wir uns richtig verstehen: Ich will hier gar nicht erst aufdringlichem Voyeurismus Entfaltung gestatten. Was am Heiligabend in mein Eigentum übergegangen ist, geht euch nichts an, hört ihr? Nur so viel: Die Matchboxgarage war, wie gesagt, nicht dabei. Deswegen habe ich den restlichen Abend mit niemandem mehr geredet. Mir war nicht nach lärmender Fröhlichkeit. Weil die Tempotaschentücher bald alle waren, habe ich mir ‘ne Rolle Klopapier auf die Fensterbank geholt. Auf die dunkle Straße zu gucken ist auch mal ganz schön. Das macht Balsam für alles. Unterdessen haben die Matschfalter Haselnussweitwurf gespielt (immer mit Schmackes in die leere Zuckerdose hinein) … rattazäng, während die Mia sich die Krallen gelb lackieren tat mit dem Fläschchen aus ihrem neuen Nagellacksortiment. Dazu fidelte jemand Streichorchester aus dem CD-Player und die Mama war angeschickert von Mon Cherie. Doch bei der Funzelbeleuchtung von der popeligen Lichterkette tat das sowieso keiner richtig merken. Im Knofi-Mief vom Roosevelt und Otis ging das komplett unter.
Aber ich will nicht ungerecht sein. Am nächsten Morgen habe ich mir die Geschenke noch mal genauer angeschaut. Da sind echt klasse Sachen dabei. War mir am Heiligabend gar nicht aufgefallen. Da sind zunächst einmal die Fotos von den Pelzfliegen. Erst hatte ich gedacht: Was soll das denn sein? Irgendwelche Großaufnahmen? Von was denn? Vom Innenleben einer Heißmangel? Oder ist das ‘ne Makrele im Zoom? Gott sei Dank lag ‘ne Gebrauchsanweisung dabei.
„Das sind Fotos für dein Sonntagsrätsel, Eierkopf“, stand drauf.
„Das sind Fotos für dein Sonntagsrätsel, Eierkopf“, stand drauf.
Hey, suuuuuper. Das ist ja mal coole Idee: schon fertige Bilderrätsel. Da brauche ich mir die nächsten Wochen ja nichts mehr selbst zusammenzusuchen. Dann tu ich nur das Radiergummi, den Schneebesen und das Marzipanschwein einzustellen und ihr könnt sofort loslegen mit dem Raten. Hut ab. Da haben die beiden Nachtpelerinen ja mal richtig mitgedacht. Geschenke, die mir Arbeit abnehmen, gefallen mir besonders gut.
Als zweites Geschenk stelle ich euch ein Arrangement aus der fränkischen Provinz vor. Es stammt von der Grunzer-WG. Natürlich handelt es sich nur um eine kleine Auswahl, denn das Paket, das wir bekommen haben, war riesengroß. Das meiste ist allerdings für die Mama: Kompressionsstrümpfe, Zellulitecreme, ‘n Haltegriff für die Badewanne und all so was.
Nein, stopp! War doch nur Spaß.
Total viele tolle Sachen sind in dem Paket. Unsere Menschenfrau freut sich ‘n Loch ins Grinsen.
Für uns ist diese Schachtel feinster ausländischer Kakaoware bestimmt. Ein paar Federn von der Südpolregion der reizenden Bubi sind auch dabei. Ich habe sie euch fürs Foto auf die Pralinenschachtel gelegt. Guckt euch mal die obere Feder an. Fällt euch was auf? Nein? Na, dann liegt es daran, dass ihr Hunde und Katzen keine Ahnung habt von Vogelunterwäsche. Die Feder ist degeneriert! Sie viel zu blass. Das kommt davon, wenn man den ganzen Tag nur Salatgurke frisst. Das wässrige Zeug zieht dann ins Gefieder und gibt allem einen komischen Hellgrünschleier. Ich wage die Prognose, dass „Ökosexy“ keine Farbe ist, die sich in der Modebranche durchsetzen wird. Arme Bubi. Sie hätte was Bunteres verdient.
Über ein anderes Paket haben wir uns ganz besonders gefreut. Es kam nämlich von jemandem, den wir gar nicht kannten. Ja, denkt mal an, so was gibt’s auch. Der Absender heißt Tante Karin. Sie ist ein treuer Leser der ersten Stunde, schreibt sie. Sie kennt mich, aber ich wusste bisher nichts von ihr.
Das ganze Paket war vollgestapelt mit 1A-Papageienmüsli. Ich esse gern Müsli, besonders morgens, doch leider meint die Mama, einer richtigen Amazone gehört Schinkenbrot in den Fressnapf geschnibbelt oder Sülzkotelett, damit wir groß und stark werden. Ich hoffe, die Übermacht der appetitlichen Müslitüten wird sie nun eines Leckeren belehren.
Ich freue mich jedenfalls ganz dolle über diese wunderbare Überraschung. Vielen Dank, Tante Karin. Damit du siehst, dass ich es ehrlich meine, habe ich ein Bild für dich gemalt. Es ist ein Selbstporträt. Kannst du’s erkennen? Der Naturalismus liegt mir im Blut. Mit naiver Kunst hab ich’s nicht so.
Boah, Mann. Was bin ich froh, dass wir inzwischen schon den zweiten Feiertag erreicht haben. Eine angebrannte Gulaschsuppe liegt hinter mir, ein DVD-Nachmittag mit Emily Erdbeer und eine Klopperei mit den Matschfaltern. Falls ihr wissen wollt, warum und wieso, müsst ihr euch gedulden. Vielleicht kriege ich in den nächsten Tagen ja mal bessere Laune zum Berichten. Beschwert euch beim Weihnachtsmann; der hat alles vermurkst. Es könnte jetzt so schön sein.
Ach, die Sache mit Anselmo gibt’s ja auch noch … und das mit meinem Weihnachtsgeschenk für Mama. Wisst ihr was? Ich will gar keine Matchboxgarage. Ich habe nie eine gewollt. Da kommt ja doch nur Wasser rausgesprüht. In drei Stufen. Mit Farbe und vollautomatischer Schranke. Und historisches Gehupe kann man auch noch einstellen und schwarzweiß karierte Fahnen raushängen lassen. Das wäre mir alles viel zu … zu … zu … *buhu…huuu*.
Soll ich euch noch was verraten? Ist doch alles ganz egal. An Weihnachten freue ich mich, dass ich ein Dach überm Scheitel habe, dass mir keine Bomben auf den Kopf fallen oder ich vor irgendwas fliehen muss. Das macht mir ein warmes Herz, so heiß wie ‘ne Currywurst in der Mikrowelle.
© Max: Papageiengeschichten
So, und jetzt ne heiße Currywurst... Es geht doch nichts über einen kleinen Mitternachtsimbiss.
AntwortenLöschenHallo, mein lieber Max!
AntwortenLöschenDu hast ja aufregende Weihnachten gehabt und dann noch die vielen Geschenke. Das mit der Matchbox-Garage wird schon noch.
Ich kann Dich auch beruhigen. Seit Du Dich so erbost hast, daß wir den Grauen und Grünen ins Schlafzimmer schauen, machen wir das nicht mehr wir schauen nur noch tagsüber rein, ob auch ordentlich aufgeräumt ist und im Frühjahr schaun wir dann, ob wir ein Ei sehen.
Ganz liebe Grüße von Papa-Helga
Die Tante Karin scheint aber ne nette Tante zu sein. Obwohl ich darf nie was fressbares von anderen annehmen! :)
AntwortenLöschenIch hätte dir jetzt fast aus Mitleid ne Matchboxgarage geschickt...aber jetzt willst du ja keine mehr!
L.G. Diva
Hallo Du grüner Süßling,
AntwortenLöschenhast Du Dich wieder beruhigt?
Tja, so ist das mit den Wünschen, es werden nicht immer alle erfüllt :-(
Tayler hat sein neues Quitschi-Tau-Spielzeug innerhalb von 10 Minuten zerlegt, was soll ich dazu noch sagen.......
Ansonsten hatten wir tolle Weihnachten, liebe Grüße an Euch alle
Mona mit Anhang
Moin Max, das Ding mit der Matchboxgarage ist zwar in die Hose gegangen aber wirklich wichtig ist, Du erwähnst es in Deinem letzten Satz, dass wir alle ein heiles Dach über dem Kopf, Butter statt Bomben und Zweibeiner, die uns lieben, haben.
AntwortenLöschenKomm gut ins neue Jahr und auch gesund und munter wieder raus. Dein PIT
PS:
AntwortenLöschenDein selbstgemaltes Bild ist wunderschön, würde ich mir glatt aufhängen, Du würdest Dich bestimmt gut zwischen den Hundebildern machen:-)
Ansonsten versuche doch mal, das Bild zu versteigern, und für den Erlös kaufst Du Dir dann die Matchbox-Garage!
PS:Ich kann leider nicht mitbieten, ich bin pleite, zuviele Geschenke gekauft :-))))))
LG Mona
Lieber Max,
AntwortenLöschenals dicken alten Mann im roten Bademantel hat mich noch keiner bezeichnet. Erstens bin ich weder dick (diese Bezeichnung gebührt alleine dir:)) ) noch ist mein Bademantel rot.
Die versprochene Matchboxgarage konnte ich dir leider nicht schicken, weil mein Taschengeld nicht ausgereicht hatte. Hab doch heimlich auf ein tolles Parfum für die Cora gespart.
Nun ja, so schlecht bist du gar nicht weggekommen und so viele Tanten wie du hat sowieso keiner. Wie du es nur immer wieder schaffst dich einzuschleimen.
Und die Bubi sieht ökosexy allerweil noch besser aus, als du Festtagsgeduscht. Man, machst du ein bescheuertes Gesicht. =))
Nix für ungut, dein Kumpel Grunzi
Ich hatte ja gedacht, die weihnachtliche Stimmung täte weise machen, aber ich muss feststellen: Gewisse Kreaturen sind resistent.
AntwortenLöschenGrunzer, du bist 'n Blödmann. Ich gucke nicht bescheuert. Und ich bin nicht dick. X(
Und noch was: Finger weg von meinem Selbstporträt! Das ist allein für die Tante Karin reserviert. Wenn ihr andern auch so was Großartiges von mir besitzen wollt, dann schiebt Kohle rüber oder die Matchboxgarage. Dann mal ich euch was.
Habt ihr gemerkt? Es ist ganz ruhig um den Paule. Die Cora behauptet, sie hätten ihn vor Weihnachten nach Hause geholt, aber natürlich stimmt das nicht, weil der Paule beim Angus ist. Es wird seinen guten Grund haben, dass der Angus seinen Blog bis nach Neujahr dichtgemacht hat. Er braucht jetzt all seine Energie für die arme Suchtsocke. Du bist ein feiner Kerl, Angus. Mögen alle guten Kräften dir beistehen.
Und euch andern rufe ich zu: Go! Goldfischli go! Ich weiß, vielen Hunden verderben die Silvesterbräuche den Appetit. Aber wünschen kann ich es doch. Möge ordentlich Knabberzeug vom Tisch fallen.