Und das so kurz vor Weihnachten. Das
wird der Geschichtsschreibung neue Kehrtwende geben. Ratet mal, was ich entdeckt
habe?
Bei uns war
gestern Adventsbasar im Freizeitheim. Jeder durfte dort ausstellen, was er gebastelt
hatte oder nicht mehr gebrauchen konnte. Wir hatten einen Stand gemeinsam: die
Mama mit ihren selbst gedrehten Pralinen, die Mia mit Tausch von
Geo-Cache-Trophäen und ich mit meinen doppelten Matchbox-Autos. Es gab gut zu
tun, vor allem wegen Geld kassieren, denn Mamas Konfekttütchen waren die
heißesten Semmeln unter all den Strohsternen und den gestrickten Eierwärmern. Und
dann musste natürlich mit jedem Kunden stundenlang geschnattert werden, meist
übers Backrezept, aber wenn den Leuten nichts mehr einfallen wollte, dann tat’s
auch Ansprache über den Schnee und die Qualität der Hallenheizung. Mir war so,
als hätte der Weihnachtsmann mich höchst persönlich fürs Testen seiner Rentierglocken
ausgewählt. Das war ein Gebimmel und Gebammel in meinen Ohren ohne Erbarmen.
Ich bin bald abgehauen. Mal gucken, was die
andern zu verkaufen hatten. Und wie ich da herumklettre von einem Campingtisch
zum nächsten, denk ich, ich guck nicht recht. Da hatte einer Krimskrams vom
Flohmarkt aufgebaut: alte Weingläser mit Oma-Schliff und ‘ne Drahtkatze zum
Anbieten von Salzstangen, dazwischen lag so ‘n gelber Fetzen Papier mit Fransenrand,
so wie man ihn sonst nur zu sehen kriegt im Museum im Guckkasten unter Glas. Ich
habe natürlich gleich gewusst, was für ‘ne Sensation das war, ich tat mir aber
nichts anmerken lassen wegen Runterdrücken vom Kaufpreis. Mein Gesicht war eine
einzige Idiotenmine. Der Mann, dem das Papier gehörte, sollte erst mal
verraten, wo er das Ding herhatte.
„Von meinem Onkel vom Dachboden“, hat er
gemeint. „Keine Ahnung, was es damit auf sich hat."
Dann hat er erzählt, dass sein Onkel
Ägyptologe gewesen sei (das sind Menschen, die sich für vergangenen Wüstensand
interessieren), aber nur aus Hobby. Von all dem vergilbten Papierzeug wäre nur
dieser eine Zettel übrig geblieben. Darauf
täte irgendwas vom Königsfriedhof in Giseh dargestellt sein oder ‘ne andere
Gravur vom Nachbarort, keine Ahnung, er täte sich damit nicht auskennen. Wenn
ich den Zettel haben wolle, für 50 Cent wäre er meiner.
Na, ob ich da zugegriffen habe! Dieser
Schwachkopp – denkt, es würde sich um einen gewöhnlichen historischen Werbeprospekt
handeln: „Heute billig Feigen von der Oase „Anubis“, das Kilo gegen 2 Pfund
Nil-Hecht“ oder so was in der Art. Schön blöd. Jetzt gehört die Sensation mir!
Ich bin sofort nach Hause geflogen. Die Mia
hat mir dafür später den Flügel um die Ohren gehauen, weil sie und die Mama am
Abend alles allein wieder abbauen und nach Hause schleppen mussten, aber das
war mir egal. Der Zettel lag jetzt im Glasrahmen von Mamas Freischwimmerausweis
mitten auf dem Esstisch und ich saß daneben und tat mich in erster Interpretation
üben.
Die Entzifferung ist viel einfacher, als
ich gedacht hatte, zumindest der erste Teil. Ich tu euch das mal erklären, ja?
Hier unten seht ihr den Zettel.
Wie gut zu erkennen ist, geht‘s um eine
Küchenszene. Ein Kantinensklave hält einen Kochlöffel in der Hand. Er möchte
ein Hähnchengericht zubereiten. Das sieht man an der Ente, die über ihm
schweben tut. Sie soll gleich in die Suppe. Links am Rand sind die Messer aufgereiht.
Darunter, unter dem Kochlöffel, werden die Leute vorgestellt, die dann zum Frikassee
erwartet werden, und darüber, oberhalb des Kochlöffels, sind die Gewürzdöschen
beschrieben.
So weit ist alles noch ganz einfach, nicht
wahr? Jetzt aber kommt’s. Seht ihr, was da rechts unten ist? Ganz unten in der
Ecke? Richtiiiiig! Das ist eine Amazone. Schafft ihr Ermessen, was das
bedeutet? Bisher hat es doch immer geheißen, wir Amazonen wären gebürtig aus Mittel-
und Südamerika, aber jetzt taucht plötzlich einer von uns in Ägypten auf, und
das schon vor 5000 Jahren. Wie kommt er dahin? Damals gab’s doch noch keinen
internationalen Handel mit uns. Wie auch, wenn Christoph Kolumbus und seine Amerika-Entdeckung
noch gar nicht geboren waren.
Nun, wenn so etwas voll der Fragezeichen
und voller Ungeheuerlichkeit passiert und niemand da ist, der einem das
erklären tut, dann muss man selbst nach Antwort suchen. Wie gut, dass ihr mich
habt. Es ist nämlich so: Mein Vorfahre, der hier abgebildet ist, muss von Costa
Rica übers Meer geflogen sein. Vielleicht hat er auch ein Floß benutzt und hat
sich von Wasserschweinen rüberrudern lassen, oder Thunfische haben ihn gezogen,
bis er am Strand von Marokko endlich aussteigen durfte. Jedenfalls war es eine
große Leistung. Man braucht Köpfchen dazu. Und Mut. Möwen sind dafür viel zu
langsam, Geier zu eitel und Falken zu blöd.
Wie er dann nach Ägypten gekommen ist, ist
leider genauso wenig aufgemalt wie sein Name und sein Alter. Möglich ist
wiederum, dass er geflogen ist oder mitgeschunkelt auf einem Kamelrücken mit einer
Wüstenkarawane. Irgendwann war er jedenfalls da. Er hat einen wichtigen Beruf
ausgeübt, das steht schon mal fest. Denn sonst wäre er dort nicht hingemeißelt
worden, wenn er nur der Karottenschrapper vom Hilfskoch gewesen wäre.
Wahrscheinlich war er der Berater vom Chefkoch oder der Facility Manager vom
gesamten Kantinenbetrieb. Oder aber er hat sogar als Chemiker gearbeitet. Diese
Leute waren nämlich besonders geachtet, weil sie so tun konnten, als täten sie
das Essen vom König vergiften, damit wiederum die Vorkoster ihren Job machen
durften. So ging alles Hand in Hand. Wer auf Gravur landete, gehörte zur
Palastcreme – und mein Vorfahre war einer von ihnen!
Über die Details muss ich noch weiteres
Kopfzerbrechen machen. Ich werde mal vorsichtige Recherche in Historien-Foren
einholen. Zeit genug habe ich ja jetzt, denn die Mama hat mir Hausarrest gegeben,
weil ich doch gestern ohne Abmeldung abgehauen bin. Ich hoffe, jemand schenkt
ihr zu Weihnachten einen neuen Bilderrahmen, bevor sie merkt, dass da jetzt mein
Wüsten-Dokument drin hängt. Natürlich habe ich ihr nichts erzählt von meiner
Entdeckung. Sie täte es sowieso nicht verstehen. Sie hat mehr Interesse für
Pudding kochen, abspülen und Voliere putzen. Mit solchen Leuten kann man keine
geistige Unterhaltung pflegen.
Aber ihr andern – ihr verratet mich doch
nicht etwa? Ich will nicht, dass mir die Presse die Bude einrennt. Erst mal
muss ich Kontakt herstellen zur internationalen Fachwelt, dann erst tu ich an
die Öffentlichkeit gehen. Also bitte: psst über meine Entdeckung,
Stillschweigen halten.
© Max: Papageiengeschichten
Ja Max, das ist wirklich unglaublich! Man hat dich voll veräppelt. Und ich kann mir auch schon lebhaft vorstellen, wie sich zwei gewisse Herren im Kleiderschrank deiner Mama totlachen. Guck dir doch die Zeichnung noch mal genau an. Haben die alten Ägypter so krakelig gemalt? Die angebliche Ente sieht aus wie Otis und der Kochlöffel trifft gleich die Amazone. Dann gibt es mit Hackbällchen gefüllte Amazone an Wirsinggemüse!
AntwortenLöschenDas ist nicht wahr! Die beiden Pelzfliegen können das nicht gefälscht haben - in der Nachttischschublade sind keine Malstifte.
AntwortenLöschenNa Max, was sagt denn die internationale Fachwelt, zu deiner Entdeckung und hast du die Malstifte von Roosevelt und Otis schon konfisziert? =))
AntwortenLöschenSiehste, das kommt davon weil du die zwei immerzu ärgerst. Die haben dich sauber gefoppt.
Am meisten wirst du um die rausgeworfenen 50 Cent weinen du Nil-Hecht, du.:))
Ich stehe noch in Korrespondenz mit einer Privatuni am Himalaya. Ihr werdet noch sehen, wer Recht behält. Wenn man mir dann meine Doktormütze aufsetzt wegen Revolution in der Ägypten-Forschung, dann lade ich euch nicht ein zum Zugucken in der ersten Reihe. Ihr dürft dann mit dem Roosevelt und dem Otis daheim bleiben und alles am Fernseher verfolgen. Und glaubt ja nicht, ich werde euch zuwinken!
AntwortenLöschenJa was denn, betreibst du Mumienforschung oder suchst du den Yeti? In Nepal werden sie dir kaum mit dem Papyrusfetzen helfen können.
AntwortenLöschenDie historische Papyrusfetzen-Forschung ist international. An der Uni in Nepal arbeitet ein Professor vom Nil. Der ist da hingezogen, weil er die Sonnenbrände nicht mehr vertragen tat.
AntwortenLöschenIch bin allergisch gegen Fledermäuse.
Der Umzug von dem Gyros-Professor war nicht klug. Im Nepal gibt es Viel-Männerei. Da würde ich niemals hinziehen. Die Damen dürfen ganz viele Männer heiraten und die müssen dann den Haushalt machen. Die Tante Uschi wollte schon auswandern, als sie das hörte.=))
AntwortenLöschenWir haben keine Allergien, wenn du willst, verpack deine pelzigen Freunde und schick sie zu uns.
Echt? Ist das wahr? Ist das in Nepal so? Na, dann weiß ich endlich, warum immer 'ne andere Frau meine Mails beantworten tut. Ich hatte schon gedacht: "Mann, hat der aber viele Sekretärinnen."
AntwortenLöschenKann ich der Mama sagen, der Roosevelt und der Otis wären nach Rumänien ausgewandert, und ihr behaltet das Kruppzeug für immer bei euch?
Bidde-bidde.
Das hast du falsch verstanden Max. Im Nepal gibt es zu wenige Frauen. Darum haben die den Spieß umgedreht, so dass die Frauen für jede Hausarbeit genügend Männer haben. Es war bestimmt ein Sekretär wo dir gemehlt hat.
AntwortenLöschenKruppzeug? Bekommt man dann den üblen Husten? Da müsste ich mir sonst nochmal Überlegung machen.
Glaub ich nicht, dass Kerle das gemacht haben - die Mails taten nach Parfüm miefen.
AntwortenLöschenJa, von Pelzfliegen kriegt man Krupphusten. Das andere, von dem man immer in den Zeitungen liest, das ist nur Pseudo-Krupp.
Dann tuts mir leid Max, aber unter den Umständen können wir eure Pelzfliegen nicht aufnehmen. So gerne wie ich Roosevelt und Otis habe.
AntwortenLöschenVielleicht taten die Mails auch nach Männerschweiß miefen, weil die soviel arbeiten müssen....
Immer das Gleiche. Wenn's ernst wird, heißt es: "Wir nehmen kein Ungeziefer." :-L
AntwortenLöschenUngeziefer war jetzt sehr fies. Dafür darfst du morgen nicht bollern.
AntwortenLöschenAch, das war fies? Die Pelzfliegen haben mir Meerrettichcreme in den Rasierschaum getan.
AntwortenLöschen