Endlich, darauf hatte ich
gewartet. Mein Termin war da, meine Exklusivberatung bei so ‘ner Mampf-Marie,
die gesundes Vespern studiert hat.
Nicht, dass ich das nötig hätte,
ganz und gar nicht, schließlich bin ich nicht dick, aber wenn man als Hennenheld
weiterhin so erfolgreich sein will wie ich, dann muss man zusehen, dass alles
voller Geschmeidigkeit und Energie bleibt und man nicht aus Versehen was
verschenkt an Potential. Immer nur Hanteln stemmen und Enerschie-Drinks schlucken
tut ja auf die Dauer sehr einseitig sein. Heißt es nicht: „Nur wenn Vitamin und
Folsäure fröhlich pfeifend deine Kloake verlassen, dann hattest du die richtigen
Freunde zu Gast“?
Seht ihr, deshalb wollte ich
meiner Ernährung mal ganz offiziell Absegnung geben. Wir haben hier in der Nähe
eine Weiberschleuse, „Gesundheits-Center“ genannt, wo sich Hausfrauen die
Rundhüften abhopsen und anschließend in der „Relax-Launsch“ sitzen und an Rucola-Blättern
knabbern. Dort tut auch eine Professionelle arbeiten, also eine, die
wissenschaftlich genau weiß, welche Kalorie voller Aufmunterung weitergeleitet
werden darf und welche getadelt werden muss. Bei ihr macht die Gebühr nicht so
ein großes Loch in mein Taschengeld (und in die Ersparnisse vom Roosevelt und
vom Otis), daher hatte ich mich dort zur Anmeldung entschlossen; sonst wäre ich
nämlich lieber zu ‘nem richtigen Kerl gegangen, der auf Männer spezialisiert
ist, im Box-Club zum Beispiel oder bei den Bodybuildern. Aber sie war ganz nett.
Melanie hieß sie. Ihre Figur tat sich gut eignen, um meiner Mama Heulkrämpfe zu
verpassen.
Zum ersten Termin war ich nur
wegen Angucken da. Ich hatte an die Tür geklopft und war auf dem Schreibtisch
gelandet, nachdem sie „Ja, bitte“ gerufen hatte. Sie tat mich anglotzen:
„Du bist ja ein Vogel!“
„Na und?“, habe ich geantwortet. „Ist
das ‘n Problem?“
„Nein, nein“, hat sie schnell
Hinzufügung gemacht (bestimmt, damit ich nicht wieder abhaue und ihr nicht mein
Geld durch die Lappen geht). Sie täte sich nur noch mal rasch in die Materie
einlesen müssen, ich wäre der erste Vogel seit ihrem Examen. Dann ist sie
aufgestanden und hat Zettel aus einem Karton gekramt. Die soll ich mit nach
Hause nehmen, ausfüllen und zum nächsten Termin wieder mitbringen. Das war
alles. Ich bin dann noch kurz unten in der Halle beim Weiber-Imbiss
vorbeigeflogen. Ob sie Currywurst hätten, habe ich den Saftpanscher hinter der
Theke gefragt. Nein? Na, macht nichts, dann täte ich eben zur Pommesbude gehen.
Bei einer Frau mit Ringelwolle um die Waden und Bademantel in Schweinerosa habe
ich freundliche Erkundigung eingeholt, wie rasch denn die Joghurt-Pampe, die
sie da löffeln würde, wirken täte. Nicht so flott, was? Aber sie soll sich
nicht grämen, Buddha und Pavarotti wären schließlich auch dick gewesen und
trotzdem berühmt geworden.
Daheim habe ich die Zettel auf
dem Esstisch ausgebreitet. Was die alles wissen wollten! Gewicht ging ja noch.
Das weiß ich von meiner letzten U-10-Untersuchung. Da hatten sie mich in einen
Eimer gesteckt und auf die Waage gestellt. 588 Gramm tu ich wiegen. Das ist
absolute Spitzenqualität, weil ich groß bin. Jawohl. 40 cm, gemessen vom Schwanz
bis zum Scheitel. Okay, da muss man noch ‘n bisschen was abziehen, weil, wenn
ich stehe, die Beine ja kürzer sind als der Schwanz – aber nicht viel! Ganz
genau kann man das sowieso nicht messen, denn dazu müsste ich mich an so ‘ne
Strichlatte an die Wand stellen. Doch das geht nicht – da ist der Schwanz im Weg. Entweder müsste ich
ihn hochklappen, um den Hintern an die Wand zu drücken, aber dann würde mein
Kopf nach vorne abstehen, oder ich hätte den Schwanz vorne zwischen die Beine
geklemmt und der Hintern täte passen, aber dann wäre der Rücken krumm. So hat
mich die Mama einfach mal flach auf den Tisch gelegt und das Messband angehalten.
Seitdem bin ich eben 40 cm groß – basta.
Ich vorm Messen |
Ha! Ob ich Alkohol trinken würde, stand da noch. Bin ich der Coco? Und ob es Krankheit in der Familie gäbe, Diabetes oder Jodmangel. Da habe ich hingeschrieben: „Die Mia, meine Mitbewohnerin, tut zu viel Gelee-Bananen naschen, und unserer Mama (Menschenfrau) schwillt der Hals an und glubschen die Augäpfel raus, wenn sie mich zusammenbrüllt.“ Ich tröpfel ihr manchmal heimlich Jod aus dem Medizinfläschchen in die Gulaschsuppe, damit es besser wird, aber hingeschrieben habe ich es natürlich nicht, dort ins Formular, wegen Privatsphäre. Meine Behandlung ist schließlich noch in der Beta-Version, und nicht dass ich später meinen Nobel-Preis mit jemanden teilen muss.
Oder wie es stehe mit Unverträglichkeit
und Allergie. – Ja, hier! Gegen alles Rotobst, gegen Spinat, Lebertran und
Karottensaft. Dann kam der wichtigste Teil: das Mampf-Protokoll. Dazu muss man
eine Woche lang aufschreiben, was man sich in den Schnabel schiebt. Man darf
nichts weglassen, nicht mal den Hustenbonbon zwischendurch. Ich habe sieben
Blätter aus Mamas Taschenkalender gerissen und einen Stift daneben gelegt. Am
nächsten Morgen ging’s los.
Nun, ich will euch keine Langeweile
bereiten mit dem Kopieren der ganzen Liste; ich gebe euch hier nur Ausschnitt
wieder, nämlich den ersten Tag; das tut reichen für einen Eindruck. Ich habe Folgendes
gegessen:
2 Scheiben Toastbrot mit Butter
und Nutella
3 Spekulatius
3 Dominosteine
1/4 Apfel á 50 g
1 Würstchen
3 Esslöffel Kartoffelsalat (mit
Creme fraiche, Erbsen und Majo)
1 Klecks Ketchup
1 Schälchen Vanillepudding
(selbst gekocht)
17 Salzstangen
8 große Paprikachips
14 „Würmer“ (Erdnussflips)
5 Fischli
1 Scheibe Toast (Vollkorn) mit
Quark (40 % Fett)
1 Brathering aus dem Glas
1 Mon Cherie
3 Marzipankartoffeln
Zu trinken:
5 Becher Kakao (Pulver)
1 Glas O-Saft
2 Gläser Cola light
Als die Woche um war, bin ich mit
den sieben Zetteln und den andern Formularen zurück zum Korpulenzzentrum
geflogen und habe sie bei der Mampf-Beraterin in den Briefkasten gesteckt. Danach
musste ich noch ein paar Tage warten, bis sie alles ausgewertet hatte. Am vorigen
Donnerstag saß ich wieder bei ihr auf dem Schreibtisch. Sie tat ernst gucken.
Ich hatte schon Schreck, dass sie mich nun zwingen täte, als Vorzeigemodell für
vorbildliche Ernährung mit auf Seminar zu gehen. Doch sie hat nur geseufzt und „Tja
...“ gesagt. Dann ging das Gesäusel los:
„Mein lieber Max ...“
Wenn Weiber schon so anfangen,
braucht man seine Gehirnzellen gar nicht erst zum Apell antreten zu lassen,
dann stellt man seine Ohren am besten gleich auf Orkan.
„Weißt du denn, was Amazonen so
essen?“, hat sie wissen wollen.
„Natürlich“, habe ich
geantwortet. „Steht doch alles auf meinen Zetteln drauf.“
Nein, das täte so nicht ganz stimmen,
machte sie Behauptung, bei meinen Verwandten in Costa Rica oder wo genau ich
herstamme wäre es ein klein wenig anders.
„So?“
Was geht mich der Futterplan
meiner Cousins und Cousinen im Dschungel von Nicaragua an? Ich tu sie ja noch
nicht mal kennen.
„Sie ernähren sich von frischem
Obst, pflücken Bohnensamen von den Sträuchern und trinken sauberes, klares
Wasser.“
Ihre Stimme hatte was von Tadel
und Triumpf. Den Tonfall kenn ich von meinen Weibern daheim, besonders wenn
Kopfschütteln oder Zungenschnalzen dabei ist.
„Na und? Öko-Freaks gibt’s überall.“
Sollte ich der Tante jetzt vom
Grunzer und seinen Bio-Karotten erzählen?
„Fällt dir nichts auf, Max?“, tat
die Melanie irgendwann wissen wollen, nachdem ich ihr mit Schweigen und
verschränkten Flügeln lange Trutzwall gegeben hatte.
„Nö.“
Da hat sie wieder Seufzen
vorgeführt und angefangen, von Calcium zu erzählen, von Riboflavin und von
Kohlenhydraten. Dass ich von dem Einen
zu wenig hätte, vom andern zu viel und überhaupt alles ganz traurig und schlimm
wäre.
„Du futterst zu fett, zu
einseitig, zu viel!“
Kann gar nicht sein. Die „Würmer“
sind aus gesunder Freilandhaltung, ein kalorienarmer Apfelschnitz war ja auch
dabei, und wenn ich die Chipstüten beiseite lege, ist immer noch was übrig für
morgen.
„Du musst besser aufpassen, was
du isst, Max.“
Meinte sie wirklich mich? Ich tat
mich vorsichtshalber umgucken, ob sie nicht etwa einen andern Patienten neben
der Tür vergessen hatte.
„Von den Süßigkeiten und dem
Knabberkram darfst du nur einmal in der Woche was essen; Ketchup und Mayo sind
tabu, Cola auch. Stattdessen: gekochter Broccoli, Salat, Birne, Mango, Papaya,
ab und zu ein Löffelchen Magerquark und viiiiiiel Wasser zum Nachspülen.“
Mich taten nun endgültig Zweifel
bedrängen, dass die Lady Ahnung hatte von Papageien-Bedarf. Ich wolle ja nicht
neugierig erscheinen, habe ich deshalb voller Verständnis gesagt, aber mich
täte schon sehr interessieren, über welche Vögel sie Ausbildung gemacht habe.
Über Finken und Kolibris vielleicht? Das täte nämlich eher hinkommen. Sie könne
es ruhig zugeben, denn das ergäbe wenigstens Sinn von den popeligen Portionen
her und von der grässlichen Zusammensetzung.
Sie aber hat nur weiter stur
geglotzt und zwischendurch wieder Seufzerei ausgestoßen. Schließlich hat sie
unter den Schreibtisch gegriffen und ein großes Blatt auf die Ablage gelegt. Ob
ich erkennen täte, wer darauf abgebildet sei, hat sie wissen wollen. – Natürlich,
das links auf dem Bild, das war ich. Ich hatte ihr das Foto ja selbst mit
reingelegt in den Umschlag, weil es so in den Forderungen auf dem Formular
gestanden hatte.
„Schön, und wer ist der andere
Vogel rechts daneben, Max?“
Hm ... trotz genauer Untersuchung
tat mich der Kerl absolut nicht tangieren.
„Tut mir Leid – wir kennen uns
nicht.“
„Ach hör doch auf – das bist auch
du! Guck genau hin. So wirst du mal aussehen, wenn du weiter so unvernünftig
futterst wie jetzt. Das ist eine Computersimulation, ein Zukunftsbild.“
Tatsächlich, der Wampenheini war ich. Ha! Ich mit dickem Bauch. Ulkig.
Vorher - nachher |
Tatsächlich, der Wampenheini war ich. Ha! Ich mit dickem Bauch. Ulkig.
„Toll, kann ich das Bild behalten?“,
habe ich gefragt.
Mir war, als wäre die
Mampf-Gutachterin ein wenig in sich zusammengesunken, aber das kann auch
getäuscht haben. Jedenfalls hat sie mir das Bild in eine Tüte getan,
zusammen mit allerhand andern Blättern, wo Tabellen drauf waren und Menü-Tipps,
und hat mir zum Abschied den Fuß geschüttelt. Es ging alles ein bisschen
plötzlich. Aber ich hatte sowieso keine Fragen mehr. Unten im Hof stand gerade
ein Müllcontainer offen. Das passte gut, denn so konnte ich mein Bild aus dem
Kuvert nehmen und dem Rest gleich umweltgerechte Entsorgung geben.
Im Nachhinein frage ich mich, ob
sich das viele Geld gelohnt hat. Ich meine, was habe ich erreicht? Ich bin bei
einer Expertin für Kolibri-Diät gelandet. Andererseits habe ich ein klasse
Fantasie-Foto von mir bekommen. Aber steht das in gutem Verhältnis? Ach, egal. Ich
werde der Tante zu Weihnachten eine Tüte Backpflaumen ... nein, besser noch
Nougatringe ... ja, genau, Nougatringe ... schicken und eine Karte dazuschreiben:
„Genießen Sie mal Entspannung.“
Bei vielen Leuten nämlich tun zu
viel Ballaststoffe verkrampfen. Die Menschen werden dann humorlos.
©
Max: Papageiengeschichten
Hallo Max,
AntwortenLöschenoh oh, ich fürchte du bis einer Scharlatanin aufgesessen. Diese Melanie hat dich nicht richtig beraten. Ich vermisse dass sie dir das Rotobst nahe ans Herz gelegt hat.
Besonders empfehlenswert wären da die Liebesäpfel.
Grübel grübel, ob ich da Cora mal einen schicke? ;)
Mit dem Phantasiebild bist du doppelt gestraft. Nicht nur durch den dicken Bauch schaust du doof aus, nein, auch noch einen etwas dümmlichen Gesichtsausdruck hast du da.=))
Nix für ungut, dein Grunzer
Siehst du, Grunzer, du findest auch, dass die Futter-Melanie keine Ahnung hatte. Du bist ein richtiger Freund. Die Cora sagt immer, ich täte selbst schuld sein, wenn ich dämlich bin und die andern schlau, nur würde ich das nicht merken.
AntwortenLöschenAch, was weiß die denn! Die kennt ja noch nicht mal scharfen Löwensenf.