Sonntag, 21. März 2021

Wir sind furchtlos und brauchen das Geld (Teil 2)

Als wir uns zum zweiten Durchgang anstellen mussten, war es wenigstens schon taghell in Wohnzimmer. Deswegen hat einem auch keine grelle Lampe mehr ins Gesicht geschienen, als die Kosmetiktante unsere Federn beziehungsweise unser Fell stumpf puderte, und dass beim Knipsen vor der Leinwand nicht ständig ein Blitzlichtgewitter losprasselte, sondern jetzt ohne Blitz fotografiert wurde (bei Scheinwerferlicht natürlich), empfand ich als sehr angenehm. Trotzdem wurden wir herumgescheucht wie Sklaven: Guck nach oben! Den Kopf ein Stück nach rechts! Nach links! Geradeaus! Augen nicht so starr! Weicher! Noch weicher!  Mund zu! Mund auf! Läääächeln!

Kameras mögen grün

 
Ständig musste man sich bewegen, neue Positionen einnehmen und immer neu dabei schauen. Das war ein elendes Gehampele und Grimassenschneiden. Bei Profifotos knipst man ja tausend Stück nahtlos hintereinander, gewissermaßen auf gut Glück, in der Hoffnung, dass hinterher ein paar brauchbare Aufnahmen dabei sind. Irgendwann wusste ich gar nicht mehr, wie ich noch gucken sollte. Ganz anders die Mia: Die hat sich da verrenkt, als ginge es um ein Aerobic-Video, oder sagen wir besser um eine Mischung aus Aerobic und Schlafzimmerfotos. Dauernd ist sie mit ihrem Hintern auf dem Schemel herumgerutscht. Sogar die Beine hat sie in die Luft geworfen und einen Schmollmund gemacht mit ihrem Schnabel. Der Fotograf war wohl Kummer gewöhnt, denn er hat die Mia nicht darauf hingewiesen, dass sie nur einen braunen Cordhut präsentieren soll, sondern er hat sie über den grünen Klee gelobt, wie toll sie das mache, und jaaa, weiter so, sie sei echt talentiert. Darüber war sie sie so begeistert, dass sie ganz vergaß, sich  - wie beim ersten Durchgang - über die Hutauswahl zu beschweren. Noch eineinhalb Stunden vorher war sie nämlich der Meinung gewesen, dass der Hut ihr nicht stehe und dass die andern viel besser dabei wegkämen. Jetzt lautete ihr Credo:
„Ein echtes Model kann alles tragen.“

Andere haben sich von den Kommandos überhaupt nicht beeindrucken lassen. Der Pit zum Beispiel. Der hat immer nur seine beiden Gesichtsausdrücke hintereinander abgespult, egal wie sehr der Fotograf gelockt und motiviert hat. Ansonsten saß er stocksteif auf dem Schemel und bewegte sich keinen Zentimeter. Das Gleiche hat der Karlsson gemacht, allerdings in der entgegengesetzten Richtung. Während der Pit absolut nicht zum Lächeln zu bewegen war, hat er konstant die Zunge raushängen lassen und gestrahlt, gestrahlt, gestrahlt. Irgendwann hat der Fotograf aufgegeben und ist selbst mit der Kamera um den Karlsson herumgelaufen, statt ihn zu neuen Posen aufzufordern.

Die meisten von uns haben es aber ganz gut hingekriegt, das rechte Maß von Bewegung und Stillhalten. Auch so branchenfremde Leute wie die Polly haben brav gelächelt, wenn sie darum gebeten wurden.
„Macht's Spaß?“, hat sich die Cora fürsorglich erkundigt, da Pollys Interessen ja sonst etwas anders gelagert sind.
„Ist ganz interessant“, kam als gelangweilte Antwort.

Soeben hatte man ihr weißes Krümelzeugs auf die Schnauze geklebt, damit es aussah wie Schneeflocken, dazu noch Wetgel, um das winterliche Feeling komplett zu machen, so als hätte sie mit der Schnauze im Schnee gebuddelt. Mal gerade, dass die Polly nicht nach der Hand der Kosmetikerin geschnappt hat, so sauer hat sie dreingeschaut. Ich dagegen hätte gern mit ihr getauscht, denn auch für die zweite Runde bekam ich das stinkende Puder ins Gesicht gepuschelt. Das hat vielleicht in der Nase gekitzelt, nicht zum Aushalten! Und dann hat mich die Cora angemacht, ich soll in die Flügelbeuge niesen wegen der AHA-Regel, die blöde Henne. Sie selbst ist die ganze Zeit um den Fotografen herumgeschwänzelt, obwohl sie noch gar nicht dran war. Sie hat sich alles abgeguckt, was er machte. Stand da mit rausgestrecktem Hintern und den Flügeln auf dem Rücken und hat geglotzt. Bestimmt dachte sie, dass sie daheim mit diesem ungefragten Praktikum eine ebenso gute Fotografin werden könne.

Dabei hat sie ihren Einsatz verpasst. Denn als es hieß, sie soll vor die Leinwand kommen und sich auf den Schemel stellen, war ihr Hut weg. Genau genommen war es eine Krone gewesen, so ähnlich wie die von der Amy beim ersten Mal. Sie hatte auf dem Ständer neben der Couch gehangen. Die Cora war sehr stolz gewesen, dass man sie für dieses edle Teil ausgewählt hatte (und nicht die Polly, die Amy oder die Mia). Alles war jetzt am Suchen. Ein irrsinnig hektischer Trubel war von Null auf jetzt losgebrochen. Keine Zeit! Keine Zeit! Es musste weitergehen. Herrgott, wo war diese dämliche Krone? Der Fotograf schnauzte jetzt jeden an: Was für 'n Saftladen! Disziplin! Disziplin! Disziplin! Schließlich holte jemand eine flache Mütze aus dem Requisitenkoffer und warf sie wie eine Frisbee-Scheibe quer durchs Wohnzimmer. Sie landete direkt vor dem Schemel. Ohne Umschweife wurde sie der Cora auf dem Kopf gesetzt. Ich finde, in Anbetracht ihrer Enttäuschung ist Coras Modelfoto doch noch ganz hübsch geworden. Die Krone fand sich übrigens später im Vorgarten hinter der Hecke wieder. Keine Ahnung, wer sie dort hingebracht hatte. Derjenige muss aber einen verantwortungsvollen Sinn für die AHA-Regel haben, denn es heißt doch + L, nicht wahr? L steht für Lüften und gelüftet war die Krone jetzt ausreichend, ha ha ha.

 


Zwischendurch, wenn sie gerade nicht an der Reihe waren, haben der Luke und die Amy die Kaffeetassen abgeräumt und die leeren Brötchenteller in die Küche getragen. Im gleichen Zug kam der Pit mit dem Servierwagen angerollt und brachte Nachschub. Jetzt ging es um einen Vormittagsimbiss mit kalten Würstchen, Käsebroten, Paprikastreifen und frischem Orangensaft. Man konnte dem Luke ansehen, dass er mit dieser Bewirtung nicht ganz einverstanden war. Ihn quälten Bedenken, dass wir später nach Abzug der Crew nicht genug Zeit haben würden, um alles picobello aufzuräumen, bevor Tante Susanne und Lisa von der Arbeit zurück wären. Doch der Pit meinte nur, keine Bange, das kriegten wir schon hin. Außerdem hatte er den kleinen Jack in die Küche gestellt. Er musste das Geschirr in die Spülmaschine sortieren und anschließend wieder ausräumen. Als ich mal gucken ging, was der Pit noch so an Fressalien vorrätig hielt (keine Trüffel?), hat der Lütte zu mir gesagt:
„Nächstes Mal komme ich mit auf die Reise; das habe ich mir verdient.“

Rasch habe ich die Küchentür zugeknallt und mir mit der Kralle die Ohren ausgeputzt. Schlechtes Ohrkino wird man so schlecht los. Leider konnte ich weder die Polly noch die Cora oder die Mia oder den Karlsson dazu bewegen, Jacks Küchenjob zu übernehmen, um blödsinnigen Ansprüchen von Anfang an die Basis zu entziehen. Auch der Pit zeigte sich uneinsichtig:
„Lass den Lütten in Ruh. Wir haben lange mit ihm gearbeitet. Er hört jetzt gut.“

Na, prima, ich hatte getan, was in meiner Macht stand. Und die Mia hatte noch immer nicht verraten, wie viel Geld  uns das Shooting einbringen würde. Wir sollten ihr vertrauen, hieß es, und schön weitermodeln. Das haben wir gemacht – im dritten Durchgang. Davon mehr im nächsten Post.

Fotos: 
           Cora: © G. H. 
           Pit, Luke, Jack und Amy: © Club der glücklichen Vierbeiner
           Karlsson und Polly: © Terrierhausen 
           
           Kamera: Pixabay
           ALLE Kopfbedeckungen: AlLes: Pixabay

© Max: Papageiengeschichten

6 Kommentare :

  1. Ich werde alt. Mein Vermächtnis RADIKALE TIERBEFREIUNGEN muss ja an die Jugend weitergegeben werden. Ist der Lütte lernfähig? Fragt sich Dr. Karl Sonne

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    1. Lernfähig? Du fragst ob ich lernfähig bin? Ich bin ein VIP Mitarbeiter. Ohne mich geht garnichts mehr in unserer Firma. Und ausserdem bin ich gestern schon sieben Jahre alt geworden, also nenn mich nicht Lütter.
      Jack

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    2. Mein lieber Karlsson, was bist du eigentlich für ein Doktor? Dr. mett, Dr. fill oder nur so einer, den man ehernhalber damit bedacht hat? Nee, halt, ich hab's: Dr. tierbef, stimmt's?

      Der Lütte kommt aber trotzdem nicht mit. Wenn ihm wieder der Magen dreht im Flugzeug, nutzt die Lernfähigkeit auch nichts.

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  2. Oh, du bist schon sieben, Jack? Na, da gratuliere ich herrlich ... äh ... herzlich. Weißt du eigentlich, dass VIP-Mitarbeiter nicht im Flugzeug reisen? Sie sind zu Hause unabkömmlich, daher bleiben sie dort auch.

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  3. Ich werde Doktor genannt, weil ich alt und sehr weise bin. Mein Papa nennt mich "Karlsson" oder "Der Doktor" oder "Doktor Karl". Den Namen "Karl Sonne" hatte meine Trainerin erfunden, sie dachte, sie könnte so über mich reden ohne dass ich das merke. Habe ich natürlich durchschaut. Beste Grüße vom Doktor :-)

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    1. Ach so ist das. Da bin ich jetzt aber neidisch. Ich werde zu Hause "Dicker" genannt.

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