Sonntag, 8. Juli 2018

Ich werde Vater

Ich hoffe, ihr wisst, wie Küken aussehen.


Ja, so ähnlich. Denkt euch bei uns Amazonen das Gelbe weg. Wir sind am Schnabel eher unauffällig gefärbt (und krumm), aber sonst kommt das hin mit dem nackigen Rosa und dem impertinenten Aufgereiße.



Wenn die Gören dann älter sind und der erste Flaum durchbricht, hat sich, wie man sieht, an der Bettelei noch immer nichts geändert. Wenn sie in den Kindergarten kommen, wollen sie ein Smartphone haben und eine Brottasche von Adidas. Mit 12 ist das Konzert von irgendeinem Jungadler mit Gelfrisur und hängender Löcherjeans dran und mit 14 die Klassenfahrt auf die Galapagos-Inseln. Darauf soll ich mich freuen?


Schaut mich an, so jung und frisch wie meine unverdorbenen Gesichtszüge strahlen. Vorzeitiges Altern habe ich nicht verdient.

Auch die Putze hat sehr geschimpft, als sie davon erfuhr. Was mir einfallen täte, hat sie geschrien, und ob ich nicht ganz dicht wäre. Von Verantwortung war die Rede und von Dämlichkeit, dabei hatte ich noch gar nicht verraten, ob ich das Amt überhaupt annehme. Außerdem war die Mia schon vor vielen Jahren schwanger, als sie noch gaaaanz jung war, und da hatte es nicht so ein Theater gegeben. Okay, später hatte sich herausgestellt, dass alles nur falscher Alarm war, dass die Mia gar keine Eier im Bauch hatte, sondern nur Verstopfung von zusammengeklumptem Fondue von einer Party damals bei Cora und Coco. Das war mit allgemeiner Erleichterung aufgenommen worden, und seitdem ist die Mia ja auch nicht wieder schwanger gewesen. Kein Grund, jetzt so auf mich loszugehen.

Alles hat angefangen mit dieser Ansichtskarte hier:


Sie lag vorgestern auf der Kackmatte vor der Voliere. „Für dich“, hat die Mia gesagt.

Hm, wer die mir wohl schickt? Ich meine, den Bildern nach zu urteilen, handelte es sich um ein fideles Angebot, sogar mit beleuchtetem Nachtleben und so. Vielleicht war die Karte von der Polly, die dort ein Seminar besuchte: „Führungskräfte im Spannungsverhältnis zwischen Kultur und plattem Land“, und hinten auf der Karte würde Schadenfreude stehen, dass ich dort sowieso nicht zugelassen wäre (wegen fehlender Kompetenz) und eh nicht kapieren täte, um was es ginge.

Oder die Karte  war vom Pit, unserem aufstrebenden Geschäftsführer mit der vielen Kohle neuerdings. Wollte sich mal Erholung gönnen und vom Segelschiff herumschippern lassen. Zuzutrauen wär's dem Streifenkotelett. Oder? Nee, wahrscheinlich doch nicht, denn dann würde er Ärger kriegen, weil er uns nicht mitgenommen hätte. So viele Reisen bei uns mitgefahren, bei uns mitgefuttert und mitgewohnt und dann nicht Bescheid sagen, sondern allein losziehen – nä, das würde er nicht überleben.

Wer käme dann in Frage? Die Amy? Ach, die traut sich nicht mal allein in den Keller, wie sollte die allein verreisen? Vielleicht hatte die Polly sie wieder eingeladen? Och, bestimmt nicht – bei einem Bildungsurlaub? Was sollte die Amy dort tun? Das Wasserglas reichen? Den Saal mückenfrei halten? Mit dem Schwanz Luft zuwedeln? Also blieb nur der Paule übrig, denn der Jack und der Engelbert sind noch zu klein, um allein weg zu dürfen.

So, der Paule hatte mir die Karte geschrieben. Wahrscheinlich steckte wieder eine amouröse Ursache dahinter oder eine andere Schweinerei namens Lolita oder Susi. Nach Knallbirnenheim sah das Angebot auf der Vorderseite jedenfalls nicht aus. Außerdem hat der Paule mir noch nie aus seinen Kuraufenthalten geschrieben, außer einmal, als er eine Feile und ein Brecheisen wollte, aber das war per Mail gewesen. Was trieb der Kerl bloß dort im Hafen und vor der angestrahlten Architektur?

Wisst ihr, ich rate immer gern, bevor ich eine Karte umdrehe und lese, vom wem sie ist, ob ich richtig liege mit meiner Vermutung. Meistens liege ich richtig – diesmal nicht.

Die Karte war nämlich nicht vom Paule, sondern von meiner lieben Tibi. An die hatte ich gar nicht gedacht, weil die Tibi viel zu gut ist, als sich darüber zu freuen, dass man zu Hause bleiben muss. Die würde mir aus diesem Grund nie eine Ansichtskarte schicken.


So leid es mir tut, dies sagen zu müssen, aber diesmal muss ich meine hohe Meinung revidieren. Die Tibi hat es faustdick hinter den Schlappohren. Erst schreibt sie harmlos von dies und das, wie schön Holland wäre und wie es ihrem Frauchen geht, und dann, so ganz nebenbei im letzten Satz bringt sie einem die fetteste Schererei ins Leben. Habt ihr's gesehen? Storchennest! Es wäre nicht weit entfernt! Ich sollte mal vorbeikommen! Sie besuchen!

Ha! Das ist ja geradezu hinterhältig ausgedrückt für: „Max, fliegt mal hin und hol deine Gören ab.“ Was hat sich die Tibi da einzumischen? Und wird einem die Ware nicht eigentlich nach Hause geliefert? Wozu sind Störche schließlich da? Hätte die Tibi da nicht so offenherzig herumgeschwatzt, dort in ihrem Urlaubsholland, sondern einfach die Klappe gehalten, dass sie mich kennt, wäre der Auftrag doch gar nicht erst zustande gekommen. Jetzt habe ich den Salat. Aber nicht mit mir, das sage ich euch! Den Auftrag nehme ich nicht an. Ich storniere die Ware, rühre mich einfach nicht, flieg da nicht hin. So fies, dass die mir ein Inkasso-Unternehmen hinterherschicken und mich zur Entgegennahme der Sendung zwingen, das wird ja wohl nicht passieren, oder?


Mann, bin ich angefressen. Erst den großen Schock gekriegt, dass mein schönes Leben nun zu Ende wäre, und dann auch noch angeschnauzt worden von der Putze. Die Mia grinst sich einen ab. Und das alles wegen der Tibi. Da kann auch ihr trockenes Schlabberbussi nichts mehr rausreißen. Ich bin schwer enttäuscht.


Und DU, unverschämter Kerl, kannst weiter deine Futterklappe aufreißen, ich tu da nichts rein. Ich bin nicht dein Vater. Mein Taschengeld gehört allein mir. Lass dich einem Fasan unterjubeln. Vielleicht findet sich ja einer, der die Sache nicht durchschaut. 

© Max: Papageiengeschichten

Fotos: Nest 1, Nest 2, Nest 3, Nest 4: Pixabay

5 Kommentare :

  1. Ohhhh Max,
    ich wollte gerade alle meine Knochen für ne halbe Babyausstattung ...ähhhh Kükenausstattung raus legen...doch dann hab ich weiter gelesen...

    ich grübelte nun, warum die Putze mit dir meckerte...und Predigten hielt.
    Dabei hab ich doch den Störchen nur ne Frage gestellt: „ Wie lange fliegst ihr bis zu dir?“
    Und dann fragten sie was du für ein „ Vogel“ bist?
    Das klang ein wenig von oben herab..(ok sie saßen ja ganz weit oben auf einen Schornstein.).. Na das konnte ich nicht auf dich sitzen lassen. So hab ich ein bisschen angegeben..so wie ...weltgereister toller Typ.
    Du kannst dir gar nicht vorstellen wie die geschaut haben...Augen so groß wie Mandarinen ach was sage ich, wie Apfelsinen.
    Sie wollten unbedingt von deinen Reisen erfahren, ihren Laptop gibt es nicht mehr, der ist aus dem Nest gefallen und war nun hin....deshalb konnten sie ja nicht bei dir im Blog von deinen Reisen lesen ...
    ALSO...hatten sie dich eingeladen...
    Ja und diese Einladung hatte ich dir auf meiner Karte weiter gegeben...
    So und was hat das nun mit diesen nackten Schnabel aufreißenden kleinen Vielfraßen zu tun? Und wer hat nun Grund enttäuscht zu sein?
    Wuff Tibi , die jetzt ganz traurig schaut...
    PS... deine Putze muss echt was bei dir rüber rücken, als Entschuldigung für Ihre doofen Verdächtigungen... und zwar so, dass der Mia das Grinsen vergeht.

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    1. Ach so. So war das. Und du hast echt gesagt, ich wäre ein weitgereister toller Typ, Tibi?

      Da fällt mir ein Stein vom Herzen, das kannste wohl glauben, schließlich weiß man, welches Business Störche betreiben. Als ich deine Karte der Mia vorgelesen hatte, meinte sie nur „Au-au-au“ und guckte ganz ernst. Dann hat sie noch gesagt: „Das wird Ärger geben bei der Mama“. Warum, hatte ich zwar nicht verstanden, weil, wie gesagt, Leute einem nicht unaufgefordert was schicken dürfen, aber als sie dann tatsächlich sehr mit mir geschimpft hatte, war ich wenigstens nicht mehr überrascht. Seitdem war die Mia nur noch am Grinsen. Ich habe sie bis in die Nacht nebenan am Handy kichern hören. Wahrscheinlich hatte sie die Cora dran. Mir ist unterdessen ganz anders geworden, als ich da so allein saß auf der Stange in der Voliere mit all den Gedanken, die einem so kommen, wenn man Vater wird: Gleich morgen gehe ich zur Verbraucherzentrale und frage, wie ich das Ganze ablehnen kann. Aber wo bringe ich die Gören unter, wenn das nicht klappt mit der verweigerten Warenannahme? Und muss ich denen dann Brei geben? Oder abends was vorsingen? Und ihnen vielleicht sogar den Po abputzen?

      Du musst zugeben, dass du mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt hast, Tibi. Zwar weiß ich jetzt, dass du es nur gut gemeint hattest, aber das konnte ich doch nicht wissen. Heutzutage muss man sehr aufpassen, dass man sich nicht irgendein Abonnement oder einen anderen Kaufvertrag einhandelt. Um ein Haar wäre meine ganze Zukunft ruiniert gewesen.

      Trotzdem danke für deine Karte. Jetzt, wo ich weiß, wie es wirklich war, kann ich sie erst richtig genießen.

      Dein Max

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    2. Also Max,
      diese Störchen bringen dir nix außer vielleicht einen Frosch als Gastgeschenk...wenn sie dann kommen, um dich tollen weitgereisten Typen zu besuchen.
      Und nun kommt es .
      Alleinstehenden Herren bringen die auch keine „Babys“ !
      Weil die Herren genetisch bedingt ganz nicht wissen, wie sie mit diesen umzugehen haben.

      Störche bringen die Babys nur weiblichen Wesen.
      Die haben es im Blut...und das sogenannte „Mutter-Gen“
      Bist du nun beruhig?
      Nun kannst du die Mia frech angrinsen !!!
      Ganz frech . Echt du kannst mir glauben, ich bin extra wegen dir noch mal zu den Störchen.(Beweissfoto hab ich dir per Mail geschickt.)
      Also spare dir alle Wege zur Verbraucherzentrale und Co. lehne dich zurück, knabbere ein paar Nüsse und grinse die Mia dabei so richtig toll an...
      Denn sie ist ja eigentlich Schuld an den doofen Gedanken. Hätte dir ja sagen können, dass Männer keine Babys einfach so geliefert bekommen .
      Wuff deine Tibi




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  2. Kinder?! Entsetzlich, ich musste schon meine Unschwester Polly als Kind ertragen. Ich hoffe, mein Alter, du kommst aus der Nummer raus. Wuff - sagt Karlsson.

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  3. Sehr richtig, mein Freund. Kinder sind die Pest. Und jetzt stell dir mal vor, ich könnte die nicht einfach verprügeln und nach Hause schicken, weil ich ihr Vater wäre. Horror!

    Aber, wie du sicher inzwischen gelesen hast, war alles Gott sei Dank nur ein Missverständnis. Die Tibi hatte sich rachitisch ausgedrückt. So was kommt dabei heraus, wenn Frauen sich kurz fassen müssen. Ich hatte echt schon überlegt, wie ich von meinem spärlichen Taschengeld die feuchten Babytücher kaufen sollte und die ganzen iPhones und Reitstunden und Douglas-Gutscheine. Stell dir das mal vor. So weit was es schon gekommen. Die Gören wachsen ja so furchtbar schnell und dürfen dabei die ganze Zeit bei einem wohnen. Ich mache zehn Kreuze, dass dieser Albtraum vorbei ist.

    Dein Max

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