Donnerstag, 19. Mai 2016

La isla bonita (3. Teil)


Wenn man auf einem Schiff unterwegs ist, kriegt man viel Blau zu sehen. In der Karibik ist der Himmel touristenblau und ebenfalls das Wasser. Manchmal ist das Wasser aber auch türkis und man sieht Land vorbeiziehen. Bei 3000 Inseln und Atollen, die zu den Bahamas gehören, ist das ja auch kein Wunder, schließlich waren wir auf Slalom-Tour um die Inseln herum. Guckt mal hier, das war unsere Route, unten hin und oben herum wieder zurück:


Es ist erstaunlich, wie rasch man sich an das Bordleben gewöhnt. Vielleicht liegt es daran, dass das ständige Schaukeln einschläfernd wirkt. Wenn man außerdem in Rechnung stellt, dass man wegen nicht erfolgter Teilnahme an den üblichen Seekrankheiten über zusätzliche Freizeit verfügt, die ja irgendwie ausgefüllt werden muss (keiner von uns hat gekotzt), dann ist es ja auch gar nicht verwunderlich, wenn manche die viele Freizeit für eine entspannende Schockstarre verwenden. Der Pit hatte von Anfang an kein Problem damit:

Pit

Auch der Karlsson war, nachdem er – hi hi hi – begriffen hatte, dass man als zahlender Passagier nicht zum Segelhissen oder zum Küchendienst einbestellt wird, zu bemerkenswerter Tiefenentspannung fähig:

Karlsson

Nun muss man bei Segelschiffen ja ein wenig aufpassen, wo man liegt oder hintritt, damit man nicht als Fischfutter in den Fluten landet. Der untere Part der Reling war nicht für wegrutschende Kater oder Terrier gebaut, und dauernd eine Schwimmweste zu tragen empfanden die betreffenden Herren als lästig. Also marschierten sie, wo's ging, nur innen am Deck, nah der Takelage, und verbliebene Bedenken wurden auf mich projiziert.
„Dass du dich ja nicht anschleichst und plötzlich „buh“ machst!“, hat der Karlsson mich ermahnt.
Ach, wo werd ich denn? Bin ich blöd? Ich wäre doch selbst derjenige, der dann hinterherfliegen und die nassen Felllappen wieder rausziehen müsste.
„Na, dann ist ja gut“, hat der Pit gesagt und sich wieder auf sein Sonnenlager zurückfallen lassen.

Den Einzigen, den man selten in der Sonne zu Gesicht bekam, war der Luke, unser fleißiger Jungunternehmer. In der Sonne zu braten war nicht sein Ding. Morgens ist er gleich nach dem Hellwerden im Fitnessraum verschwunden. Dort hat er Hanteln gestemmt und ist auf dem Stepper herumgetrampelt. Ich weiß das, weil ich ihm heimlich mal nachgegangen bin; durchs Schlüsselloch hat man das gut sehen können. Danach hat er unterm Bett in seinen mysteriösen Beuteln gekramt, ist damit wieder in den Fitnessraum gegangen, hat dort seine Tütchen und Fläschchen zusammengerührt, hat alles runtergekippt und ist wieder auf den Stepper gestiegen. Irgendwann hat die Mia gemeint, er soll sich doch mal entspannen, diese ewige Heimlichtuerei wäre ja furchtbar, die Sonne täte ihm sicher gut, sein Fell würde dann seidig glänzend werden und widerstandsfähiger gegen Schuppen und Spliss.

Ich bin mir zwar nicht sicher, ob der Luke diese Argumente richtig verstanden hatte, jedenfalls hat er sich tatsächlich mal blicken lassen zum vorschriftsmäßigen Chillen an Bord:

Luke

Was meint ihr, ist das ein Gesichtsausdruck von Wohlbehagen? Ich glaube eine gewisse Skepsis zu erblicken. Vielleicht passte aber nur nicht das komische rote Gesöff zu den Pulverchen, die er sich vorher eingeschmissen hatte. Bei Blähungen kann ICH auch nicht relaxt gucken.

Lange hat er sowieso nicht stillliegen können, dauernd war er unter Deck unterwegs. Manchmal hat er mir Gesellschaft geleistet bei meinen meeresbiologischen Forschungen. Mir gefällt das faule Totstellen in brutzelnder Wärme nämlich ebenso wenig; ich bin ja auch eher der aktive Charakter, nicht?

„Was gaffst du denn dauernd ins Wasser?“, hat er mich gefragt.
„Ich warte auf Fische oder so was. In der Karibik sollen ja die interessantesten Leute leben. Die will ich sehen“, habe ich geantwortet.
Wie gesagt, manchmal hat der Luke seinen Kopf zu meinem zwischen die Reling gesteckt und mit mir runtergeschaut auf die Wellen, wie sie dort unten schaukelten.
„Langweilig!“
Nun gut, Geduld musste man natürlich aufbringen, außerdem ein wenig Engagement einsetzen. Von nichts kommt schließlich nichts:




„Schrei nicht so!“, hat die Mia gerufen.
Doch das war noch vor und dann wieder nach dem Zwischenfall mit der Cora, denn zum Meckern muss man ja erst mal an Deck sein, nicht wahr? Die Mia war aber nicht an Deck, sondern in unserer Kabine. Dort hat sie die Cora versorgt, die das dringend nötig hatte. Tja, so was Doofes aber auch. Legt sich das Duisburger Stollenputchen doch glatt am ersten Tag in die brütende Mittagshitze in den Liegestuhl – ohne Sonnenbrille, ohne Bikini, ohne Hut, ohne sich einzucremen. Stand das in der neuen „Sexy Girl“, dass man das macht, oder wie kommt man auf so eine bescheuerte Idee?

Cora

Das Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten. Wir mussten die Cora aus dem Liegestuhl heben und in ein Handtuch wickeln. Damit haben wir sie hinter uns her zur Kabine gezogen. Okay, bei den Stufen abwärts war es vielleicht ein wenig unangenehm, als sie jedes Mal mit dem Hintern aufgeschlagen ist, aber gejault hat sie sowieso und am Ende war nur wichtig, dass sie ins Dunkle und Kühle kam.

Die Cora sah schrecklich aus! Ich hatte extra Fotos gemacht, um euch das ganze Ausmaß zu zeigen, doch die Mia hat mich gezwungen, sie wieder zu löschen. Also kann ich euch nur beschreiben, um was es ging. Ich hoffe, ich treffe die richtige, einfühlsame Wortwahl.

Coras Füße waren knallrot und pellten sich. Das sah aus wie unordentlich angeklebte Briefmarken an überreifen Rhabarberstummeln. Der Schnabel war übersät mit komischen Quaddeln, die man als Vogel eigentlich nicht hat, und das Gefieder stand in dauernder Vibration wie die Pompons von Cheerleadern, weil die Cora so zittern tat. Ihr war kalt. Dann wieder heiß. Dann tat ihr der Kopf brummen. Dann hatte sie Durst. Dann wollte sie schlafen und war am Stöhnen, wenn ich das Radio aufdrehte. Bei jeder Bewegung war so was wie 'n Stoßgebet zu hören. Es könnten aber auch kathartische Selbstanklagen auf Koreanisch gewesen sein.

Die Mia ist ständig nach oben gerannt und hat Flüssigkeiten herbeigeschafft. Die taten der Cora gut.

Mia

Der Karlsson war dazu eingeteilt, jede halbe Stunde das Laken, worin die Cora festgeklemmt war, ins Bad zu tragen und unter der Dusche neu zu kühlen. Aus Lukes ominösem Fitness-Kit stammte die Salbe, mit der Schnabel und Füße eingerieben wurden, und der Pit, die gute Seele, hat solange auf sein Poofkissen verzichtet, damit die Cora darin sicher verwahrt werden konnte, ohne wegzurollen und womöglich vom Bett zu fallen. Den Schiffsarzt wollte die Cora allerdings nicht sehen.
„Ich schäm mich so“, hat sie gejammert.

Unterm Strich hat sich dann ja auch gezeigt, dass wir die Sache sehr gut im Griff hatten. In der zweiten Nacht schon konnten wir wieder ungestört schlafen. Die Cora war verstummt. Ihr ging es besser. Das Zittern hatte aufgehört und aus den Bauchfedern kam kaum noch verbrannter Geruch. Die Quaddeln am Schnabel wurden mit schwarzem Filzstift übermalt und die Bandagen an den Füßen als stylische Leg warmers ausgegeben. Wir haben alle unsere Unterschriften draufgeschrieben, damit es richtig hip aussah. Nach und nach hat die Cora wieder am normalen gesellschaftlichen Leben teilnehmen können (Mahlzeiten am Esstisch). In die Sonne gesetzt hat sie sich allerdings nicht wieder, was man durchaus verstehen kann. 

Luke und Pit
Vom Pit kamen gelegentlich diskrete Klagen über seinen steifen Nacken. Das leuchtete ein. Er hatte schließlich sein Poofkissen hergegeben und zum Luke ziehen müssen, und dass der unter zusammenrücken was anderes verstand als der Pit, habe ich ja selbst mitgekriegt.

Sieht so etwa Gastfreundschaft aus? Ich an Pits Stelle hätte dem Kerl 'ne pflückfrische Ananas auf den Äquator gerammt und ihn gefragt, ob er lieber in der nördlichen oder in der südlichen Hemisphäre schlafen wollte. Wo gibt’s denn so was, dass man seinen Kumpel auf dem Rand liegen lässt? Aber okay, ich weiß natürlich nicht, ob der Pit nicht wieder Ölsardinen im Bett gegessen hat. Vieles ist in Wahrheit anders, als man zunächst denkt.

Wegen der Krankenpflege haben wir nicht an den ersten touristischen Angeboten teilnehmen können. Ein Landgang in Nassau stand auf dem Plan. Dort leben fast 250.000 Menschen. Es gibt Geschäfte und Banken, hübsche Gebäude aus der Kolonialzeit zu besichtigen und sogar ein Piratenmuseum. Letzteres hätte sich der Karlsson gern angeschaut. 

Nassau


Karlsson
Ich weiß nicht, irgendwie schien er geheime Gedanken zu hegen. Abends nach dem Dinner setzte er sich immer seine blöde Piratenmütze auf, um mit durchgedrücktem Kreuz übers Deck zu stampfen wie Lord Nelson persönlich und dabei mysteriös in die Ferne zu schauen oder imaginären Gestalten harsche Befehle zuzunicken. Einmal habe ich ihn sogar dabei beobachtet, wie er die Masseuse/Servierkraft gefragt hat, ob sie Augenklappen im Sortiment hätten, er würde gern eine haben, möglichst in Schwarz. Ist das normal?
„Vielleicht übt er für Fasching“, hat der Pit gemeint. „Oder er will gewappnet sein, falls Moby Dick hier vorbeikommt.“

Ich hätte mir lieber die vielen Festungen angesehen, die Nassau zu bieten hat. Die sind dort übrig geblieben von historischen Notwendigkeiten und hätten sicher hübsche Fotomotive abgegeben. Aber da wir wegen der Cora ja nicht weg wollten, obwohl sie mit letzter Kraft ein „Geht nur, ich will euch den Spaß nicht verderben“ unter ihrem feuchten Waschlappen hervorgekeucht hatte, haben wir uns Nassau nur vom Schiff aus angeschaut. Ich hatte gelesen, es gäbe dort viele Flamingos. Und tatsächlich – ganze Kolonien in Weiß und Rosa standen am seichten Ufer herum.


 Wir haben alle mal durchs Fernrohr geschaut. Immer im Wechsel.
„Sexy Beine“, hat der Luke gemeint.
„'n bisschen wenig dran“, fand der Karlsson.
Der Pit hat gar nichts gesagt, sondern nur mit seinen Fettpfoten Schlieren auf die Linse getatscht (ich glaube von frittiertem Blumenkohl, wo immer er den herhatte). Mir als Fachmann in Vogelfragen gefällt Rosa grundsätzlich nur an Weibern, nicht aber an Männern, die aber zweifellos ebenfalls dort in den Gruppen mit herumstanden. Wie sieht das denn aus? Mit rosa Fransen am Gefieder kann man sich als Mann doch nirgends blicken lassen. Da ist doch sofort jede Autorität futsch.

Ich
„Na, Jungs, guckt ihr wieder anständigen Frauen untern Rock?“, hat die Mia gesagt, als sie mit 'nem  Glas Wodka vorbeikam. 

Tussi. 

Wir Männer gucken uns Miniröcke an, wo und so viel wir wollen. Das ist die natürliche Ordnung im Universum, sonst trügen Flamingos schließlich Bademäntel bis runter zu den Knöcheln, das ist ja wohl klar.

Lange vor Nassau haben wir ohnehin nicht gehalten. Proviant wurde angeliefert und auch die Belegung der zweiten Touristenkabine. Schade, dass die Cora und die Mia das nicht mitgekriegt haben. Ganze Berge von Trolleys, Schachteln und Kleidersäcken wurden über die Gangway gekarrt. Das hätte die Mädels bestimmt total nei… äh … mitleidig gemacht. Sah nach großem Auftritt aus und war Meilen schicker als die popeligen Rucksäcke aus Duisburg und Hannover. Wir waren gespannt, wem dies alles gehörte. Mindestens einer indischen Prinzessin und ihrem Gefolge, so viel war sicher.

Aus einiger Entfernung hinter einem Kasten Mangos versteckt haben wir alles beobachtet. Und als dann endlich das ganze Gepäck an Bord war, nur noch die dazugehörigen Passagiere fehlten und schließlich zwei Gestalten sichtbar wurden, die sich die Sonnenbrillen zurechtrückten, haben wir … erst mal nichts gesagt.
„Oh, Mann“, hat der Karlsson gehaucht, als er wieder sprechen konnte.
Uns  hingen die Kinnladen runter.

Jo, das war eine gelungene Überraschung, das muss ich schon sagen. Damit hatte keiner gerechnet. Aber davon berichte ich das nächste Mal. Wir mussten uns erst wieder einkriegen. Das dauerte.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora: © G.H.
          Pit und Luke: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: © Terrierhausen
         
          See mit Wolken, Seile und Kissen, Roter Saft, Hai, Seekuh, Delfine 1, Delfine 2, Liegestühle, Cocktails,
          Nassau, Flamingos: Pixabay
          Segelboot Reling: Morguefile

© Max: Papageiengeschichten

6 Kommentare :

  1. Leute, ich kann euch sagen, ein Sonnenstich ist nicht lustig! Ich möchte fast behaupten, dass ich den wahrscheinlich nicht überlebt hätte, wenn meine lieben Freunde sich nicht so rührend um mich gekümmert hätten. Nochmals vielen Dank dafür, ihr seid echte Freunde.

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    1. Oh, bitte, hab ich gern gemacht. Kann ja mal passieren, dass man entgleist. Außerdem war das dein Urlaub. Wenn ich den bezahlen müsste, hätte ich jetzt ein paar Tage gut von wegen entgangener Urlaubsfreude, aber so ist ja alles okay, nicht?

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    2. Und bitte nicht vergessen, dass ich Dir mein Poofkissen zur Verfügung gestellt habe, dass hat Dir nämlich besonders gut getan. Ohne das, würdest Du wahrscheinlich immer noch in sauer liegen.

      Pit

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    3. Oh ja, das Poofkissen. Immer sofort zu erkennen, dass das deins ist, an den Salamischeiben in den Ritzen und an dem unverwechselbaren Duft nach ölsardinen, Knoblaucholiven und Meerrettichsenf.

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  2. hach wie immer schön, ich liebe eure reiseberichte :)

    habt ein sonniges we meine lieben,

    heike

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    1. Danke schön. Nichts Mal geht's weiter. ;-)

      Euch noch einen herrlichen Sonntag.

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