Donnerstag, 7. April 2016

Die drei Ks: Karlsson, Kunst, Kultur (5. Teil)

Unsere nächste Station hatte der Karlsson mit der Kathedrale Notre Dame festgelegt. Wir sind zu Fuß gegangen, das heißt die Mädels und ich sind geflogen, der Lütte und der Karlsson sind gerannt (mal 'n bisschen die Beine vertreten) und der Pit ist gemütlich hintergelatscht. Dort in der Innenstadt von Paris liegen die Sehenswürdigkeiten dicht an dicht, man könnte überall anhalten und einkehren, aber dann käme man nie voran. Wir mussten Prioritäten setzen, und die hatte der Karlsson jetzt mit kirchlicher Architektur bestimmt.


Notre Dame liegt auf einer kleinen Insel in der Seine. So kamen wir auch mal dicht ans Wasser heran. Die Seine ist ja sehr berühmt, doch bei näherer Betrachtung auch bloß unruhige Flüssigkeit.  Weil wir auf den Pit warten mussten, hatten wir auf einem Ufermäuerchen Platz genommen. Sofort wurden wir angequatscht. Allerlei Tauben kamen angedackelt – deswegen allein schon hätte ich wegrennen wollen – und jammerten uns voll, ob wir nicht mal 'n paar Euro für sie hätten, sie wären auf Interrail-Reise, kürzlich überfallen und ausgeraubt worden und hätten jetzt kein Geld, um sich was zu essen zu kaufen. 

„Macht bloß, dass ihr wegkommt!“, habe ich geschrien.
Die Mia ist mit Flügelgewedele und „Sch-Sch“-Gerufe beherzt in die Menge gerannt. Der Karlsson und der Lütte haben Holzklötze gestaunt.
„Das sagen die immer, dass sie ausgeraubt worden sind“, hat die Cora ihnen erklärt.

Wahrscheinlich hat man als Hund von Natur aus keinen rechten Zugang zur Hintertriebenheit von Stadttauben. Da denkt man noch ganz naiv, die meinten es ehrlich.

Als wir endlich vollzählig waren, konnte ich mit meinem Vortrag über die gotische Baukunst beginnen. Die Mia und die Cora haben die Augen verdreht.
„Was ist?“, habe ich gefragt.
Romanik ist das Klotzige, Gedrungene und Gotik das Hohe, Leichte mit den vielen Schnörkeln. Das musste doch mal gesagt werden.
„Können wir jetzt reingehen?“, hat der Pit gedrängelt.
Musste der gerade meckern, diese Trantüte.

Notre Dame von innen: sehr feierlich

Nun, so eine große Kirche ist natürlich auch von innen sehr geräumig. WOW! Da tat man sich ja ganz mickrig fühlen, wenn man nach oben guckte – oder geradeaus. Das Kirchenschiff ist 130 Meter lang. Und ziemlich schummerig.
„Na, ist das jetzt Grünewald genug?“, habe ich den Karlsson gefragt.
Der hatte Herzchen in den Augen.
„Hier hat sich Napoleon die Krone aufgesetzt“, tat er hauchen.
Na und? Das war 1804. Davon war bestimmt jetzt nichts mehr zu sehen.

Ich habe mir eher Sorgen um den Lütten gemacht. Der braucht dringend kompetente Unterweisung in sakraler Kunst, das möchte ich hier in aller Deutlichkeit anmerken. Vielleicht holt man ihm zu Hause mal ein entsprechendes Buch aus der Leihbücherei, damit er sich bilden kann. Die Cora musste ihm nämlich erklären, dass es sich bei den bunten Bleiglasfenstern nicht etwa um versteckte Türchen handelt, die Zahlen aufweisen und gesucht werden müssen, damit sie geöffnet werden können, wo dann Schokolade drinliegt. Ich möchte mal wissen, woher er so 'nen Quatsch hatte.

Die Kirchtürme lassen sich übrigens besteigen. Von dort hat man einen prima Überblick über Paris.  Nicht dass wir das alles nicht schon vom Eiffelturm kannten, aber wenn wir schon mal hier waren, nimmt man das natürlich auch noch mit, nicht wahr?

Die Mia außen auf der Kathedrale Notre Dame

Der Karlsson ist unten geblieben.
„Ich will noch mal schnell die Pfarrnachrichten durchblättern“, hat er gesagt.
Der Jack hat sich ihm an die Fersen gehängt.
Ich war froh, dass der Pit mit uns nach oben gekommen war. So hatte ich ihn besser im Blick, denn es wäre echt peinlich geworden, wenn von diesem grandiosen Bauwerk, an dem man 200 Jahre lang geackert hatte, jetzt nur noch die Seitenwände stehen würden. Vielleicht hätten wir das auch gar nicht überlebt. In Paris haben Guillotinen ja eine lange Tradition.

Da passte es zufällig gut ins Thema, dass der Karlsson als nächsten Programmpunkt den Place de la Concorde gewählt hatte.

Place de la Concorde: Brunnen

Dort nämlich hatte während der Französischen Revolution das Schafott gestanden für die Leute, die man gern loswerden wollte. Danton, Robespierre, Marie Antoinette und ihr Mann waren hier geköpft worden – unter vielen, vielen anderen. Jetzt stehen da ein schöner Brunnen und so ein großer, dekorativer Steinfinger, die man besichtigen kann.
„Obelisk“, hat der Pit gesagt.
Ja, Obelisk heißt der, und gleich dahinter beginnt der Grünzug des Jardin de Tuileries.

Place de la Concorde: Obelisk

Das ist halt der Nachteil, wenn man mit Terriern unterwegs ist. Dauernd wollen sie ins Grüne. Gras und Bäume üben eine magische Anziehungskraft aus. Und dort fangen sie dann gleich an zu buddeln und sich zu wälzen oder laufen kreuz und quer, um an jedem Halm zu riechen, wer eventuell hier schon mal vorbeigekommen sein könnte. Kater sind diesbezüglich pflegeleichter (wenn auch oft etwas lahmarschig); mit denen muss man solche Extravaganzen nicht in Kauf nehmen. Das spricht für sie.
„Was habt ihr gegen die Tuilerien?“, hat der Karlsson gefragt. „Das ist ein sehr schöner öffentlicher Park. Dort können wir uns ein wenig ausruhen.“

Jardin de Tuileries: auch mit viel Wasser

Gott sei Dank sind mir die Mädels zur Hilfe gekommen. Nö, ausruhen wollten sie nicht. Sie würden lieber eine romantische Fahrt mit dem Touristenboot auf der Seine machen.
„Wie … romantisch?“, hat der Karlsson dumm aus der Wäsche geguckt.
„Na, Junge ...“, habe ich ihn aufgeklärt. „Die Weiber wollen den Kopf an dich lehnen und Komplimente von dir hören oder dass du ein hübsches Gedicht aufsagst, während die Ufermauern der Seine am Panoramafenster vorbeigleiten.“

Die Seine

Okay, die Weiber haben dann nicht mehr mit mir geredet, aber die Bootsfahrt, die Tuilerien und der Place de la Concorde waren aussortiert – wir sind stattdessen zum Montparnasse gefahren. Das war es mir wert.

In der Metro-Station

Der Montparnasse ist ein Stadtviertel mit vielen Theatern, Galerien und Cafés. Früher haben dort viele Künstler gewohnt, zum Beispiel Picasso, Chagal, Dalì, Samuel Beckett, Simone de Beauvoir und der Italiener, der diese eckigen Köpfe gemalt hat.
„Modigliani“, hat der Pit gemeint.
Ja, Mann! Der Name war mir nur gerade entfallen. Kann ja mal vorkommen.
Die Cora und der Karlsson haben sich angeschaut und blöde gekichert. Na, wartet!

Ich

Weithin sichtbar überragt wird das Viertel von dem Hochhaus, das „Tour Montparnasse“ heißt. Es ist mit 210 Metern das zweitgrößte Bauwerk in Paris (nur der Eiffelturm ist höher). Es hat 59 Etagen und die kann man hochfahren. Dort oben gibt’s Aussicht für Touristen. Unten drin sind Geschäftsräume.
Der Karlsson hat den Kopf in den Nacken gelegt und die Fassade hochgeschaut, zumindest bis zum achten Stockwerk.
„Schon wieder Aussicht begucken?", hat er genölt.
„Aber selbstverständlich – und du kommst mit.“
Der Aufschrei, der daraufhin Paris erschüttern tat, war sicher nicht beabsichtigt gewesen.
"Mir war was ins Auge gekommen", hat er rasch behauptet und zur Anschauung die Schnauze verzogen wie zum Grimassenwettbewerb.
Netter Versuch, aber sinnlos. Der Karlsson wurde umringt und mit Nachdruck ins Foyer geschoben.

Dort hinten, das Hohe, das ist der Tour Monteparnasse

Es hat dann ein wenig gedauert, bis wir dem Patienten dargelegt hatten, dass der Turm komplett verschlossen ist. Auch oben die Aussichtsetage ist vollständig verglast. Der Fahrstuhl fährt innen. Nirgends gibt’s was Offenes und schon gar nicht solche Drahtstufen wie am Eiffelturm, wo man überall durchblicken kann.
„Das ist wie Keller, nur höher“, hat die Mia getröstet.

Als dann noch der Lütte total lieb fragen tat, ob der Karlsson etwa Schiss hätte vor diesem dusseligen Häuschen, ist er grunzend mitgetrottet. Tragen Terrier den Schwanz eigentlich immer zwischen den Hinterbeinen? Muss ich direkt mal drauf achten. Im Fahrstuhl macht es nur „Huuui", also als Bewegung in Magen und Darm, dann dauert es noch etwa 40 Sekunden und dann ist man oben.

Pit und Cora im 59. Stock des Tour Monteparnasse: Kein Benehmen oder wie?

Die Aussicht war mal wieder phänomenal. Der Karlsson ist allerdings an der Fahrstuhltür stehen geblieben, nachdem er mit dem Kopf gegen einen Prospektständer gelaufen war. Ich vermute, dass er sich mit geschlossenen Augen voranbewegt hatte.
„Du bist ein Held“, hat die Cora ihn angesülzt. „Du weißt deine Neurose zu händeln. Das schafft nicht jeder."

Als es wieder runterging, hat er statt auf „P“ wie „Parterre“ zu drücken, schnell den Knopf mit der 56 bedient. Nanu? Was sollte das werden?
„Im 56. Stock gibt es ein Restaurant“, hat er gesagt. „Wenn ich schon hier in der Höhe herumgurken muss, obwohl ich keine Lust dazu habe, dann will ich das wenigstens stilvoll tun. Wir gehen jetzt Sushi essen.“

Boah, der hat das tatsächlich ernst gemeint. Fisch ist so gar nicht mein Ding.


Die Cora und die Mia haben mit langem Schnabel am Reis herumgepickt, der Lütte hat die Rollen gleich im Stück runtergeschluckt und „Ich schmeck nix“ gesagt, dem Karlsson ist schon beim Geruch übel geworden, und ich habe meine Fischstückchen heimlich unter die Tischplatte geklebt. Nur der Ringelplüsch hat mit Appetit reingehauen:
„Lecker!“
Ich glaube, das Thema Sushi-Bar im Dorf hätten wir damit abgehakt. 

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora © G.H.
          Pit und Jack: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: © Terrierhausen

          Notre Dame, Glasfenster, Seine, Sushi, Montparnasse, Aussicht v. Montparnasse, Metro, Place de la Concorde
          Brunnen: Pixabay
          Louvre außen, Jardin de Tuileries: Morguefile 

© Max: Papageiengeschichten 

10 Kommentare :

  1. Warum wir diese wirklich schöne Stadt dauernd von oben begucken mussten, verstehe ich auch im Nachhinein nicht. Als Hund hat man ja nicht das beste Sehvermögen (normalerweise spreche ich da nicht so drüber) und die Stadt sieht aus der Vogelperspektive für mich aus wie kleine graue Klötzchen im Nebel.
    Auch das Sushi konnte das mangelnde Aussichtserlebnis nichr kompensieren, der Fischanteil war einfach zu gering. Außerdem habe ich den Verdacht, dass in einigen von den Dingern nur Grünzeug drin war. Hätte man eigentlich reklamieren müssen. So oder so sind die Röllchen nur was für den hohlen Zahn. Wir hätten doch in die Tuilerien gehen sollen, da hätte es viel mehr zu erschnüffeln gegeben und bestimmt auch einen Wurststand.
    Liebe Grüße, auch an Mia. Vielleicht war das mit der Bootsfahrt doch keine so schlechte Idee...
    Karlsson

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    1. Ja, Mensch, Karlsson, mein lieber Freund, das muss einem doch gesagt werden. Ich dachte, du wärst 'n simpler Schisser, weil du's mit der Höhe nicht so hast, dabei siehst du nur schlecht. Du hättest dich uns ruhig anvertrauen können in dieser sensiblen Angelegenheit, dann hätten wir gar nicht erst solche Witze über deinen eingekniffenen Schwanz gemacht, sondern du hättest gleich unten bleiben und die Rucksäcke bewachen können. Da sieht man wieder, wie wichtig Kommunikation ist.

      Das Dumme am Sushi finde ich, dass auch das Gemüse immer so fischig schmeckt, und Reis mag ich lieber mit Maggi-Rahmsoße. Ich bin zwar Krebs vom Sternzeichen, aber deswegen finde ich noch lange nicht, dass Wassertiere an Land gehören. Ich denke, wir beide werden uns nicht mal um so einen Teller setzen müssen. Oder gelüstet dir nach einem neuen Versuch? Esskultur hin oder her, 'ne ordentlich Bratwurst ist einfach nicht zu toppen.

      Von der Mia soll ich dir ausrichten: „Hach … ist der süß.“ Weitere Intimitäten bitte ich privat zu verhandeln. Oder sehe ich etwa aus wie ein nackter, rosa Pummel mit 'ner Armbrust im Arm?

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  2. Also das Sushi war wirklich gut, ich weiß gar nicht warum ich Eure Portionen alles mitessen musste, aber ich habe mich wieder einmal geopfert...man schmeißt kein Essen weg, damit das klar ist...nicht in Holstein, nicht in Niedersachsen und schon gar nicht in Frankreich. Aber irgendwie bist Du auch nicht ganz so gut vorbereitet, oder Max? Na, bestimmt bist Du froh so einen gebildeten Kater dabei zu haben.

    Pit

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    1. Ja, wir waren sehr froh, dass du uns die gerollte Meeresfauna abgenommen hast. Du warst ja auch der Einzige, dem das gut bekommen ist. Das wird seinen Grund haben: Fischkopp zu Fischrisotto. Ich bin mir im Nachhinein gar mir mehr so sicher, ob das überhaupt Reis war, womit die Dinger ummantelt waren. Es können ja auch Ameiseneier gewesen sein. Ist dir was aufgefallen? Ach nee, bestimmt nicht. So wie du reingehauen hast.

      Warum sollte ich mich auf eine Reise vorbereiten, die der Karlsson gewollt und bezahlt hat? Ich war froh, dass ich mal nichts organisieren musste. Und für den Rest warst ja du da - zum Aufsagen des Reiseführers. Die unauffälligen Kopfhörer mit den MP3s zum Nachplappern sind übrigens super. Die sieht man kaum und als Zuhörer denkt man glatt, man hätte es mit leibhaftiger, selbst erlernter Bildung zu tun. Du bist schon ein Schlitzohr, Pit, das muss ich schon sagen.

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    2. Was heißt hier Kopfhörer? Ich habe mir das vorher alles angelesen. Ich sage Dir Reisevorbereitung ist das A und O. Oder glaubst Du das ich mich auf Dich verlasse? Und das Sushi hat Euch nur nicht geschmeckt, weil Ihr Euch nicht mit der Gourmet Küche auskennt....Ich sage nur Pommes Schranke

      Pit

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    3. Pommes Schranke ist gute, ehrliche Sattmannskost. Und seit wann du einen auf Kultur und Gourmet machst, kann ich mir auch nicht erklären. Habe ich da was nicht mitgekriegt?

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    4. Offensichtlich bist Du der Meinung wir Holsteiner entsteigen alle der Flensburger Pilsener Werbung...falsches Bild wir sind kultiviert, Feinschmecker und gebildet.

      Pit

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    5. Okay, hab ich verstanden. Du trägst weiße Handschuhe beim Krabbenpulen, du isst die Krabben mit Marinade und du weißt, was Krabben sind. Und das Ganze geht auch mit Rollmops.

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    6. Stil ist eben nicht das Ende vom Besen

      Pit

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    7. Wenn man die Buchstaben mischt und neu zusammensetzt, kommt "List" dabei raus.

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