Sonntag, 11. November 2012

Mein Amazonen-Alphabet:
F wie fliegen

Die gute Nachricht vorneweg: Wir haben Flügel. Die bessere Nachricht gleich hinterher: Wir können fliegen.

Das ist nicht selbstverständlich. In manchen Ländern kürzt man uns noch heute die Flugfedern. In Lateinamerika zum Beispiel spart man sich auf diese Weise teure Volieren, denn die gestutzten Kumpels hocken flugunfähig auf einer kleinen Holzvorrichtung an der Hauswand oder werden im Bad auf der Handtuchstange gehalten. In den USA … tja, da hat man's bis heute noch nicht kapiert – wenn ich mir die entsprechenden Filmchen auf YouTube anschaue.

Hier in Deutschland war es früher auch nicht anders. Noch in den 80er Jahren saßen bei uns im Zoo Aras auf einem alten Baumstamm und flogen nicht weg – warum bloß? Doch immerhin hat sich mit der Verbreitung des Internets allmählich eine andere Haltung etabliert, und heute sollte es längst zum Standard gehören, dass man Papageien (und Vögeln überhaupt) nicht an den Federn schnibbelt.

Es ist nämlich ein populärer Irrtum, wenn man denkt, dass Papageien in Gefangenschaft nicht zu fliegen brauchten. Feinde sind nicht vorhanden, so die Meinung mancher Halter, das Futter kommt bequem per Napf, ohne dass es weit entfernt gesucht werden müsste, und was dann noch übrig bleibt an Bedarf zur Überwindung räumlicher Unterschiede, das lässt sich gut erledigen, indem der Vogel zu Fuß geht oder sich tragen lässt.

Falsch! Dabei vergisst man eins: Der gesamte Organismus eines Vogels ist aufs Fliegen ausgerichtet. Das Fliegen hält die inneren Organe gesund. Umgekehrt, wenn die Bewegung fehlt, geht dies zu Lasten von Niere, Leber und Luftsack. Der Stangen-Potatoe wird zum kurzatmigen oder dicken Risikopatienten. So ist es kein Wunder, dass die Tierärztin unserer Putze jedesmal einbläut, zu was sie uns anhalten soll: „Fliegen! Fliegen! Fliegen!“

Nun ist es allerdings so, dass in der Regel keiner von uns in einer Lagerhalle wohnt mit ordentlich Platz zum Gasgeben. Insofern müssen wir natürlich Kompromisse machen. Aber wir sind geschickter, als man glaubt. Von wegen große, plumpe Amazonen. Wir beherrschen ein beachtliches Repertoire an geradezu akrobatischer Flugtechnik; das weiß man nur nicht, weil man uns in Freiheit oder im Fernsehen meist nur zu sehen kriegt, wenn wir in größerer Höhe geradeaus fliegen.

Dabei können wir langsam fliegen und schnell. Wir drehen Halbkreise im Wohnzimmer. Wir können in der Luft anhalten – huch! – und abrupt die Richtung ändern, falls wir auf unerwartete Hindernisse stoßen. Wir nehmen jede Kurve auf unserm Weg vom Kletterbaum über den Flur auf den Hängeschrank in der Küche. Wir starten aus dem Stand vom Fußboden und landen punktgenau auf dem dünnen Seil unserer Schaukel. Und wir achten darauf, dass einer oben fliegt und der andere unten, wenn wir gemeinsam die Flucht in ein Nebenzimmer antreten, damit keiner gegen den andern stößt.

Ich im Landeanflug von der Schaukel (oben im Bild) auf die Stuhllehne. Man beachte meine grazile Fußhaltung. Als hätt ich Ballett gehabt. Elegant gucken kann ich dabei auch noch

Überhaupt haben wir eine gute Kommunikation, um Unfälle zu vermeiden. Die Mia und ich sind noch nie zusammengestoßen, obwohl das schnell passieren könnte an besonders verkehrsträchtigen Stellen, sobald der eine ins Zimmer geflogen kommt und der andere auf dem gleichen Weg das Zimmer verlassen will. Aber deswegen fliegt man eben auf versetzter Höhe, nicht wahr? Und hocken bleiben und den andern rufen, damit er herkommt, bevor man sich auf gut Glück zu ihm hinbegibt, das hilft auch ungemein.

Über die Mia geht sogar das Märchen, dass sie mich als Versuchsballon missbraucht. Manchmal müssen wir nämlich über den dunklen Flur fliegen, wenn die Putze mal wieder das Licht anzumachen vergessen hat. Ins Dunkle starten wir nicht so gern. Wer weiß, ob auf der andern Seite alles noch genauso ist, wie man's erwartet? Womöglich ist die Tür zu und unsereins knallt dann mit der Birne dagegen. Das heißt, ICH mach das sofort. Ich stürze mich heldenmutig ins Ungewisse. Die Mia wartet dann so lange, bis sie hört, dass ich heil am Ziel angekommen bin. Erst dann fliegt sie hinterher. Die Putze meint, das wäre sehr intelligent.

So? Ich finde, man kann es auch schissig nennen. Mädchen halt. Eins muss doch mal klar und deutlich ausgesprochen werden: Wenn es den Mut von uns Kerlen nicht gäbe, täte Atlantis bis heute nicht entdeckt sein.

© Max: Papageiengeschichten

13 Kommentare :

  1. Lieber Max,

    jede Woche lerne ich Dich besser kennen. Vieles mein Freund, von dem ich noch nicht mal geahnt habe, was so alles in Dir steckt. Nächsten Sommer kommst Du dann mal zu mir, da kannste denn über unsere Koppel fliegen. Mal sehen ob Du genug Puste dafür hast. Die Mia läßt Du aber zu Hause, die kriegt noch einen Herzinfarkt wenn plötzlich unser Storch neben ihr fliegt, denn im Sommer ist der ja auch wieder da.
    Es grüßt Dich Dein Pit

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    1. Ja, das machen wir. Ich fliege über eure Koppel und du übst derweil für unsern gemeinsamen Showauftritt beim Talentwettbewerb. Was war noch mal dein Part? Ach, ich weiß wieder: Du schipperst mit deinem roten Poofkissen ums Skagerrak, ohne ein einziges Mal aufzuwachen. Ich bring dir dann bei Malmö ein Thunfischbrötchen hin. Du sollst schließlich nicht darben, mein lieber Freund. Auch nicht im Schlaf.

      Dass wir die Mia nicht gebrauchen können, trifft sich gut. Mit dem Storch hat sie schon schlechte Erfahrungen gemacht. Damals, als sie noch mit dem Coco verlobt war (Paules Vorgänger), dachte sie ja mal, sie täte Küken kriegen. Eine dicke Plautze hatte sie mit viel Gejammer und Gestöhne, dabei war das nur 'ne Verstopfung gewesen von zerklumptem Käsefondue. Seitdem ist sie nicht gut zu sprechen auf diese klappernden Viecher. Ihr gefallen auch die langen Beine nicht. Hotpants mit Stiefeln sehen bei Amazonen nun mal Scheiße aus.

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    2. Ich hätte da noch eine bessere Idee. Du kommst mit auf große Fahrt. Ich binde Dich am Mast fest, dann flatterst Du ordentlich und ehe wir uns versehen sind wir in Kopenhagen. Da können wir dann am Ny-Havn Lakritzeis essen, und danach auch gerne noch ein Fischbrötchen.
      Pit

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    3. Ach so, ich mach den Außenbordmotor, während du in der Nautik döst. Kommt gar nicht in Frage. Mach deine Kapumrundung mal schön allein. Nach Kopenhagen komm ich allerdings mit. Ich nehm dann Geld von den Touristen fürs Ablichten mit rotweißem Ringelplüsch, und davon lad ich dich dann ein. Fischbrötchen, Lachsbrötchen, Brötchen mit Zwiebelmett - was du willst.

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  2. Ach ! Atlantis ist entdeckt ??? Äh, wo denn ????? Oder meintest du: wenn es den Mut von ... wäre Atlantis gar nicht untergegangen ? Ach nein, vergiß den Satz, ich will es mir mit dir doch nicht verscherzen ;-)))))) Und nein, ich bin weder ein Mädel noch schissig. Nur ein lieber Freund :-)))))))

    Wenn ich mir deine Federn anbinde, kann ich dann auch fliegen ?
    Schnell bin ich ja.

    Grüßle
    Angus

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    1. Ja, mein Gott, Angus, dann musst du halt mal unser Wochenblatt lesen. Dann wüsstest du, dass Atlantis längst entdeckt ist. Bei uns im Baggersee hat man's gefunden. Alles kommt hin, so wie's der berühmte griechische Philosoph Plankton prophezeit hat: jenseits der Säulen des Herakles ... du weißt schon. Von außen sieht man nix, aber manchmal blubbern Blasen an die Oberfläche.

      Natürlich kannst du fliegen, wenn du dir meine Federn umbindest. Was für eine Frage! Nur ordentlich mit den Pfoten schlagen, dann kommt der Rest von allein.

      Deine Umbildung manchmal, Angus ... tztztz.

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  3. Lieber max,

    Danke für eine weitere lektion im amazonen 1x1. Da haben wir nämlich so gar keine ahnung. Aber ja ja du klingst so richtig kompetent. Du weisst das ja alles aus erster feder. Wir können uns nun richtig gut vorstellen, wie bei euch daheim die post abgeht. Wenn ich ehrlichb in, versteh ich die mia sehr gut wegen ihrer vorsicht. Unsere namensähnlichkeit kommt wohl nicht von ungefähr. Aber helden wie dich braucht das land und vor allem wir ja auch!

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    1. Oh, Pia, für dich natürlich stets zu Diensten. Wenn du einen Helden brauchst, einfach kurz durchrufen oder mailen, dann bin ich zur Stelle. Drachen töten und Jungfrauen retten geht aber extra, nicht?

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  4. Hey gefiederter Indiana Jones, wie war das mit Atlantis? Das musst Du nochmal erklären!
    Ich finde das echt beeindruckend, was in Euch Amazonen so alles steckt! Vieles davon wussten mein Frauchen und ich echt noch nicht. Wir wohnen hier in der Pampa, in einem Naturschutzgebiet mit viel Freifläche zum Fliegen. Vielleicht hast Du mal Lust, auf eine Runde vorbeizukommen? Ich flitze am Boden und wir gucken, wer schneller kann?
    Schlabberbussi, Phoebi

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    1. Hey, Phoebi, du bist auch so ein ungläubiger Thorsten, was? Lass dir vom Angus das Wochenblatt geben, dann kannst du selbst nachlesen, wie das war, als der Backstein beim Tauchen im Baggersee Atlantis gefunden hat. Das war vielleicht ein Presserummel - sagenhaft.

      Zum Fliegen komme ich dich gern mal besuchen. Danke. Nachdem ich beim Pit die Koppel genommen habe, schaue ich dann bei dir vorbei, einverstanden? Naturschutzgebiet ist echt super. Ich stehe ja selbst unter Naturschutz. Dann musst du vor mir knicksen und immer lieb zu mir sein. Das ist dir doch wohl klar, oder etwa nicht?

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    2. Na, die Atlantisgeschichte lasse ich dir ja nochmal durchgehen, aber das Geknickse und lieb sein kannst du sowas von knicken!

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  5. ich bin begeistert mein grüner Ballettänzer ......und Pia hat doch Recht Max ....Mädels brauchen Helden :)

    Ich freue mich schon auf die nächste Folge aus Deinem ABC !!!

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    1. Danke, Georgie. Das nächste Mal kommt das G an die Reihe. Ich glaub, das kann ich schon verraten, damit nehm ich niemandem die Spannung weg. Ich freue mich, wenn du dann auch wieder dabei sein wirst.

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