Meistens bin ich derjenige, der nach unten fliegt und den Briefkasten öffnet. So entgeht einem nichts. Mias heimliche Korrespondenz mit einem Andenkondor namens Paco lasse ich natürlich unkommentiert. Die Adoptionsunterlagen der Putze hingegen entsorge ich. Mir ist es unangenehm, wenn ein fetter, ungehobelter, vorlauter Mitbewohner ins Haus käme. Ich finde, wir sind schon genug Füße in unserer Behausung. Karitas hin oder her, der dicke verwaiste Wombat bleibt dort, wo er ist.
Schlimm finde ich auch, wenn die Absender den Namen nicht richtig schreiben.
Steht da "von" Gelbnacken, oder nicht?
Ich hatte mich schon gefreut - oh, eine Postkarte für den Max. Juhuuu.
Dann dreh ich die Pappe um und denke hä?
Was is'n das? Ein Schwan vor Omas Wohnzimmertapete an Häkeldeckchen mit Luftblasengeseufze?
Jetzt seh ich erst: Die Karte ist ja gar nicht für mich, die ist für die Mia. Mal umdrehen ...
Tatsächlich, da steht Mia auf der Adresse. Eindeutig.
Aber hömma, "von" ist falsch. ICH bin "von", die Mia heißt nur Gelbnacken mit Nachnamen.
So isses korrekt. Hat das jetzt jeder kapiert?
Die Briefmarke ist aber superklasse, habt ihr gesehen?
Toll, Henne, leg dich ins Zeug. Drück, was die Rosette hält, wir freuen uns schon aufs Frühstücksei.
Nu aber weiter. Was schreibt der Deckel überhaupt?
Oh, ein Liebesbrief.
Boah, da hat sich der Tümpelheinz aber mächtig ins Zeug gelegt. "Da wir uns leider nicht so häufig sehen können ..." Was heißt hier leider? Und was ist nicht so oft? Der hockt doch dauernd bei uns auf dem Sofa herum, latscht feuchte Abdrücke aufs Parkettt und frisst unsere ganzen Butterkekse. Erst Weihnachten war er hier. Das ist doch oft genug?
Richtig empörend ist aber der letzte Satz. Alle lässt er grüßen, alle. Sogar die Putze und irgendeinen dicken Max, aber für mich hat er nicht mal eine popelige Zeile übrig. Dabei haben wir schon zusammen Mau-Mau gespielt.
Ich war nicht im geringsten erheitert.
Da öffnet man nun einem armen Teichbewohner sein Haus. Man hat Mitleid mit dieser bedauernswerten Kreatur. Man erkundigt sich voller Mitgefühl, wie sich Halsschmerzen anfühlen. Man interessiert sich für die Feinmotorik von Schwimmhäuten an Land - und dann so was.
Na gut, ich kann auch anders.
Wisst ihr, wie der Harald mit der Mia zum Rosenmontagsball der Feuerwehrjugend gehen wollte? So ...
Danach war Herzeleid angesagt. Die Mia (verkleidet als die Kühlerfigur aus dem Titanic-Film) hat geheult, sie täte sich nicht blamieren mit jemandem, der kein historisches Bewusstsein hätte. Romeo Montague hätte ganz anders ausgesehen! Dann hat sie ihre Handtasche ins Wasser geklatscht und ist abgedampft in Richtung Taubenkaserne. Die Mia habe ich nicht mehr gesehen auf dem Feuerwehrball. Den Harald auch nicht. Vielleicht war er gekentert von Mias Wellen; ihre Empörung kann locker das Rote Meer teilen. Ich weiß, wovon ich rede.
Harald, wenn du jetzt im Krankenhaus sitzt, Fusion kriegen musst und das hier liest, denk mal darüber nach, ob es meinen Hintern juckt.
Ach, noch was ... Kennst du einen Paco?
Ha ha ha.
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