Donnerstag, 28. April 2016

La isla bonita (1. Teil)

Tja, das wurde jetzt schwierig. Eigentlich hatte ich nicht vor, so schnell wieder zu verreisen, doch was kann man ausrichten, wenn man überrumpelt wird?

Diesmal war es die Cora, die dringend Mitreisende brauchte. Eines Tages rief sie die Mia an und meinte ganz aufgeregt – „Stell dir das mal vor!“–, sie hätte eine Reise geschenkt bekommen. Jawohl, ganz unvermittelt, und zwar von ihrer Mama. Die würde was springen lassen, weil die Cora doch immer so bescheiden sei, nur immer artig gesunde Heilfast-Seminare und anstrengende Aquarellkurse besuche und so gar keine Anstalten mache, auch mal ein wenig an sich zu denken. Deshalb (und weil ja noch Geld übrig wäre von Paules heimlichem Gewinn aus Las Vegas) hatte Tante Gisela ihr eine Kreuzfahrt spendiert.

Aber nicht mit so einem Touristen-Dampfer, wo Swimmingpool und Bowlingbahn mitgeführt werden …


… sondern mit so einem windbetriebenen Ökoschiff, das man noch von früher kennt. Auf dem werden heutzutage individuelle Verwöhnferien für kleine, exklusive Passagiergruppen angeboten.



In unserm Fall hieß der Schoner „Princess Graziella“.

Ich sah die Cora direkt vor mir, wie sie demütig die Augen niederschlug und feengleich ein „Aber Mama, das ist doch nicht nötig“ hauchen tat, während im Innern das „Yeah!“ dröhnte und sie es nicht abwarten konnte, der Mia davon zu erzählen. 

Nun, gegen erzählen allein hätte ich ja nichts gehabt, doch die Mia sollte mitfahren. Denn weil es beziehungswillige Männer bei der Cora nicht lange aushalten, das Putchen aber Gesellschaft haben wollte, sollte nun ihre beste Freundin Mia den Part übernehmen. Die wiederum war am Kreischen und Schreien. Ich hörte immer nur „Toll!“, „Schick!“ und „Dann gehen wir einkaufen!“ Zuerst hatte ich mir nichts dabei gedacht, weil so was öfter vorkommt, doch als sie 'ne Stunde später in meinen Matchbox-Fuhrpark gelatscht kam und sagte: „Wir stechen in See. Pack deinen Koffer“, habe ich erst begriffen, dass es auch mich was anging.

Das kam überhaupt nicht in Frage. Wie komme ich dazu, mit den beiden Weibern zur See zu fahren? Und dann noch auf so 'nem Holzkahn. Womöglich jeden Tag das Deck schrubben oder dem Smutje beim Kartoffelschälen helfen. Nee, meinte die Mia, das sei ein hochmodernes Schiff mit allen Schikanen, mit allem Luxus, wir brauchten uns nur in den Liegestuhl zu legen und die Sonne zu genießen. Pah, das war ja genauso blöd. Warum sollte ich mir die Federn verkokeln, wenn ich es zu Hause schön schattig und bequem haben konnte?

Um es zusammenzufassen: Es folgten zähe Verhandlungen zu dritt, in denen mit allen Waffen gekämpft wurde. Die Mia plärrte: „Du bist so gemein! Nie darf ich allein weg! Immer muss ich dich mitschleppen, du blöder Eierkopp!“, und die Cora war am Drohen: „Wenn du uns jetzt den Spaß versaust, du aufgeblasener Gockel, du, dann sollst du mal sehen, dann gebe ich 'ne Anzeige auf mit deiner Adresse und dem Text „Hier finden Fledermäuse jeder Nationalität kostenlose Unterkunft und Betreuung“ und dann wirst du schon sehen, was du davon hast.“ 

Oh, Mann, das war glatte Erpressung. Die Verhandlungen gingen in die nächste Runde. Schließlich, nach fünf Tagen, konnte eine Einigung erzielt werden. Ich würde mitkommen, aber nur gegen drei Stangen Maoam (Apfelsinengeschmack), je zwei Tüten Salos und Kirschlutscher, einen Unimog von Matchbox, eine neue Handyhülle mit Tigerdruck, einen neuen Stempelkasten und das Wichtigste: einen männlichen Mitreisenden zu meiner Unterstützung und Entlastung.

Die Cora als Geldgeberin war für den Pit. Mit dem hatte sie in einer anderen maritimen Situation mal Irish Coffee getrunken. Offenbar qualifizierte ihn das für weitere Seereisen. Mir war das recht.
„Okay“, hat er nur gesagt am Telefon und ungerührt weiter an seiner Biskuitrolle gekaut. 

Damit hatten wir jetzt aber ein anderes Problem: Das Ticket galt nämlich nur für eine Person, d.h. für die Cora, die Mia und mich beim Umrechnungskurs 1 Mensch = 3 Tiere (bis zur Größe unterhalb von Border Collie). Mit dem Pit hatten wir also jetzt einen Überhang, ein zweites Ticket müsste gekauft werden – doch von wem? Die Cora fiel aus; es wäre ungehörig gewesen, die Tante Gisela darum zu bitten. Die Mia und ich hatten auch keine ausreichenden Ersparnisse, ebenso wenig Zugang zu einer Kreditkarte (die Putze ist da sehr pingelig geworden). Blieb also nur noch der Pit.

Am nächsten Tag rief überraschend der Luke an. Ich hatte mich direkt verjagt, so selten wie man den ans Ohr bekommt. Er ist aber auch ein ganz Fleißiger, unser grauer Hofsheriff vom W.-Clan, der Großverdiener im Haus, jede Nacht unterwegs, immer für Recht und Ordnung zu sorgen und dabei die Kohle zusammenraffen, dass es nur so raschelt und klimpert. Dem Pit übrigens macht es sehr zu schaffen, dass er gegen den Luke so abstinkt wie ein rechtes Weichei, so ganz ohne eigenes Einkommen oder wenigstens diesbezügliche Ambitionen, dabei hatte ich ihm schon tausendmal gesagt, dass das kein Wunder sei, wenn er nur immer auf dem Poofkissen liegen oder futtern täte, denn von nichts kommt schließlich nichts. Er solle sich mal ein Beispiel an seinem Kumpel Luke nehmen.


Doch davon will er nichts wissen, der Ringelplüsch, und der Luke ist immer so beschäftigt, dass man ihn gern mal übersieht. Gerade deshalb war ich ja so erschrocken, als ich ihn plötzlich an der Strippe hatte.
„Hallo, Max“, hat er gesagt.
Dann hat er erzählt, wie der Pit ihm die Kreditkarte klauen wollte – wieder mal. Diesmal aber hätte er mit seiner gierigen Wurstpfote in die Mausefalle gegriffen beim Herumgewühle in der Schublade. Selbst schuld, denn er, der Luke, sei es leid, seine mühsam verdienten Kröten dafür hergeben zu müssen, dass der Pit es sich gut gehen lässt und obendrein alle Welt aushalten täte von seinem Geld. 

Pits Protestschrei hätte man bis runter zum Bäcker gehört. Ein Hubschrauber sei angefordert und das Klinikum Eppendorf geräumt worden, damit der Sterbenskranke gerettet werden konnte. Inzwischen sei er wieder zu Hause. Um sein Krankenlager auf dem Poofkissen stapelten sich ganze Pizzaberge und Unmengen von Chipstüten; Tante Susanne hätte sich extra Urlaub genommen, um den Pit zu versorgen, die Amy täte ihm Luft zuwedeln, und alle übrigen Bewohner wären mit der strikten Anweisung versehen worden, keinerlei Krach oder Störung zu verursachen, um die Genesung nicht zu gefährden. Die Pfote selbst sehe übrigens gut aus, kein bisschen platt oder sonst wie briefmarkenartig, und bis zum Reisebeginn sei auch die Leidensmiene bestimmt wieder aus Pits Gesicht verschwunden.

Weswegen er aber eigentlich anrufe: Er, der Luke, hätte es sich überlegt. Er käme auch mit. Wenn er's recht bedenke – er sei total urlaubsreif. Mal ordentlich ausspannen, Energie tanken, die Seele baumeln lassen. Den Betrieb mache er so lange zu oder engagiere den Tom als Urlaubsvertretung. Eine Kreuzfahrt täte ihm sicher gut, so was kenne er schließlich noch nicht, und wenn er sowieso das zweite Ticket zahlen soll, dann wäre es ja nur recht und billig, wenn er mitfahre, nicht?

Die Cora war einverstanden. Mir war das egal. Hauptsache kein weiteres Weib an Bord.

Na, wenn das jetzt geklärt war, konnten wir uns ja alle wieder beruhigen und zur Tagesordnung zurückkehren. Ich war gerade dabei, den Unimog zu bestellen, da klingelte es schon wieder. Okay, bevor es Beschwerden gibt: Ich weiß natürlich sehr wohl, dass ein Terrier nie bettelt, das wäre unter seiner Würde. Das weiß ich von Bente, die sagt mir das schon seit Jahren. Deshalb muss ich mich verhört haben, als der Karlsson „Biddööööö!“ jammern tat. Sicher war das nur eine Umschreibung für was anderes.

Jedenfalls war der Karlsson am Apparat und faselte was von drittem Platz, der ja noch frei wäre – und bereits im Preis inbegriffen. Wer hatte den denn heiß gemacht? 

Ich habe ihm erklärt, dass es auf dem Schiff keinen Rasen und keine Büsche gebe, überhaupt kein Grün, worin er sich wälzen könne. Das wäre Wurscht, hat er gemeint, Wasser und Kahn wären okay. Ja, aber es täte dort schaukeln wie blöd, habe ich noch gesagt. Auch das prallte als Argument  ab. Und wie stünde es mit seinem Appetit auf Schiffszwieback tagaus, tagein und mit seinen Fähigkeiten, an den Masten herumzuklettern und die Segel festzuzurren?

Hö, da tat er schlucken, der Karlsson. Er ist doch nicht schwindelfrei. Ich habe geduldig gewartet, bis er sich wieder im Griff hatte.
„Krieg ich hin“, hat er gemeint.
Gut, dann musste ich eben den Joker auf den Tisch knallen:
„Du weißt aber schon, dass diesmal ZWEI Kater mitfahren, nicht wahr?“, habe ich klargestellt. „Der Pit kommt mit und auch der Luke. Beide sind Kater. Aber das wird dich bestimmt nicht stören, dich als geselligen, toleranten Terrier von Welt.“

Ha ha ha, da wurde die Pause plötzlich um einiges länger. Man konnte förmlich spüren, wie ihm die Locken abstanden wie die Spieße vom Käseigel. Es hätte mich aber gewundert, wenn er auf eine weitere Beschwichtigung verzichtet hätte.
„Oooooch“, hat er gesäuselt mit belegter Stimme. „Das stört mich nicht. Die können ja nix dafür. Es kann ja nicht jeder 'n Terrier sein.“
Hat man da Worte?

Die Cora zumindest hielt ein herzliches Ja bereit als Bestätigung für den sechsten Reiseplatz, und der Luke als Eigentümer des zweiten Dreiertickets konnte gar nicht verstehen, weswegen man um einen Hund überhaupt Wirbel machen sollte. Im W.-Clan muss jeder zusehen, dass er mit allen klarkommt, die vorhanden sind, egal wie viele Beine die haben oder mit welcher Haut die Knochen bespannt sind. Mir war nur wichtig, dass der Karlsson und der Luke keine Weiber waren. Der Rest würde sich ergeben.

Leider war damit noch immer keine Ruhe eingekehrt. Ich meine nicht die Mia und die Cora, die dauernd den Computer blockierten, um die Reisegarderobe zu diskutierten, sondern den Karlsson, dem noch in letzter Minute häusliche Autorität den Spaß zu verhageln drohte. Sein Papa nämlich wollte ihn nicht gehen lassen. Dem lag die Kreditkarte schwer im Magen, die der Karlsson verschlampt hatte, und dass da was nicht stimmen konnte mit dem Seminar in der Schweiz und irgendwas mit Paris, trug auch nicht gerade zur Stimmung bei. Kurzum: Der Karlsson war ratlos.
„Kannst du mir nicht helfen, Max?“, hat er gefragt.

Aha, ohne mich geht’s wohl nicht, was? Aber zu Hause von Chauvi labern und dass ich unterwegs nichts im Griff hätte. Aber bitte, was tut man nicht alles für seinen Freund? Ich habe dem Karlsson-Papa eine Mail geschrieben, diese hier:

Lieber Papa von Karlsson,

ich kann dich total verstehen. Ich an deiner Stelle wäre auch bitter enttäuscht, wenn ich erfahren täte, dass der Karlsson mir die Kreditkarte gemopst hätte. Ich kann mir auch gar nicht erklären, was in den Karlsson gefahren ist, dass er so was macht. Ich dachte immer, er wäre ein lieber Junge.

Aus diesem Grund ist es nur recht und billig, wenn er jetzt daheim bleiben soll. Väter haben schließlich immer Recht. Trotzdem wirst du uns sicher gestatten, dass wir sehr traurig wären, wenn wir ohne den Karlsson auf Kreuzfahrt gehen müssten. Wir haben deshalb mit unseren Herrchen und Frauchen geredet. Alle haben zugesagt, dass sie Geld spenden wollen, um den Kabinenplatz für den Karlsson zu finanzieren, damit du das nicht tun musst. Es macht ihnen nichts aus, einen Sozialfall zu betreuen, schließlich muss man für die Bedürftigen und Benachteiligten sorgen, damit unsere Welt lebenswert bleibt.

Und das ist nun die gute Nachricht: Du brauchst nichts zu bezahlen und der Karlsson kann trotzdem mitfahren. Für dich ist alles kostenlos. Bitte gib deinem Herzen einen Stoß.

In zuversichtlicher Erwartung
dein Max

P.S. Unsere Eltern geben uns Taschengeld mit, so 100 bis 200 Euro pro Tag. Unsere Eltern haben uns sehr lieb. Sie wollen, dass es uns gut geht. Wir sind sehr glücklich, dass wir so tolle Eltern haben.

So. Jetzt hieß es nur noch abzuwarten. Ich habe mir das Handy der Bequemlichkeit halber neben die Puddingschale gelegt. Und tatsächlich, keine zehn Minuten später klingelte es. Der Karlsson war dran.
„Wahrschau!“, hat er geschrien. „Ich hab sie wieder, die Kreditkarte! Danke, Max, du hast was gut bei mir.“ 

Na also, geht doch. Dagegen waren das Gemecker und das Gejammer von den Zuschauerrängen nur noch Kinderkram. Der Jack hat geheult, warum er denn nicht mit dürfe, er wäre doch sonst immer dabei. Erstens stimmt das nicht und zweitens fliegen wir mit dem Flugzeug, und deshalb hatte keiner Lust, ihm die Kotztüten zu halten.
„Du lügst!“, hat er mich angeblafft. „Ihr fahrt mit dem Schiff und da ist es nicht hoch, da brauch ich keine Kotztüten.“
„Aber wir müssen erst zum Schiff hinfliegen“, habe ich geantwortet. „Gib Ruhe, wir nehmen dich nicht mit."


Die Amy – natürlich – hat's auch wieder versucht. Hätte ich mir ja denken können. Sie wollte auch mitkommen. Irgendwann habe ich die Mail-Box angeschaltet, weil mir die Ohren klingelten. Wer die mal heiratet, der tut mir jetzt schon leid.
„Nein, Amy, Border Collies sind zu groß. Die sind nicht im Ticket enthalten. Die brauchen einen Doppelplatz. Den haben wir nicht.“

Die Polly schließlich hat mich zwar nicht angerufen, aber mir ist trotzdem zu Ohren gekommen, dass sie ziemlich angefressen war. Immer fahre der Karlsson weg, hieß es, nur sie müsse daheim bleiben. Wieso eigentlich? Sie wäre als Mädchen ja auch nicht dazu geboren, nur Schafe und Kühe anzugucken, sondern hätte sich ein bisschen mehr vorgestellt für ihr Leben. Andererseits: Mit jedem würde sie nun auch nicht verreisen wollen, schon gar nicht mit albernen Chauvis und Kerlen, die so täten, als hätten sie alles im Griff, dabei aber nichts auf die Reihe kriegen.

Seht ihr? Ich weiß schon, warum ich den Östrogengehalt auf Reisen auf den möglichst niedrigsten Stand reduziere. Man altert sonst so schnell.

Na, jedenfalls hatten wir irgendwann alles Notwendige geklärt (Gott sei's gepriesen und gepfiffen). Es konnte losgehen mit der Reise. Davon berichte ich euch das nächste Mal. Nur eins noch: Ihr wollt sicher wissen, wohin es überhaupt gehen soll. Bitte schön, ihr könnt es selbst herausfinden. Hier sind die Koordinaten. Viel Spaß beim Suchen.


Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora: © G.H.
          Pit, Luke, Amy und Jack: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson und Polly: © Terrierhausen 
          Segelschiff, Katzencartoon, Hubschauber: Pixabay
          Kreuzfahrtschiff: Morguefile 

© Max: Papageiengeschichten 

Mittwoch, 27. April 2016

Der Spruch des Tages (105)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Dienstag, 26. April 2016

Der Spruch des Tages (104)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Donnerstag, 21. April 2016

Die drei Ks: Karlsson, Kunst, Kultur (7. Teil)

Ich weiß zwar nicht, unter welcher Kategorie von Kultur unser Abendprogramm am Montmartre laufen sollte, aber der Karlsson schien genau zu wissen, um was es ging.
„Erst mal zum Moulin Rouge“, hat er gesagt.



Nun, Mehl tat man hier jedenfalls nicht mahlen.
„Das ist ein Varieté-Theater mit langer Tradition“, hat die Mia gemeint.
1889 ist es eröffnet worden. Die Programmschwerpunkte haben immer mal wieder gewechselt, von Bällen über Operetten, Revuen, Dinner Spectacles bis hin zu den Shows und Konzerten aller Art, die man heute darin bewundern kann. Die Damen mit den schwarzen Strümpfen und den fliegenden Beinen zum Cancan stammen aus der Anfangszeit.

Och nö, nicht schon wieder still sitzen mit Musik und Eintrittskarte. Der Opernabend tat mir noch schwer im Magen liegen, das musste ich nicht noch mal haben. Gott sei Dank hat keiner den Mann gekannt, der heute Abend dort singen sollte, also sind wir weitergezogen in Richtung Pigalle. Ich glaube, der Karlsson war enttäuscht. Er hätte sich den Laden gern von innen angeschaut.
„Du wärst der einzige Terrier, der jemals im Moulin Rouge gewesen ist – wetten?“, hat der Pit festgestellt.
Das Lockenwiesel tat trübsinnig gucken.

Der Lütte und ich

Am Pigalle war viel los. Ganze Herden haben sich vorangeschoben und genauso viele Passanten kamen uns entgegen. Die Schaufenster waren grell und bunt beleuchtet. Der Lütte hat wissen wollen, was das für Frauen seien, die dort in den schummrigen Nebenstraßen herumstanden. 

„Das sind Hausmütterchen“, hat die Cora geantwortet. „Sie warten auf ihre Männer. Sie holen sie von der Arbeit ab. Siehst Du? Da ist schon einer. Jetzt gehen sie zusammen nach Hause.“
„Und warum gehen manche Männer von einer Frau zur andern und reden mit ihr? Erkennen sie ihre eigene Frau nicht mehr?“
„Doch, natürlich“, hat die Cora schnell gesagt. „Das sind Pilzsammler vom Lande. Die sprechen mit den Frauen, weil sie ihnen Champignons verkaufen wollen. Wenn eine ja sagt, gehen sie zum Auto, holen die Körbe und dann wird über den Preis verhandelt.“

Tatsächlich? Ich wusste gar nicht, dass ordinäre Waldpilze in Paris so begehrt sind. Ich dachte immer, die Franzosen futtern nur Trüffel. Mönsch, da hatte sogar ich noch was gelernt. Cora, ich staune über deine Bildung.

Der Karlsson war immer noch unzufrieden. Ach so, der Herr Landterrier wollte in 'ne Disco. Das kannte er nicht – tanzen nach Rhythmus und Lärm.

Tja, war 'n bisschen schwierig hier am Montmartre mit dem Lütten dabei und der Karlsson selbst noch nicht volljährig. Soweit ich das richtig gesehen habe, war die Cora die Einzige, die das Mindestalter erreichen tat. Wir sind stattdessen was trinken gegangen in einer Straßenbar.

Die Cora und die Mia

Als ich mit dem Lütten vom Klo kam, war der Karlsson plötzlich weg. Die Mädels hatten vor lauter Schnatterei den Verlust gar nicht bemerkt, und der Pit war am Zählen der Putenstückchen in seinem Kräuter-Crêpe, das er sich bestellt hatte. Der war anderweitig beschäftigt. Wir haben noch ein wenig gewartet, dann noch eine halbe Stunde und noch eine, und dann hat die Cora gemeint:
„Der kommt nicht mehr.“

Pits Kräuter-Crêpe

Na gut, ich hatte noch drei Euro Taschengeld dabei. Damit kämen wir nicht weit. Es wurde langsam kalt um die Ohren. Wir haben uns auf den Weg gemacht. Unweit von unserer Straßenbar im Geäst einer Dekobegrünung hat der Lütte einen kreischend gelben Zettel gefunden. So 'n Zufall aber auch – er stammte vom Karlsson, war wohl weggeweht worden.
„Ein Terrier muss auch mal allein losgehen. Tschüs, bis später“, stand darauf.
„Dieser Blödmann“, hat die Mia gesagt.
Und die Cora hat den Lütten belehrt:
„Dass du mir das ja nicht nachmachst, Jack, mein Junge, so was ist pfui. Man geht nicht einfach weg und lässt die andern ohne Kreditkarte dasitzen, wenn die sich noch einen schönen Abend hätten machen wollen.“

Wenigstens hatte der Karlsson die Barrechnung beglichen, und da wir sowieso nie Metro-Tickets bezahlt haben, weil wir bequem unter den Absperrungen durchlaufen konnten, sind wir heil zurück ins Hotel gekommen. 

Spaßiges Weibergesöff

Die Mädels haben sich Cocktails aufs Zimmer bringen lassen. Dann haben sie sich gegenseitig hellblaue Pampe in die Federn geschmiert und gewartet, dass sie danach schöner aussehen täten. Der Lütte hat erschreckt danebengesessen. Ja, ja, das kannte er nicht von daheim. Die Amy als große Schwester ist ja eher der Naturtyp, der barfuß durchs Moor latscht und sich allerhöchstens im Klee wälzt. Die Produkte der Kosmetikindustrie erscheinen daher wie Alienzauber aus dem Giftschrank.  

Ich hatte endlich mal Zeit, das Pay-TV auszuprobieren. Leider gab es unschöne Auseinandersetzungen mit dem Pit, weil er Kochsendung sehen wollte und ich einen alten James Bond.
„Du kannst doch das Gelaber sowieso nicht verstehen, das ist Kolonial-Ausländisch“, habe ich ihm gesagt.
„Na und?“, hat er geantwortet. „Seit wann spricht James Bond Koreanisch mit schwedischen Untertiteln?“
Wir haben uns dann auf Curling geeinigt. Das ist dieser Sport, wo man dicke Teekessel so übers Eis schiebt, dass sie dort liegen bleiben, wo man es als Zuschauer am wenigsten erwartet. Der Lütte ist dabei eingeschlafen.

Ich fand diesen ruhigen Abend im Hotelzimmer eigentlich ganz schön. Endlich mal die Füße hochlegen und nicht von einem Punkt zum andern rennen müssen. Trotzdem habe ich mir Sorgen gemacht, als der Karlsson um zwei noch immer nicht zurück war.
„Der wird doch wohl nicht verschüttgegangen sein?“, hat die Mia gemeint.

Um drei haben wir den Lütten geweckt, haben unser Geld zusammengelegt und ein Taxi kommen lassen. Die Metro fuhr ja nicht mehr. Am Pigalle sind wir ausgestiegen. Es war immer noch gut was los. Hunde waren allerdings nicht unterwegs, jedenfalls keine Touristenhunde. Wo jetzt den Karlsson finden?

Aufteilen wollten wir uns nicht, damit wir uns womöglich nicht auch noch verliefen. Also sind wir die Hauptstraße entlanggegangen, haben in jede Seitengasse hineingeschaut und in jede offene Tür gehorcht. Ab und zu ist die Cora in so 'nen Schuppen reingegangen, wenn wir meinten, dort sah es so aus, als täte es dem Karlsson gefallen. Sie hat ihren Reisepass vorgezeigt wegen der Volljährigkeit. Manchmal hat man ihr „Na, Puppe?“ hinterhergerufen und manchmal noch was ganz anderes, das ich aber nicht verstanden habe und die andern auch nicht. Es war jedenfalls gebrüllt. Die Cora war ganz schön mutig, das muss ich schon sagen. 

Hu! Schaurig. Abseits

Und dann haben wir auch ein paar Mal was auf den Deckel gekriegt wegen dem Jack, dass wir mit dem Kind so spät noch unterwegs wären:
„Der gehört doch ins Bett.“
Jo, und der Karlsson gehörte an Land, aber zack-zack jetzt, es wurde allmählich feuchtkalt unter den Federn. Wir wussten echt nicht mehr, wo wir noch suchen sollten.  

Ich weiß nicht, wie lange wir dort herumgelatscht sind. Plötzlich meinte der Pit:
„Dort hinten, die helle Perücke im Rinnstein, sollten wir uns die nicht mal genauer anschauen?“
Und tatsächlich, es war der Karlsson, offenbar sturzbesoffen. Er lag auf der Seite, den Hintern in die Höhe und schnarchte. Aus seiner Schnauze tat es nach Fusel miefen, aus seinen Locken nach süßlichem Parfüm.
„“Flutschi“ von Roxana Haiti“, hat die Mia sofort erkannt.

Am Kragen hatte er einen Lippenstiftabdruck (von welcher Kreatur auch immer) und um den Hals eine Art Lebkuchenherz (nur ohne Lebkuchen) mit der Aufschrift „Mon Cherie – je t'aime“. Die Kreditkarte war weg, aber sonst schien er intakt zu sein. Er musste sich gerade erst hingelegt haben, denn unterkühlt war er nicht. Wir haben ihn geweckt.
„Aua!“, hat er geschrien.
Dann hat er  gerülpst,  ratlos in die Runde gestarrt und schließlich zum Pit gesagt:
„Na, Muttchen, du süsse Snecke, du. Wissu 'n Kind von mir? Ich mach dir 'n Terrier. Ich bin nich kasst...iert … glaub ich ssumindest.“
Die Mia hat den Kopf geschüttelt. Die Cora hat zum Lütten gesagt, er soll woandershin hören (das konnte einem ja glatt die ganze Pädagogik ruinieren). Der Pit ist wortlos danebengestanden und hat 'nen Müsliriegel gefuttert. Wenn ich das jemandem erzähle, glaubt es mir keiner.

Dann haben wir ein Taxi angehalten, den Karlsson hinten auf die Fußmatte zwischen die Sitze geschoben – „Nu mach dich doch nicht so schwer wie' n Kartoffelsack!“ – und sind zum Hotel gefahren. Dort haben wir ihn an den Vorderpfoten über den Flur gezogen, rein ins Zimmer und geradewegs ins Bad. Hinein in die Duschwanne und Brause aufgedreht. Die Mia hat was von ihrem Duschgel spendiert.
„Hey, es regnet!“, hat der Karlsson gelallt. 

Später ist er auf seinem Poofkissen eingeschlafen, das wir ihm ins Badezimmer geschoben hatten. Der Parfüm- und Rinnsteingestank war zwar weg, aber der Fusel miefte noch ganz schön. Wir wollten auch endlich ein bisschen schlafen. Es blieb nicht mehr viel Zeit. Nach dem Frühstück sollte es zurückgehen mit dem Bus nach Hannover.

Um es gleich zu verraten: Wir haben nicht erfahren, was der Karlsson dort am Pigalle gemacht hatte. Er schwieg dazu. Manchmal tat ihm ein dämliches Grinsen übers Gesicht huschen, so als würde er sich erinnern, aber das war auch schon alles.
„Terriergeheimnis“, hat er gesagt.
„Blackout“, hat die Mia korrigiert.

Mir ist bis heute unverständlich, was das mit Kunst und Kultur zu tun haben soll, denn abstürzen kann man schließlich auch als Trottel. Und nach Paris braucht man dazu auch nicht erst zu fahren.

Während die andern am Morgen packten, sind der Pit und ich schnell noch gegenüber in einen Kopierladen gegangen. Wir haben ein Foto vom Pit mit Photoshop auf Aquarell getrimmt und als DIN A3 ausdrucken lassen. Zu Hause sollten sie ja denken, dass wir was gelernt hätten auf dem Workshop im Elsass. Bei der Gelegenheit hat der Pit eine Ansichtskarte in den Briefkasten geworfen. Nicht dass ihr denkt, ich hätte heimlich draufgeguckt. Die Karte hatte ich vorher schon im Hotel gelesen. Es war diese hier:


Weil es zufällig nebenan einen Buchladen gab, haben wir dort noch rasch einen Fotoband über die Schweiz gekauft (von Pits Taschengeld). Der war für den Karlsson. Er sollte auch was haben als Mitbringsel von seinem Benimmkurs. Daheim sieht man so was gern, und wir wollten doch Karlssons Papa nicht verprellen, da er sich so großzügig gezeigt hatte mit seiner Kreditkarte und wir hofften, dass er das in Zukunft gern wiederholen würde.
„Danke“, hat der Karlsson gesagt, als wir im Bus saßen.
Ich glaube, er hatte Kopfschmerzen.

Die Rückreise verlief angenehm. Wir haben die meiste Zeit geschlafen. Zu hungern brauchten wir nicht, denn der Pit hatte das halbe Frühstücksbüfett eingepackt. Wir haben ordentlich zugelangt, nur der Karlsson nicht, der hatte keinen Hunger. Dafür hat er Wasser gesoffen wie 'n vertrockneter Rasen. Dauernd ist er aufs Klo gerannt. 

„Was heißt „Mon Cherie – je t'aime“?“, hat der Lütte gefragt.
„Schokokirschen an der Themse“, lautete Mias Antwort.
Über die Verbesserung seiner männlichen Geschlechtsidentifikation bin ich mir noch unschlüssig. Es würde sich noch zeigen müssen, ob Karlssons terrierstarker Einfluss sich positiv auf den Jack auswirken wird oder ob hier gar Weichen gestellt wurden, gegen die das Weibergetue der Mia und der Cora ein harmloses Gesäusel wäre.

Apropos Mia. Sie hatte ebenfalls noch ein Anliegen. Als der Karlsson halbwegs wieder hergerichtet schien (kurz hinterm Rhein), hat sie sich noch mal eingehend zu seinen hübschen, weichen Locken erkundigt:
„Nun sag schon! Welche Spülung nimmst du?“
Tja, Lifestyle-Weiber geben eben nicht so schnell auf. Der Karlsson hat irritiert in seinen Wassernapf gestarrt. 

Nein, das ist kein Häschen,
das ist der Aquarell-Pit
Zurück in Hannover wurden wir sehr gelobt. Die Putze äußerte sich begeistert über das Aquarell, das wir ihr zeigten.
„So? Dann hat also der Pit immer schön Modell gesessen?“
Das Bild haben wir eingescannt, damit es auch die Cora daheim zeigen konnte. Das Original kriegten der Ringelplüsch und der Jack mit nach Hause zur dortigen Demonstration bei Tante Susanne.

Unsere Gäste sind noch bis zum nächsten Morgen geblieben. Der Lütte hat mit den Matschfaltern verstecken gespielt, während wir andern der Cora die Schlossallee abzujagen versucht haben. Am Ende hat der Karlsson gewonnen. Ich denke, es zeigt noch mal eindrucksvoll, dass er gut mit Geld umgehen kann. Ich meine generell, ohne Alkohol und ohne nächtliche Ablenkung. Das lässt hoffnungsfroh in die Zukunft schauen. 

Auf meine Frage, ob Paris so gewesen sei, wie er es sich vorgestellt hatte, hat er erst nachgedacht und dann geantwortet:
„Ich glaube, bei den nächsten Reisen werde ich auf die Kultur verzichten können. Auf die Kunst nicht. Aber Hauptsache, man kommt mal vor die Tür.“

Wir haben die drei Schleswig-Holsteiner zum Zug gebracht. Wie ich später gehört habe, sind sie alle gut zu Hause angekommen. Die Cora ist noch ein paar Tage länger hiergeblieben, um mit der Mia die neue Nagellack-Kollektion auszuprobieren. Zeitweise stank es hier wie in einer Chemiefabrik. Ich hatte zu tun, den Reisebericht zu schreiben. Jetzt kann ich nur hoffen, dass alle dichthalten. Nicht dass einer womöglich seine Leute hier mitlesen lässt. Dann können wir bestimmt die nächste Kreditkarte in die Tonne treten. Das wäre echt doof.

Ende

Fotos: Cora © G.H.
          Pit und Jack © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson © Terrierhausen

          Moulin Rouge, Crêpe, Nebenstraße, Martinis, Straße: Pixabay
          Straßencafé: Morguefile

© Max: Papageiengeschichten 

Der Spruch des Tages (103)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Mittwoch, 20. April 2016

Der Spruch des Tages (102)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Montag, 18. April 2016

Der Spruch des Tages (101)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Donnerstag, 14. April 2016

Die drei Ks: Karlsson, Kunst, Kultur (6. Teil)

Jack und Karlsson: auf nächtlicher Sause

Wir sind durchs Viertel geschlendert. Inzwischen war es dunkel geworden. Hier in Montparnasse befindet sich auch der Eingang zu den Katakomben. Das waren früher mal Stollen für Untertagesteinbruch. Später (seit 1785) hat man die Höhlen und Gänge als Friedhof benutzt. Das Labyrinth schlängelt sich unter Paris entlang – wer hätte das gedacht? –, und irgendwo auf den gut 300 Kilometern sollen auch die staatlichen Goldreserven lagern.

Um die hatte ich keine Sorge, denn Gold wird ja wohl nicht riechen. Aber die aufgeschichteten Gebeine, die kann man besichtigen, und welche Wirkung Knochen auf Terrier haben, das weiß ich zwar nicht, kann's mir aber denken. Ich meine, nicht dass der Karlsson sich plötzlich als Archäologe berufen fühlte und in die Stollen reinlief, um eine zweite Venus von Milo auszugraben, und wir müssten dann hinterherlaufen und ihn suchen. Deshalb war ich heilfroh, dass der Eingang sowieso geschlossen war. Morgen erst wieder, doch dann wären wir bestimmt schon woanders. Hoffentlich. 


Gott sei Dank stand dem Karlsson der Sinn ohnehin nach anderem. Er hatte glänzende Augen, die Nasenlöcher taten gierig vibrieren. Sein Interesse galt den Galerien. Hier gab es Versuchungen ohne Ende. Er würde doch wohl nicht in so 'nen Schuppen reingehen wollen? Gemälde begucken? Das fehlte gerade noch. Wozu sind wir im Louvre gewesen? Und dann auf einmal war die Mia schneller.

Aus einem der hell beleuchteten Schaufenster kamen Gelächter und  Klaviergeklimpere.
„Hier ist Vernissage“, hat die Mia gesagt. „Da gibt’s was umsonst, da gehen wir mal rein.“
Hinter der Eingangstür wurden wir allerdings nach den Eintrittskarten gefragt. Wir haben uns doof angeguckt. Nicht so die Mia:
„Aber ich bitte Sie, mein Lieber … Ich bin eine gute Freundin von Jean-Luc … und von Charles … und von Jeanne.“
Und tatsächlich – wir durften reinkommen.
„Einer der Namen klappt immer“, hat die Mia gegrinst.

Der größte Andrang war wohl schon vorüber, denn am Büfett wurden gerade die Platten aufgefüllt. In geschlossener Formation sind wir vorgerückt. Dann das blanke Entsetzen: schon wieder Fisch!



Der Pit hat gleich zugelangt. Den haben wir die nächste halbe Stunde nicht mehr gesehen. Wir andern konnten Gott sei Dank weiter hinten doch noch was Essbares ergattern, und so saß der Karlsson mit einem Hähnchenschenkel zwischen den Vorderpfoten auf dem blanken Boden vor einer Ausstellungswand, betrachtete die gerahmten Bilder und erklärte dem Lütten, der neben ihm hockte, gläubig seinen Worten lauschte und dabei eine Frikadelle mampfte, was von der offerierten Kunst zu halten sei.

Ich dachte, ich hör nicht richtig!

Die beiden oberen Bilder fand er genial, das untere links etwas müde in der Motivwahl und den Warhol rechts unten zwar professionell umgesetzt, aber aufs Porträt reduziert kindisch und trivial, ja geradezu kitschig:


Ich habe dem Lockenwiesel mit dem Teelöffel ein gekochtes Ei an den Hinterkopf geschossen. Selbst schuld, wenn er den Täter nicht entdeckte. Auf dem Ei ist später ein Mann ausgerutscht. Die Ambulanz musste kommen, der Mann wurde auf die Trage geschnallt und ins Schubfach geschoben.
„Trinkt aus, Mädels“, habe ich zur Cora und zur Mia gesagt. „Wir gehen besser.“
Am liebsten wäre ich zurück ins Hotel gefahren; ich war müde. Aber nein, die Herrschaften wollten noch in die Kneipe gehen.
„Waschlappen“, hat der Karlsson gemurmelt.

Irgendwann geht das Viertel Montparnasse ins Quartier Latin über. Die Grenzen merkt man nicht. Es sind genug Leute unterwegs, auch viele Studenten, weil die Sorbonne in der Nähe liegt. Der Karlsson hat uns einen Pastis ausgegeben. Das ist ein französischer Traditionsschnaps. Der Lütte kriegte wieder einen Cidre. Bei 40 Prozent Alkohol merkt man den süßlichen Geschmack nicht mehr so dolle; es wird einem schnell warm im Gehirn. 

Um Mitternacht haben wir den Karlsson in die U-Bahn geschoben und gesagt, er soll um Gottes Willen aufhören, Weihnachtslieder zu singen. Die Leute guckten schon. Im Hotelzimmer hat er sich auf sein Schnarchkissen geschmissen und ist sofort eingepennt. Der Jack ist die halbe Nacht hin und her gerannt, vom Bett zum Waschbecken und zurück. Das Sushi-Zeugs war salzig gewesen. Immer wenn ich gerade eingeduselt war, ist das Licht wieder angegangen. Am Morgen war ich wie gerädert.

Dafür hatte das Lockenwiesel beste Laune. Einmal linkes Bein vor, einmal rechtes Bein abgestreckt: morgens Paris Hotelzimmer – die Frisur sitzt. Auch am Frühstücksbüfett machte sich die Übung bemerkbar. Inzwischen konnte der Karlsson die Wurstscheiben zielsicher vom Tablett fressen, ohne dass die Petersilienbüschel und Radieschenrosen quer durch die Gegend flogen.
„Du legst dir die Wurst auf den Teller!“, hat die Cora den Lütten ermahnt.
„Esskultur ist auch Kultur“, hat die Mia hinzugefügt.
Eigelb tat ihr den Schnabel runterlaufen.

Was stand als nächstes an? Sprich, Mon Général. Die Kompanie war zum Geländemarsch bereit. Es sollte unser letzter kompletter Reisetag werden. 
„Sacré-Cœur, hat der Karlsson gesagt.
Also schön, noch mal Kirche. Diesmal aber mit Rundkuppel und viel jünger.


Wir sind mit der Metro gefahren. Das letzte Stück muss man zu Fuß gehen, weil die Kirche auf einem Hügel steht, und da heißt es, Hang überwinden. Dafür gibt es Treppen. Sie sind teilweise recht steil.
„Mit dem Rollator kommt man hier nicht weit“, hat die Cora bemerkt.
Für uns waren die Stufen natürlich kein Problem. Wir Vögel sind geflogen, die Vierbeiner gerannt. Wir waren gerade oben angekommen, da machte es „dong-dong-dong“ und etwas Schwarzes, Schweres ist hoppelnd den Anstieg wieder runtergesaust. 
„Mein Rucksack!“, hat der Pit geschrien.
Der Karlsson ist gleich nachgehechtet.

Der Karlsson: hurtig

„Was hast du da bloß drin?“, haben wir uns gewundert, als der Karlsson zurück war.
Ich fass es nicht! Eine Konservendose, 800 Gramm mit Henkelverschluss.
„Escargots? Das sind doch Schnecken“, hat die Mia gemeint.
Der Karlsson war eingeschnappt:
„Bei mir braucht nun wirklich keiner zu hungern.“
Ich fand es eher bemerkenswert, wo der Kerl das Zeug herhatte, wenn er doch die ganze Zeit mit uns zusammen gewesen ist. Gelle? Das war ein Mysterium, das sich der allwissenden Terrier-Magie entzog.
„Dir doch auch, du eingelaufener Truthahn“, hat der Karlsson gezischt.

Konnten wir jetzt endlich die Kirche besichtigen gehen? Die Mädels waren ungeduldig. Der Lütte hatte inzwischen vor lauter Langeweile Sabberlöcher in unsern Stadtplan gestanzt.

Die Kirche Sacré-Cœur ist als Wallfahrtskirche gebaut. Sie stammt aus dem 19. Jahrhundert. Dass sie aussieht wie aus dem Orient, ist natürlich Absicht. Man hat sich von der Hagia Sophia in Istanbul inspirieren lassen und auch vom Markusdom in Venedig. Seht ihr?


Trotzdem glaube ich, dass die meisten Touristen hierher kommen, weil man so einen tollen Blick auf Paris hat, denn es gibt ja noch viele andere wertvolle Kirchen in der Stadt, die aber nicht so berühmt und so überlaufen sind. Tja, wenn ich das gewusst hätte, dass man bei Sacré-Cœur ganz ungefährlich fest auf dem Boden stehen und dennoch einen Rundblick genießen kann, hätten wir doch mit dem Karlsson hier begonnen, statt seine Ausreden am Eiffelturm, in Notre Dame und am Montparnasse zu ertragen. Hier konnte man runtergucken und dabei sogar eingemachte Schnecken aus der Konservendose futtern, so wie der Pit es tat, und zwar ohne dass einem dabei im geringsten schwindelig wurde.
„Na, Sir Hillary?“, habe ich zum Lockenwiesel gesagt. „Geht doch, oder nicht?“


Die Mädels waren schon wieder unruhig. Die wollten Action. Natürlich wussten sie, dass wir im Viertel Montmartre waren und da wird einem ja einiges geboten für Touristen. Das kann man in jedem Reiseführer lesen.

Wir sind durch die Straßen gelaufen, frei nach Schnauze. Viele Stände gibt es dort mit Souvenirs und vor allem mit Gemaltem: die Seine als Postkarte, Sacré-Cœur als Postkarte, der Eiffelturm als Postkarte oder auch andere Motive in jeder Größe und jeder Machart. Wer was sucht für sein Wohnzimmer überm Sofa, der wird fündig.

Die Cora: neugierig

Man kann sich sogar selbst malen lassen, an Ort und Stelle. Viele Porträtmaler bieten dort ihre Dienste an. Man muss nur etwas Geduld mitbringen, aber ich fand, das war immer noch besser, als mit den Weibern in Boutiquen rumzugurken oder vor doofen Schaufenstern warten zu müssen. Wir Männer sind so lange was trinken gegangen, während die Mia still sitzen und die Cora ihr dabei assistieren tat.
„Muss man beim Modellsitzen nicht die Klappe halten?“, hat der Lütte gefragt.
Oh-ho, ich staune, aus dem wird bestimmt noch mal ein tiefgründiger Philosoph. Oder ein exzellenter Psychologe.

Karlsson und Pit: durstig

Das Gemälde ist dann recht bunt geworden.
„Das schenke ich dem Harald“, hat die Mia geschmalzt.
Jo, der wird sich freuen. Eine Spanplatte dahinter, das Ganze an einen Pflock genagelt und in den Schlamm gehämmert.
„Wieso?“, hat der Karlsson gefragt.
Na, der Harald ist doch ein Schwan. Er lebt auf dem Ententeich. Mit Kunst hat er nichts am Hut. Das gluggert ihm doch alles ab.
Der Glückliche.

Später waren wir essen. Bloß nicht wieder Fisch. Und das hatten wir inzwischen auch schon rausgekriegt: In Frankreich verzehrt man seine Bestellung im Restaurant meistens als Menü: Vorspeise, Hauptspeise, Dessert. Wir haben deshalb unser Fleisch dreimal bestellt: einmal als Vorspeise, einmal als Hauptspeise und einmal als Dessert, schließlich wollten wir uns nicht sagen lassen, dass wir nicht lernfähig wären.
„Esskultur ist auch Kultur“, hat die Mia zusammengefasst und mit Schmackes das Messer in die Hackrolle gerammt.


Dann wurde es allmählich Zeit, sich aufs Abendprogramm vorzubereiten. Wir würden am Montmartre bleiben. Der Karlsson hatte was von Pigalle gesagt. Da war ich ja mal gespannt.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora © G.H.
          Pit und Jack © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson © Terrierhausen

          Straßencafé, Büfett, Ausblick, Sacré Coeur 1, Sacré Coeur 2, Straße, Cevapcici, Straße Gemälde
          Montmartre Treppen Hagia Sophia, Markusdom: Pixabay

© Max: Papageiengeschichten 

Der Spruch des Tages (100)

Taddäää ... Hundert.


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Dienstag, 12. April 2016

Der Spruch des Tages (99)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Montag, 11. April 2016

Der Spruch des Tages (98)


© Max: Papageiengschichten (Bild)

Donnerstag, 7. April 2016

Die drei Ks: Karlsson, Kunst, Kultur (5. Teil)

Unsere nächste Station hatte der Karlsson mit der Kathedrale Notre Dame festgelegt. Wir sind zu Fuß gegangen, das heißt die Mädels und ich sind geflogen, der Lütte und der Karlsson sind gerannt (mal 'n bisschen die Beine vertreten) und der Pit ist gemütlich hintergelatscht. Dort in der Innenstadt von Paris liegen die Sehenswürdigkeiten dicht an dicht, man könnte überall anhalten und einkehren, aber dann käme man nie voran. Wir mussten Prioritäten setzen, und die hatte der Karlsson jetzt mit kirchlicher Architektur bestimmt.


Notre Dame liegt auf einer kleinen Insel in der Seine. So kamen wir auch mal dicht ans Wasser heran. Die Seine ist ja sehr berühmt, doch bei näherer Betrachtung auch bloß unruhige Flüssigkeit.  Weil wir auf den Pit warten mussten, hatten wir auf einem Ufermäuerchen Platz genommen. Sofort wurden wir angequatscht. Allerlei Tauben kamen angedackelt – deswegen allein schon hätte ich wegrennen wollen – und jammerten uns voll, ob wir nicht mal 'n paar Euro für sie hätten, sie wären auf Interrail-Reise, kürzlich überfallen und ausgeraubt worden und hätten jetzt kein Geld, um sich was zu essen zu kaufen. 

„Macht bloß, dass ihr wegkommt!“, habe ich geschrien.
Die Mia ist mit Flügelgewedele und „Sch-Sch“-Gerufe beherzt in die Menge gerannt. Der Karlsson und der Lütte haben Holzklötze gestaunt.
„Das sagen die immer, dass sie ausgeraubt worden sind“, hat die Cora ihnen erklärt.

Wahrscheinlich hat man als Hund von Natur aus keinen rechten Zugang zur Hintertriebenheit von Stadttauben. Da denkt man noch ganz naiv, die meinten es ehrlich.

Als wir endlich vollzählig waren, konnte ich mit meinem Vortrag über die gotische Baukunst beginnen. Die Mia und die Cora haben die Augen verdreht.
„Was ist?“, habe ich gefragt.
Romanik ist das Klotzige, Gedrungene und Gotik das Hohe, Leichte mit den vielen Schnörkeln. Das musste doch mal gesagt werden.
„Können wir jetzt reingehen?“, hat der Pit gedrängelt.
Musste der gerade meckern, diese Trantüte.

Notre Dame von innen: sehr feierlich

Nun, so eine große Kirche ist natürlich auch von innen sehr geräumig. WOW! Da tat man sich ja ganz mickrig fühlen, wenn man nach oben guckte – oder geradeaus. Das Kirchenschiff ist 130 Meter lang. Und ziemlich schummerig.
„Na, ist das jetzt Grünewald genug?“, habe ich den Karlsson gefragt.
Der hatte Herzchen in den Augen.
„Hier hat sich Napoleon die Krone aufgesetzt“, tat er hauchen.
Na und? Das war 1804. Davon war bestimmt jetzt nichts mehr zu sehen.

Ich habe mir eher Sorgen um den Lütten gemacht. Der braucht dringend kompetente Unterweisung in sakraler Kunst, das möchte ich hier in aller Deutlichkeit anmerken. Vielleicht holt man ihm zu Hause mal ein entsprechendes Buch aus der Leihbücherei, damit er sich bilden kann. Die Cora musste ihm nämlich erklären, dass es sich bei den bunten Bleiglasfenstern nicht etwa um versteckte Türchen handelt, die Zahlen aufweisen und gesucht werden müssen, damit sie geöffnet werden können, wo dann Schokolade drinliegt. Ich möchte mal wissen, woher er so 'nen Quatsch hatte.

Die Kirchtürme lassen sich übrigens besteigen. Von dort hat man einen prima Überblick über Paris.  Nicht dass wir das alles nicht schon vom Eiffelturm kannten, aber wenn wir schon mal hier waren, nimmt man das natürlich auch noch mit, nicht wahr?

Die Mia außen auf der Kathedrale Notre Dame

Der Karlsson ist unten geblieben.
„Ich will noch mal schnell die Pfarrnachrichten durchblättern“, hat er gesagt.
Der Jack hat sich ihm an die Fersen gehängt.
Ich war froh, dass der Pit mit uns nach oben gekommen war. So hatte ich ihn besser im Blick, denn es wäre echt peinlich geworden, wenn von diesem grandiosen Bauwerk, an dem man 200 Jahre lang geackert hatte, jetzt nur noch die Seitenwände stehen würden. Vielleicht hätten wir das auch gar nicht überlebt. In Paris haben Guillotinen ja eine lange Tradition.

Da passte es zufällig gut ins Thema, dass der Karlsson als nächsten Programmpunkt den Place de la Concorde gewählt hatte.

Place de la Concorde: Brunnen

Dort nämlich hatte während der Französischen Revolution das Schafott gestanden für die Leute, die man gern loswerden wollte. Danton, Robespierre, Marie Antoinette und ihr Mann waren hier geköpft worden – unter vielen, vielen anderen. Jetzt stehen da ein schöner Brunnen und so ein großer, dekorativer Steinfinger, die man besichtigen kann.
„Obelisk“, hat der Pit gesagt.
Ja, Obelisk heißt der, und gleich dahinter beginnt der Grünzug des Jardin de Tuileries.

Place de la Concorde: Obelisk

Das ist halt der Nachteil, wenn man mit Terriern unterwegs ist. Dauernd wollen sie ins Grüne. Gras und Bäume üben eine magische Anziehungskraft aus. Und dort fangen sie dann gleich an zu buddeln und sich zu wälzen oder laufen kreuz und quer, um an jedem Halm zu riechen, wer eventuell hier schon mal vorbeigekommen sein könnte. Kater sind diesbezüglich pflegeleichter (wenn auch oft etwas lahmarschig); mit denen muss man solche Extravaganzen nicht in Kauf nehmen. Das spricht für sie.
„Was habt ihr gegen die Tuilerien?“, hat der Karlsson gefragt. „Das ist ein sehr schöner öffentlicher Park. Dort können wir uns ein wenig ausruhen.“

Jardin de Tuileries: auch mit viel Wasser

Gott sei Dank sind mir die Mädels zur Hilfe gekommen. Nö, ausruhen wollten sie nicht. Sie würden lieber eine romantische Fahrt mit dem Touristenboot auf der Seine machen.
„Wie … romantisch?“, hat der Karlsson dumm aus der Wäsche geguckt.
„Na, Junge ...“, habe ich ihn aufgeklärt. „Die Weiber wollen den Kopf an dich lehnen und Komplimente von dir hören oder dass du ein hübsches Gedicht aufsagst, während die Ufermauern der Seine am Panoramafenster vorbeigleiten.“

Die Seine

Okay, die Weiber haben dann nicht mehr mit mir geredet, aber die Bootsfahrt, die Tuilerien und der Place de la Concorde waren aussortiert – wir sind stattdessen zum Montparnasse gefahren. Das war es mir wert.

In der Metro-Station

Der Montparnasse ist ein Stadtviertel mit vielen Theatern, Galerien und Cafés. Früher haben dort viele Künstler gewohnt, zum Beispiel Picasso, Chagal, Dalì, Samuel Beckett, Simone de Beauvoir und der Italiener, der diese eckigen Köpfe gemalt hat.
„Modigliani“, hat der Pit gemeint.
Ja, Mann! Der Name war mir nur gerade entfallen. Kann ja mal vorkommen.
Die Cora und der Karlsson haben sich angeschaut und blöde gekichert. Na, wartet!

Ich

Weithin sichtbar überragt wird das Viertel von dem Hochhaus, das „Tour Montparnasse“ heißt. Es ist mit 210 Metern das zweitgrößte Bauwerk in Paris (nur der Eiffelturm ist höher). Es hat 59 Etagen und die kann man hochfahren. Dort oben gibt’s Aussicht für Touristen. Unten drin sind Geschäftsräume.
Der Karlsson hat den Kopf in den Nacken gelegt und die Fassade hochgeschaut, zumindest bis zum achten Stockwerk.
„Schon wieder Aussicht begucken?", hat er genölt.
„Aber selbstverständlich – und du kommst mit.“
Der Aufschrei, der daraufhin Paris erschüttern tat, war sicher nicht beabsichtigt gewesen.
"Mir war was ins Auge gekommen", hat er rasch behauptet und zur Anschauung die Schnauze verzogen wie zum Grimassenwettbewerb.
Netter Versuch, aber sinnlos. Der Karlsson wurde umringt und mit Nachdruck ins Foyer geschoben.

Dort hinten, das Hohe, das ist der Tour Monteparnasse

Es hat dann ein wenig gedauert, bis wir dem Patienten dargelegt hatten, dass der Turm komplett verschlossen ist. Auch oben die Aussichtsetage ist vollständig verglast. Der Fahrstuhl fährt innen. Nirgends gibt’s was Offenes und schon gar nicht solche Drahtstufen wie am Eiffelturm, wo man überall durchblicken kann.
„Das ist wie Keller, nur höher“, hat die Mia getröstet.

Als dann noch der Lütte total lieb fragen tat, ob der Karlsson etwa Schiss hätte vor diesem dusseligen Häuschen, ist er grunzend mitgetrottet. Tragen Terrier den Schwanz eigentlich immer zwischen den Hinterbeinen? Muss ich direkt mal drauf achten. Im Fahrstuhl macht es nur „Huuui", also als Bewegung in Magen und Darm, dann dauert es noch etwa 40 Sekunden und dann ist man oben.

Pit und Cora im 59. Stock des Tour Monteparnasse: Kein Benehmen oder wie?

Die Aussicht war mal wieder phänomenal. Der Karlsson ist allerdings an der Fahrstuhltür stehen geblieben, nachdem er mit dem Kopf gegen einen Prospektständer gelaufen war. Ich vermute, dass er sich mit geschlossenen Augen voranbewegt hatte.
„Du bist ein Held“, hat die Cora ihn angesülzt. „Du weißt deine Neurose zu händeln. Das schafft nicht jeder."

Als es wieder runterging, hat er statt auf „P“ wie „Parterre“ zu drücken, schnell den Knopf mit der 56 bedient. Nanu? Was sollte das werden?
„Im 56. Stock gibt es ein Restaurant“, hat er gesagt. „Wenn ich schon hier in der Höhe herumgurken muss, obwohl ich keine Lust dazu habe, dann will ich das wenigstens stilvoll tun. Wir gehen jetzt Sushi essen.“

Boah, der hat das tatsächlich ernst gemeint. Fisch ist so gar nicht mein Ding.


Die Cora und die Mia haben mit langem Schnabel am Reis herumgepickt, der Lütte hat die Rollen gleich im Stück runtergeschluckt und „Ich schmeck nix“ gesagt, dem Karlsson ist schon beim Geruch übel geworden, und ich habe meine Fischstückchen heimlich unter die Tischplatte geklebt. Nur der Ringelplüsch hat mit Appetit reingehauen:
„Lecker!“
Ich glaube, das Thema Sushi-Bar im Dorf hätten wir damit abgehakt. 

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora © G.H.
          Pit und Jack: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: © Terrierhausen

          Notre Dame, Glasfenster, Seine, Sushi, Montparnasse, Aussicht v. Montparnasse, Metro, Place de la Concorde
          Brunnen: Pixabay
          Louvre außen, Jardin de Tuileries: Morguefile 

© Max: Papageiengeschichten