Donnerstag, 31. März 2016

Die drei Ks: Karlsson, Kunst, Kultur (4. Teil)

Paris in der Dämmerung: Gut, was?

Nach dem Abendessen habe ich mich richtig aufs Hotelzimmer gefreut. Wir waren lange genug herumgelaufen, nun wäre es schön, wenn ich mir mal das Pay-TV vom Sessel aus anschauen könnte. Doch nichts da, das Lockenwiesel war noch immer nicht fertig. Jetzt hieß es:
„Männer, habt Ihr alle eure Krawatten dabei, so wie ich's euch zu Hause aufgetragen hatte?“
Mir tat Übles schwanen.
Krawatte? Wo wollte der Kerl mit uns hin?
„Wir gehen in die Oper.“
„Schick!“, haben die Mädels in die Flügel geklatscht.
Dem Pit sind die Mundwinkel nach unten entgleist. Ich habe zu bedenken gegeben, dass ich müde sei.
„Quatsch!“, hat der Karlsson insistiert. „Auf, auf! Frisch voran! Die Kunst wartet auf uns!“

Wir sind kurz ins Hotel gefahren, um diese blöden Fliegen anzulegen, über die ich mich zu Hause schon gewundert hatte, wozu die da wären. Den Mädels taten jetzt filigrane Diademe auf der Birne thronen. Die hatten sie in Hannover billig im Kostümverleih geschossen.
„Ist gar nicht wahr“, hat die Cora geschimpft.
Gerochen haben sie jetzt wie eine NACHGESPRÜHTE explodierte Parfümerie.


Wie das Opernhaus hieß, weiß ich leider nicht mehr („Palais Garnier“, meint die Cora). Es war aber sehr eindrucksvoll. Alles in Rot und Gold gehalten. Wir haben auf dem Balkon gesessen. Die Eintrittskarten hatte der Karlsson online bestellt, wir brauchten sie nur noch an der Kasse abzuholen.
„Gibt's hier Popcorn?“, hat der Pit gefragt.
„Nein, aber nachher geht jemand mit Döner und Chipstüten durch die Reihen“, hat der Karlsson geantwortet und sauer geguckt.
Mit dem war heute nicht nicht mehr gut Kirschen essen.

Das Palais Garnier

Die Cora hat den Lütten unterwiesen:
„Wenn nachher die Leute auf die Bühne kommen, darfst du nicht zu jaulen anfangen, hörst du? Und nichts auf die Orchesterleute werfen.“
Zu diesem Zeitpunkt war es mir mental noch recht gut gegangen. Das sollte sich jedoch schlagartig ändern, als ich erfahren tat, wie die Oper hieß, in die wir geraten waren.
„Operette, nicht Oper“, hat die Mia verbessert.
Meinetwegen.
Sie hieß … „Die Fledermaus“!
Boah! Ich dachte, mir zieht's die Schwanzfedern vom Hintern. Leck mich am Arsch! Singende Matschfalter!
Die Mia hat gekichert, der Pit hat mir süffisant mit der Pfote auf die Füße gepatscht:
„Nimm's nicht so schwer. Es geht vorüber.“

Boah ...
Es wurden dann sehr lange zwei Stunden, das kann ich euch sagen. Der Lütte ist kurz vor der Pause eingeschlafen. Wir haben ihn auf unserm Balkon liegen lassen, während ich auf dem Klo war und der Karlsson den Mädels im Foyer 'n Glas Sekt ausgegeben hat. Ich wurde streng angeguckt: Das sei ja bloß 'n verkleideter Mensch und keine richtige Fledermaus, die da singen tat. Ich sollte mich nicht so anstellen, ich wäre 'n Banause und sowieso total unmöglich und blöd.

Ach, das tat die Cora jetzt erst bemerken? Ich war jedenfalls heilfroh, als mir draußen endlich wieder frische Luft das Gehirn durchpustete und normaler Straßenkrach meine Ohren erquickte. Wie kann man nur ein ganzes Musical nach diesen albernen Nachpelerinen benennen? Oder gibt’s etwa die Operette „Der Grottenmolch“? Oder „Die Rache des Zitronenfalters“? Na also. Warum dann setzt man ausgerechnet diesem Kroppzeug so ein Denkmal?

Wieder daheim im Hotelzimmer habe ich lange nicht einschlafen können. Das lag allerdings auch am Lütten und am Karlsson, weil sie noch ziemlich lange an ihren Knochenresten herumschabten. Das macht 'nen Krach, als würde jemand mit dem Messer auf einen vertrockneten Ast einkloppen, bis er splittert. Der Pit futterte Ölsardinen. Keine Ahnung, wo er die schon wieder herhatte. Alle drei lagen in ihrem Schnarchkissen, das sie am Morgen an der Rezeption bestellt hatten und das vom Zimmermädchen inzwischen abgeliefert worden war. Diese Unart, im Bett zu essen, hat wohl nichts mit Kultur zu tun, was? Aber in die Oper gehen und Fledermäuse beklatschen. Na, vielen Dank. 


Am Morgen nach dem Frühstück lautete die Parole: Louvre.
Aha. Wenigstens kein Geträller.
Ich habe nachgeschaut, wo wir aussteigen müssten:
„Station Rue de Ravioli.“
Leider haben wir das nicht gleich gefunden.
„Es heißt ja auch Rivoli, nicht Ravioli, du Depp“, hat die Cora sich aufgeregt.

Ich glaube, dort kann man ankommen, wann man will, ob früh oder spät, immer ist es voll. Jeder will wenigstens einmal im Urlaub den Kunstfreund und -kenner spielen, auch wenn er Gemälde sonst nur als Abreißkalender kennt. Immerhin ist der Louve das größte Museum der Welt. Das lässt man sich nicht entgehen, nicht mal als holsteinischer Landterrier.

Der Louvre, die Glaspyramide und der Karlsson

„Weswegen gehen wir dahin? Was gibt es da zu gucken?“, hat sich der Lütte erkundigt.
„30.000 Exponate auf 60.000 Quadratmetern.“
Dem Jack sind die Augen rausgequollen:
„Müssen wir das alles ablaufen?“
„Na, klar!“, hat der Pit gesagt und sich einen weggegrinst. „Am Ausgang werden einem dann Fragen gestellt, ob man auch hübsch aufmerksam gewesen ist. Stell dich schon mal darauf ein.“

Der Lütte hat sich nun noch enger an den Karlsson gehalten. Er machte einen jämmerlichen Eindruck. Fast war man geneigt, mit einem „Kriegst nachher auch 'n Eis“ zu antworten, doch da musste er nun durch. Das gehört zum Mannwerden dazu. Uns schenkte ja auch niemand was.

Wider Erwarten wurde es dann gar nicht so schlimm. Die meisten Touristen wollen sowieso nur zu drei Stellen. Man braucht also nur in der Herde mitzulatschen, dann kommt man automatisch an. Die erste Station, die wir besucht haben, ist dieses berühmte Geflügelweib auf dem Podest. Sie heißt Nike. Das ist Griechisch.

Die Nike von Samothrake

Nun ja, alt ist sie schon, sogar sehr alt, und Flügel sind mir von Natur aus sympathisch, aber ohne Kopf? Da fehlt doch was.
„Ist das die Stammmutter von der tollen Sneakers-Firma?“, hat die Mia gehaucht.
Und der Karlsson hat uns informiert, dass er die Statue schon viel früher gefunden und ausgebuddelt hätte, wenn er dort wohnen würde, das könnten wir wohl glauben. Alle keine guten Nasen, die Leute.

Die zweite Station hat uns noch mal zu einer kaputten Frau geführt. Sie heißt Venus (oder Aphrodite) von Milo. Auch sie ist eine griechische Göttin.

Die Venus von Milo
„Die hätte ich auch viel früher gefunden“, hat der Karlsson klargestellt.
Der war eingeschnappt. Der hatte gerade begriffen, dass ihm der Ruhm als schnüffelnder Archäologe durch die Lappen gegangen war.

Ich fand diese angedetschte Kunst eigentlich ganz gut, denn was schon kaputt ist, kann nicht mehr viel leiden. Wir waren schließlich mit dem Ringelplüsch unterwegs und daher musste man immer damit rechnen, dass neben einem was zusammenkrachte. Bisher hatte er sich ja gut gehalten. Das Versailler Schloss stand noch, der Eiffelturm auch und der Arc de Triomphe ebenfalls. Aber wer wusste schon, wann Mr. Hyde wieder Macht über ihn gewinnen würde, und dann hieße es, den Propeller anzuwerfen und abzuhauen. Vorrest musste er allerdings nur davon abgehalten werden, sein Nutella-Crêpe aus dem Rucksack zu holen und reinzubeißen. Die Cora tat missbilligend den Kopf schütteln.

An der dritten Station wurde es schwierig für uns. Vorher die großen Statuen hatten wir ja einigermaßen gut sehen können vom Boden aus, aber jetzt dieses popelige Bild an der Wand mit den vielen Menschen davor, da war ja nichts zu erkennen.
„DAS ist die Mona Lisa?“, hat sich die Cora gewundert. „Ich dachte, die wäre größer.“
Gelle? Die würde ich glatt durch die Klappe meiner Voliere kriegen, ohne an den Seiten stecken zu bleiben.


Jetzt war Kreativität gefragt. Ich bin einem Touristen vorne in der ersten Reihe auf die Schulter geflogen und habe höflich gefragt, ob ich da mal eben sitzen bleiben dürfe, ich täte sonst der Dame nicht ins Gesicht schauen können. Die Cora und die Mia haben es mir nachgemacht. Der Pit, der Karlsson und der Lütte mussten am Boden bleiben.
„Hey, die grinst“, habe ich die Info nach unten weitergegeben.
„Ja, für 'ne Stickvorlage ganz okay", hat die Mia hinzugefügt.
„Verpass ich was?", hat der Karlsson raufgebrüllt.

Mehr war nicht drin, wir mussten weiter. Als wir den Louvre verließen, war es Essenszeit. Der Jack war froh, dass uns niemand am Ausgang aufhielt. Er hat sich noch lange umgeschaut, ob nicht doch noch jemand angerannt käme, um den museumspädadogischen Erfolg zu überprüfen.    

Beim Burgeressen in einem netten Imbiss sind sich der Karlsson und der Pit näher gekommen – das erste Mal, seit wir in Paris waren. Ich durfte Zeuge einer anrührenden Unterhaltung werden:
„Wie findest du Schleswig-Holstein?“
„Gut, und du?“
„Ich auch.“


Mir tat ein Stein vom Herzen fallen, hatte ich doch Bedenken gehabt, ob das gut gehen würde mit den beiden. Schließlich war der Karlsson neu in der Truppe – und dann gleich Terrier? Der Pit wiederum als Interessenvertreter der Vierbeinerseite im häuslichen Familienverband war Autorität gewohnt und ließ sich nicht gern von einem Feldwebel hin und her schicken, selbst wenn der zahlte. Aber, hey, es war ja alles in Ordnung. Nach diesem intimen Gespräch konnte man direkt von Seelenverwandtschaft sprechen. Die beiden waren auf dem Weg zu einer innigen, tiefen, aufrichtigen Freundschaft. Ich würde mich entspannen können. Mein Gott, was war ich dankbar.

"Was gackerst du denn so entrückt?", hat mich die Cora gefragt.
Ach, was wusste die schon? Ein Engel war gerade durchs Burgerrestaurant geflogen und sie hatte es nicht mal bemerkt.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora © G.H.
          Pit und Jack © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson © Terrierhausen

          Palais Garnier, Stadtansicht, Mona Lisa, Burger, Nike: Pixabay
          Venus, Louvre: Morguefile

© Max: Papageiengeschichten 

Der Spruch des Tages (94)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Mittwoch, 30. März 2016

Der Spruch des Tages (93)

Zur Abwechslung mal wieder eine intellektuelle Herausforderung:


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Dienstag, 29. März 2016

Der Spruch des Tages (92)


© Max: Papageiengeschiichten (Bild)

Donnerstag, 24. März 2016

Die drei Ks: Karlsson, Kunst, Kultur (3. Teil)

Für den  nächsten Programmpunkt mussten wir zurück nach Paris. Jetzt war der Eiffelturm dran.
„Auf dem war ich schon, aber in Las Vegas“, hat der Jack gesagt.
Na, der richtige ist natürlich um einiges höher. Wie hoch noch mal?
„Die dritte Plattform liegt auf 276 Metern“, hat der Pit gesagt.
Ach, dieser Angeber. Das hatte er wohl im Touristenprospekt gelesen. Aber sicher wusste er nicht, dass der Eiffelturm alle paar Jahre komplett neu angestrichen werden muss.
„Doch, etwa alle sieben Jahre und die Malerarbeiten dauern ein Jahr.“
Boah, wie ich das hasse, wenn jemand so klug daherredet.

Wir sind mit der S-Bahn gefahren und dann mit der Metro. Unterm Eiffelturm war ordentlich was los. Wollten die alle dort rauf? Da konnten wir ja ewig an der Kasse stehen.
„Geht ihr man gucken“, hat der Karlsson gesagt. „Ich bleibe so lange hier unten.“
Nanu? Der Weltumsegler warf das Handtuch?

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass ich NICHT gesagt habe: „Dem wird schlecht." Und „Ach, der ist bloß feige“ habe ich noch viel weniger gerufen. Solche Sätze sind nie gefallen. Auch hat der Lütte nicht enttäuscht geschaut und selbstverständlich nicht gefragt, ob es okay sei, wenn Hundemänner gar nicht erst versuchten, ihren Widerwillen zu überwinden, sondern einfach unten sitzen blieben. Das Wort „Memme“ ist mir nie über den Schnabel gekommen und im Gegenzug das unschöne Urteil „kotzgrüner Vollgockel“ habe ich mir keineswegs anhören müssen. Stattdessen haben alle viel Verständnis geäußert, dass ein Terrier gern die Bodenhaftung behält und dass es daher absolut in Ordnung sei, wenn der Karlsson sich so lange an der Imbissbude stärkte, während wir die Aussicht genössen.

So sieht der Eiffelturm aus, wenn man an ihm hochguckt

An der Kasse haben wir uns gar nicht erst angestellt. Es ging auch so – durch beherztes Reindrängeln in den Aufzug. Die Mädels und ich haben uns an die Haltestangen gehängt, um nicht unter die Räder zu kommen. Währenddessen standen der Pit und der Jack mit eingezogenem Schwanz hinter Touristenbeinen und -rucksäcken. Puh, war das ein Gequetsche und Geschiebe. Fast hätte man denken können, dass der Karlsson doch den besseren Part erwischt hätte.

Von der ersten Plattform hat man gut sehen können, wie viele Menschen unten noch auf Einlass warteten. Hö hö, schön blöd. Seht ihr irgendwo den Karlsson? Bestimmt war er schon längst am Mampfen. Dort am oberen Rand stehen doch Buden. Sicher hatten die Hot Dogs oder wenigstens Crêpes. Das sind französische Pfannkuchen.


Die warten alle, dass sie zum Eiffelturm rauffahren dürfen

Ganz oben auf der obersten Plattform tat es mächtig ziehen, aber der Ausblick war grandios. Paris ist von oben ziemlich weiß. Und für eine so große Stadt sieht man erstaunlich wenig Hochhäuser, jedenfalls im Stadtzentrum.
„Da unten irgendwo ist Chanel“, hat die Mia geseufzt.


Pit und ich und die schöne Aussicht

Und das da, dieses großzügige Ensemble mit dem vielen Grün heißt Trocadéro. Das ist auch noch übrig von der Weltausstellung, genau wie der Eiffelturm:

Trocadéro

Hoffentlich würde der Karlsson dort nicht hinwollen, womöglich zum Rumfläzen im Gras oder zum Buddeln. Davon hatten wir heute wahrlich schon genug Ärger. Und dann ist der Lütte auch noch mit seiner dämlichen Taucherbrille zwischen die Stäbe des Geländers geraten. Wir haben gezogen und gedrückt, nichts zu machen, der Schädel saß fest. Die Taucherbrille wollte er partout nicht hergeben, die hätte ja sonst kaputtgehen können.

„Na, dann bleib man schön hier“, habe ich gesagt. „Wir kommen morgen Abend und bringen dir 'n Käsebrot. Tschüs, schlaf gut.“
Im Fahrstuhl nach unten hat 'ne Frau gefragt, warum das arme Hundchen so weinen täte.
„Er muss jetzt ohne Taucherbrille zurechtkommen“, hat die Cora gesagt.
Ich glaube, darüber wird die Frau noch in Jahren nachdenken. Oder sie schreibt es gleich auf die Postkarte.

Apropos. Unten bei einem der zahllosen fliegenden Händler, die einem alles Mögliche anzudrehen versuchen, hat der Lütte eine Ansichtskarte gekauft. Die Mia hat ihm geholfen beim Schreiben. Ich fand, dass sie sehr gut gelungen war:


Dann kam der Karlsson zurück. Ihm hingen Brötchenkrümel in den Wadenlocken.
„Na, wie war's?“, hat er gefragt. Er war bester Laune. Kein Wunder, er war ja auch genügend angesättigt.
„Ins Restaurant gehen wir erst nach dem nächsten Programmpunkt“, hat er angeordnet.
Na schön, wohin also jetzt?
„Zur Champs-Élysée und zum Triumphbogen.“
Habt ihr's gemerkt? Der Karlsson kann perfekt diese komischen französischen Strichelchen über die Buchstaben verteilen. Das musste man ihm lassen, das ist gar nicht so einfach. Überzeugt euch selbst:


Als wir aus dem Metro-Aufgang herauskamen, haben sich die Mia und die Cora angesehen.
„Seid uns nicht böse, Jungs“, haben sie geperlt. „Aber wir gehen jetzt mal Schaufenster gucken. Ihr könnt doch sicher ein paar Minütchen auf uns verzichten.“
Und schon waren sie weg. Wir haben ihnen nachgeschaut, wie sie erst über den Bürgersteig und dann quer über die Straße geflogen sind. Die Straße ist über 70 Meter breit. Das ist viel für eine Flaniermeile.

Champs-Élysées

„Okay, die Weiber sind wir erst mal los“, habe ich gesagt. „Genießen wir den Zustand, Männer. Wenn jemand Blähungen hat, jetzt ist der richtige Zeitpunkt.“
Ich bin überzeugt, dass der natürliche und von weiblicher Intervention freie Umgang mit uns ganzen Kerlen helfen wird, dem Jack den richtigen Weg in die männliche Geschlechterrolle zu weisen. Wenn er's später anders sehen sollte, kann er ja immer noch Handarbeitslehrer werden.

Wir sind den Triumphbogen besichtigen gegangen.

Der Arc de Triomphe: bei Nacht noch mal so schön

Er steht auf einer Insel und drumherum fahren viele Autos. Ab und zu jagt eine Vespa ums Rondell – näät-näät! Es gibt aber eine Unterführung, damit man gefahrlos hinkommt. Ich fand das klug, denn es würde ja keinen guten Eindruck machen, wenn an dieser berühmten Stelle dauernd Touristen plattgefahren würden. Das wäre schlecht für den Fremdenverkehr.

Im Triumphbogen innen drinnen, also auf den Innenseiten der Säulen, kann man allerhand Interessantes besichtigen, zum Beispiel sehr schöne Muster und einen Mäanderfries.
„Mach mal 'n Bild davon, Max“, hat der Karlsson gesagt.
Er steht auf so was. Vielleicht brauchte er aber auch nur ein paar hübsche Anregungen für den nächsten Tapetenkauf. Ich hatte ohnehin den Eindruck, dass in Terrierhausen nach diesem Kurztrip anspruchsvolle Zeiten anbrechen täten.

Der Arc de Triomphe von innen

Ach ja, falls es jemand noch nicht wissen sollte: Den Triumphbogen hatte Napoleon in Auftrag gegeben – natürlich zur Selbstbeweihräucherung. Als er 1836 fertiggestellt war, lebte Napoleon allerdings schon nicht mehr. Unten drunter befindet sich das Grabmal des unbekannten Soldaten für die gefallenen Franzosen im Ersten Weltkrieg.
„Ja, wissen wir alles“, hat der Ringelplüsch gemeckert.
Blödmann. Was ließ er mich dann so lange reden?

Leider waren die Mädels nicht pünktlich zurück an unserm Treffpunkt. Wir mussten warten. Wir haben uns die Zeit vertrieben mit dem Zählen von Franzosen. Da war ich echt mal gespannt, wie sich das Zahlenverhältnis zu den Touristen ausnehmen würde, denn schließlich befanden wir uns an einer der prominentesten Pariser Sehenswürdigkeiten.
„Wie sehen Franzosen denn aus?“, hat der Lütte gefragt.
„Sie haben einen schwarzen Schnauzbart, tragen ein geringeltes T-Shirt unter der dunkelblauen Jacke und eine Baskenmütze auf dem Kopf. Unterm Arm tragen sie eine Baguettestange. Dazu schieben sie ein Fahrrad. Ihr rechter Zeigefinger ist weiß vom vielen Eintunken in den Frischkäsekessel. Dazu sagen sie: „Excellente!““

Ich fand es echt doof, dass der Pit und der Karlsson nicht mitgemacht haben. Augenrollen ist schließlich keine anspruchsvolle Alternative. Kein Wunder, dass wir keinen einzigen Franzosen zählen konnten.

Die Mia und die Cora waren puppenlustig, als wir endlich ins Restaurant gehen durften. Sie taten nach explodierter Parfümerie riechen.
„Dort würde ich mich gern mal über Nacht einschließen lassen“, hat die Mia geschwärmt.

Wir haben eine Fleischplatte bestellt. Reichlich Gemüse war auch dabei, oder ist Petersilie etwa kein Gemüse?

Zum Nachtisch hat der Karlsson sogar noch einen angezündeten Pudding spendiert. Das war echt nobel. Wir waren pappsatt. Die abgenagten Knochen sind in die Papierservietten gewandert.
„Für heute Nacht zum Knabbern im Bett“, hat der Karlsson gemeint.
O-ho! Er tat wirklich schnell lernen.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora © G.H.
          Pit und Jack © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: Terrierhausen

          Menschenschlange Eiffelturm von unten, Triumphbogen, Trocadèro, Champs-Èlysèe, Fleisch, Aussicht: Pixabay
          Arc de Triomphe innen, Straßenschild: Morguefile

© Max: Papageiengeschichten 

Der Spruch des Tages (91)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Mittwoch, 23. März 2016

Der Spruch des Tages (90)


© Max: Papageieingeschichten (Bild)

Dienstag, 22. März 2016

Der Spruch des Tages (89)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Montag, 21. März 2016

Der Spruch des Tages (88)

Bald ist es wieder so weit
© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Donnerstag, 17. März 2016

Die drei Ks: Karlsson, Kunst, Kultur (2. Teil)

Wir mussten warten, bis es zu regnen aufhörte. Es war noch heller Tag. Wir hatten keine Zeit zu verschenken. Als endlich die Sonne schien, sind wir losgezogen.

„Ich habe Hunger“, hat die Mia genölt.
„Au ja, was Französisches essen“, hat die Cora angemeldet.
„Käse klebt aber immer so an den Zähnen“, fand der Pit.
„Ich will Wurst“, hat der Karlsson gemeint.
„Ich auch“, tat der Lütte nicken.
Aha. Das war ja interessant. Erst beklagen, dass es zu Hause im Dorf keine Sushi-Bar gibt und hier dann nach Wurst verlangen. Zur Strafe wären jetzt eigentlich Muscheln, Krebse, Austern und all so 'n Wasserzeug angebracht gewesen, stattdessen sind wir in einem Straßen-Bistro eingekehrt. Die stehen in Paris an jeder Ecke. In vielen kann man nur was trinken und allenfalls einen Imbiss bestellen, andere sind komplette Restaurants. Wichtig ist, dass man draußen sitzt, oft hintereinander wie im Kino, damit man die Leute gut sieht, die vorbeikommen und die sich nicht wehren können, dass man sie von oben bis unten taxiert.

Karlsson und Pit

„Bitte eine gemischte Käseplatte für sechs Personen und eine Karaffe trockenen Rotwein“, hat die Cora zum Kellner gesagt, bevor wir überhaupt die Speisekarte zu fassen kriegten. „Das Kind bekommt eine Fanta.“

Die Cora

Übrigens stimmt es wirklich, dass der Camembert am Schnabel pappt. Der Ringelplüsch konnte nicht verstehen, dass man für Verschimmeltes Geld verlangen durfte, und der Lütte hat seine Schnauze in Mias Weinglas gesteckt und Luftblasen geblubbert, bis die Cora den Kopf schütteln tat. Später waren wir noch bei einem Marokkaner, Pizza essen auf die Faust. Und noch später, als es schon dunkel war, sind wir hierhin gegangen, allerdings nach drinnen, weil es dort wärmer war:


„Diesmal will ICH mal bestellen“, hat der Karlsson insistiert. „Schließlich ist das meine Reise und ich bezahle ja auch.“
Wir kriegten Calvados zugewiesen. Der roch nach Äpfeln. Der Lütte durfte einen Cidre probieren.
„Irgendwann muss er ja mal mit seiner Männlichkeit anfangen“, fand der Karlsson.
Der Lütte hat ihn dankbar angeschmachtet. Wir andern haben zugelangt.

Um ehrlich zu sein: Wir waren dann ganz schön angeschickert. Nur das, was der Karlsson darstellte, das bezeichnet man landläufig als … öh … sturzbesoffen. Den hatte es aus den Latschen gekippt. Das bestätigt, dass man besser langsam anfängt mit der Gewöhnung, nämlich so wie es die Cora gemacht hat über all die Jahre, bis man den Alkohol dann gut verträgt und entsprechend zulangen kann, ohne allzu peinlich aufzufallen.

Wir haben unserm schwankenden Fuselheini auf der Straße das Halsband und die Leine vom Lütten umgelegt. Der Pit hat gezogen, der Jack hat geschoben und die beiden Mädels und ich haben die Seiten abgesichert, damit das Transportgut einigermaßen gerade in der Spur lief. Gott sei Dank war es nicht weit bis zu unserm Hotel. In der Duschwanne im Badezimmer haben wir dem Karlsson ein gemütliches Nachtlager bereitet. Wir fanden, dort ruhte er stressfrei in angenehmer Nähe zu den eventuell benötigten Badinstallationen. Er hat sich sofort auf den Rücken gedreht und zu schnarchen angefangen. Damit keiner sagt, ich hätte mir das alles nur ausgedacht – hier bitte, ein Foto zum Beweis:

Karlsson. Ich würde mich nicht so fotografieren lassen

Am Morgen hat die Mia gesagt:
„Wenn mir in den nächsten drei Jahren noch mal einer kommt mit Apfelkompott oder Apfelgelee oder sonst was mit Äpfeln, dann hau ich dem eine runter.“
Dem Karlsson war nichts mehr anzumerken. Er wirkte ausgeruht und stand ordentlich frisiert im Türrahmen.
„Ist was?“, hat er gefragt.
Wahrscheinlich waren wir soeben Zeugen jener speziellen Zauberkraft geworden, die Kenner als „Terrier“ bezeichnen. Einmal schütteln – voilá – alles wieder gut.

Den Pit und den Lütten haben wir im Frühstückssaal getroffen. Als wir kamen, lag schon der fertig gepackte Proviantbeutel neben dem Teller. Der Pit ist inzwischen ein ausgewiesener Experte im Zusammenklauen an Büfetttheken. Dem Karlsson indes, noch ungeübt in der selbstbewussten Nutzung von hoteleigenem Warenangebot, hing der Unterkiefer runter bis zu den Knien. Er hatte Mühe, sich zu entscheiden.

Die Cora wollte wissen, was heute dran wäre mit Programm.
„Wir fahren nach Versaille“, hat der Karlsson verkündet.

Versaille? War das nicht dieses Riesenschloss von diesem … na … König mit den vielen römischen Zahlen im Titel?
„Ja, Lui Katorse.“
Richtig. Der Sonnenkönig.
„Wieso nennt man den eigentlich Sonnenkönig?“, hat die Mia wissen wollen.
Blöde Frage. Er hat die Solarien erfunden. Weiß man doch.

Zu unserer Pauschalreise gehörten auch verschiedene Rundfahrten mit dem Bus, die wir mitmachen konnten, wenn wir wollten. Wir wollten aber nicht, weil uns die Entdeckungstouren auf eigene Faust attraktiver erschienen. Nur bei Versaille hat der Karlsson Teilnahme verordnet.
„Wenn die da sowieso gerade hinfahren, können sie uns auch mitnehmen“, hat er gemeint.

Am Wartehäuschen vorm Schloss, wo man die Eintrittskarten kauft, hing ein Schild mit einem durchgestrichenen Hund. Wir haben uns trotzdem angestellt. Als wir dran waren, hat der Ticketmann auf den Karlsson gezeigt:
„Was ist das?“
„Das ist ein … äh … ein …“
„... Wiesel mit Dauerwelle“, bin ich dem Pit zur Hilfe gekommen.
„Und der da?“
Damit war der Jack gemeint.
„Der ist ein … ööööhm … der ist ein … ein … Hund.“

Der Karlsson hat mich angeglotzt, als wollte er mich schön handlich filetiert auf Partyspießchen fädeln, und der Lütte hat geheult.

Was war jetzt schon wieder nicht gut? Der Karlsson hatte seine Eintrittskarte, die er haben wollte, und der Lütte, okay, der musste halt mal draußen bleiben.
„Ich bleib bei dir“, hat die Cora gesagt.
„NEIN!“, hat der Jack geschrien.

Der Jack und die Mia
Nach kurzer Verhandlung ist die Mia dann bei dem Lütten geblieben. Wir andern sind das Schloss besichtigen gegangen. Die Mia hat dem Jack den Andenkenstand gezeigt, sie haben „Welcher Touristen macht das blödeste Gesicht?“ gespielt, sie haben ein Eis gegessen und der Kleine hat sogar noch einen spacig leuchtenden Halsreif und 'ne supidupi Taucherbrille bekommen. Da konnte man echt nicht meckern.

Angesichts der Bedeutung, die das historische Bauwerk in Versaille für die Franzosen hat, war es mir ein Bedürfnis, meine Bedenken auszusprechen:
„Pit, wenn du hier wieder zu popeln anfängst und das Ding fällt zusammen, dann halt dich an den Karlsson – ich bin raus aus dem Geschäft, verstanden?“
Das musste mal gesagt werden.

Erst ging's in den berühmten Spiegelsaal. Hier tat jeder Zentimeter Historie atmen. Ich wagte mich kaum zu bewegen, so ergriffen war ich.

Spiegelsaal

„Wer das wohl alles putzen muss?“, hat die Cora gemurmelt.
Wenn man in vollem Anflug, also so richtig mit Schmackes 'ne ordentliche Arschbombe auf einen dieser Glasleuchter setzt, wie das wohl scheppern täte? Das hätte mich echt mal interessiert. Aber natürlich macht man das nicht. Dafür gibt's ja Aufsichtspersonal. Das kann man ja fragen. 

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich der Ringelplüsch und der Karlsson bereits von unserer Touristengruppe entfernt. Nanu, waren plötzlich weg? Wir sind sie suchen gegangen. In einem der vielen Nebenzimmer haben wir sie gefunden. Ich traute meinen Augen nicht. Der Ringelplüsch hockte mit seinen dreckigen Straßenpfoten auf einem der teuren Sofas und das Lockenwiesel hing mit den Vorderpfoten an der Brokatgardine und schaukelte.

Pit und Karlsson: Hat man da Worte?

„Bist du bekloppt geworden? Komm da sofort runter!“, habe ich geschrien.
„Da oben liegt 'n Schokokeks. Das rieche ich“, hat der Karlsson geantwortet.
Er hat es tatsächlich geschafft, sich bis nach oben emporzurobben. Den Schokokeks hat er runtergeworfen. Abgestiegen ist er auf die gleiche Weise, nur umgekehrt. Dann hat er in aller Ruhe den Keks gefuttert.

Das durfte doch nicht wahr sein!
„Wieso? So alt war er noch gar nicht.“
Der Karlsson hat überhaupt nicht begriffen, um was es ging. Und der Pit hat daneben gesessen und sich einen abgegrinst. Der fühlte sich wohl entlastet. Aus dem Gobelin taten jetzt lappige Fäden hängen, die goldene Einfassung hing schief. Boah, das auch noch. Hoffentlich hatten die hier keine Überwachungskameras. Wir sollten zusehen, dass wir wegkamen.
„Looos! Beeilt euch!“

Draußen hinterm Schloss haben wir angehalten. Der Pit kam gemütlich hinterhergetrottet. Uff, aber keiner tat uns verfolgen. Ich glaube, das war noch mal gut gegangen.

Hach, da waren wir zufällig sogar im berühmten Schnökelgarten gelandet, der zum Ensemble gehört und den man als Tourist sowieso mal besucht haben sollte.

Das Versailler Schloss, die Cora (rechts) und ich

Ich meine, für mich war das jetzt nicht so wahnsinnig überraschend, weil wir so was in Hannover in den Herrenhäuser Gärten auch haben, nur nicht so groß. Diese Beete mit den gezirkelten Mustern waren mir wohlbekannt. Ich hatte schon oft verstecken darin gespielt. Trotzdem ist es immer wieder faszinierend, die Akkuratesse zu bewundern. Hier noch mal ein Blick in die andere Richtung:

Der Garten im Versailler Schloss

Was für eine wundervolle Arbeit. Wie viele Leute daran wohl feilten, auf den Knien rutschten, mit krummem Rücken in der Erde stocherten und buddelten, und nur damit wir unsere Freude daran hätten. Ob die wohl gut bezahlt wurden?

Halt!
Moooooment mal!
Hatte ich da nicht was gesehen?
Einmal zurück bitte.



Ha! Wusste ich's doch! Meine Augen trügen nicht. Ich war fassungslos. Wühlte der Kerl da in der königlichen Flora wie bekloppt, dass die Erde nur so wegspritzte.
Die Cora und ich sind gleich hingeflogen.
„Mensch, Karlsson, lass das! Hau ab!“, haben wir gerufen.
Immerhin, wetzen konnte er gut.

Draußen auf dem Vorplatz haben wir die Mia und den Lütten wiedergetroffen. Wir mussten aber noch auf den Pit warten. Wir haben uns vorsichtshalber hinter einen Busch gestellt, falls jemand auftauchte, um Regressansprüche zu stellen. Irgendwann kam der Ringelplüsch angelatscht. Er hatte sich durch eine Hecke gezwängt, Ginsterzweiglein klebten ihm im Fell – und er roch verdächtig nach Röstzwiebeln und Currysoße.

Mit unserm gärtnernden Lockenwiesel hatte ich auch noch ein paar Takte zu reden.
„Was hast du dir bloß dabei gedacht, Karlsson?“, habe ich gefragt.
„Wieso?“, hat er geantwortet. „Ist was passiert? Na also. Immer schön cool bleiben. Ein Terrier ist deshalb so erfolgreich, weil er sich nimmt, was ihm zusteht, und dabei völlig ruhig bleibt. Pit – gibt’s hier irgendwo 'nen Hot-Dog-Stand, du riechst so lecker. “

Der Cora ist sofort Bewunderung in die Augen geschossen. Es ist ja oft zu bemerken, dass sich ältere Frauen von den Torheiten junger Outlaws angezogen fühlen. Sie verkörpern die Leichtigkeit des Seins, die diesen Weibern verloren gegangen ist. Mir wäre allerdings lieber gewesen, wir hätten den Proviantbeutel noch gehabt, aber den hatten wir im Schloss liegen lassen. Hoffentlich setzte sich keiner drauf. Es waren Tomaten und Marmeladenbrötchen drin, soweit ich mich erinnere.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora: © G.H.
          Pit und Jack: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: © Terrierhausen

          Wein und Käse, Beete, Versaille Zimmer, Versaille Schloss, Kneipe, Spiegelsaal: Pixabay
          Straßenkafé: Morguefile
   
© Max: Papageiengeschichten        

Der Spruch des Tages (87)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Mittwoch, 16. März 2016

Der Spruch des Tages (86)

Die Mia
© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Dienstag, 15. März 2016

Der Spruch des Tages (85)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Montag, 14. März 2016

Der Spruch des Tages (84)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Donnerstag, 10. März 2016

Die drei Ks: Karlsson, Kunst, Kultur (1. Teil)

Ein Terrier hat es schwer, das habe ich inzwischen gelernt. Nie ist genug Futter da und überall stehen Beschränkungen im Weg, die der freien Entfaltung hinderlich sind. Meinem Bloggerfreund Karlsson geht es nicht anders. Er lebt zwar im grünen Schleswig-Holstein mit ordentlichen Wiesen und vielen Mähs und Muhs vor der Haustür, er hat aufmerksame Herbergsleute, die ihm Fischfrikadellen mitbringen und seine Dreckpfoten abputzen, er wird umsorgt von seiner Mitbewohnerin Polly, die – obwohl ein Mädchen – einen gewissen Spaßfaktor garantiert, doch all dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass etwas fehlt: die kulturelle Ansprache, das weltmännische Flair.

Erste Versuche, dem häuslichen Profil eine künstlerische Note zu geben

Karlsson liest noch nicht sehr lange hier mit. Aber die dramatischen Ereignisse in Zermatt, die wir wegen dem Pit erlebten, müssen etwas ihn ihm geweckt haben: die unstillbare Sehnsucht nach exotischen Sehenswürdigkeiten und den Wunsch, wenigstens einmal für kurze Zeit der Enge des heimischen Gartenzauns zu entfliehen.
„Wir haben hier nicht mal 'ne Sushi-Bar im Dorf“, hat er mich angejammert.  „Und 'n Grünewald hängt hier auch nicht in der Kirche.“

Tja, so 'n Pech aber auch. Und jetzt?

„Ich will auch mal verreisen, allein habe ich aber keine Lust.“

So … keine Lust? Doch wohl eher keine Übung, was?

„Max, kannst du nicht mitkommen? Ich bezahl auch.“

Jetzt kam ich ins Spiel

Ui, das hörte sich schon besser an. Und welches paradiesische Land gedachte der Herr zu besuchen?

„Ich will nach Paris.“

Du liebe Güte! Gleich nach Paris? Der Kerl konnte nicht mal 'n Münztelefon bedienen, wäre es da nicht besser, erst mal mit der Lüneburger Heide anzufangen oder mit dem Harz?

„Nein, ich will nach Paris.“

Das hatte ich inzwischen ebenfalls begriffen: Terrier sind stur. Aber eins musste man ihm lassen: Er lernte schnell. Bei der Vorbereitung nämlich war er strategisch vorgegangen. Mit jener kriminellen Energie, die zum Belatschern der Geldgeber – Gott sei's geklagt – notwendig ist, hatte er seinen Leuten vorgelogen, dass es sein sehnlichster Wunsch sei, einmal einen Benimmkurs zu besuchen, und zwar in der Schweiz. Warum gerade dort? Weil die schweizerischen Privatschulen die besten seien und sein Papa doch bestimmt kein Geld ausgeben möchte für geringeren Erfolg, nicht wahr? Das hatte schließlich überzeugt. In Wahrheit war es natürlich nur um die Summe gegangen, die der Karlsson sich reservieren wollte. Die Kreditkarte hatte er also schon mal ergattert.


Nun ging es noch darum, dass seine Leute ihm nicht womöglich die Kursgebühren in die Schweiz überwiesen oder ihn zum Bahnhof bringen wollten. Hier war Feingefühl gefragt. Seine Mama und sein Papa hatten ja keine Übung mit so was. Die mussten erst lernen loszulassen.
„Ich bin doch kein kleines Kind mehr“, hat der Karlsson gemeckert. „Die Fahrkarte kaufe ich selbst und bezahlen tu ich dort.“

Wie viele menschliche Tränen und pädagogische Elterndispute es insgesamt gegeben haben mag in Terrierhausen, keine Ahnung – es ist doch überall der gleiche Quark. Hauptsache, der Karlsson hatte sich losgeeist und uns hockte keine Spaßbremse im Nacken. Wir wollten schließlich Urlaub machen, keinen Kindergartenausflug.

Die Amy
Die nächste Hürde: Allein darf ich ja nicht weg, ich würde also die Mia mitnehmen müssen. Die Mia wiederum hat gesagt, ohne die Cora fährt sie nicht. Die Cora hat gemeint, nach all dem Trouble in Zermatt müsse der Pit unbedingt eine neue Chance bekommen, und der Pit hat angekündigt, dass er die Amy oder den Lütten aufgedrückt bekäme. Gott bewahre! Dann lieber den Jack. Mit der Amy fahre ich nicht nach Paris.

Dem Karlsson hat's die Sprache verschlagen. Vier Stunden war verdächtige Ruhe im Mailtransfer. Ich dachte schon, jetzt macht er einen Rückzieher.
„'ne Katze?“, hat er dann vorsichtig gefragt. „Und 'n anderer Hund?“
„Ja, wieso?“, habe ich geantwortet. „Der Pit ist 'n Kater und der Jack 'n Jungrüde, der dringend männliche Anleitung braucht. Du wirst sie mögen. Außerdem herrscht bei uns die Devise: Alle für einen, einer für alle. Wir nehmen sogar 'nen Taschenkrebs mit, falls wir mit ihm befreundet sein sollten. Hast du irgendwelche Bedenken?“
„Nein, nein“, war es ganz schnell zurückgekommen. „Ich hatte nur laut gedacht.“

Na, dann war's ja gut. Terrier hin oder her, es musste gewährleistet sein, dass wir notfalls alle in dieselbe Richtung abhauen würden. Und wegen der Mehrkosten konnte ich ihn beruhigen:
„Wir nehmen natürlich alle zusammen ein Doppelzimmer.“



Der Rest war schnell erledigt: Termin ausgemacht, allen Bescheid gesagt, Koffer gepackt. Nur vorher schnell noch eine kleine Korrektur: Der Karlsson hatte eindeutig zu viel Gepäck dabei.
„Den Pansen brauchst du nicht mitzunehmen“, habe ich gesagt. „Wir essen im Restaurant, und im Hotel gibt’s Betten. Die Rollmatte kannst du auch zu Hause lassen.“

In Hamburg am Bahnsteig haben schon der Pit und der Jack gewartet. Man hat sich schnell gefunden, war ja auch nicht sooooo schwer mit dem Erkennungszeichen „Rucksack auf dem Buckel und acht Beine.“ In Hannover haben wir die drei vom Zug abgeholt. Die Putze war begeistert von dem Neuzugang.

Die Putze
„Du bist ja 'n ganz Süßer“, hat sie den Karlsson angesülzt.
Süß! Ich glaub's ja nicht! Wann begreift die Else endlich, dass ganze Kerle nicht süß sind? Das widerspricht sich von Natur aus. 
„Ach, lass man“, hat der Karlsson mir zugeflüstert. „Meine Mama hat auch sehr geheult, als sie mich zum Bus gebracht hat. Weiber sind halt so.“

Die Cora war der Einfachheit halber zu uns gekommen, obwohl Paris von Duisburg aus gesehen in die andere Richtung liegt. Aber so hatte sie mit der Mia bereits die dringendsten Fragen der Reisegarderobe klären können, ohne dass dies auf der Fahrt nachgeholt werden musste.

Der Lütte erschien mir ein wenig verändert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Mit der Cora wollte er nicht allein im Zimmer sein, dafür tat er nun dem Karlsson an den Lippen hängen wie an einem großen Bruder. Gut so, ein wenig männliche Korrektur konnte ihm nicht schaden nach seinem Trauma durch Coras Einzelbehandlung in Las Vegas.
„Was ist denn da gewesen?“, hat sich der Karlsson erkundigt.
„Och, nix. Die Cora ist nur mit ihm venezianische Gondel gefahren und hat ihm beim Essen die Ohren ausgeputzt – mit der angespuckten Serviette.“ 

Der Pit war schweigsam wie eh und je. Als Vorbild für den Lütten hat er sowieso nie getaugt. Jetzt hatte er nur wenig Taschengeld dabei und drei Längsfalten mehr auf der Stirn. Dem war wohl zu Hause der Taifun um die Barthaare geweht. Warum bloß? Ha ha ha.

Wir hatten eine Busreise gebucht, einmal Hannover – Paris und zurück. Das Hotel war auch gleich dabei.
„Dann viel Spaß beim Aquarellmalen im Elsass“, hat die Putze uns zum Abschied zugerufen.
Wir haben gemacht, dass wir wegkamen. Bus ist immer besser als Flugzeug, wenn man den Lütten dabei hat. Im Bus braucht man keine Kotztüten. Außerdem sieht man mehr von der Landschaft.



„Tooooll!“, hat der Karlsson geschwärmt, als wir über den Rhein fuhren. „Kein Vergleich zu unsern Prilen.“
Gelle? Das ist was anderes als die rapsgeschwängerte Tellerlandschaft im holsteinischen Marschgürtel. In Belgien gibt es sogar Grünstreifen auf der Autobahn; auf denen wohnen Kaninchen. Man kann sie beim Vorbeifahren hoppeln sehen. Der Lütte hielt die Schnauze an der Fensterscheibe plattgedrückt. Es sabberte ihm ins Fell. Es war deutlich zu erkennen, dass er den Karlsson nachmachte.
„Benimm dich!“, hat die Cora geschimpft. „Hier wird nicht gejagt, auch nicht im Geiste. Wir haben Kinderstube. Wir essen das Fleisch vom Teller.“

An einer Raststätte gab's belgische Waffeln mit Vanilleeis. Ich meine, wenn wir schon mal da waren, sollten wir uns auch an die landestypische Ernährung halten, nicht wahr?




„Pansenkekse schmecken irgendwie aromatischer“, hat der Karlsson gemeint.
Und der Pit hat heimlich seine Bifi rausgeholt und in den Puderzucker gestippt. Ich wäre am liebsten gleich wieder umgekehrt. So kann ich nicht arbeiten!

In Frankreich hat's dann zu regnen angefangen. Die Tropfen taten nur so gegen die Scheiben peitschen. Die Cora hat PEZ-Bonbons im Superman-Spender verteilt.
„Da träumst du wohl von, was?“, habe ich gefragt und eisige Blicke geerntet.
Wenn's um Männer geht, ist die Cora immer sehr empfindlich.
Die Mia hatte auch noch was zu klären, und zwar mit dem Karlsson.
„Sag mal,“ hat sie vorsichtig angefangen. „Deine Locken. Nimmst du dafür 'ne Spezialspülung oder liegen die von Natur aus so flauschig an?“ 

Das blöde Gesicht von unserm holsteinischen Kringel-Flokati war wirklich klasse. Ich hatte den Eindruck, dass er jetzt erst begreifen tat, was es hieß, mit all diesen Honks unterwegs zu sein. Hatte ich es nicht immer gesagt? Die Reisetruppe war eine Zumutung. Aber selbst schuld, er hat ja unbedingt mit uns verreisen wollen. Jetzt musste er da durch.

Als die Vorstädte von Paris sichtbar wurden, sind dem Karlsson die Schlappohren erigiert. Sie standen  tütenförmig in die Höhe. Der Lütte hat's gleich nachgemacht. So sieht Vorfreude aus. Man merkt eben sofort, wer polyglotte Erfahrungen hat und wer Anfänger ist. Die Neulinge sind leicht zu beeindrucken.
„Das sind doch erst die Wohnsilos“, hat der Pit beruhigt. „Das richtige Paris kommt noch. Will noch jemand 'n Hanuta?“
Aber der Karlsson und der Lütte standen auf dem Sitz mit den Vorderpfoten an die Scheibe gelehnt und konnten sich nicht satt sehen. Ihr Geist schwebte in anderen Sphären. Die merkten nichts mehr.
„Hey, ihr latscht auf meinem Puddingplunder herum“, hat die Cora gemeckert.

So sehen typische Balkons in Paris aus: mit Gusseisengeschnörkele

Es regnete immer noch, doch die große Stadt tat uns nett einladen, so wie es sich für eine gute Gastgeberin gehört: Immer mehr alte Hausfassaden wurden sichtbar. Es dauerte aber noch ein Weilchen, bis wir angekommen waren. Gott sei Dank haben wir ein Hotelzimmer mitten in der City bekommen. Bei solchen Pauschalreisen muss man nämlich nehmen, was einem zugewiesen wird. Wir hatten echtes Glück, wir waren zentral untergebracht.


Dort lag unsere Unterkunft

Auch das Hotelzimmer war okay. Nicht luxuriös, aber ausreichend. Der Jack hat gleich die Matratze getestet.
„Geht so“, hat er gemeint.

Der Lütte

Mann, Junge. Das war doch der Schreibtischsessel. Das hier ist das Bett:


Ich fasse mal zusammen: zwei Orientierungslose, zwei Weiber, ein mundfauler Futterbeutel. Dauerregen. Dazwischen ich. Das konnte ja heiter werden. Vielleicht hätte ich doch lieber zu Hause bleiben sollen.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora: © G.H.
          Pit, Jack und Amy: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson und Polly: © Terrierhausen

         Waffel Bonn, Hotelzimmer, Landschaft, Eiffelturm: Pixabay
         Paris, Fassade: Morguefile

© Max: Papageiengeschichten