Donnerstag, 18. Februar 2016

Edeltraut – in delikater Mission (3. Teil)

Das also ist Pitomba, Pits Tochter:


„Sie sieht mir kein bisschen ähnlich“, hat der Pit gesagt.
„Die Handtasche ist schick“, hat die Mia gemeint.
„Ist ihre Mutter eine von Angora?“, wollte die Cora wissen. „Das Fell sieht göttlich seidig aus.“

Dem Kerl musste man wirklich alles aus der Nase ziehen, und danach war es immer noch nicht viel, was wir erfuhren. Die Pitomba hätte zunächst Jura studiert, hat der Pit erzählt (das wussten wir aber schon), Spezialgebiet Vaterschaftsklagen (deutsches Recht). Weil ihr das aber zu trocken gewesen sei, zu wenig kreativ, hätte sie das Studium aufgegeben und stattdessen hier in Zermatt einen Schuhladen ...

„Einen SCHUHLADEN?!“, tat die Mia kreischen.

… aufgemacht. Zermatt deshalb, weil es ein gutes Pflaster wäre, ganzjährig besucht, außerdem sehr schön. Sie könne nicht klagen, sie verdiene genug Geld, die Arbeit mache Spaß.

„Und sonst?“
„Wie … sonst?“
„Herrgott noch mal! Was für ein Typ ist sie? Hat sie was gesagt? Vorwürfe wegen ihrer Kindheit? Will sie dich wiedersehen? Bleibt ihr in Kontakt?“
Der Pit tat mich anglotzen, als wäre ich nicht ganz dicht. Dann hat er uns einen Zettel hingeschoben:
„Das hat sie mir gegeben.“


Super. 1:0 für Edeltraut. Es hatte keinen Zweck, der Pit war als Informant gänzlich ungeeignet. Wir waren müde.
„Spendier uns ein Taxi“, habe ich ihn aufgefordert.

In unserer Kofferkammer lag inzwischen eine Decke. Wir haben uns darin eingewickelt. Der Pit durfte sich zu unsern Füßen zusammenrollen. Das war gar nicht schlecht, man konnte prima seine Zehen drunterstecken. Immer wenn er aufjuchzte, sobald jemand seine Krallen bewegte, kriegte er zugeflüstert, wer bitteschön schuld daran sei, dass wir in dieser Hütte nächtigen mussten.

Na, und ein gutes, reichhaltiges Frühstück stand uns sowieso zu. Der Ringelplüsch tat säuerlich gucken.

„Hat der Pit nicht noch zwei Söhne?“, hat sich die Mia erkundigt. „Was ist denn mit denen? Trifft er die auch noch?“
Keine Ahnung. Vater Knackwurst war noch immer ungesprächig. Wir haben beschlossen, ihn schmoren zu lassen. Wenn er nicht reden wollte, dann eben nicht. Unsere Interessensschwerpunkte lagen woanders.

Erst mal sind die Mädels das Schuhgeschäft von Pitomba besichtigen gegangen. Der Pit und ich sind hintergelatscht. Reingehen durften wir aber nicht.
„Sonst denkt das Mädel noch, ihr seid meine Familie“, hat der Pit gemeckert.
Die Schuhe waren sowieso zu groß.
„Aber sehr geschmackvoll“, hat die Mia geurteilt.

Anschließend haben wir uns einen Pferdeschlitten gemietet. Der Pit dachte wohl, dass dies das kleinere Übel wäre, bevor wir auf die Idee kämen, uns intensiver an seine Pitomba zu hängen. Es ging hinaus aus der Stadt auf geschlungenen Pfaden hinein in die Natur. Die war aber größtenteils auch bloß weiß. Immerhin war es warm unter der Schaffelldecke.

Je höher wir stiegen, desto merkwürdigere Einwohner konnte man besichtigen:


Auf den Felsen turnte Hornvieh, ein schwarzer Vogel glitt durch die Luft.
„Der ist nicht so empfindlich bei etwas strengerer Kälte so wie ihr“, tat die Knackwurst lästern.
Wahrscheinlich hatte der Vogel Isolierband um die Füße, anders konnte ich mir das nicht erklären. Wer latscht schon freiwillig das ganze Jahr im Schnee herum? Kein Wunder, wenn man „Alpenkrähe“ heißt. Das sagt doch alles.

Den Berner Sennenhund hatten wir allerdings nicht auf dem Ausflug, sondern bei unserer Zimmerwirtin gesehen. Der wohnte dort. Und die Kühe waren natürlich im Stall. Im Winter dürfen Frauen draußen nicht nackt herumlaufen, sonst verkühlen sie sich den Unterleib, das ist in der Schweiz nicht anders.
„Jetzt weiß ich's wieder“, hat der Ringelplüsch aufgezeigt. „Die winterfesten Papageien, die alles andere als Mimosen sind, heißen Keas – kennt ihr welche?“

Ein Kea - Karibik geht anders

Oh-ho! Die Knackwurst tat hoch pokern. Für jemanden, der nur drei Matrosen an Bord hatte, riskierte er leichtfertig eine Meuterei. Dafür war ein gutes Mittagessen fällig. Ich plädierte für was Traditionelles.

„Käsefondue!“, hat die Mia geschrien.

Das kam gar nicht in Frage. Damit hatten wir schon mal schlechte Erfahrungen gemacht. Die neueren Leser werden es nicht wissen, aber ganz früher, als die Mia noch sehr jung war, hat sie den Coco heiraten wollen. Und warum? Weil sie Eier erwartete. Jawohl. Die Putze hat die Hände überm Kopf zusammengeschlagen: so jung, so jung, das ganze Leben verpfuscht. Und was war? Die Mia ist gar nicht schwanger gewesen, sondern das Käsefondue bei der Cora daheim hatte sich bloß zu einem Ball zusammengeklumpt und schwer im Magen gelegen. Ich hatte damals gleich gesagt, dass man beim Eierkriegen nicht so dolle Blähungen hat, da könne was nicht stimmen, aber auf mich hat ja keiner hören wollen.

„Gut, dann nehmen wir richtiges Fondue, das mit Fleisch und Gemüse“, hat der Pit entschieden.

Wir haben bis in den Nachmittag am Tisch gesessen. Er war schön warm in der Bude und niemand ist bei dem Gefuchtele mit den Spießen ernsthaft verletzt worden. 


Später waren wir noch auf einen Spaziergang in der Stadt. Irgendwo haben der Reto und der Beat für die Touristen Alphorn gespielt. Das war interessant. Okay, einen flotten Rock kann man damit zwar nicht tuten, doch die Ohren fliegen einem trotzdem ab.

Cora und Pit. Sie haben keinen Ton rausgebracht

Als wir in unser Kofferlager zurückkehrten, steckte ein Briefumschlag im Türschlitz. „Für Herrn Pit“ stand darauf. Sofort haben wir einen Kreis um den Ringelplüsch gebildet. Es half nichts, egal wohin er sich drehte, immer waren zwei Augen in Position. Diesmal würde er uns nicht entwischen.
„Zeig doch mal!“, hat die Mia ihn aufgefordert. „Ist das von deiner Familie?“
Der Pit tat seufzen. Dann riss er den Umschlag auf.

Ui, da war ja 'ne Visitenkarte drin.


Pidder ist der Älteste, nicht wahr?

„Er sieht mir gar nicht ähnlich“, hat der Pit gemeint.
„Was ist das denn, was er in der Hand hält?“
„Ein Wimpel.“
„Ja, aber was ist das Weiße da drauf?
„Zwei Heftpflaster.“
„Nein, eher ein verrutschtes Helvetia-Kreuz.“
„Quatsch, das ist Kunst.“

Wir guckten uns an. Im Begleitschreiben stand Näheres:
„Lieber Vater ...“

Er sei kurz hier gewesen, um den Pit kennenzulernen, stand geschrieben. Die Adresse hätte er von seiner Schwester bekommen. Doch leider hätte er niemanden angetroffen. Da er in Chur wohne („Wo ist das denn?“  – „Weiter oben, links.“) und dringend zurückerwartet würde, habe er leider nicht warten können.


Er wolle sich aber dennoch kurz vorstellen: Er sei freischaffender Künstler, ledig und recht gut situiert. Er wäre auch gern Frisör geworden. Zu seiner Mutter und seinen Geschwistern habe er ein inniges Verhältnis. Sein neustes Werk heiße „Rote Transzendenz“. Es werde gerade in der Galerie „Buckelwal“ in Luzern ausgestellt. Die Kritiken seien positiv. Schade, dass er nicht erfahren könne, ob er und sein Vater viele Gemeinsamkeiten hätten. Das interessiere ihn sehr. Er wünsche ihm alles Gute und hoffe, dass sich später eine Gelegenheit ergebe, das Treffen nachzuholen.

Ein Foto von der Buckelwal-Plastik lag dabei. Wir haben lange draufgestarrt.


Dann meinte der Pit:
„Nee, bei aller Liebe, ich sehe keine Gemeinsamkeiten. Das ist mir alles völlig fremd.“

Na, dann muss er wohl nach seiner Mutter kommen. Schade, denn Vater und Sohn, das ist doch was ganz Besonderes, die Wesensgleichheit nicht nur der Gene, sondern auch der Hormone. Ich sehe schwarz für die Zukunft. Die beiden werden wohl kaum etwas finden, was sie verbindet. Über was sollten sie reden, wenn sie sich tatsächlich einmal treffen würden?

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora: © G.H.
          Pit © Club der glücklichen Vierbeiner
          Kaninchen, Handtasche, Mohnfeld, Berner Sennenhund, Gämsen, Alpendohle, Kuh, Kea, Fonduetopf, Tisch, Alphörner,
          Chur, Sofa, Wimpel, Seegras: Pixabay
© Max: Papageiengeschichten 

8 Kommentare :

  1. Der Pit hat schon unser Mitgefühl, es ist nicht leicht mit den Kindern. Man wünscht sich ja eine krisensichere Existenz für die Nachkommen als Klempner oder so. Einen Klempner kann man immer im Haus gebrauchen, eine Buckelwalplastik hingegen... Na ja. Da braucht es schon mehr als ein Fondue, um einen darüber hinweg zu trösten. Obwohl euer Fondue schon sehr, sehr gut aussieht. Also denen, die gerade nicht über dem Nachwuchs verzweifeln, könnte es schon den Tag retten. Und wenn die Frauen dann noch maulen, kann man sie ja Schuhe kaufen schicken. Also, so ein Schuhgeschäft in der Verwandtschaft ist nicht unpraktisch. Wo ihr doch immer so kalte Füße habt! (In der Schweiz soll es übrigens auch sehr schicke Wollsocken geben!)
    Keas gibt es in der Schweiz gar nicht, die leben in Neuseeland und sind dort obendrein ziemlich unbeliebt, weil sie alles kaputt machen. Also gar kein Vergleich mit euch.
    Wir sind gespannt darauf, welche touristischen Highlights, Überraschungstöchter oder -söhne und landestypische Spezialitäten euch noch erwarten und ob ihr nicht doch noch mit ordentlich warmer Fußbekleidung ausgestattet nach Hause kommt.
    Liebe Grüße aus Terrierhausen

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    1. Das stimmt, den Kea gibt’s nicht in der Schweiz. Das haben wir dem Pit auch gesagt, aber er war der Meinung, dass es Vögel gibt, die nicht solche Memmen sind wie wir. Ha! Dabei sind wir die ganze Zeit barfuß gelaufen, sogar bis aufs Matterhorn hinauf. Wollsocken tragen wir nicht, weil wir uns dauernd darin verhaken. Habt ihr schon mal unsere Krallen gesehen? Ruckzuck sind Löcher drin, spätestens beim Ausziehen. Außerdem haben wir zu kurze Beine. Da machen die Mädels nicht mit. „Dann sehen wir ja aus wie Pfadfinder, Versorgungstruppe Gulaschkanone.“ Schon mal den ganzen Tag das Genöle von Weibern im Ohr gehabt?

      Ich finde, der Pit hat Glück mit seinen Kindern. Dafür, dass er sich nie um sie gekümmert hat, sind sie gut geraten, das Mädchen Geschäftsfrau, der ältere Sohn Künstler. Es gibt Leute, die behaupten, dass die Buckelwal-Plastik gewisse Ähnlichkeiten zu Pits rotem Poofkissen erkennen lässt, das ihm zu Hause reichlich genutzte Dienste erweist. Ich weiß nicht … so weit würde ich nicht gehen. Woher sollte sein Sohn ähnliche Vorlieben pflegen? Der Pit ist doch gänzlich ungeeignet zum Vererben von Genen. Er behauptet heute noch, er wäre nicht der Vater, und Edeltraut hat ihren Kindern bestimmt nichts Näheres von ihrem Fehltritt erzählt.

      In der nächsten Folge geht’s richtig los. Nur gut, dass unsere Leute hier nicht mitlesen, sonst könnte ich das alles gar nicht erzählen. Die regen sich doch immer gleich so auf. Also alle schön die Klappe halten, gelle?

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  2. Hm, was für komplizierte Themen wieder ...
    Wenn das alles so komplex wird, dann schweifen die Gedanken meiner einen Gehirnzelle schnell mal ab und ich wünsche mir, dass der Kea die Gummidichtungen aus den Autos in Zermatt pult, die Menschen mit vereinten Kräften versuchen das dreiste Federvieh von ihren Luxusschlitten fernzuhalten und ich derweil genüsslich auf dem Tisch hocken kann und im Käsetopf schlecken kann bis ein Rülpser auf den nächsten folgt.

    Aber - die Schweizer würden keine Keas dulden, da täten gleich alle Einheimischen ihre Knarre aus dem Schrank holen und drauflosfeuern - garntiert - solange bis sogar Appenzeller und Gruyère große Löcher hätten ...

    Nun ja - vielleicht kommt das ja noch, die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende.

    Die Bente

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    1. Na, die eine Gehirnzelle ist immer beim Futter, das habe ich inzwischen kapiert. Aber du hast doch noch mehr Gehirnzellen, und für die ist gar nichts kompliziert. Stell dir mal vor, wie das aussieht, wenn die ostfriesische Aristokratin die ganze Schnute voller Käsefondue hat und vor sich hin rülpst. Na-na-na, gar nicht ladylike.

      Dass die Keas weltweit so einen schlechten Ruf haben, hätte ich allerdings nicht gedacht. Die Gummidichtungen aus dem Autos pulen könnten wir auch, nur lässt man uns ja nicht ran. Das ist der einzige Unterschied. Okay, die laufen auch gut im Schnee, wir nicht so gern.

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  3. Du Max,

    ich habe die Mama gefragt ob das nun Pits Kinder sind oder nicht, daraufhin hat sie sich alles hier erstmal ganz genau durchgelesen, wurde erst blass, dann puterrot und hat gleich ihre Kreditkarte sperren lassen. Außerdem hatte sich eine ganz lange Unterredung mit dem Pit...aber ich weiß nun trotzdem noch nicht ob das Pits Kinder sind oder nicht.
    Jack

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    1. Mann, Jack, habe ich dir nicht gesagt, dass du keine Menschen hier lesen lassen sollst? Nun habt ihr den Salat. Die Tante Susanne ist aufgestachelt und dem Pit ist das Taschengeld gestrichen. Nur gut, dass diesmal nicht ich dafür verantwortlich gemacht werde. Eins würde mich trotzdem mal interessieren: Ob der Pit beim Verhör was gesagt hat. Bei uns war ja er nämlich sehr schweigsam. Deshalb weiß auch keiner, ob die Kinder vom Pit wirklich seine Kinder sind. Wir haben Ähnlichkeiten zu entdecken versucht, doch gehen die Meinungen auseinander. Ich finde schon, dass die Pitomba Pits Augen hat. Was meinst du?

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  4. Nee, das finde ich nicht und bei der Unterredung mit der Mama durfte ich nicht dabei sein. Also ich weiß nichts und wenn ich ihn drauf anspreche wird er ziemlich böse, also lass ich das lieber.
    Jack

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    1. Ja, das kenne ich. Als wir ihn darauf angesprochen hatten, ist er auch immer sauer geworden. Wir sind genauso schlau wie vorher. Vielleicht sollte mal jemand heimlich seine Zahnbürste entführen, damit wir so einen ... na ... wie heißt das noch? ... Schwangerschaftstest machen lassen können. Das ist doch kein Zustand, dauernd diese Ungewissheit.

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