Sonntag, 15. November 2015

Der Rippchen-Trip (7. Teil)

Nun ja, wenn man auf der richtigen Seite aus dem Fenster guckt, dann sieht Las Vegas gar nicht schlecht aus.

Las Vegas
Und im Dunkeln erst:

Las Vegas

Die Mia hat sofort ihre perlende Laune wiedergewonnen. Das ganze Flugzeug miefte nach „Egocentric No. 4“. Ein Wunder, dass der Pilot nicht noch auf den letzten Metern ohnmächtig geworden ist, sondern uns heil auf der Landebahn abgesetzt hat.

Eine Limousine tat schon auf uns warten. Tür auf, Tür zu. Daran kann man sich direkt gewöhnen. Der Lütte lag auf der Fußmatte. Das erschien uns sicherer, falls er doch noch was loswerden wollte; auf den Gummimatten sieht man das nicht so. Doch die Vorsicht war unbegründet. Sobald der Kleine wieder festen Boden unter den Pfoten hat, tritt nämlich jedes Mal eine beschleunigte Genesung ein (inklusive drängendem Wunsch nach neuem Mageninhalt), so dass man sich fragt, ob er einen Kippschalter unterm Fell trägt, der aus Versehen hin und her switscht, sobald er in der Luft ist und wieder unten. Besonders der Durst ist bemerkenswert.

Wir standen gerade im Hotel vor dem Schalter, um den Zimmerschlüssel entgegenzunehmen. In Las Vegas ist alles ziemlich ausufernd, mondän mit viel Gold, mit vielen Schnörkeln und allem möglichen anderen Schi Schi, da verliert man schnell den Überblick. Hinter uns hörte ich ein komisches Geräusch, so chlipp-chlipp-chlipp. Ich dachte noch, das kennst du doch? Da tat schon die Cora schreien:
„Jack! Hierher! Komm da weg! Sofort!“
Da stand der Lütte doch glatt auf dem Zimmerbrunnen in der Hotelhalle und schlabberte, was das Zeug hielt.
„Das kannst du doch nicht machen, das ist doch nur Deko“, hat die Mia geschimpft.

Jack in der Hotelhalle

Kaum waren wir wieder vollzählig, kam eine Touristengruppe vorgegelatscht. Alles blieb stehen. Auf den Pit wurde gezeugt. O-ha, habe ich gedacht, jetzt hat ihn jemand erkannt von irgendeinem internationalen Wanted-Plakat, denn die Leute schienen mir aus Asien zu stammen. Jedenfalls tat alles die Handys und die Digicams zücken und wild durcheinander brabbeln. Bestimmt täte gleich die Haussirene schrillen, der Werkschutz käme angelaufen und der Ringelplüsch würde abgeführt werden. Wie täte ich das bloß der Amy und der Tante Susanne beibringen? Ich meine, die würden ihn doch sicher zurückhaben wollen nach der Reise. Und in Nevada im Knast zu hocken für ein Verbrechen, das man im fernen Großbritannien verübt hat, das wäre mehr als ärgerlich.

Glücklicherweise stellte sich bald heraus, dass die Touris nur ein Foto von dem Pit wünschten. Er tat dumpf geradeaus glotzen, so als würde er nichts merken. Was die in Japan wohl mit dem Bild einer holsteinischen Streifengrütze wollten?

Dann kriegten wir endlich unsern Zimmerschlüssel. Die Hotelfrau hat noch gefragt, ob wir an der Abendvorstellung im Theater interessiert seien.
„Ja“, hat der Paule gesagt.
„Nö“, hab ich gesagt.
„Nur wenn Elvis singt“, hat die Cora gemeint.
„Oder Barbra Streisand“, hat die Mia hinzugefügt.

Das ging ja schon wieder gut los. Am besten wär's, wir würden uns gar nicht erst auf ein Programm einlassen, sondern allein losziehen.
„Geben Sie man unser Taschengeld her“, habe ich zu der Rezeptionstante gesagt. „Ich übernehm das schon mit der Verteilung.“

Als Erstes sind wir essen gegangen. Der Jack hatte Nachholbedarf, und Hundewinseln war das Letzte, was ich in den Ohren haben wollte. Futterpaläste gibt es in Las Vegas genug; man muss sich nur entscheiden können. Wir haben Grillfleisch mit Pommes bestellt.


Die Mia hatte dem Lütten gerade die Serviette umgebunden, da tauchten schon wieder brabbelnde Touris auf. Sie taten die Kamera auf den Pit halten. Der tat seelenruhig weitermampfen. Dann verbeugten sich die Leute (vermutlich zum Dank), gingen weiter und schauten sich an der Tür das Foto auf dem Display an.
„Was sollte das denn bedeuten?“, hat sich der Paule gewundert.

Nach dem Essen wollten wir Casinos anschauen. Las Vegas ist ja bekannt für seine Casinos und einarmigen Banditen. Das hatte man extra so gemacht, damals in den 1930er Jahren. Da hatte man in Las Vegas das Glücksspiel erlaubt, damit die Leute angereist kämen zur Ankurbelung der nicht gerade strukturstarken Region in Süd-Nevada. Das Konzept ist aufgegangen, denn bis heute ist ordentlich was los in der Stadt. Es wird viel Geld ausgegeben und viel Geld verdient.

Leider hat man uns nicht reingelassen. Erst ab 21, hieß es. Tja, darunter taten nur unsere beiden Senioren fallen, die Cora und der Paule, wir andern sind noch nicht so alt.
„Pech gehabt!“, tat die Cora trompeten. „Dann bleibt man schön draußen. WIR beide gehen jetzt spielen. Bis später.“
Und schon war sie abgerauscht, erhobenen Hauptes. Der Paule ist hinterhergedackelt.

Cora und Paule

Wir andern haben solange draußen auf der Bank gesessen. Es blieb genug Zeit, um dem Kleinen zu erklären, dass die Cora und der Paule nicht etwa, wie er vermuten tat, in karitativer Mission unterwegs waren, um sich um kriminelle Armamputierte zu kümmern, sondern dass mit einarmigen Banditen Spielautomaten gemeint waren.
„Ach so.“

Dann haben wir ein Eis gegessen.

Ich und die Mia

Dann kamen fuchtelnde Touris, um Fotos vom Pit zu machen. Dann haben wir Bildbände am Zeitschriftenkarrusell durchgeblättert. Dann kamen noch mal Touris mit Kameras. Dann hat die Mia gesagt, wenn die Cora und der Paule nicht bald zurückkämen, würde sie die beiden am Eingang ausrufen lassen.

Wir haben aber noch eine weitere halbe Stunde warten müssen, bis sie endlich angetorkelt kamen. Sie waren puppenlustig, taten sich am Arm halten und rochen nach Schnaps.
„Da seid ihr ja endlich!“, hat die Mia gefaucht.

Der Lütte tat die Augen aufreißen, der hatte mit diesem Anblick nicht gerechnet. Nur der Pit war zu beschäftigt, um an der Empörung teilzunehmen. Er hatte wieder allerlei Objektive vor der Nase – diesmal wohl koreanische. Ich hatte ihm geraten, Geld zu verlangen fürs Modellstehen, aber das scheiterte an der Verständigung. Wie der Pit es schaffte, bei all der Belagerung stoisch hocken zu bleiben und sich jede Miene zu verkneifen, das war bewundernswert. Das muss man ihm lassen.

Paule und Cora hatten nichts gewonnen im Casino, haben sie gesagt. Das war ja noch das Allerschönste. Ließen uns auf der Straße stehen, amüsierten sich, soffen Cocktails und Schampus und brachten noch nicht mal ihr Taschengeld wieder mit.

„Jetzt aber los“, habe ich gesagt. „Alle Mann aufschließen, sonst kommen wir nicht rum mit der Tour.“
Die beiden Fuselkrücken kamen in leichtem Abstand hinter uns hergegurkt. Nicht mal die Mia hatte Lust, ihrer Freundin Cora beim Umgang mit der frischen Luft behilflich zu sein. Paule hingegen hielt sich ganz gut. Der tat weniger schwanken.

Las Vegas ist berühmt für seine kuriose Architektur. Alles machen sie nach, was es schon gibt, aber auch wirklich alles. Man kann eine ägyptische Pyramide sehen ...


... oder eine Sphinx ...


… oder den Eiffelturm und den Bogen aus Paris, der auf die Schohnsilisee führt:


Gondel gefahren wie in Venedig sind wir auch:


Okay, der Weg war jetzt nicht sooo weit, mehr so im Kreis herum, aber schaukeln tat's wie im Original. Der Paule hat „O sole mio“ gesungen, weil er dachte, als männlicher Gondelinhalt müsse er das. Dem Lütten tat der Mund offen stehen. Nee, so was Schönes war ihm unbekannt von daheim in Schleswig-Holstein. Die vielen Lichter – der Wahnsinn.
„Bei uns wird abends immer die Haustürlampe ausgeschaltet, bevor wir ins Bett gehen“, hat er gesagt mit Tränen in den Augen.

Die Mia saß hinter mir auf der Bank und hat wohl gedacht, ich täte es nicht mitkriegen, dass sie heimlich mit dem Flügel winken tat wie 'ne Filmdiva beim Grüßen der Fans. Es waren ja genug Passanten unterwegs. Sie taten auch winken.

Nur das ewige Blitzen der Handykameras war dann doch recht störend. Der Pit fing jetzt langsam an, ungehalten zu werden. Seit dem Abmarsch aus dem Hotel hatte er so gut wie nichts gesagt. Er war stumm geblieben und hatte starr geradeaus geglotzt, egal wer gerade auf ihn einquasseln tat.  Jetzt waren erste Anzeichen von Nervosität zu vernehmen. Die Schwanzspitze wackelte wurmartig und die Barthaare zitterten unheilvoll. Das Gewinke von den Passanten galt dem Pit.

Die Cora hat von all dem nichts mitgekriegt, denn die hat – ich sag's nicht gern – mitten in die venezianische Lagune gespuckt. Jawohl. Der Jack und die Mia haben sie noch gerade am Schwanz festhalten und ins Boot zurückziehen können, bevor sie ganz ins Wasser geglitten wäre wie 'ne Flunder auf der Seifenbahn. Und das Schönste: Ich will nicht wissen, in wie vielen Fotoalben das jetzt verewigt ist, weil doch jeder den Pit knipsen tat, und der saß nur ein paar Zentimeter entfernt.

Ich war froh, dass wir wieder an Land waren. Der Paule hatte sich die Cora unter den Flügel geklemmt und tat sie mit sich führen. Schon kamen wieder Leute mit Handys und Digicams angerannt. Es wurde wieder auf den Pit gezeigt, es wurde wieder getuschelt und gelacht. Doch diesmal war was zu verstehen, irgendwas von „kjut“ (das ist englisch und heißt „niedlich“).

Die holsteinische Knackwurst und niedlich? Da musste wohl was falsch bei uns angekommen sein.
„Du, ich glaub, ich weiß jetzt, was hier los ist“, hat die Mia gemeint. „Die halten den Pit für einen weißen Tiger von Wilfried & Rolf, genauer gesagt für einen entlaufenden Babytiger aus der Abendshow.“

Nee, ne? Ich schmeiß mich weg. Der Ringelplüsch und 'n Showtiger. Der würde doch glatt auf der Bühne einschlafen bei seinem Temperament oder mit 'ner Wurstsemmel angehoppelt kommen, so wie der gestrickt ist. Und wo ist da weiß? Und wo Baby?

Wir sind nicht mehr dazu gekommen, die Angelegenheit auszudiskutieren, denn auf einmal war ein ordentlicher Lärm zu hören. Wir haben die Köpfe herumgeworfen. Da war der Pit am Tanzen, am Fauchen und Kratzen und Drohen und Fuchteln. Die Leute mit den Kameras sind erschrocken zurückgewichen. Junge, Junge, so in Rage habe ich den Pit noch nie erlebt. Blitze kamen aus seinen Augen und Wutwölkchen aus dem Maul.
„Haut ab, ihr Saftärsche!“, hat er geschrien. „Und kommt nie wieder, sonst ziehe ich euch die Haut in Speckstreifen. Ihr werdet mich noch kennen lernen.“

Das Psychogramm vom Pit an einem einzigen Abend in Las Vegas

Ich bin nicht sicher, ob die Asiaten verstanden haben, was er gebrüllt hat. Jedenfalls hat sich die Umlagerung augenblicklich aufgelöst und wir standen allein in einem Radius von beachtlichem Ausmaß. Nachts in Las Vegas will das was heißen.

Wir haben den Pit schnell in eine Nebenstraße gezogen, bevor der Streifenwagen kommen würde. Der kleine Jack tat irritiert gucken. So enthemmt hatte er seinen Schwarmchef noch nie erlebt. Ich hatte Befürchtung, dass er ein Trauma davontragen könnte. Die Cora kam glasig schielend hinter uns hergewatschelt. Auf die war diesmal keine Verlass für die psychologische Betreuung bedürftiger Hundejungen. Aber Gott sei Dank war Pits Anfall fast so schnell wieder vorbei, wie er gekommen war. Die Anonymität in der schummrigen Nebenstraße tat ihm gut. Das Fell tat sich wieder glatt legen, die Stimme erhielt ihre gewohnte Festigkeit zurück.

Wir sind trotzdem gleich zurück ins Hotel gelaufen. Nur kein Risiko eingehen. Wir haben uns neben den parkenden Autos langgeschlichen. Gut, dass wir das damals in Conwy auf der Flucht zum Bahnhof so gut geübt hatten. Ohne weitere Zwischenfälle sind wir in unserm Zimmer angekommen.

Die Cora ist sofort eingeschlafen. Ich habe dem Pit noch eine Postkarte geschenkt, die ich für ihn gekauft hatte. In Las Vegas gibt es viele hübsche Postkarten, sogar auf Deutsch.

„Wozu?“, hat der Pit wissen wollen.
„Damit es dich tröstet, dass DU nicht so blöd aussiehst.“
Er hat aber nur den Kopf zwischen die Kissen gesteckt und nichts gesagt. Nun ja, als Freund muss man so was auch mal auf sich beruhen lassen. Im Grunde meines Herzen weiß ich ja um seine Dankbarkeit.

Leider wurde die Nacht alles andere als angenehm. An Erholung war nicht zu denken. Die Cora und der Paule taten schnarchen, der Lütte hat gefiept und geschmatzt (der träumte), der Pit war am Grunzen und Knurren (der träumte ebenfalls) und die Mia tat noch immer nach „Egocentric No. 4“ miefen. Irgendwann bin ich aufgestanden. Ich konnte einfach kein Auge zumachen. Ich habe ein bisschen in Paules Tagebuch geblättert. Ihr werdet nicht glauben, was ich darin gefunden habe:

"Heute mit der Cora im Casino gewesen. War voll lustig. Die Cora hat an der Bar gesessen und sich vom kubanischen Barkeeper einen Cocktail nach dem andern mixen lassen. Die war breit wie 'ne ganze Fußballmannschaft. Ich habe Raclette und Black Jack gespielt. Habe ordentlich Geld gewonnen. Wie viel, verrate ich nicht, falls der Max hier wieder seinen Zinken reinstecken sollte. Jedenfalls ist es genug, dass ich meine Rebecca zu einer schönen Reise einladen kann. Vielleicht heiraten wir auch und ziehen weg. Die Mama daheim kriegt einen Kasten Pralinen XXL. Juhuu, Rebecca, Liebste, ich komme!"

Hat man da Worte? Ich bin sehr enttäuscht. Ich möchte gar nicht so reich sein. Geld macht nur unglücklich.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora und Paule: © G.H.
          Pit und Jack: © Club der glücklichen Vierbeiner

          Brunnen, Eiswaffel, Las Vegas Tag, Las Vegas Nacht, Pyramide, Sphinx: Pixabay
          Venedig, Essen, Las Vegas Eiffelturm: Morguefile

© Max: Papageiengeschichten 

2 Kommentare :

  1. Hallo Max,

    endlich komme ich wieder an den Computer, so langsam geht bei uns wieder alles in geregelten Bahnen, die Mama hat ihren Jetlag von der Aida fast überstanden...morgen muss sie wieder arbeiten, ich weiß nicht wie das gehen soll. Die hat da einfach eine Woche gefeiert und ihr Leben genossen und nun hängt sie hier rum....ich entdecke leider sehr viel Ähnlichkeit mit der Cora...vielleicht waren die versoffenen Weiber ja schon mal zusammen los? Sag mal, sing die Cora auch so komische Lieder wie : Komm hol das Lasso raus oder Scheiß drauf Urlaub ist nur einmal im Jahr?
    Wenn ja dann tut ihr mir ganz fürchterlich leid.
    Amy

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    1. Nee, Amy, solche Lieder, wo Lasso und Scheiß drin vorkommen, singt die Cora nicht. Das heißt: So genau kann ich das nicht sagen, weil sie sehr nuschelt nach dem Saufen.

      Früher war die Cora sehr solide, geradezu muttchenhaft vertrocknet. Das war noch in der Zeit, als ihr inzwischen verstorbener Stangengenosse Coco tief ins Glas geschaut hatte. Seitdem er nicht mehr da ist, lebt der Paule bei ihr und der ist zwar auch reichlich durchgeknallt, aber eigentlich kein Alkoholiker. Mir kommt es so vor, als müsse die Cora eine Lücke ausfüllen, wenn sie jetzt ordentlich Schnaps bechert. Das macht sie aber fast nur auf Reisen. Zu Hause gäbe es Ärger.

      Ich glaube, deine Mama ist da von anderen Motiven geleitet, kann das sein? Ich meine, wenn sie so nett ist und euch extra weit aus dem Weg geht, ganz bewusst ein Schiff besteigt und wegfährt, damit niemand von euch Zeuge ihrer Zechtouren werden muss, dann ist das doch sehr rücksichtsvoll. Geht es ihr inzwischen besser, oder müsst ihr noch kalte Waschlappen auflegen und Rollmöpse servieren?

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