Sonntag, 23. November 2014

Die große Sause (8. Teil)

Am nächsten Morgen beim Frühstück hat die Cora die Kanne Earl Grey allein ausgesoffen. So 'n Durst, so 'n Durst. Tja, Guinness macht halt 'nen trockenen Schnabel, zumindest wenn man zu viel davon trinkt.
„Hab ich nicht“, tat die Cora behaupten. „Ich war nicht besoffen, ich hab nur weich liegen wollen. Der Pit ist soooo kuschelig.“
Das konnte die fränkische Ökogurke natürlich nicht auf sich sitzen lassen:
„Aber Coralein, wie kannst du so so was behaupten? Bin ich dir nicht mehr genug?“, hat der Grunzer gejault.
Und der Pit war der Meinung, dass man seinen Wert als vollwertigen Kater nicht so schnöde auf sein Äußeres reduzieren dürfe. Er hätte mehr zu bieten als ein flauschiges Fell.
„So? Was denn zum Beispiel?“, habe ich gefragt.
„Na, Bescheidenheit, Verantwortung, Weitsicht, Bildung – und gutes Benehmen.“
Oh, Hilfe! Dann hatten wir ja den falschen Kater gerettet. Der Pit, den ich kenne, ist ganz anders.


Ich will die dusselige Knackwurst zurück! Die bin ich gewohnt! Die vermiss ich! Geh zurück, wo du herkommst, du falscher Geist!

Da hat der Ringelplüsch für den Rest des Vormittags nicht mehr mit mir geredet. Meine Würstchen hat er auch mit der Pfote vom Teller gerollt und auf seinem gestapelt. Und dann hat er noch zum Harald gesagt, wenn ich jetzt irgendwie aufmucken täte, würde er einen Totenkopf ins Porridge ritzen. Er wäre gerade nicht ausreichend gelaunt für dämlichen Humor. Dafür hätte es zu sehr gezogen in der blöden Burg.

Okay, vielleicht würden wir uns darauf einigen können, dass wir alle ein bisschen Erholung gebrauchen konnten. Die letzten Tagen waren doch ein wenig stressig.
„Au ja!“, tat die Mia schreien. „Wir fahren baden, an den Strand.“
„Jaaa … nach Blackpool“, hat die Cora nachgelegt.
Von neuen Bikinis war die Rede, die man sich extra angeschafft habe, und vom Sonnenspray „Birdy Summer“ mit Lichtschutzfaktor 200 und Anti-Klebeformel, besonders für die feinen Federchen an Bein und Po.
„Arschteuer bei Houglas.“

Dagegen war natürlich nicht anzukommen. Gegen solche Argumente versagt männliche Hirnleistung.
„Na schön, fahren wir eben nach Blackpool.“

Die Fahrt dauerte nicht lange. Die Verbindung mit dem Zug ist gut, denn nicht umsonst genießt Blackpool den Ruf einer nationalen Badewanne. Früher mal exklusives Strandbad gewesen mit flanierenden Damen in Rüschenkleidern und Sonnenschirm, heute eine Art Vergnügungspark, aber mit einem noch immer großzügigen Strand, der viel aufnehmen kann an lagerndem Volk. Falls gerade Ebbe ist, hat man noch mehr Platz.

Als wir ankamen, war der Himmel bedeckt. Es fing sogar zu dröppeln an. Wir standen gerade an der Straßenbahnhaltestelle. Dann wurde es immer mehr, und schließlich hockten wir alle unterm Stockschirm vom Frischkäse, während rundherum das Wasser nur so auf den Boden klatschte. Das war das erste Mal, seit wir den Fuß auf britischen Boden gesetzt hatten; das muss man fairerweise dazusagen. Nur leider ließen sich die Weiber nicht davon beeindrucken. Die waren stinkig und das zeigten sie auch.
„Wenn ihr jetzt auch noch so rummufft wie die Knackwurst, dann könnt ihr alle zusammen am Bahnhof bleiben“, habe ich gewarnt. 

Shit weather
„Siehste? Erst habt ihr alle über mich gelacht und jetzt seid ihr froh, dass ich den Schirm dabei habe“, hat der Harald unbedingt anbringen müssen.
Der Grunzer hatte auch was zu melden:
„Du, Pit, dein Schnarchkissen zieht Wasser.“
Die Cora war der Meinung, dass das zu verhindern gewesen wäre, wenn der Pit zu Hause das Schnarchkissen mit Zeltspray imprägniert hätte. Das fand die Mia nun wieder überhaupt nicht, denn sie meinte, dann wäre das ja kein Schnarchkissen mehr, sondern ein Schlauchboot. Währenddessen hat der Pit unbeeindruckt seinen Rucksack aufgezogen, hat eine durchsichtige Plastikplane rausgeholt und seelenruhig alles ums Schnarchkissen gewickelt. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre mal eben Zigaretten holen gegangen und nie wiedergekehrt.

Boah, was für 'n bekloppter Haufen. Ich tat mich plötzlich müde fühlen, so richtig total müde.

Doppeldeckerstraßenbahnen
Okay, in der Straßenbahn war's ja wieder trocken. Wir stiegen die Stufen hoch. Jawohl, die Stufen, denn das ist das Besondere an Blackpool. Dort gibt es Doppeldeckerstraßenbahnen. Es sind die einzigen in ganz Europa, glaube ich. Man hat eine prima Aussicht von dort oben. Wie der Ringelplüsch seinen Trolli die Treppe hochgekriegt hat, weiß ich allerdings nicht. Ich habe gesagt, der Harald soll sich neben ihn setzen. So schnell gebe ich nicht auf gegen Katzenallergien jeglicher Art; das bin ich meinem weichen Herzen schuldig. Gnihihi.

Blackpool hat am Strand mehrere Piers. Das sind so Stege, die weit raus ins Meer ragen. Sie sind ordentlich breit und mehrheitlich mit Freizeit und  gastronomischen Behausungen belegt. Außerdem gibt es Karussells im Vergnügungspark – hier auf dem Foto zu sehen als Riesenrad. 

Grunzer und Cora mit dem Seebad Blackpool bei Ebbe

Als wir ausstiegen, hatte es aufgehört zu regnen. Der Himmel war auch wieder etwas blau und der Strand erfreute durch angenehme Leere. Den knatschigen Weibern hat das aber noch immer nicht gefallen, weil sie sich partout aufs Sonnenbaden versteifen wollten. Wir sind erst mal das Gepäck unterstellen gegangen. Trotz Feriensaison war es nicht schwer, ein Hotelzimmer zu kriegen, sofern man ordentlich was springen ließ. Der Pit hat im Bad zum Trocknen sein Schnarchkissen über die Badewanne gebreitet. Ich habe gerade noch einschreiten können, dass die Cora ihm das Ding nicht noch trocken fönen tat. Manchmal hatte ich den Eindruck, das Stollenputchen wandelte auf verbotenen Pfaden, so wie sie dem Pit neuerdings Annäherung schenkte. Jedenfalls tat der Grunzer missmutig gucken. Oder waren ihm nur die Reiswaffeln feucht geworden?

Als Nächstes ging's zum Karussellfahren. Nur nicht unterkriegen lassen von hinderlichem Wetter und zickigen Mitreisenden.
„Hopp-hopp, die Herrschaften, ein bisschen mehr Tempo, bitte.“
Wir sind Achterbahn gefahren, Autoscooter und Wilde Maus. Ins Kettenkarussell hat der Frischkäse nicht gedurft, weil dort keine Gurte vorhanden sind und die Leute Angst hatten, der Schwan täte ihnen um die Ohren fliegen –  als ganzes Stück, meine ich. Wir andern haben uns an den Stangen festgehalten. Krallen sind dafür besser geeignet als Schwimmlappen. 

Grunzer und Harald

Cora und ich

In der Geisterbahn hat die Mia gequiekt wie nicht ganz dicht. Als sie rauskam, hat sie mit dem Gesicht beim Grunzer unterm Flügel geklebt. Die Cora tat sie anglotzen, dass ich schon dachte, gleich würde die Mia zu 'nen Häufchen Dürrfleisch zusammenschrumpeln. Ich habe schnell 'ne Portion Pommes spendiert, um der weiblichen Lawa 'nen Korken aufzudrücken. Vielleicht täte es ja noch ein bisschen halten.

Gott sei Dank klarte es sehr schnell auf. Plötzlich war die Sonne da. Mir wurde warm neben dem Frittenöl. Die Weiber kriegten erst das Juchzen, dann das Rennen. Im Galopp ging's zurück zum Gepäck. Mit Beach-Ausrüstung und den geklauten Hotelhandtüchern waren sie wieder da. Wir machten uns auf den Weg. Ein stilles Plätzchen sollte es sein, das hatte ich mir ausgebeten. Doch gar nicht so einfach bei all den Leuten, die genau wie wir aus dem Nichts geschwappt kamen, aber mehrheitlich schon den Strand gekapert hatten.
„Wie lange müssen wir denn noch laufen?“, tat die Cora meckern.
Der Harald trug an den Henkeln sämtliche Taschen und Beutel um den Hals.

Ah, endlich wurde die Belegung dünner. Zwischen den Hingestreckten tat sich zunehmend helle Farbe zeigen. Das war der Strand. Und dann stockte mir plötzlich der Atem. Hatte ich Fata Morgana oder war das wirklich – wow! – der … der … der da saß? Die andern standen auch wie angewurzelt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Mia hatte sich als Erste wieder ein. Wie 'ne Rakete ist sie durch den Sand gestampft, direkt auf ihn zu. Wahrscheinlich wird man so furchtlos, wenn man oft genug Oscarverleihung guckt.
„Kann ich ein Autogramm haben, Mister Frosch?“, habe ich es flöten hören.


Dann hat die Mia ihm 'nen Kassenbon hingehalten und 'nen Stift und der Hollywoodstar hat seine Unterschrift draufgekritzelt. Anschließend wurde gewinkt von der Mia, so wie 'ne Königin den Untertanen Huld spenden tut; daraufhin haben wir andern uns ebenfalls in Bewegung gesetzt, bis wir stumm dem Frosch in der Sonne standen. Lange sind wir aber nicht geblieben, schließlich wissen wir, was sich gehört. Solche VIPs wollen auch mal unter sich sein. Wir haben nur noch erfahren, dass der Frosch auf Urlaub war, genau wie wir, und, nein, Miss Piggy wäre nicht mitgekommen und auch nicht der dänische Koch und nicht die große Kasserolle.

In schicklichem Abstand haben wir uns nebenan in den Sand gesetzt. Ruckzuck hatten die Mädels ihre Bikinis an. Vielleicht dachten sie, Hollywood würde rübergucken, aber da wurde nur stur aufs Wasser geschaut. Obwohl ich zugeben muss, dass es mich schon interessieren tat, ob man bei Oscars mehr auf große Oberweite steht oder auf Körbchengröße „Fliegenschiss“. Wir hatten mit der Cora und der Mia beides zu bieten. 

Alle mal raten: Wer ist wer?

Mit Bademode hatten wir Jungs natürlich nichts am Hut. Echte Männer sind allein mit Sonnenbrillen perfekt gekleidet.


Ansonsten hatte jeder gut zu tun, je nach Geschmack und Vermögen. Die Weiber haben in der Sonne geschmort, der Harald war im Meer schwimmen, der Pit hat im Schatten unterm Stockschirm Zeitung gelesen (warum bloß?), und ich habe mit dem Grunzer Burg Conwy nachgebaut:


Fast hätten wir nicht gemerkt, als es Abend wurde. Der Frosch war schon weg und auch wir kriegten allmählich Hunger. Im Hotel dann kurz frisch machen: Sonnenöl bzw. Salzwasser aus dem Gefieder waschen, Sand ausschütteln (Grunzer), Deo auftragen (die Mädels), Parfüm auflegen (Mia) und die Barthaare in Form ziehen (Pit). Die Sonne verschwand gerade hinter den Wolken, als wir am Pier ankamen. Das Licht war grandios.
„Stell dich mal dazu, du bist farblich so schön passend“, habe ich zum Ringelplüsch gesagt.
Tolles Bild geworden, nicht?

Auf dem Pier

Gegessen haben wir woanders, in einem Straßenrestaurant.

Grunzer, Mia, Harald

Es gab Gemüselasagne mit Spinat. Die grünen Sprenkel am Harald hat die Mia mit Spucke weggekriegt.


Später waren wir in einer Disco. Ein Pub kam nicht in Frage, auf gar keinen Fall. Ich hatte die Faxen dicke, und die Cora hatte außerdem versprechen müssen, dass sie kein Guinness trinkt. So sind es Cocktails geworden. 

Disco-Nahrung: Cora und Grunzer

Ich habe auch einen Cocktail probiert. Gefahr tat nicht bestehen, weil so gut wie kein Alkohol drin war. Das hätte ich sonst geschmeckt. Später hat der Pit gesagt, es wäre eine Supernacht gewesen. Er hätte erst total viel getanzt und dann mit ihm hier an der Bar gesessen: 

Man täte echt leicht mit den Leuten ins Gespräch kommen, egal ob man sich kennt oder nicht, Hauptsache, man hat Interessantes zu berichten. Er für seinen Teil hätte von Holstein erzählt, vom Leben zwischen Rapsfeldern und Ostessekieseln. Schade nur, dass ich so gar nichts mitgekriegt hätte von alledem. Es wäre wirklich die totale Highlight-Disco gewesen. Aber ich wäre ja lieber sternhagelvoll auf dem Klo liegen geblieben, mitten auf den Papiertüchern, untergeschoben von ihm und dem Grunzer, und hätte geschnarcht wie 'n Sägewerk – bis sie mich aufgeladen und ins Hotel geschleppt hätten.

Die Cora und die Mia taten das Gleiche behaupten, der Harald ebenfalls. Ich kann das nicht glauben. Es sind K.o-Tropfen im Spinat gewesen, hundert Pro. Anders kann ich mir das nicht erklären. Man wird doch nicht besoffen von so 'n bisschen Fruchtsaft.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora © G.H.
         Grunzer © U.W.
         Pit © Club der glücklichen Vierbeiner
         Frühstück, Landkarte, Straße im Regen, Doppeldeckerstraßenbahn, Blackpool Strand, Kermit, Hintergrund Strand,
         Cocktail, Wachsfigur, Brotkorb: Pixabay
         Achterbahn, Karussell, Schwan 1, Schwan 2, Strand, Blackpool Pier, Restaurant, Lasagne: Morguefile

© Max: Papageiengeschichten

4 Kommentare :

  1. Potzblitz, da habe ich ja so allerhand verpasst - besonders die Leckereien :-)
    einiges andere wäre mir vielleicht etwas peinlich gewesen - ich bin ja so ein harmoniesüchtiges Landei - aber wer weiß, vielleicht hätte ich auch die nachteiligsten Nachteile die man jemals bei einem Airedale gesehen hat aus dem tiefsten Keller herausgeholt und mit dir lieber Max so richtig einen drauf gemacht - wir werden es nun nicht zu wissen bekommen ... Deine Bente

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  2. Weißt du, Bente, manchmal muss man einfach tun. Nicht viel überlegen, sondern über seinen Schatten springen und was Neues wagen. Vielleicht wärst du (Landei) genau die Richtige für unsere Reisen. Harmoniesüchtig bin ich nämlich auch - wirklich. ;-), Und gut zu futtern gibt's bei uns immer. Lieber mal schlecht auf der Stange sitzen als an der Lasagne zu sparen. Das ist mein Motto und davon weiche ich nicht ab.

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  3. Puhh, ich habe es geschafft, alles gelesen, was ich so versäumt habe.

    MannMannMann, am Anfang war ich ja meganeidisch, nicht dabei sein zu dürfen, aber jetzt - ähmmm, also was da los war, das wäre mir ja doch zu viel.
    In meinem Alter, fast mit Krückstock ;-)))
    Max Max Max, Hut ab vor deiner Constanze, ähh, sorry, Contenanze, oder so.

    Ich bin ja so gespannt, wie es weitergeht und wie du das alles aushältst.
    Hoffentlich kommst du wohlbehalten zurück *ganzbesorgtguck*.

    Dein Angus

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  4. Danke, Angus, dass du dich so lieb nach mir erkundigst. Es ist sonst nicht weit verbreitet, dass man auch mal an meine Nerven denkt, an meinen Rücken und an meine Belastbarkeit. Du bist ein wahrer Freund. *schluchz*

    Ja, man braucht schon viel Kraft, wenn man mit den beiden Elsen unterwegs ist. Und die Jungs sind auch nicht besser. Eins kann ich dir aber schon verraten: Heil sind wir alle zurückgekommen. Nur was ich zwischendrin alles aushalten musste, uiuiui, damit bin ich ja noch gar nicht durch. Wir haben ja erst eine Reisewoche hinter uns. Danach werde ich erst mal Urlaub brauchen.

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