Mittwoch, 30. Mai 2012

Für die allerbravsten Vögel der Welt

... hat unsere Putze heute zu uns gesagt.

Das ist die Putze:

Ich habe leider gerade kein aktuelles Alltagsbild zur Hand, deshalb habe ich ihr Passbild genommen. Genauer gesagt ist es jenes Foto, das auf die neue Chipkarte von der Krankenkasse soll. Die Putze meint, es täte wichtig sein, dass man in der Arztpraxis einen sympathischen Eindruck hinterlässt. Vielleicht bekäme man dann mal ein Salbenpröbchen geschenkt oder ein Brillenputztuch mit dem Logo der Abführtabletten drauf.

Spendiert hat sie uns erst idiotisches Begeisterungsgequietsche, dann Patschhändchengeklatsche und schließlich dies hier, einen Leckerli-Teller:


Eigentlich ist es mehr was für die Mia. Die mag so was. Mir gehen Nüsschen-Potbourri und Dörrobst gepflegt am Schwanz vorbei, aber als höfliches Schwarmmitglied lass ich mich natürlich wenigstens dazu herab, angewidert den Schnabel abzuwenden.

Wofür haben wir das bekommen? Für unser mustergültiges Verhalten. Jaawohl. Putze war heute Nachmittag nämlich weg. In der Zwischenzeit waren wir eingesperrt. Wir müssen immer in die Voliere, wenn niemand daheim ist. Es heißt, wir täten sonst spazieren gehen und womöglich was kaputtmachen, Kabel annagen oder den Reißverschluss aus dem Sofakissen pulen. Ha! Von wegen. Schande über das übeldenkende Mutterherz. Wir sind so was von brav, über uns könnte man Anstaltsfibeln schreiben.

Nach drei Stunden kommt Muttern zurück. Sie schließt die Tür auf, ruft wie immer beim Schuheausziehen "Na, ihr beiden? Bin wieder daaa-aaa!" (Boah nee, hätten wir glatt überhört). Wie gewohnt antworten wir nicht, sondern bleiben stur hocken und glotzen nur eindringlich in Richtung Tür. Putze kommt ins Zimmer, stutzt ... oh! Die Käfigtür steht ja offen. Die hatte sie vergessen zuzumachen. O-Gott-o-Gott. Chaos! Zerstörung! Verderben! (Sie gafft im Zimmer herum). Nö, ist alles noch an seinem Platz, alles heil (aufatmen). Nächster Prüfblick: Wo leuchten zwei grüne Flecken? Ah da. (In der antrazitfarbenen Voliere muss Frau Blindnuss öfter mal suchen, bevor sie uns gefunden hat ... hihi). Wir sitzen in der oberen Etage, und zwar ganz  hinten am Volierenende in Richtung Fenster.

Volierentür, so wie die Putze sie vorgefunden hat

Wir rühren uns noch immer nicht. Putze absolviert einen kleinen Fußmasch, bis sie eine kommunikationsfreundliche Stelle erreicht hat. Dort an der Stirnseite am Gitter befindet sich eine kleine Klappe. Meist bewältigen wir dort hindurch unseren täglichen Transitverkehr, wenn wir ins Freie wollen. Diese Klappe ist geschlossen. Frau Blindnuss hatte sie also vorm Weggehen in den ordnungsgemäßen Knastmodus versetzt. Jetzt macht sie sie auf. Jooo ... endlich Freiheit! Die Mia schüttelt als erste die Frisur aus und macht sich auf den Weg.

Mia auf dem Volierendach

Dann folge ich.


Erst mal die Lage sondieren ...


... das Dach entern ...


 ... Platz nehmen.

Frau Putzenblindnuss ist entzückt. Nein, dass wir das machen täten! Auf sie warten, bis sie uns ganz offiziell rauslasse! Ohne unbefugt das günstige Schlupfloch zu nutzen. Wir wären ja so was von ... hach ... (hier machte sie Anstalten, mich ... böh ... abzuschmatzen). Artig zum Abwinken, vorbildlich ohne Ende. Sie wär ja so wahnsinnig stolz auf uns.

Ja-ja, nu krieg dich wieder ein. Die Mia hatte sich gerade frisch die Bikinizone gezupft und mir tat der Bauch weh von den 12 Geleebananen vom Mittag. Wir waren ganz froh, dass wir mal unsere Ruhe hatten. Außerdem wird es bestimmt noch ein paar Wochen dauern, bis die Putze die beiden Matschfalter vermisst. Wir sagen ihr einfach, sie wären zur Kur nach Bad Pyrmont gefahren.

Ach, noch was. Da wir schon mal dabei sind: Findet ihr dies Foto schöner für den Putzenausweis? Oder ist doch das ursprüngliche besser?


© Max: Papageiengeschichten

Sonntag, 27. Mai 2012

Rätsel 75

Huhu. Schöne Pfingsten euch allen. Vielleicht hat ja jemand Lust, zwischen Frühstück und Sonntagsbraten ein wenig zu rätseln? Bitte sehr:


Wenn jetzt jemand sagt, das sind Fenster, Gardine, Blumen und irgendwas Hellbraunes, das sich in einer Fläche spiegelt, dann ist das zu wenig für die Antwort. 

Sonntag, 20. Mai 2012

Rätsel 74

An so einem schönen sonnigen Mittag macht das Rätseln doppelt Spaß, nicht wahr?

Was ist das?


Als Tipp gebe ich: Metall und silberfarben.

Mittwoch, 16. Mai 2012

Edeltraud - ein Frühlingsmärchen

Liebe ist die Pest. Warum besingt das nicht mal einer? In jedem Schlager wird das tolle Gefühl bejubelt, das einen angeblich befällt, wenn man sich gerade frisch verliebt, aber was die unschuldige Umgebung auszuhalten hat, die dann ungefragt in diesen Strudel der Verblödung hineingerissen wird, darüber verliert niemand ein Wort. Haben wir Freunde, wir Familie keine Rechte, keine Gefühle? Ist es statthaft, dass man uns die Amor-umsäuselten Ausdünstungen seiner Lieben so gnadenlos um Verstand und Geduld haut, dass man sich schon wünscht, die Turteltäubchen mögen um Gottes Willen nach Alaska auswandern, aber ganz fix, die Flugkarte wird bezahlt, Hauptsache sie kommen so schnell nicht wieder?

Ich weiß, wovon ich rede. Allein die Mia – ein Sumpf der amourösen Entgleisungen. Erst mit dem Coco verlobt, dieser Saufknolle, jetzt mit ihrem schwimmenden Frischkäse zusammen. Von Fusel-Atem zu Plattfuß sozusagen. Dazwischen Großpackungen vollgeheulter Taschentücher und an die Wand gepfefferte Freundschaftsringe. Die Kerle, die sich meine Freunde nennen, kriegen's auch nicht viel besser hin. Der Ökogurkensepp aus Franken, der Grunzer, baggert erfolglos die Cora an, und der Paule würde am liebsten gleich eine ganze Schulklasse niedlicher Wombat-Mädchen an seine keuchende Brust krallen.

Moralischen Halt gaben mir bisher jene wenigen Kumpels, die sich diesem Wahnsinn bewusst entgegenstellten. Ganz vorneweg mein lieber Freund Pit, die holsteinische Ringelsocke. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass auch dieser resistente und charismatische Kater einmal  einknicken könnte. Er war mein Vorbild an männlicher Widerstandskraft. Und doch ist es so. Er ist dem Weiberdunst verfallen. Leb wohl, gute alte männliche Souveränität.

Ihr erinnert euch doch an Edeltraud? An Edeltraud aus Davos, die Professorin für Quantenphysik? Das ist sie:

Ich hatte sie euch kürzlich vorgestellt als Kandidatin aus Paules schmierigem Adressbuch. Das war, wie ich heute weiß, ein Fehler, denn das Schicksal klemmte sich hinten dran. Der Pit hatte nämlich hier mitgelesen. Gleich darauf wurde ich kontaktiert: Ob er die Telefonnummer von der heißen Braut haben könne, er wolle sich den Feger mal genauer anschauen. Natürlich hatte ich den Paule erst um Erlaubnis gefragt, bevor ich Privates weiterreiche. Doch ihm war die Edeltraud sowieso schon ziemlich egal geworden, nachdem es zu Verstimmungen gekommen war, weil der Paule Quantenphysik für die schweizerische Umschreibung für orthopädisches Schuhhandwerk gehalten hatte. Außerdem wird ihm in Seilbahnen immer schlecht. Er hat's lieber platt. 

So kriegte der Pit freie Fahrt. Fotos wurden gemailt, Schleimereien getauscht. Es muss Irrtum auf den ersten Blick gewesen sein, denn beide gaben sich fortan die größte Mühe, dieses Versprechen auch ja einzuhalten.

Es dauerte nicht mal zwei Tage, dann war die Edeltraud schon auf dem Weg nach Schleswig-Holstein. Pits Oma und Opa haben sie in Hamburg am Bahnhof abgeholt. Gut, dass sie zufällig den Pferdeanhänger von Amani dabei hatten. Der erwies sich als sehr nützlich.


Daheim im neuen Landsitz – ist er nicht großartig? – wurde erst mal eine Riesenparty veranstaltet, als Willkommensgruß. Man ist schließlich ein fröhlicher Haufen und zeigt es gern. Der Gast sollte sich wie zu Hause fühlen. 


Zimmer wurden dekoriert, die Stereo-Anlage hereingeschoben, eine Disco-Kugel aufgehängt, beim Bauern ein griechisches Büfett geordert. Bis spät in die Nacht hat man gegrölt und gehottet. Die Theo-Lingen-Parodie von Luke muss der Brüller gewesen sein. Amy hat eine Break-Dance-Nummer aufgeführt, so gekonnt, dass einem die gegrillte Aubergine vor Staunen in der Hand fettig werden konnte. Über der Maibowle sind sich auch Pit und Edeltraud näher gekommen. Von niedlichen Barthaaren war zu vernehmen bzw. von männlichen Tigerhüften (gniiie...). Dabei ist dem Pit der Senf auf die Pfoten gekleckert. Meine Empfehlung bei weißen Frotteepuschen: Mayo nehmen; die sickert rückstandsfrei weg.

Ausgelassene Stimmungskanonen: Luke und Edeltraud
Woher ich das alles weiß? Ganz einfach – es gibt doch Spione? Man nennt ihn auch den Martin Hari unter den Landpetzen. Die Fotos stammen ebenfalls von ihm, abzüglich desjenigen, auf dem er selbst drauf ist, versteht sich. Aus Gründen der Tarnung sind die Fotos nur verzerrt wiedergegeben. Herr Hari möchte nicht juristisch belangt werden.

Natürlich bot das gemeinsame Wochenende auch genügend Raum für intime Zweisamkeit. Der Pit und die Edeltraud haben lange und intensive Gespräche geführt, zum Beispiel über die Relativitätstheorie, über Weißkohlanbau, über die Frage, ob in unsern Zeiten die Mäusejagd noch gesellschaftsfähig sei und wie man als aufgeklärte Eltern zu Zahnspangen beim Kaninchennachwuchs steht. Manchmal haben sie gemeinsam diskutiert ...


… andere Male der Pit allein.


„Die redet so wolkig“, tat mein Freund am Telefon jammern.
„Der ist so ländlich“, hieß es per Mail.

Immerhin hat sich der Pit am zweiten Abend zu einem Candle-Light-Dinner hinreißen lassen. Gekocht hat er selbst. Es gab Cäsar-Döschen an Karottenstäbchen und als Nachtisch Butterkekse. Vom Falschen Hasen hatten ihn die weiblichen Mitbewohner abgehalten. Das wäre pietätlos, hatten sie gemeint.
„Wieso?“, hatte der Pit gesagt. „Ich leg doch gar keine Mokkabohnen als Köttel oben drauf.“


Ob diese humoristische Einstellung zur Erweichung restlicher Widerstände hilfreich war, wissen wir leider nicht, denn hier hat mein Informant versagt. Er reicht nämlich nicht mit dem Auge ans Schlüsselloch. Zwar ließ sich dieses Problem alsbald beheben mit Amy als Untergrund, doch fehlen die akustischen Beweise, da Herr Hari nicht gleichzeitig sein Ohr auf den Trichter drücken kann und sein Auge dazu. Wir wissen nur, dass am nächsten Morgen dieses Foto entstand:


Ist es nicht zauberhaft? Die Liebenden, wie sie hoffnungsfroh in die Zukunft blicken, der gemeinsamen Wesensgleichheit gewiss, entrückt im Mysterium der fließenden Gefühle und eins im Kosmos der Unendlichkeit, so wie es nur den wirklich selbstlos Glücklichen vorbehalten ist.

„Die frisst nur Grünzeug“, hieß es am Handy.
„Der grapscht mit der Pfote in die Leberwurst“, stand in der Mail.

Eine klitzekleine Unstimmigkeit gab es allerdings bei der Freizeitgestaltung. Während der Pit lieber Indoor-Beschäftigungen nachgeht, zumindest tagsüber, sieht Edeltraud ihre Erfüllung in Wind und Wetter, gern auch mal mit dem Ziel einer ordentlichen Schweißproduktion. Dass in diesem Zusammenhang der Satz gefallen sein soll: „Dann lasst die olle Bergziege doch loskraxeln“, kann ich nicht mit Sicherheit bestätigen. Vielleicht hatte ich mich nur verhört. Jedenfalls hat die Amy dann die Fremdenführung übernommen.

Amy
Schleswig-Holstein ist ja uraltes Kulturland. Wie man weiß, ist es das geografische Gegenstück zu Italien. Als damals vor … äh ... Millionen Jahren die Kontinentalplatten auseinanderbrachen und die Eisbären oben gezogen hatten und die Wale unten, waren diese beiden komischen Landzungen entstanden. Inzwischen gehört Dänemark noch dazu. Es füllt den armen sizilianischen Norden, während die Gegend um Hamburg die gebildete und fruchtbare Po-Ebene darstellt, sehr bäuerlich zwar, doch mit der geistigen Nähe zu den Wirtschaftszentren Turin (Hasenmoor) und Mailand (Quickborn).

Die Edeltraud fand das hochinteressant. Amy hat ihr alles erklärt. In einem ausgiebigen Marsch haben sie Scholle, Knick und Graben abgewandert, haben seufzend die klare Luft eingeatmet und die Augen an den Horizont geheftet. Das ist ja das Tolle an Schleswig-Holstein: Kein Gebirge verstellt die Sicht. Die Landschaft ist abwechslungsreich.


… geradezu verschwenderisch in der Formenvielfalt.


Und wenn man ganz besonderes Glück hat, dann kann man sogar den einen oder andern Aborigines sehen. Denkt mal an! In diesem Fall handelt es sich um die sehr, sehr seltene Pinneberger Riesenschnecke. Sie ist sommeraktiv. Zum Glück hatte Amy die Kamera dabei, sonst wäre dieses einmalige Dokument nie festgehalten worden. Amy hatte sich mit der Edeltraud hinter ihren Rucksack geduckt, um die beiden Schnecken nicht zu vertreiben. Sie befanden sich gerade in der Balz. Ich hoffe nur, dass mir der Schneckenmann jetzt nicht auch noch am Telefon die Ohren volljault. Mit meiner Ringeltröte habe ich genug zu tun. 


Am letzten Tag hat sich der Pit dann doch noch mal hochgerafft. Er ist mit der Edeltraud an die See gefahren. Sie haben auf einem Poller gesessen und Eis geschleckt, am Strand nach Bernstein gegraben und ein Open-Air-Konzert besucht. Um genau zu sein, handelte es sich um den örtlichen Shanty-Chor, und das Konzert war auch schon seit vier Stunden vorbei.
„Sag mal, bist du Depp?“, habe ich den Pit gefragt. „Hockst du mit deiner Schnalle im leeren Stadion?“
„Ja, so war der Eintritt frei“, kam die Antwort.


Wen überrascht es? Der Abschied am nächsten Morgen fiel etwas unharmonisch aus. Während sich die Edeltraud in warmer Rührung von der Amy, dem Katzen-Trio und den Menschen verabschiedete, kriegte der Pit nur ein knappes „Auf Wiedersehen“ zugedacht. Beim Schwung mit dem Kopf in Richtung Tür gaben ihre Ohren ein peitschendes Klatschen von sich. Dann war sie hinaus mit erhobenem Haupt, auf dem Rücksitz verschwunden. Oma und Opa haben sie natürlich wieder in Hamburg am Zug abgeliefert.

Seitdem ist die Kommunikation gestört. Die Edeltraud schreibt, dass sie sich nie wieder mit einem Kater einlassen werde – die seien immer so bindungsängstlich. Erst schön den Schwanz kringeln und auf schnurrendes Wattebäuschchen machen, aber dann doch wieder allein über die Felder ziehen. Jede Nacht weg. Nä! Was macht der da draußen bloß? Sie habe sich emotional so unverstanden gefühlt, so verkühlt, so allein … ach, Gott sei Dank sei es vorbei.

Vom Pit dagegen kamen aufgeräumte Töne. Endlich wieder auf dem Esstisch liegen! Den Thunfisch durchs Zimmer kicken! Mickey-Maus-Hefte lesen!
„Hey, Max, das Hoppelrösti ist weg!“

Ich fand diese Bemerkung ja etwas respektlos, nachdem er mir das ganze Wochenende jede frei Minute sein Lamento in den Hörer gequakt hatte. Ins andere Ohr hatte es mächtig reingekichert. Das war der Paule gewesen. Er hatte sich nicht satthören können, wie die beiden da eine Bauchlandung nach der andern hinlegten:
„Ich wusste es doch: Alpenschusterin und Friesenplüsch passen nicht zusammen.“

Jo, und das war's dann. Aus die Maus.

Wirklich?

Aber, aber, liebe Leser, glaubt ihr tatsächlich, dass ein Märchen so schnöde endet? Wo bleibt der versöhnliche Schluss?

Soeben bekam ich eine Mail von der Edeltraud. Sie schickt mir ein Bild. Dieses hier:


Die Kleinen heißen Pidder, Pietje und Pitomba. Das vierte heißt Ali-Mente. Herzlichen Glückwunsch, liebe stolze Mutter. Wer es nicht so genau weiß: Die rötlichen Ringel auf dem Fell werden später noch dunkler. Muahaha ... Wer möchte als Erster in Schleswig-Holstein anrufen? Bitte schön – Lebensmüde vor.


Originalfotos:  Pit, Amy u. Luke: © Club der glücklichen Vierbeiner
Die restlichen Fotos: © für die Originale: Morguefile:
Kaninchen: 1, 2, 3, 4, 5, 6
Wiesen: 1, 2, 3
Schloss: 1
Gepäck: 1
Blumenstrauß: 1
Sitze: 1
© Max: Papageiengeschichten

Sonntag, 13. Mai 2012

Rätsel 73

Huhu! Ich bin mir nicht sicher, ob schon jemand wach ist zum Rätseln. Ich probier's einfach. Hier startet die neue Raterunde.


Tipp diesmal: aus hartem Material und nicht geeignet, um es sich in die Hosenstasche zu stecken.

Dienstag, 8. Mai 2012

Stillleben mit Feder und Apfel

Wenn ich eins gelernt habe von meinen bloggenden Hundefreunden, dann das: Deren Halter (insbesondere die mit Östrogen) ziehen einen Gutteil ihres Wohlbefindens aus der regelmäßigen Anschaffung neuer Dekoware, die oft auffallende Ähnlichkeit mit ihrem geliebten Haustier offenbart. Mit unermüdlichem Schaffensdrang und glänzenden Augen werden diese Devotionalien in der Wohnung verteilt.

Bisher hatte ich mich ein wenig vernachlässigt gefühlt, weil meine Putze diesbezüglich so gar keine Ambitionen entwickeln will. Sie besitzt keinen einzigen Baumwollbeutel mit meinem Kopf drauf und auch keinen Wandhaken, dem man das Geschirrtuch in den Plastikschnabel klemmen könnte. Begriffsstutzig ist meine Putze eigentlich nicht, nur schwer entflammbar, wenn es um Dinge geht, die Staub anziehen und obendrein etwas kosten.

Zum Ausgleich – und darüber fühle ich ehrliche Erleichterung – findet sie Gefallen an unserer Berufsbekleidung. Sie freut sich wie ein kleines Kind über unsere grüne Hülle, wird nicht müde, auf allen Vieren über den Teppich zu kriechen und hinter Kommoden und Büchern nach unsern Federn zu suchen, sie von der Wolljacke zu klauben oder vom Marmeladenbrot.

Leider sind wir nur zweimal jährlich in der Lage, ihr dieses Vergnügen zu bereiten. Man nennt es Mauser. Es ist gerade wieder so weit. Wir tun unser Bestes.

Zu welch schönen kreativen Ergebnissen unsere Produkte anregen können, zeigt dieses Ensemble mit dem Titel „Stillleben mit Feder und Apfel“. Es stammt aus einer älteren Schaffensphase der Putze. Bei der Feder handelt es sich um eine Spende von Cora. Sie hatte mir diese Feder geschickt mit dem ausdrücklichen Hinweis, ich sollte sie mir an den Hut stecken.

Ein anderes Beispiel für die gelungene Kombination verschiedener Materialien ist dieses Werk: Kakadufeder an Bilderrahmenecke. Der eidottergelbe Kringel gehörte mal zur Haubenausstattung eines uns näher bekannten Weißgockels. Kakadus tragen ja Vokuhila. Bei Erregung wird das Ding dann hochgeklappt und der Haubenträger zum Irokesen.


Außer dieser beiden Kunstwerke besitzt unsere Putze aber keine ausländischen Federn. Sie bevorzugt regionale Erzeugnisse. Hier seht ihr mich im Herstellungsprozess. Die rote Schwanzfeder rechts sitzt bereits locker, benötigt aber noch ein paar Tage der Reifung, bevor sie auf den Boden schaukelt. Das Foto ist heute entstanden.


Wisst ihr eigentlich, wieso es Mauser heißt? Zufällig wusste ich das auch gerade nicht, daher habe ich es schnell nachgeschlagen. Mauser kommt nicht etwa von Maus, so wie man vielleicht denken könnte. Da bringt ihr jetzt was durcheinander. Es sind die Katzen, nicht wir Vögel, die alles wieder hochwürgen und ins Wohnzimmer spucken. Unser mausern kommt vom lateinischen mutare für „sich verändern, wechseln“.

Ja, und genau das tun wir gerade, die Mia und ich.


Huch, falsches Foto. Moment, dies ist das richtige:

So sieht eine Pofeder aus. Genauer gesagt stammt sie von der Region unterm Schwanz. Dort haben wir viel weiches Geflausche. Bei der Putze sind diese Federn besonders beliebt, weil sie in einem bestimmten Licht sehr stylisch leuchten, wie Neonfarben. Falls gerade nicht, kann man unbedenklich barfuß drauflatschen und sie mit ins andere Zimmer nehmen – diese Federn kommen gern herum. Überhaupt ist die Mobilität unserer hochwertigen Produkte eines unserer zuverlässigsten Markenzeichen.

Am besten geht das mit der Unterwäsche. Die ist hygienisch weiß, hat angenehme Segeleigenschaften und sieht überall hübsch aus.

Sie klebt gut an den verschiedensten Oberflächen, selbst an den glatten, hier am Volierengitter.


In freier Wildbahn auf dem Fußboden sieht es so aus:


Man braucht nur ein wenig die Gesetze der Füsiek zu achten, muss die Thermik nutzen, damit sich aus einzeln hingehauchten Puschelfedern gleich eine ganze Landschaft formen lässt. Wir haben so was hinter den Schreibtischcontainern. Dort sammelt sich das weißgrüne Potpourri im Volumen einer halben Kissenfüllung. Wir können uns nicht sattsehen, wenn die Putze davorsteht, seufzend vor Glück, wenn sie einmal mit der Hand zärtlich die Fußleiste entlangstreicht und den Rest dann mit dem Staubsaugerrohr selig umtanzt. Leider ist uns verboten, dies zu dokumentieren. Die Putze meint: „Was sollen die andern vorn mir denken?“ Ich glaub ja eher, dass sie nur nicht teilen will. 

Wir sind froh, dass wir auf diese Weise wenigstens ein bisschen mithalten können, während unsere Hundefreunde ihre neusten animalischen Zugänge zum heimischen Wohnambiente präsentieren. Wenn ich's genau überlege, sind wir sogar ein bisschen stolz, dass unsere Putze nicht ganz so verrückt daher kommt. Unsere Putze würde nie (!) der Sammelwut verfallen. Nie (!) würde sie sich so weit gehen lassen und Dinge von uns horten, die sie sich sowieso den ganzen Tag an uns anschauen kann. Ja-ja, denn es gibt solche bedauerlichen Entgleisungen auch unter Vogelhaltern. Ein Beweisfoto ist mir zugespielt worden.


Schrecklich, nicht? Ich danke dem Vogelgott auf Knien, dass wir so 'ne verdrehte Tante nicht im Haus haben.

© Max: Papageiengeschichten

Sonntag, 6. Mai 2012

Rätsel 72

Los, Leute, schluckt den letzten Happen Croissant runter, jetzt wird wieder gerätselt.


Ich finde, man sieht sofort, was es ist, nicht wahr? Es ist jedenfalls kein Teil eines Maniküregeräts (bleibt mir vom Leib damit), und wenn man es aus Versehen auf den Toaster legt, wäre das nicht gut. 

Donnerstag, 3. Mai 2012

Frühjahrsputz

Es geht um den Missbrauch menschlicher Macht, um Freiheitsberaubung und unsittliche Berührung.

Einmal im Jahr wird uns das Handy weggenommen, die Monatskarte und die Sonnenbrille. Wir werden ermahnt, die Klappe zu halten und uns um Gottes Willen so zu benehmen, wie es von anständigen, unmündigen Amazonen erwartet wird. Dann heißt es ab mit der Mutti zum Gesundheitscheck in die Vogelklinik.

Wir kennen das schon, sind aber weit davon entfernt, das geringste Verständnis aufzubringen. Sich von Ärztegriffeln befingern zu lassen bleibt unappetitlich, und das „Oh, was sind das für Tiere?“-Gerufe der Leute in der Straßenbahn ist einfach nur peinlich. Kaum sind wir unsichtbar, weil abgedeckt von einem alten Kopfkissenbezug, sind die Zweibeiner ratlos. Früher hat man Vogelstimmen noch im Schulunterricht gelernt. Heute sind die Menschen akustisch völlig überfordert, sobald ihnen die optischen Hilfsmittel grün, groß und Krummschnabel nicht mehr zur Verfügung stehen.

Uns macht es Spaß, mit kurzen gesanglichen Intermezzi Stimmung in den Ignorantenhaufen zu bringen. Leise anfangen, anschwellen lassen und sanft ausblenden, das bringt hübsche Erfolge. Die Putze kontert mit hektisch geflüstertem „Scht!“. Man kann direkt ihren Mundabruck sehen, wie er sich durch den Kissenbezug wölbt. Manchmal lutscht sie Tic Tacs, dann brennt das in den Augen.

Apropos Weg. Erst geht’s mit dem Bus zur U-Bahn, dann mit der U-Bahn (die nach dem Tunnel zur Straßenbahn wird) zur Tierärztlichen Hochschule. Dort vor der Mensa wird uns die Käfigmütze abgenommen. Den Rest gehen wir oben ohne zu Fuß. Das heißt, die Putze geht und wir werden wie in einem Bauchladen vor ihr hergetragen. 


Fotos von dieser albernen Szenerie gibt es Gott sei Dank nicht. Der olle Hamsterkäfig, in den wir gepfercht werden, ist sowieso immer derselbe. Der sei aber total praktisch, behauptet die Putze. Den könne man nämlich von oben öffnen. Ja! Ja! Ja! Dann taucht eine Hand über unsern Köpfen auf, Wurstfinger legen sich um den Hals und – schwupp – reißt man uns in die Höhe ins Ungewisse. Man kann es so poetisch umschreiben, wie man will, es bleibt ein Akt der Unmündigkeit.

In der Vogelklinik angekommen müssen wir meist warten. Das ist nun mal so, wenn man die Vorteile einer Sprechstunde ohne Anmeldung nutzen möchte. Wir werden derweil aufs Beistelltischchen gestellt, dürfen rausgucken. Aus dem 2. Stock sieht man ganz gut, zumindest Autos vorbeifahren (etliche mit Pferdeanhängern) und Zweibeiner marschieren mit Hunden an der Leine. Die biegen aber alle vorher ab. Nur Menschen mit Häkelkörbchen gesellen sich zu uns. Dort sind Meerschweinchen drin, in Katzenboxen auch gern mal Schlappohren. Diese armen Socken werden nämlich auf dem gleichen Gang malträtiert wie wir, allerdings von andern Griffeltanten.

Das ist ein Hauer, was?
Selten, dass wir mal was richtig Interessantes zu sehen kriegen. Oft sind wir die größten Flügelträger vor Ort. Es handelt sich um uns, an die man ehrfürchtig herantritt, um die Huldigungen an unsere grüne Leuchtkraft und an unsere Artigkeit loszuwerden.
„Die sind nicht artig, die sind nur platt“, antwortet unsere Putze dann.

Einmal war allerdings ein Ara dort. Gegen den sind wir ganz schön abgestunken. Allein gegen seinen imposanten Fresshaken nahmen sich unsere Schnäbel aus wie niedliche Brotbeutelclips gegen 'ne Industriezange. 

Noch größer war der Ganter vom Bauernhof. Er hockte im Wäschekorb, untenherum gut zugedeckt. Als er dann meinte, sich mal die Beine vertreten zu müssen, hatten seine beiden Frauchen ganz schön Mühe, ihn am Ausstieg zu hindern. Für unbeteiligte Menschen sind solche Situationen sehr lehrreich. Es schult ihre soziale Kompetenz, denn über uns Tiere lassen sich treffliche Gespräche führen unter Leuten, die sich unter andern Umständen nie so leicht anquatschen würden. Man übt sich in artigen Fragen über das Wohlbefinden der gegnerischen Brut.

Herr Gänserich: Ein Kumpel aus der Plattfußabteilung
Mit solchen Latschen im Wartezimmer; da kriegt jeder Wellensittich Minderwertigkeitskomplexe

Manchmal freilich rutscht einem das Mitgefühl nicht mehr so sämig über die Zunge, nämlich dann, wenn die Zweibeiner Abschied nehmen müssen, gelegentlich sogar ganz plötzlich. Eben noch hatte man den Kumpel freundlich begafft, kurz darauf wird er rausgetragen. Dann sitzen wir oben im 2. Stock am Fenster und mögen gar nicht hinunterschauen, wo Oma und Opa im Auto warten und warten und warten, sich nicht rühren, stumm sind vor Schmerz und gar nicht losfahren wollen wie betäubt von dem, was ihr Herz schon weiß, aber ihr Verstand noch nicht begriffen hat.

Dann kann einem schon etwas mulmig werden, wenn man als Nächster dran ist. Aber wir lassen uns ja sowieso nichts anmerken und die Putze hat Vertrauen in die Widerstandskraft unserer vitalen kleinen Körper.

Ehrlich gesagt – es ist zum Kotzen. Werden wir ins Behandlungszimmer geschleppt, wartet schon eine Armee von Weißkitteln auf uns. Das sind Studentinnen. Die brauchen uns für ihr Praktikum. Vielleicht möchte sich ja die eine oder andere später auf die Vogelkunde spezialisieren. Um eine Überversorgung in dieser Branche zu verhindern, hatten wir vorsorglich schon mal unsern Transportkäfig vollgekackt. Wir verhalten uns betont unkommunikativ und scheuen uns auch nicht, mitten durch die Kleckse zu latschen oder uns sogar mit dem Hintern reinzuschrauben. Die Mädels sollen schließlich gar nicht erst romantische Vorstellungen von ihrem künftigen Beruf entwickeln.

Leider sind die schon fertigen Ärztinnen total abgebrüht. Es reicht nicht, dass man ihnen in der Faust hängt wie die Hühner bei Witwe Bolte – sie wuscheln einem sogar noch über den Kopf und machen „Ooooch“, so wie man zu Kindern spricht.

Diese ewige Fotografiererei finde ich besonders widerlich. Man wird auf eine Platte gelegt, mit klobigen Handschuhen festgehalten, dann schnell losgelassen und angeklickt, einmal von vorn, einmal von der Seite. Am Ende gibt’s Schwarzweißfotos, worauf man uns in den Bauch gucken kann. Wir sehen aus wie Grillhähnchen, fehlen nur die weißen Serviermanschetten an den Knöcheln. 

Diese Bilder seien wichtig zur Kontrolle unserer Luftsäcke, heißt es. Haben sich dort nämlich Pilze gebildet (keine Champignons – kleiner), was leicht passieren kann bei exotischen Vögeln, muss man was dagegen tun. Boah, das ist echt fies. Die Putze kommt dann jeden Tag mit der Plastikspritze angesülzt, hält uns mit Daumen und Zeigefinger am Schnabelscharnier fest, damit sie uns gnadenlos das seifige Zeug in die Gosche jagen kann. Gott sei Dank ist es aber diesmal nicht nötig, bei mir nicht und bei der Mia auch nicht.

Überhaupt sind mal wieder die Bestnoten an mich gegangen. Ich sehe fa-bel-haft aus, sowohl von außen wie von innen. 10 Gramm habe ich abgenommen, dabei waren meine Maße vorher schon mustergültig.

Allein aus diesem Grund war es absolut unnötig, dass man mir auch noch mit dem Elektrohobel kam. Das Ding macht „fuuuiii“ wie beim Zahnarzt. Mit geöffnetem Schnabel klemmt man elendig in Faust und Handtuch fest, gleißendes Licht blendet einen, es sprüht trockene Hornschnipsel und die Studentinnen lachen, weil doch wenigstens meine Zunge wissen muss, was da vor sich geht. Schicht um Schicht alter Schnabel wurden abgetragen. Anschließend kamen die Krallen dran. „Frühjahrsputz“ nannte die Chef-Griffeltante das. Gewisse Formen des menschlichen Humors werden mir ewig verborgen bleiben.

Aber seht ihr den Unterschied? Im Nachhinein doch ganz nett, wenn man plötzlich etwas besitzt, was man vorher nicht vermisste.

Schnabel nachher
(Das Foto ist freigegeben für alle)
Schnabel vorher

Auf dem Heimweg ist unsere Putze wesentlich entspannter als auf dem Hinweg. Das mag daran liegen, dass ihr die Arme schwer geworden sind von der Käfigschlepperei (was sich besänftigend auf die Toleranz auswirkt), oder aber sie genießt einfach nur, dass UNS inszwischen die Puste ausgegangen ist. In der Straßenbahn sind wir jetzt absolut ruhig. Kein Grölen mehr, kein Absingen der Spargelländer Nationalhymne, kein unflätiges Pöbeln gegen aufreizende Mitfahrer. Wir verhalten uns so, wie es einer Belohnung würdig ist. 

Damit unser Recht auf Entschädigung aber nicht sofort wieder vergessen wird, bleiben wir noch ein Weilchen stinkig. Gleich nach dem Ausstieg aus dem Hamsterknast lassen wir uns in der Voliere nieder. Wir imitieren dringendes Schlafbedürfnis und möchten darin keinesfalls gestört werden, selbst dann nicht, wenn es erst Mittag ist und die Sonne uns auf den Pelz scheint. Erst am Abend nach dem Essen sollten die Verhandlungen langsam aufgenommen werden. Selbstverständlich haben wir sofort unsere Handys, die Monatskarten und Sonnenbrillen zurückerhalten. Der Rest allerdings gestaltete sich sehr zäh. Nur so viel: Die Mia hat mit dem Fuß aufgestampft. Jetzt macht sie eine Woche lang den Blumengießdienst. Sammelt jemand von euch Rabattmarken von Schicke Rheumastrümpfe in Übergröße? Ich tausche alle, die ich habe, gegen einen Zuschuss zu meiner Machtbo... ach, ihr wisst schon. 


Fotos:
Ara: © Morguefile
Gans: © Morguefile
Gänsefüße: © Morguefile
© Max: Papageiengeschichten