Samstag, 30. April 2011

Rätsel 19a

Hallo, ihr lieben Freunde des gepflegten Denksports,

wisst ihr, dass das letzte Rätsel noch gar nicht gelöst ist? Es gab zwar engagierte Bemühungen mit schönen Ideen, doch dann hat sich alles zur Halbzeitpause in die Katakomben entfernt und ist bis heute nicht wieder aufgetaucht.

Schade. Dabei war ich so froh, dass ich noch was gefunden hatte, was man knipsen konnte. 

Wisst ihr was? Probiert es doch noch mal. Diesmal findet ihr die Lösung bestimmt. 

Hier ist das Bild:


Wie immer gibt es Tipp: Es ist aus Metall und glänzt.

Dienstag, 26. April 2011

Time to tatsch

Nun war es soweit: Weil wir vorige Woche einmal komplett sinnlos im Kreis herumgetragen worden waren, musste heute der Besuch beim Geflügeldoktor nachgeholt werden. Tja ... Die Frau Doktor war total nett, aber ich fand sie trotzdem hobeldoof. Was hat die mich am Hals zu packen? Was geht sie mein Bauch an? Und die Fotos, die sie von meinem Innern gemacht hat unter diesem komischen Mikroskop, die will ich nicht irgendwo im Netz wiederfinden auf irgendeiner Schmuddelseite, egal wie sexy mein Body auch getroffen sein mag. Da werde ich fuchsig, wenn ich das merke. Ich bin schließlich kein Sexobjekt für unerfüllte Putenwünsche oder fehlgeleitete Reihergreise.

Auf die Mama bin ich auch stinkig. Sie hätte ja mal vorher sagen können, dass wir heute zur Schlachtbank sollten, dann wäre ich nämlich gar nicht erst rausgekommen aus der Voliere und sie hätte ewig nach mir grabschen können. So aber hat sie voller Hinterhalt alle Türen der Voli zugesperrt und die Zimmertür gleich dazu, so dass ich mich nicht verstecken konnte, und abhauen war auch sinnlos, jedenfalls irgendwann, zumal immer im Kreis zu fliegen auf die Dauer keine wirkliche Entfernung bringt. Also tat sie am Ende in Triumphgegrinse ausbrechen und ich hockte im Transportkäfig. Die Mia lässt sich immer freiwillig einkerkern: steigt auf die Hand und klettert selbst bis auf den Boden runter. Schön blöd.

Die ganze Aktion heute war absolut langweilig. Deswegen gibt es passend dazu absolut langweilige Fotos. Geschieht euch recht. Guckt ihr hier:


Wir stehen noch in der Küche. Die Mama geht mir mit ihrem ewigen „Feiiiiin!“-Geflöte auf die Nerven. Menschen glauben immer, sie müssten uns mit Lob umsülzen. Dabei benehmen sie sich wie nicht ganz dicht.


Wir von oben. Die Kleckse auf dem Zewa sind Vogelgold. 



Nee, watt schön: Landschaft. 



Oh, Abwechslung: wir mal von oben.  

Wir stehen gerade im Flur in der Praxis und gucken nach draußen auf die Straße. Andere Vögel haben wir nicht zu sehen gekriegt; die waren nebenan im Wartezimmer. Aber andere Grüne waren sowieso nicht da, nur kleines Gehutsch, Nymphies und so. Das interessiert allenfalls die Mia, mich aber nicht.

Schon bald wurden wir hereingerufen. Ich kannte die neue Geflügelfrau noch gar nicht. Sie hat sich uns nicht vorgestellt, ist aber ganz nah mit dem Gesicht an die Stäbe herangekommen und hat uns ohne jegliche Scham abgesucht. Unglaublich, was sich manche Menschen erlauben. Dann ging’s los, kennen wir schon: Die Mama klappt den Deckel auf, packt die Mia am Hals, zieht sie heraus und übergibt sie der Frau Weißkittel. Das arme Hascherl, sieht aus wie ‘n Huhn von der Witwe Bolte: oben sprachlos, in der Mitte lang und unten baumelig. Die weiße Frau verschwindet mit der Mia im Nebenraum. Wenn sie zurückkommt, wird getauscht und ich bin dran.

Diese Geflügelleute haben einen Griff drauf, das ist nicht zu glauben. Die drücken einem den Daumen so fies unters Kinn, dass ich den Kopf nicht mehr bewegen kann. Ich meine, nicht dass ich das gewollt hätte, zum Beispiel wegen schnell zuhacken ins weiche Fleisch aus Protest oder nur mal so zum Ausprobieren, aber man möchte sich doch ganz gern in der Gegend umschauen, wenn man schon mal eine Führung durch die hinteren Praxisräume geboten kriegt, nicht wahr? Obendrein nutzen sie meine Wehrlosigkeit, um mit einem Gerät, das Zahnarztgeräusche macht, an meinem Schnabel herumzupolieren. Da täte was überstehen von ‘ner alten Schicht, wird behauptet. Anschließend pinseln sie Öl auf die Poren. Das riecht wie Pfefferminzbonbon.

Zum Schluss musste ich noch, genau wie die Mia, unter den Knipsapparat. Die Menschen ziehen sich dafür extra was Schickes an: schwere grüne Schürzen und Handschuhe, mit denen sie mich festhalten. Die fertigen Fotos zeigen mich nackt und ziemlich durchsichtig, sind aber nur in Schwarzweiß.

Wir hockten unterdessen wieder im Käfig. Die Mama hat noch ein bisschen mit der Frau Ärztin gequatscht. Dass sich Cappuccino-Tanten nie losreißen können. Was machen die so lange? Kochrezepte austauschen? Wenigstens gab’s diesmal keine Fläschchen für Zuhause. Das ist ein gutes Zeichen, denn das heißt, dass wir ein halbes Jahr Ruhe haben: keine Mama, die uns jeden Morgen einfängt, uns an der Gurgel packt, uns auf die Küchenablage stellt, uns den Kopf nach hinten biegt, eine Spritze in den Schnabel steckt und uns irgendwelches seifiges Zeugs in den Rachen spritzt. Denkt mal an! Das müssen wir sogar noch runterschlucken; sie hält uns nämlich den Schnabel zu. Manchmal allerdings bin ich am längeren Ende. Dann muss ich niesen. Dabei gucke ich die Mama an und – ach herrje! – das ganze klebrige Zeug landet auf ihrer Brille.

Wie gesagt, das alles müssen wir diesmal nicht machen. Ich bin nicht böse darum.



Auf dem Rückweg. Der frisch gehobelte Schnabel. Der Rest, das bin ich.



Die Mia.


Wir warten auf die Straßenbahn. 




Hier sind wir vorige Woche auch schon mal geknipst worden. Das ist die Bushaltestelle. Man achte auf meine elegante Beinhaltung. 


 Zu Hause: nix wie raus.

Den Nachmittag haben wir geschlafen. Wir hatten gerade totale Lust darauf. Nicht dass jetzt jemand denkt, uns hätte alles zu sehr mitgenommen. Ach, woher denn! Das stecken wir elegant mit einem Porunzeln weg.

© Max: Papageiengeschichten

Samstag, 23. April 2011

Ostergruß


Liebe Freunde und alle andern, die hier reingucken,

ich wünsche euch schöne, sonnige und kulinarisch denkwürdige Feiertage
(Ausnahme: Fledermäusen und Tauben – denen nicht).

Macht das Beste daraus. Und immer daran denken: Das knusprige Weiße um die Eier, das abmachen; das isst man nicht mit.

Euer Max

Freitag, 22. April 2011

Tiere helfen einsamen Menschen

Liebe Freunde, Artgenossen und andere Tiere,

Ostern steht vor der Tür. Wir alle werden mit unserer Familie beisammen sitzen, was Leckeres futtern, nette Konversation betreiben und aufpassen, dass jeder hat, was er braucht. Leider aber geht es nicht allen so gut wie unsern zweibeinigen Schützlingen. Viele Menschen sind ohne Betreuung. Sie senden einen stummen Hilferuf, warten auf unser Erbarmen, auf ein goldenes Tierherz, das sich ihrer annimmt.

Zwei besonders dringende Fälle möchte ich euch daher vorstellen. Vielleicht findet sich ja jemand, der diese armen Geschöpfe schnell und ohne große Bürokratie bei sich aufnehmen kann, noch vor den Feiertagen. Gesucht werden zuverlässige, verantwortungsbewusste Tiere, die es ernst meinen. Nachkontrollen bei erfolgter Adoption durch ausgebildetes Personal (Grizzly-Security) sind selbstverständlich.

Es lohnt sich! Diese Menschen sind liebenswert und gutmütig. Beide sind geimpft und auf Bandwürmer getestet.

Da haben wir zunächst Hildegard (weiblich): Sie wurde aufgefunden, als sie orientierungslos auf einer Parkbank saß. Sie hatte keinen Personalausweis bei sich. Wir vermuten, dass sie gern in Kneipen sitzt und Eierlikör trinkt. Über ihre Vorgeschichte wissen wir leider wenig, auch ihr Alter können wir nur schätzen: 50-60 Jahre alt, wirkt aber jünger. Sie hat gepflegte Zähne, ist gartenrein, geht aber nicht gern spazieren. Mit den anderen Heimbewohnern (Männern) verträgt sie sich ganz gut, sie beißt jedenfalls nicht und spuckt nicht, trotzdem will sie lieber als Einzelmensch in ihrer neuen Familie gehalten werden. Katzen sind kein Problem, Kängurus auch nicht, jedoch Kobras und Mistkäfer. Da kann sie in Panik geraten, und es ist dann schwer, sie wieder zu beruhigen. Kinder kann sie nicht leiden.

Hildegard braucht Tiere, die sie mit sanftem Druck führen, ihr Halt geben und Orientierung. Sie muss regelmäßig geweckt und abends zum Schlafengehen veranlasst werden. Lotto spielen ist ihre Leidenschaft. Diät braucht sie nicht zu halten, zweimal jährlich zum Arzt wegen Blutdruck messen wäre allerdings schön.

Hans-Siegfried (männlich) hat ein ähnliches Schicksal. Auch er wurde ohne Personalausweis aufgefunden (in der Chips-Abteilung eines Supermarkts). Im Heim spielt er gern Mau-Mau und guckt die Sportschau. Mit andern Männern verträgt er sich gut, Frauen stellt er nach und kneift ihnen in den Hintern. Sein Alter schätzen wir ebenfalls auf ca. 60. Er ist pflegleicht, gut zu duschen, benötigt aber regelmäßig einen Haarschnitt. Er bekommt Tabletten gegen Sodbrennen, die sich jedoch nicht sehr belastend auf das Portemonnaie auswirken; notfalls kann von Heimseite eine Beihilfe geleistet werden.

Hans-Siegfried ist selbstständig mit guter Orientierung. Er möchte in der Gegend herumstromern, kommt aber immer wieder gern nach Hause, besonders wenn ein warmes Bett und seine Leibspeise Labskaus auf ihn warten. Mit Kindern kommt er gut klar. Er kann als Zweitmensch gehalten werden, möglicherweise auch zur Hofbewachung. Das müsste man ausprobieren. Im Heim treibt er regelmäßig Prospektverteiler und Staubsaugervertreter in die Flucht. Für ein schönes Lob trägt er auch Pakete in die Küche.

Wer helfen kann – bitte meldet euch. Ihr tut ein gutes Werk. Ich leite dann eure Post weiter.

© Max: Papageiengeschichten
Fotos gemacht mit Sims 2

Dienstag, 19. April 2011

Rundfahrt

Ich möchte ja nicht meckern, aber ist euch schon mal aufgefallen, wie doof Menschen sind?

Es kann natürlich sein, dass jetzt alle Welt in Kopfschütteln ausbricht, weil keiner weiß, was ich meine. In diesem Fall muss ich annehmen, dass meine Menschenfrau besonders hart betroffen ist. Wie sonst ist diese dämliche Aktion zu erklären?

Aber der Reihe nach. Zweimal im Jahr müssen wir zur Vorsorgeuntersuchung zum Tierarzt, einmal im Frühjahr und einmal im Herbst. Dort guckt man uns in den Schnabel, man wiegt uns, pult uns mit dem Wattestäbchen am Hintern herum, packt uns unter das Röntgendings und kramt, wenn wir Pech haben, allerlei Fläschchen hervor, die wir mitnehmen sollen.

Heute war es wieder soweit. Die Sonne tat scheinen und wir hatten gedacht, wir täten auf der Terrasse sitzen und einen Eisbecher löffeln dürfen. Stattdessen wurden wir hinterhältig zusammengepackt. Ehe wir uns versahen, hockten wir im Transportkäfig. Uuuh … das ist kein gutes Zeichen. Sonst dürfen wir ja allein herumfahren. Wir haben Taschengeld und eine Monatskarte für die Straßenbahn. Doch wenn’s zum Tierarzt geht, macht die Mama auf vorbildlich und tut so, als müsste man uns herschleppen wie gewöhnliche kindische Stubengeier. Daher der Käfig.

Zusätzlich wurden wir abgedeckt. Das sei, damit wir nicht randalieren, heißt es, aber in Wahrheit will uns die Mama nur verstecken. Sie hat Angst, dass die Mia ausfallend wird. Sie spuckt doch immer und schreit obszöne Lieder. „Wir lagen vor Madagaskar und hatten ‘nen Dutt im Haar“ ist eins davon. Wenn wir nichts sehen, bin ich selbstverständlich still – ich weiß schließlich, was sich gehört. Die Mia quakt dann nur. Trotzdem gucken die Leute in der Straßenbahn. Manche denken, die Mama hätte ‘n ernstes Lungenproblem. Erst wenn sie merken, dass das Geröchele aus dem Käfig kommt und nicht von der Mama, sind sie zufrieden. Manche wollen dann wissen, was für ein Tier diese Geräusche macht. Meist hebt die Mama den Vorhang ein bisschen an. Die Leute kriegen unsere Beine zu sehen mit unsern sattgrünen Hosen daran und brechen in Grinserei aus. Menschen kann man sooooo leicht glücklich machen. Ein ordentliches Trinkgeld wäre mir lieber.

Heute war also wieder großes Programm dran. Unsere Fahrt (einfach) sah so aus:

•    mit dem Bus zur Straßenbahnhaltestelle fahren
•    mit der Bahn ein paar Stationen zurücklegen
•    umsteigen
•    weiter mit einer andern Bahn fahren
•    aussteigen
•    in schweißiger Hitze übers Gelände latschen
•    beim Tierarzt ankommen und Überraschung erleben

Die Mia
Es war nämlich nur ein einziger Tierarzt in der Praxis und den kann die Mama nicht leiden. Er hat mal gesagt, die Mia hätte keine Lebensqualität mehr, sie würde sich nur noch quälen und wir sollten sie erlösen. Das war vor acht Jahren. Sagt selbst, sieht etwa so ein Vogel aus, der am Ende ist? Gott sei Dank hat die Mama nicht auf ihn gehört. Der Mia geht es nämlich wieder gut. Seitdem machen wir einen Bogen um den Mann. Seine Kollegen dürfen uns dagegen (wenn’s denn sein muss) mal kurz an die Unterwäsche packen – aber nur sie und niemand sonst. Wir finden das zwar trotzdem hobeldoof, aber wir werden ja sowieso nicht gefragt. Leckerli anschließend kriegen wir auch nicht.

Heute hatten wir Pech: Es war kein anderer Kollege da. Also echt, die Mama hätte ja vorher mal durchklingeln und fragen können, nicht wahr? Wozu haben wir ihr das Telefonieren beigebracht? Da gurken wir einmal quer durch die Stadt für nichts und wieder nichts, fahren ohne Arztverrichtung wieder nach Hause und hocken uns in die Voliere, kaputt vor lauter Anstrengung, aber müssen nächste Woche noch mal los, weil ja das Wichtigste fehlt. Das ist doch an Zumutung nicht zu überbieten. Ich hätte gedacht, die Mama wäre schon viel weiter in ihrer sozialen Entwicklung. Da muss ich wohl mit ihr noch ein paar Sachen gründlich üben.

In Fotos sah das Ganze so aus:



Wir an der Straßenbahnhaltestelle.


Auf dem Weg zur Praxis durften wir oben ohne weiterlaufen. Die Sonne schien so schön und wir fanden die Bäume interessant.


Hier sind wir bereits auf dem Rückweg. Die Bäume standen noch näher dran und nebenan knatterte ein Rasenmähertraktor übers Gründeko. Mama fand das frühlingshafte Ambiente so passend. Deshalb mussten wir uns dort hinstellen und knipsen lassen. Auf dem Foto sieht man allerdings nicht viel davon.


Wir warten auf den Bus. Die Mama hat erst den Gobelin probehalber zur Seite geschoben (zu sehen ist die Mia), und dann …


… kam wieder alles runter. Wir gucken so gern in den Himmel, der geht so schön weit hoch.

Weil wir dort wohnen, sind wir das letzte Stückchen ohne Vorhang im Bus gefahren. Wir haben vor lauter Dankbarkeit Schrilles ausgestoßen. Die andern Menschen im Bus haben wieder gegrinst, nur die Mama hat verkniffen geschaut.

Die soll sich bloß nicht so anstellen. Die blöde Aktion heute war schließlich ihre Idee, nicht unsere. Dafür gibt’s erst mal heute Abend keinen Nachtisch, und danach sehen wir weiter. 

© Max: Papageiengeschichten

Samstag, 16. April 2011

Sie war da ... meine Süße (Teil 3)

Huch! Die kommt mit der Digi-Cam. Ist es zu fassen? Man fotografiert doch keine Leute beim Aufwachen.
 
Die Mia hockte auf der Stuhllehne und machte Paparazzi-Geblitze:
„Bitte recht freundlich.“

Am liebsten hätte ich ihr das Ding aus den Krallen gekickt. Ich kenn doch die Mia. Sie hat Bekanntschaft mit ‘nem Redakteur von „Bellomiez“, und da braucht es nicht lange, bis die Homestory aus dem Mittelteil klappt. Darunter steht dann so was wie: „Smilla (2) aus Hamburg kümmert sich in ihrer Freizeit um Straßenkinder. Max (rechts) ist dankbar für seine schöne Betreuerin.“ Und das lesen dann all die Pudel-Omis und Dackel-Tanten, schnauben ins Halstuch wegen Rührseligkeit, finden die Smilla niedlich und mich voller Verwahrlosung und quatschen mir mindestens zwei Wochen lang im Supermarkt die Ohren fransig, ob ich denn schon Weinbrandbohnen kaufen dürfe – oder ob ich die etwa klauen täte?

Unterdessen ist die Smilla wieder daheim, ganz ohne meinen Schutz. Sie muss sich gegen Wachkörbe voller Anfragen wehren, denn jedes noch so mickrige Heim für verkorkste Regenwürmer oder entwischte Goldhamster will sich jetzt natürlich von so einer attraktiven Sozialarbeiterin unterstützen lassen. Das führt zu Unvereinbarkeit mit ihrem Job. Sie kann ihr Frauchen nicht mehr zur Arbeit begleiten. Die wird konfus und steigt in den Bus nach Grönland. Deswegen muss die Smilla sie suchen gehen. Sie ist ein ganzes Jahr weg. Schließlich wird sie von einem Schlittenhund in den Iglu gezerrt und muss ihm dort die Eisbröckchen ausm Fell pulen. Wir sehen uns nie wieder. Mir zerreißt das Herz. Ich werde nie wieder eine andere Frau angucken können. Ich bin ein gebrochener Vogel. Ich geh ins Kloster. Bruder Horatius füttert mich mit Fleischbrühe. Ich gucke glasig und verliere Kleckse aufm Weg zum Kräutergarten. Und all das nur wegen ein paar dummer Fotos. Muss es wirklich so weit kommen?

„Mia, ich klopp dir deinen Schminkkoffer in die Mikrowelle, wenn du die Fotos aus der Hand gibst“, habe ich daher freundliche Ankündigung gehalten.
Die Smilla hat gegähnt:
„Ach lass doch, Max, ich bin das Geknipse gewohnt …hmmm, irgendwie kriege ich gerade Appetit auf was Süßes.“
„Frühstück steht schon auf dem Tablett“, hat die Mia geantwortet. „Beeilt euch, sonst wird der Kakao kalt.“

Die Mia macht mich wütend
Das ist das Schöne an englischen Landfrauen: Sie schütteln sich einmal durch und sind fertig frisiert. Wenn ich dagegen an die Hennen denke, an die Cora zum Beispiel oder an die Bubi, dann brauchen sie ewig, bis jede einzelne Feder durch den Schnabel gezogen ist. Ich selbst finde duschen ja auch völlig überflüssig. Ist nass und verplempert Wasser. Deo benutze ich nur, wenn ich abends ausgehe. Sonst kleben nämlich die ganzen Mücken an mir.

Die Mama hatte schon einen Stapel Pfannkuchen gemacht. Sie täte kein Fleisch mehr haben für die Smilla, oder sie müsste an die Hackbällchen der Matschfalter gehen - das täte ihr Leid. Aber weil die Smilla ja ohnehin gerade einen Japp auf Süßes hatte, tat sich das gut treffen. Wir haben Sirup draufgeträufelt und jeder von einer Seite gezogen. Die Stücke, die abrissen, gehörten demjenigen, der Schnabel oder Schnauze am andern Ende vorweisen konnte. Drittel müssen ja auch nicht immer gleich groß sein, nicht wahr?

Die Smilla kann soooo süß lachen. Erst geraten die Samtlippen in Vibration, dann kommen die strahlend weißen Perlzähnchen zum Vorschein und schließlich gluggert einem ihr  niedliches „Höhöhö“  ganz tief ins Ohrenschmalz.
„Dein Flügel hängt im Quark, Max.“
Ich könnte ihr ewig zuhören, einfach nur dasitzen und ihren klugen Worten lauschen.

Nach dem Frühstück haben wir die Decke mit dem Geschirr zusammengerafft und vors Spülbecken geschoben. Ich war sowieso nicht dran mit Abwaschen.
„Was machen wir jetzt?“, tat die Mia fragen.
„Flugzeug-Quartett spielen!“, habe ich schnell gerufen.
„Völkerball spielen!“, hat die Smilla geschrien.
„Nee, alles falsch – ich eröffne jetzt meine Typberatung.“

Schon hatte die Mia die Smilla in die Seite gepiekt, und von da an war’s ein Leichtes, die Betäubte abzuführen; die Smilla tat keine Gegenwehr leisten. So macht es die Mia immer, mit allen Mädchen, die zu uns kommen. Sie redet ihnen ein, dass ihnen Lockenfrisur und Glitzerhöschen fehlen täten und dass sie froh sein dürften, dass die Mia ihnen jetzt mit Rat und Gewalt den Fluch des piefigen Geschmacks austreibt. Ich meine, bei mancher Henne mag das ja hinkommen, aber doch nicht bei meiner schwarzen, kurzbeinigen Göttin!

Ich hatte noch kurz überlegt, ob ich mich in den Weg werfe, aber dann dachte ich, soll die Mia doch machen; am Ende wird die Smilla ihr schon ordentlich das Pickelpuder wegblasen. Ich bin mit der Digi-Cam hinterhergeschlichen, während Frau Kosmetikerin ihre Patientin ins Schlafzimmer schieben tat. Mir wurde zwar die Tür vorm Schnabel zugeknallt, aber wozu gibt es schließlich Schlüssellöcher?

Die Unterhaltung war wirklich hörenswert.
Mia: „Mach mal die Augen zu.“
Smilla: „Wozu schmierst du mir Nachtcreme ins Gesicht?“
Mia: „Das ist gegen Falten.“
Smilla: „Du spinnst wohl – ich bin 2 Jahre alt.“
Mia: „Na und? Wenn erst mal die Lappen da an deiner Schnauze anfangen zu hängen, ist es zu spät.“
 
Danach wurde ‘n Wässerchen unter die Augen massiert und die Ohren aufgebürstet.
„Du hast Mischfell“, hat die Mia gesagt.
In Diagnose ist sie immer sehr direkt. Da hat schon so manche Kundin  angefangen zu weinen.
„Benutzt du eigentlich Lippenstift?“
„Na klar“, hat die Smilla geantwortet, „immer wenn ich im Laub wühle – die Ameisen und Borkenkäfer finden das total sexy.“
Ha! Gut pariert, meine Prinzessin. Der Mia ist für ‘nen Moment der Kosmetikpinsel in Spastik geraten. Dann hatte sie sich wieder erholt. Jetzt tat sie umso eifriger fuchteln. Man kennt das ja: Missionsschwestern, die gegen Renitenz prallen, entwickeln meist besondere Enthemmung.  

Nun wurden Klemmchen an die Ohrspitzen getütert und die Wimpern getuscht. Die Smilla lag da wie ‘ne Marzipanwurst, die gerade zum Glücksschwein geformt werden soll. Ich war mächtig stolz auf sie. Das zeigt ihre unendliche Geduld, und kitzelig ist sie auch nicht. Nur als die Mia mit dem Nagellack ankam, ist die Smilla so schnell hochgeschossen, dass sich die Mia vor Schreck hingesetzt hat. Ihr Schwanz klappte lappig zur Seite und die Augen taten Bowlingkugeln imitieren. Dass es jetzt reichen täte, hat die Smilla gegrunzt, sie sei doch kein Tuschkasten! Dann hat sie sich geschüttelt, bis alle Deko wieder rausgeflogen war. Zunge raus, Pfote angefeuchtet, Wimpern abgewischt. Die Mia tat hilflos danebenstehen.
„Ja, okay, ich seh schon, du bist eher der karge Loden- und Tweettyp“, hat sie gehaucht.

Aber so schnell gibt die Mia nicht auf. Jetzt kam nämlich die Klamottenberatung dran. Da kann die Mia enorme Diktatur entwickeln. Ich war froh über die Unterbrechung, denn die ganze Zeit kopfüber auf der Türklinke zu stehen mit dem Hintern am Holz ist keine gute Dauerstellung für Exklusivjournalismus. Außerdem wollte ich ja Fotos machen. Ich habe vorsichtig die Tür aufgedrückt und mich vorm Spalt in Position gesetzt. Die Mädels haben mich nicht bemerkt.
 
Erst mal kam der halbe Kleiderschrank angewedelt. Glitzer-Tops, Leoparden-Bikinis, Spaghetti-Hemdchen, Tanga-Slips – alles flog auf den Teppich. Soweit ich das von hinten beurteilen konnte, tat Smillas Blick keine besonders auffällige Unterstützung beitragen. Jedenfalls war das Zeug sowieso viel zu klein. Das tat auch die Mia merken.
„Weißt du was, Smilla?“, hat sie geflötet. „Ich glaube, bei dir reicht ein schöner Schal.“

Wollt ihr mal sehen? Dieses Foto ist mir nämlich besonders gut gelungen, sogar ohne Blitz. Man beachte die Begeisterung um Smillas Schnauze. Das gelbrote Gerüsche ist eigentlich ‘ne Girlande. Wir hatten damit mal ‘ne öde Tupperparty aufgepeppt. Vielleicht sollte ich das Foto aufheben und mit Unterschrift versehen: „So sieht zufriedene Kundschaft aus.“ Ob sich „Bellomiez“ dafür interessiert? Na, mal gucken, es läuft ja nicht weg. Die Smilla jedenfalls kriegte Zornwellen um die Hüften. Dann fledderte das Ding gegen die Kommode und die Smilla tat schreien: „Ich will jetzt ins Freie! Auf der Stelle! Und zwar nackt!“

Ich habe mich in die Küche retten können, gerade noch rechtzeitig. Schon tat die Tür auffliegen. Die Smilla kam reingestampft, im Fahrwasser ‘ne grüne Zimtstange mit deppertem Blick.
„Max, gibt’s hier irgendwo Landschaft? Könntest du mich bitte ausführen? Ich brauche frische Luft. Dringend.“
„Natürlich, meine Zuckerschnecke“, habe ich gesagt. „Hat dir die Mia was Schickes rausgesucht?“
Statt Antwort ist aber nur so was wie ‘n „Pffff“ gekommen. Die Mia tat mich anfunkeln wie ‘n Hai auf Algendiät.

Wir sind erst zum Park gegangen. Der ist gleich um die Ecke. Hunde dürfen dort ohne Leine laufen und sogar hinkacken, nur sollte man natürlich Pupsbeutel dabeihaben. Ein Kiesweg geht als Brezel drum herum. Dort laufen Jogger und Menschen mit Kurzbeinigen. Es ist jedes Mal das Gleiche. Kaum sehen mich diese kleinen Ungeheuer aufm Rasen stehen, werfen sie ihre Stummelbeine an, fahren die Grabscher aus und schreien: „Gagabei! Gagabei!“ Die Smilla hat gelacht. Aber sie muss das ja auch nicht dauernd ertragen.

Wir haben uns ins Gebüsch gedrückt. Die Mia kennt das vom Geocachen; da kriecht man auch dauernd im Urwald herum. Zumindest kann man auf diese Weise den übrigen Transitverkehr umgehen. Wir sind sogar an einer Ecke herausgekommen, die ich noch gar nicht kannte. Ein ordentlicher Spazierweg mit Umrandung aus niedrigen Buntblumen tat sich plötzlich auf. Stellt euch vor, was für ein Schild davor stand! Ich habe so was ja immer für Märchenbuch gehalten, und wenn ich’s nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich heute noch nicht dran glauben. Doch Tatsachen kann man nicht leugnen. Sachen gibt’s … tzzz … verrückt.

Nach einiger Diskussion mit der Mia hatten wir die Orientierung wiedergefunden. Wir standen in der Nähe vom Ententeich. Was lag da näher, als dem Frischkäse einen Besuch abzustatten? Das ist der Freund von der Mia, der Harald, der Schwan. Er wohnt doch dort. Der Teich ist gar nicht mal so klein und Mias Liebster auch nicht. Trotzdem haben wir ihn nicht gefunden, obwohl wir einmal ganz drum herum gelaufen sind. Die Mia war deswegen ganz schön stinkig. Sie hätte zu gern mit ihrem weißen Rüschenheini angegeben. Die Enten aber, die wir gefragt hatten, haben gemeint, er wäre wohl zur Backfabrik gefahren wegen Bettelei um Brotreste. Da ist der Mia erst recht die Säuerung in die Mimik gestiegen. Sie hatte nämlich immer behauptet, er täte Yachtverwalter sein. Pah! Tretboot und Wasservogeltafel. So sieht‘s aus.

Am Ententeich
Wir haben dann noch Frisbee gespielt. Den Teller hatten wir einem Stummelbeiner geklaut. Ich hatte das Gör abgelenkt mit Geflatter und Gequake, und die Smilla hat das Ding geschnappt und ist weggerannt. Als wir keine Lust mehr hatten, ist die Mia artig den Deckel zurückbringen gegangen. Währenddessen war endlich ein bisschen Gelegenheit für intimes Gespräch. Ob die Smilla lieber Erbsen mit Karotten essen täte oder lieber nur die Erbsen so, das habe ich gefragt. Ich meine, so was muss man doch vorher klären. Nicht dass man später von Unvereinbarkeit überrascht wird, nur weil man sich nicht früh genug darum gekümmert hat.

Es war schon Nachmittag, als wir heimkamen. Die Mama war böse. Wo wir denn so lange blieben? Die Smilla täte doch rechtzeitig nach Hause müssen, ihr Frauchen mache sich bestimmt Sorgen. Ach Gott, ja. Nun musste alles ein bisschen fix gehen. Brummis fahren ja nicht am Sonntag, daher hatten wir jemand Privates ausgemacht, der gegen Abend nach Hamburg fahren würde und die Smilla mitzunehmen versprochen hatte. Aber für ‘nen schnellen Imbiss war noch Zeit. Es gab Fischstäbchen mit Bratkartoffeln.

Dann musste die Smilla auch schon zusammenpacken. Ich habe ihr was geschenkt. Das soll sie immer an mich erinnern. Rosa steht ihr ganz prima. Eine Prinzessin ist sie ja sowieso. Nur leider passte das Kissen nicht in den Rucksack. Wir haben es daher oben drüber geschnallt unterm verknoteten Schal. Ich finde nicht, dass die Smilla auf dem Foto skeptisch aussieht.

Treffpunkt zur Übergabe war ‘n Rastplatz. Wir sind alle mitgefahren, die ganze Familie, nur der Roosevelt und der Otis nicht, weil die noch schliefen und sowieso ‘nen schlechten Anblick machen. Die Smilla hat gesagt, ich soll die beiden grüßen. Natürlich werde ich das tun, sobald ich sie schnarchend antreffe. Sie schaffen es, nach nur einmal Anschubsen in fünf Riesenfelgen um die Kleiderstange zu eiern, ohne aufzuwachen. Irgendwann bringe ich sie auf zehn. Dann können sie im Flohzirkus auftreten und haben endlich sinnvolle Beschäftigung.

Nun ja, was soll ich sagen? Der Abschied war natürlich schwer. Ich hätte zu gern meine Süße noch ein wenig länger bei mir behalten. Außerdem hatte sie meine Matchboxautos noch nicht richtig gesehen. Es gibt noch so viel zu besprechen. Trotzdem war ich stolz auf die Smilla, weil sie sich total gut im Griff hatte. Sie tat sich ihren Trauerabschied nicht anmerken lassen. Im Gegenteil, sie hopste auf den Beifahrersitz, als täte sie sich auf die Fahrt freuen. Wir haben ihr nachgewinkt. Das Auto fuhr langsam auf die Ausfahrt zu. Smillas spitze Öhrchen konnte man noch sehen im Gegenlicht, während die untergehende Sonne grell orange hinterm Auto stand, als es dort auf Einfädelung wartete.

Dann war die Smilla weg.

Ich weiß noch nicht, was ich von einer Fernbeziehung halten soll. Ist irgendwie mit wenig Raumüberbrückung verbunden, nicht?

Jedenfalls wisst ihr jetzt, wie unser erstes gemeinsames Wochenende war. Am Abend noch kriegte ich eine Mail. Die Smilla schrieb, dass sie heil in Hamburg angekommen sei. Das Haus stehe noch und auch ihr Frauchen hätte alles ganz gut hingekriegt ohne ihre Aufsicht. Acht Kilo Plätzchen hätte sie gebacken. Das gesamte Wohnzimmer stehe voller Tupperdosen. Jetzt wäre nur noch die To-do-Liste für Montag, für die Arbeit zu schreiben. Ein Foto hat die Smilla beigetan. Es lässt mein Herz hüpfen. Wenn ihr mit dem Ohr ganz nah an den Monitor herangeht, könnt ihr es noch immer jubeln hören.

© Max: Papageiengeschichten
© Originalfotos (Hund): Smilla the Heeler
© Originalfotos (Vogel): A. L.

Freitag, 8. April 2011

Sie war da ... meine Süße (Teil 2)

Ich weiß ja nicht, was ihr so am Samstag macht, aber ich bin da immer ganz dünn. Vormittags kriegt meine Voliputze  nämlich ganz besonders schlimme Attacken: Sie macht Hausreinigung. Der Staubsauger und der Wischlappen haben sich schon beschwert wegen klobiger Ansprache und Überbelastung. Sie fordern eine Härtezulage. Am besten macht man sich vom Acker, sonst muss man helfen, die Möbelschnörkel abzupuscheln oder die Teppichfransen apellfertig zu kämmen.
„Du kommst da so gut ran, Junge“, heißt es.

Guten Morgen, Smilla, meine Prinzessin
Ich hatte Angst, dass die Mama vergessen täte, dass die Smilla ja noch da war, meine liebe süße Smilla. Was sollte sie von mir denken? Haben etwa Casanova, Don Juan oder Adonis plattgetretenes Nappo vom Laminat kratzen müssen? Natürlich nicht. Die hatten dafür Personal. Und während die Lakaien alles blitzeblank gefeudelt haben, sind sie den Weibern an die Wäsche gegangen. Genau dies war auch mein Tagesplan: Sonnabend der Smilla näher kommen. Das hatte ich mir extra in den Terminkalender geschrieben. Aber dafür musste ich mich erst mal vor Mamas Feudelwut verstecken und gleichzeitig die Mia loswerden.

„Los, Smilla, rasch, wir frühstücken draußen, ich lade dich ein“, habe ich gesagt. 
Und an die Mia gerichtet:
„Du bleibst hier, wir fahren zum Baumarkt, Schrauben gucken; das interessiert dich sowieso nicht.“
Die Smilla hat sich zwar ein bisschen gewundert über den Holterdiepolter- Aufbruch, aber als wir unten auf der Straße standen, hatte sie nur noch Augen für mich:
„Du hast da Schaschliksoße. Aufm Bauch. Von gestern.“

Die Sonne schien, Amseln machten Chorprobe und eine warme Brise tat mir die Gewissheit erotischer Erfüllung ins Gefieder hauchen. Plötzlich wusste ich es: Heute würde mein Tag sein, heute würde mich das Schicksal zum Mann machen. Halleluja – Welt ich komme! Smillas Augen hatten den Schmelz schüchterner Verheißung.
„Gehen wir wirklich zum Baumarkt, Max?“, wollte sie wissen.
„Ach, woher denn!“, habe ich geantwortet. „Für meine Liebste ist oller Tapetenkleister doch viel zu schäbig – wir gehen zur Hannover-Messe, Stanzautomaten besichtigen. Die Messe ist total berühmt. Ihretwegen kommen viele Leute von weit her. Du hast Glück, dass du sowieso gerade hier bist. Freust du dich?“
„Total …“, hat sie gehaucht.
Ihre Schnauze hat niedliche Kreusel gezogen, die Lider machten Garagentor. Mein Verlangen wurde augenblicklich Dampfkessel und Magnet in einem. Ich konnte nicht meinen Blick von ihr lassen. Nur jetzt nichts über den Haufen rennen; Frauen wollen umsülzt sein. Das kann man aus jedem Arztroman erfahren. Leider ist die schöne Stimmung auf einmal weg gewesen, weil ein paar Tauben vom Fenstersims herunterquakten:
„Na, schöne Lady? Heute mit Grünklops unterwegs?“

Boah, nee …! Das gibt ‘ne Extraportion Sirup auf die Fensterbretter. Euch dämlichen Dachfratzen sollen die Stiefel festpappen. Die Socken gleich dazu. Bis Pfingsten. Mindestens. Das verspreche ich euch.

Um es gleich zu sagen: Wir sind dann doch nicht auf die Messe gefahren und auch nicht zum Baumarkt, sondern haben erst am Kiosk ein Mettbrötchen (für die Smilla) und einen Müsliriegel (für mich) gekauft und haben uns anschließend von der Straßenbahn zur Tropenhalle bringen lassen. Das ist ein großes Haus mit drückender Atemluft und unordentlicher  Botanik, wo man alle zehn Zentimeter stehen bleiben und Bildung erwerben kann. Mir gefiel es dort vor allem, weil ich vor der exotischen Kulisse endlich mal meine körperlichen Vorzüge in Demonstration bringen könnte. Die Smilla wiederum fand es aufregend, weil Hunde dort nicht erlaubt sind und es daher umso spannender war, ob wir es dennoch unbemerkt hinein schaffen würden.

Am Vormittag war noch nicht viel los. Das war unser Glück. Andere Tiere konnten wir nicht entdecken. Wahrscheinlich frühstückten sie alle noch daheim auf der Terrasse. Wir haben uns unten am Kassenhäuschen vorbeigequetscht. Dann habe ich mich auf einen Cola-Automaten gesetzt und von oben die Lage geprüft. Eine Abreißtante für die Eintrittskarten war nirgends zu sehen. Sehr schön. Sogar die Tür war kein Problem. Sie schmatzte nämlich von allein auf. Hydraulik nennt man das, glaube ich. Als keiner gucken tat, habe ich der Smilla einen Pfiff gegeben. Sie hat sich erst geduckt und ist dann zur Tür durchgehuscht. Innen drinnen zwischen all dem Grünzeug hat uns niemand mehr entdecken können. Wir sind einfach querfeldein gelaufen. Wenn Oma und Opa mit ihren Zwergmenschen auftauchten, haben wir extra laut geraschelt und „huhuuuu …“ gemacht oder mit Steinchen geworfen. Die meisten haben sich nur umgeguckt und sind schnell weitergezogen. Nur einmal ist so ein Enkelkind zu uns mitten ins Dickicht hineingestiefelt. Die Smilla hat sich gerade noch hinter was Buschiges retten können.
Guck mal, Oma!“, hat das Gör gerufen. „Hier gibt‘s dicke grüne Tauben.“
Dafür ist ihm ein fetter Klecks das Ronaldo-T-Shirt runtergelaufen. Keine Ahnung, wo der herkam. Ich hatte den Gummibaum in Verdacht. Heulend ist der kleine Dschastin wieder abgezogen.

Mann, was hatten wir für einen Spaß! Wir haben verstecken gespielt und … hihihi … Namensschildchen vertauscht. Der Ficus heißt jetzt Palme und umgekehrt. Bei der Gelegenheit sollte mir die Smilla den Blättermagen zeigen, den sie so gern isst. Ich meine, wenn wir schon zwischen all dem Grünzeug standen, war meine Frage doch naheliegend, oder nicht? Sie hat so doll gelacht, dass ihre Hundemarke den Flohwalzer dazu klappern tat. Darüber hätte ich fast vergessen, warum wir eigentlich gekommen waren. Richtig. Ich wollte doch der Smilla meine Premium-Qualitäten vorführen.


Da ist zunächst mein Charakterkopf. Was meint ihr? Klassisch griechisch oder römisch? Oder doch eher aztekisch? Meine Vorfahren stammen ja aus Mittelamerika. Ich sage nur eins: Costa Riiiiiica. Geboren bin ich übrigens in Sachsen. Ich glaube, früher hieß das mal Atlantis.


Hier noch mal extra nah in Detailansicht: meine zarten Nasenlöcher. Sehen sie nicht aus wie zwei Krater, in denen das Feuer der Leidenschaft auf Entzündung wartet? Drum herum sprießen meine animalischen Barthaare. Die Weiber sind verrückt danach. Schon mal was von Schnappatmung gehört?


Und das hier beherrsche ich besonders gut: breitbeinig über dem Abgrund schweben. Ihr könnt das gern mal nachmachen. Mein Mitschüler Robert damals aus dem Rechtschreibe-Internat, das Hängebauchschwein, ist gleich beim ersten Versuch mit ‘nem Bauchklatscher im Schlamm gelandet.

Am späten Mittag, als wir Hunger kriegten, haben wir uns wieder rausgeschlichen. Nur ganz so vorsichtig wie beim Reingehen waren wir diesmal nicht, weil wir ja schon alles gesehen hatten und es daher egal war, ob man uns davonjagen täte. Es hat aber keiner was gesagt. Ich habe die Smilla zur Bratwurst eingeladen. Die Pommes rotweiß waren für mich. Wir haben vor einem Imbiss auf den Steinen gesessen. Gut, dass ich mir Mamas Kreditkarte unter den Flügel geklemmt hatte. Die Mia macht das nämlich immer so, mit einem Gummiband. Manchmal kann man direkt was von ihr lernen.

Nach dem Essen haben wir noch ein bisschen in der Sonne gedöst. Nebenan gab es einen schmalen Grünstreifen mit Osterglocken und ohne Hundehaufen. Die Smilla hat sich eingeschneckt und ich durfte mich an ihren Bauch kuscheln. Ganz warm war es dort. Der Bauch ist immer hoch und runter gegangen beim Atmen. Ab und zu hat die Smilla „püüüü“ gemacht aus ihrer niedlichen Schnauze, und ich habe mich angestrengt, damit ich sie nicht kitzele mit meinem Schwanz. Ich glaube, wenn ich mich dann nicht aus Versehen mit dem Schnabel im Loch ihrer Hundemarke verhakt und nach Hilfe geschrien hätte, wäre ich bestimmt von der Smilla gefragt worden, wann wir heiraten. Ich hatte das so im Gefühl; die Stimmung war gerade so schön samtig. Einem Mann, der dort herumstand, ist es gelungen, das Blechloch von meinem Schnabel zu pulen. Es ist aber alles noch dran. Von den Barthaaren ist auch keins umgeknickt.

Schade, so ‘ne kleine dumme Sache kann einen total zurückwerfen. Wir täten jetzt bestimmt schon längst das Menü fürs Hochzeitsessen aussuchen. Stattdessen: Die Smilla war wieder wach und ich musste ganz von vorn anfangen. Na ja, es wurde dann ja doch noch ein lustiger Nachmittag. Auf Sport hatte die Smilla Lust:
„Habt ihr was zum Rennen oder Schwimmen?“

Wir sind zu einer Sportwiese gefahren. Zunächst waren wir nicht allein, weil dauernd Jogger und alte Frauen mit Skistöcken an uns vorbeigezogen kamen, aber wir haben uns dann ein Plätzchen im hintersten Teil gesucht, wo niemand mehr blöd glotzen oder dumme Bemerkungen machen tat über leinenlose Hunde und grünschimmelige Krähen mit Hakennase.

Ich sage euch – die Smilla kann turnen, das glaubt ihr nicht. Großartig. Sie hat mir ein paar von den Sportarten vorgeführt, die sie beherrscht. Ich hatte Mühe, schnell genug zu knipsen, so rasant war sie jedes Mal an mir vorbeigesaust.


Hier, das schwarze Geschoss rechts in der Ecke, das ist sie. Ihre Beine sind noch immer dran, nur sind sie gerade zur Waagrechten aufgeklappt. Spagat heißt das im Fachjargon. Der Teller links im Bild ist der Deckel eines Majonäseeimers. Den hatten wir im Hof der Imbissbude gefunden, wo wir Mittag gegessen hatten. Der Sport selbst ist der erste Teil vom Triathlon.


Der zweite Teil ist Springen. Seht ihr, mit welcher Eleganz die Smilla den Oxer nimmt? Kurzer Anlauf … Hürde fixieren … abstemmen … uuuuund hopp. Ich finde, sie sollte einen Job daraus machen.
„Wieso das denn?“, hat sie geantwortet. „Ich habe genug zu tun: morgens Büro, nachmittags Reha mit Kerstin, abends betreute Freizeit: spielen, kuscheln, vorlesen.“
Ja, schon, aber irgendwann wird ihr Frauchen sicher auch mal ein paar Stunden allein zurechtkommen, und dann bliebe Zeit für was ganz anderes, für die Arbeit mit Tieren zum Beispiel. So was gibt auch tiefe Befriedigung. Sie könnte ja ihr Wissen aus der Sozialarbeit am Zweibeiner mit ihrem sportlichen Talent verbinden, etwa als therapeutisches Reiten. Denn wie viele Eichhörnchenkinder mit Trauma gibt es? Sie sind aus dem Nest gefallen und nun wird ihnen schwindelig, wenn sie eine ordinäre Kastanie durchklettern sollen. Da könnte die Smilla doch prima helfen mit ihren gekonnten Sprüngen und den kleinen Patienten auf dem Rücken: Vertrauen schenken, Zuversicht stärken, Angst nehmen.
„Du bist ulkig“, hat die Smilla gerufen. 
Aber es kann sein, dass ich sie falsch verstanden hatte, als sie vorbeigejagt kam. Ich glaube eher, sie hat „Ich liebe dich“ gebrüllt.


Schließlich gibt es noch als letzte Disziplin den Kordelball. Dazu muss man erneut rennen, aber diesmal mit Erschwernis im Maul. Es handelt sich, wie der Name sagt, um einen kleinen Ball an einer Schnur. Wir hatten allerdings einen Apfel geklaut (beim Türken aus der Auslage). Das Loch habe ich mit dem Schnabel hineingebohrt und auch den Faden (einen gefundenen Schnürsenkel) durchgetütert. Wenn man den Ball verliert, das heißt wenn er auf dem Boden aufschlägt, kriegt man Punktabzug. Wahre Meister – wie die Smilla – können ihn aber beim Rennen in die Luft kicken und wieder auffangen. Mir taten schon die Flügel weh vor lauter Beifall klatschen.


Zum Schluss haben wir noch ein wenig getanzt. Nicht Walzer, nein – Breakdance. Ich kann am besten auf dem Rücken liegen und mich drehen wie ‘ne Salatschleuder, aber auf dem stoppeligen Boden klappte das nicht so gut. Die Smilla hat sich auf die Füße gestellt, den Hals in die Luft gereckt und dabei rhythmisches Trippeln gemacht, minutenlang, ohne umzukippen: chaka-chaka. Toll! Unterm Busch saßen zwei Kaninchen und guckten zu. Die konnten das nicht glauben. Ich war mächtig stolz auf meine Smilla.

Es wurde schon schummerig, als uns einfiel, dass wir ja mal nach Hause gehen könnten. Wir hatten die Zeit total vergessen. Daheim tat man uns zickig empfangen.
„Oh, die Herrschaften beehren den Palast“, hat die Mia gesagt.
Ich glaube, sie war deshalb so stinkig, weil sie die Smilla nicht hatte frisieren und schminken können. Das versucht sie nämlich bei allen Mädchen, die zu uns kommen, egal ob Henne, Katze, Meersau oder eben Hündin. 
Von der Mama kam Kopfschütteln:
„Wie ihr ausseht, so zauselig. War’s schön? Habt ihr Hunger?“

Sie hat uns Frikadellen gemacht mit Kartoffelpüree und Bohnensalat. Danach haben wir uns aufs Sofa gelegt. Die Smilla hat sich in die Decke gewrummelt und ich habe ihr Öhrchen gekrault. Aus dem CD-Spieler kam plätschernde Dudelmusik. Für Frauen ist das sehr gut. Sie werden dann gefügig. Oder wenigstens lahm. Dazu habe ich was Nettes gesummt. Es hat nicht lange gedauert, dann fing die Decke leise an zu schnarchen.


Ich habe mich ganz klein gemacht. Nur jetzt kein lautes Geräusch riskieren. Gott sei Dank kam niemand rein, nicht mal die beiden Matschfalter, die ja sonst immer ihre Gummiflügel in jede abendliche Zusammenkunft halten müssen. Wir waren ganz allein: ich, die schnarchende Smilla und unser gemeinsames Glück.

Es ist eine schöne Nacht geworden. Mehr verrate ich nicht. Ich zieh jetzt den Theatervorhang zu. Sooo … Vorstellung zu Ende. Wenn ihr den Rest hören wollt, berichte ich euch, wie’s weiter ging am nächsten Tag, dem Sonntag. Bis dahin (nä-nä-nä-nä-nä-näää!) grüßen Euch:


© Max: Papageiengeschichten
© Originalfotos (Hund): Smilla the Heeler
© Originalfotos (Vogel): A. L.

Montag, 4. April 2011

Sie war da ... meine Süße (Teil 1)

Eigentlich weiß ich nicht, warum ich euch davon erzählen sollte. Geht euch nix an. Wir sind hier schließlich nicht auf der Klatschseite von „Bellomiez“, wo jedes intime Nasengestubse in jede noch so abgelegene Hundehütte und in jeden Katzenkorb posaunt wird. Andererseits werden wir uns alle sicher bald treffen, nämlich an einer langen Tafel mit weißem Tischtuch, Blumengebamsel neben den Wassernäpfen und Bratenaufschnitt mit Kroketten auf Goldrandtellern. So gesehen ist es nur schlau, wenn ich das Gröbste vorher schon verrate, damit ich dann nicht vor Ort jede Frage einzeln beantworten muss.

Smilla: Anmut und Athletik
Also hört gut zu: Ich habe jetzt am Wochenende die Smilla kennen gelernt. Sie ist total süß. Wir beide erfüllen die Voraussetzungen zum Traumpaar.

Aber von Anfang an. Sich Mails zu schicken, weil man sich gut versteht, ist die eine Sache; sich gegenseitig mit der Kralle am Ohr zu kitzeln eine andere, denn dabei zeigt sich schnell, ob einem der gepflegte Umgang mit Wattestäbchen und 4812 ein Begriff ist. Die Smilla und ich waren uns bald einig, dass wir uns unbedingt persönlich sehen sollten. Solche Fragen wie „Passt der Wohnstil zusammen?“, „Wie hält‘s der andere mit der Körperpflege und der Fernbedienung?“, „Darf ich meine Bananenscheiben unterm Sofakissen sammeln?“ oder „Wird Heino mit einziehen, die Kelly Family oder doch eher Metallica?“ geben erste Hinweise auf Wassergräben im Ehe-Parcours. Ich war daher sehr einverstanden, dass mich die Smilla zu sich nach Hamburg eingeladen hat. Am Wochenende täte sie frei haben, hat sie gemeint, da müsse sie ihr Frauchen nicht zum Büro begleiten. Sie hatte ihr auch schon einen Gutschein über einen 5-Kilo-Sack Teelichte geschenkt und ihr aufgeschrieben, wie sie zu Ikea kommt, damit wir wenigstens am Samstag ein paar Stunden für uns allein haben würden. Aber dann fand ich es doch besser, wenn ich zu Hause bliebe und die Smilla stattdessen mich besuchen käme – ich darf doch nicht allein verreisen; ich muss immer die Mia mitnehmen. Unsere Mama ist da sehr komisch; wir dürfen nur zu zweit unterwegs sein. Aber die Mia schleppt immer ihren halben Kosmetiksalon mit. Klappt dann in der Gastherberge ihren Koffer auf und pinselt jedem, den sie vorher mit Pickelwasser bewegungslos machen konnte, Nagellack auf die Latschen. Das ist vielleicht peinlich! Einmal hat sie ‘ner Schildkröte falsche Wimpern angeklebt. Daran ist ihr Kopf stecken geblieben, als sie die Birne in den Panzer ziehen wollte. Am nächsten Morgen lag sie mit ausgeleiertem Hals auf den vertrockneten Endivienblättern.

Nee, nee, ich kann euch verraten, wie das aussehen täte mit der Mia am Schwanzsaum: Die beiden machen Modegespräch und ich darf blöde danebenhocken und mich langweilen. Außerdem werden wir später nach der Hochzeit sowieso bei uns wohnen und nicht in Hamburg. Da ist es gut, wenn sich die Smilla schon mal ein bisschen umguckt. Nur meine Mama weiß noch nichts davon. Das ist auch nicht nötig, weil sie sich immer so aufregt. Seit die Mia sich damals mit ihrem Sülzheini verlobt hatte, aber er sie verließ (für ‘n Wasserschwein … muaaahaha), kriegt sie schnell ungesunde Backenröte und Schreierei, sobald von fester Bindung  die Rede ist, egal ob man damit Ehe meint oder nur die Schlaufe am Ski. Ganz verstehen tu ich es allerdings nicht. Ich bin doch ein Junge. Wenn wir heiraten, muss das Frauchen von der Smilla alles bezahlen: die Feier, das Brautkleid, die Hochzeitsreise, eben alles. Das ist doch absolut preisgünstig für meine Mama und eher Grund, Händereiben zu machen statt aufzuplärren.

Aber ich glaube, Menschenfrauen sind überall gleich. Die Smilla fand meinen Vorschlag jedenfalls gut. Nur ihr Frauchen tat aufheulen: Woas? Ihr kleines Hundemädchen ganz allein im Zug? Unter all den fremden Leuten? Allein in eine fremde Stadt? Wenn sie nun in einen dreckigen Aschenbecher greift oder auszusteigen vergisst und womöglich in Osnabrück landet?

Ja? Was dann?

Die Smilla hat Augenrollen gemacht, ich habe sie getröstet: „Das sind nur die Hormone; das wird besser, wenn man ihnen Pralinen und Cappuccino gibt.“ Später dann hat das Frauchen eingewilligt in meinen Vorschlag: Die Smilla fährt nicht mit der Bahn zu uns nach Hannover,  sondern im Brummi, vorne im Cockpit. Das ist viel persönlicher, fast wie Taxi, nur billiger. Wir machen das oft so. Unterwegs kann man nette Gespräche mit dem Fahrer halten, und unsere Menschen sind beruhigt, weil sie uns von Hand zu Hand reichen können ohne große Ungewissheit dazwischen. So hatte Smillas Frauchen im Freihafen einen Tulpen-LKW aufgerissen. Der hat die Smilla an der A 1 aufgesammelt. Frauchen hat geschluchzt zum Abschied und die Smilla hat mit der Rolle Pupstüten gewinkt. Dann war dieses Problem erst mal erledigt.

Hier in Hannover  haben wir die Smilla an einem Blumenladen abgeholt. Die Mia war mitgekommen für Empfangskomitee und auch die Mama. Nur den Roosevelt und den Otis hatten wir daheim gelassen, weil es erstens noch heller Freitag war und zweitens Fledermäuse in der Gesellschaft von Leuten mit Bildung und Geschmack nichts verloren haben. Was sollte unser Gast von uns denken?
Die Smilla ist vom Trittbrett gehopst, der Fahrer hat den Rucksack hinterhergeworfen. Zwischen uns ist sofort ein wunderbares Gummiband entstanden. Ihr Fell tat glänzen und ihr Lächeln hat mir ‘nen Korken vors „Hallo“ gepfropft. „Hi“ hat sie gesagt. Mehr war nicht nötig. Die Luft tat sich plötzlich niedersenken, süß und schwer, so wie kurz bevor an einem heißen Abend ein Gewitter runterkommt und einem das Herz bubbert, weil man den ganzen Nachmittag im Schwimmbad Köbber gemacht und auf der Decke Lakritzschnecken gefuttert hat.
Ich bin erst wieder aufgewacht, als die Mia mich anschubsen tat:
„Nun sag ihr endlich herzlich Willkommen, du Gaffgockel.“ 

Ich habe ihr freundlich den Schnabel in die Nasennoppe gebohrt, und sie hat mir dafür mit der Zunge die Frisur nach vorn gekämmt. Seitdem sind wir ein Paar. Ich finde multikulturelle Verbindungen klasse. Da kriegt man Einblick in exotisches Privatleben. Falls jetzt jemand lachen sollte oder aufschreien: „Das geht doch nicht!“, sag ich nur eins: Die Mia hatte mal was mit ‘nem Royal-Pudel. Der hatte Puscheln an den Knöcheln und zwei ovale Flokatistücke  aufm rasierten Hintern. Und trotzdem haben die beiden erotisches Anstarren geschafft. War nur ‘n bisschen mühsam für die Mia wegen dauernd hochgucken, aber möglich ist alles. Ihr seid doch nur neidisch, weil ich die süße Smilla abgekriegt habe und nicht ihr, und weil sie jetzt mich, den Premium-Hahn mit der diskreten Intelligenz, an ihrer Seite weiß. Sie wird die Erste sein, die in meinen Matchbox-Katalogen lesen darf. Vielleicht ist sie sogar gut im Flugzeug-Quartett. Ich bin da keineswegs festgelegt. Wir können später nach der Hochzeit vorm Schlafengehen auch gern Schiffeversenken spielen, wenn ihr das besser gefällt.

Der Rucksack, die Smilla, die Mia und ich
Wir sind mit der Straßenbahn nach Hause gefahren. Hier seht ihr uns an der Haltestelle. Die Mama hat das Foto gemacht.

Daheim hat die Smilla erst mal ausgepackt und die Geschenke verteilt. Ich kriegte ‘nen Schlüsselanhänger mit ihrem Porträt drin – toll! Die Mia bekam ein Toiletten-Eau mit Sprühknopf, die Mama eine große Flasche Klosterweib Hornissenfleiß  und die beiden Pelzfliegen ein Bilderbuch über französische Höhlen mit steinaltem Touristengekrakel an den Wänden. Haha! Das passt zu ihren Schrumpfbirnen. Dort drinnen ist es nämlich auch dunkel, leer und kalt und man versteht nicht, warum nicht auch noch Nebelschwaden durch die Ritzen ziehen.

Nachdem alles verstaut war, wollte ich der Smilla meine Matchboxautos zeigen. Ich bin aber nicht dazu gekommen, weil die Mia sie mit Schwung am Vorderbein umarmen tat und zu säuseln anfing:
„Ach, das hat doch noch Zeit. Erzähl mir lieber von deinem aufregenden Job. Der Max hat gesagt, du bist Agentin?“
Schon waren die beiden im Schlafzimmer verschwunden. Dabei wäre die Smilla lieber bei mir geblieben. Ich hab’s doch gesehen, das Leuchten in ihren aufgerissenen Augen, als das Wort  „Auto“ fiel. Sie ist nur zu höflich, um die Mia abzuservieren.

Na egal, ich hatte ohnehin zu tun. Der Balkon war wieder voll mit Tauben. Die Kerle standen in Dreierreihen hinter der Türscheibe und glotzen ins Zimmer rein. Bei denen hatte sich Smillas Ankunft schon herumgesprochen. Fehlte nur noch, dass sie gegen die Scheibe gesabbert hätten. Ich habe ganz unauffällig das Foto von der Mama vom Couchtisch genommen, habe mir den Rahmen vors Gesicht gehalten und bin mit ordentlich Schmackes auf die Balkontür zu gerannt. Ich sage euch: ein Aufschrei. Dann unsortiertes Geflatter und weg waren sie. „Komm ja nicht wieder!“, habe ich hinterhergeschrien und die Tür wieder zugeknallt.

Zum Schlafzimmer die Tür war nur angelehnt. Ich wollte gerade reingehen, da machten meine Ohren Fangnetz von komischer Beute. Ich hörte die Mia sagen:
„Smilla, Liebes, warum will sich eine Rassefrau wie du ausgerechnet ein kindisches Großmaul ans Bein binden? Erklär mir das mal.“

Allerdings. Diese Frage fand ich auch sehr interessant. Bisher hatte ich nämlich nicht gewusst, dass ich einen Konkurrenten hätte. Ich meine, nicht dass die Smilla womöglich in Heiratsschwindel und Doppelhochzeit macht; das würde meinem Herzen grausiges Zusammenziehen bereiten. Ich habe die Luft angehalten und auf Antwort gewartet. Erst kam gar nichts, dann endlich ein leises „Ooooch, er ist doch sehr … amüsant.“ Na bitte. Ich wusste doch, auf meine Smilla ist Verlass. Aus ihrem Mund klingen Komplimente so, wie Eierlikör am Gaumen klebt: Man will sich danach nie mehr die Zähne putzen. Gerade wollte ich die Tür aufschieben und meiner Smilla mit ein wenig Neckerei Ansprache bereiten, da kam Befehlsgebell aus der Küche.

Es war die Mama. Sie tat aufs Fenster deuten. Jesses! Jetzt hatten sich die Tauben doch glatt aufm Fensterbrett zusammengedrängelt. Diese blöden Glotzfratzen. Ich bin sehr energisch geworden:
„Haut ab! Hier gibt’s keinen Heeler zu sehen! Im Bikini erst recht nicht!“
Ich bin immer sehr erfolgreich in Vertreibungsangelegenheiten. Nur dass ich mit dem Quarkdipp fürs Abendessen aufs Fenster gezielt hatte, fand die Mama nicht so gut.
„Junge, das klebt doch so!“
Und dann tat sie hinzufügen:
„Geh, Max, lass die Mädels sich noch ein bisschen unterhalten. Hilf mir derweil beim Schnibbeln.“
Es sollte nämlich am Abend Fondue geben – der Smilla zu Ehren. Ich finde Fondue ja auch recht lecker, aber die Vorbereitungen sind ätzend. Immer kriegt sie mich damit ran, nie die Mia. Diesmal musste ich Silberzwiebeln ins Schälchen stapeln, Petersilie rupfen, Baguette schneiden in Streifen und Paprika in Würfel, Würstchen aus der Dose befreien und die Farbe für den Wackelpudding zum Nachtisch aussuchen. Die Mama hat unterdessen das Fleisch geschnitten. Plötzlich tat sie meinen, dass die Smilla ein sehr hübsches und sehr nettes Mädchen wäre:
„Die kriegt bestimmt mal ‘n flotter Afghane zur Frau. Oder sie nimmt sich einen Irish Setter. Irgendwas Rassiges mit viel Pepp. Das würde gut zu ihr passen.“
Gleich darauf ist der Mama ‘ne Gewürzgurke an den Hinterkopf geflogen. Ich habe schon immer gesagt, dass die Dinger gemeingefährlich sind. Aber auf mich hört ja keiner.

Roswitha
Das Abendessen war dann doch noch ganz schön. Damit die Smilla gut an den Fetttopf herankäme, hatten wir im Wohnzimmer auf dem Fußboden gedeckt. Sonst essen wir ja am Tisch, die Mama sitzt davor, wir oben drauf. In der Mitte auf einer Servierplatte stand der Kessel mit dem Fett, drum herum auf einer alten roten Decke standen die Teller und Schüsseln mit den Beilagen. Sogar an eine zusätzliche Gesprächsanregung hatten wir gedacht, falls wir fünf, die wir hier wohnen, dafür nicht ausreichen sollten. Einen weiteren Hund hatte ich zwar nicht auftreiben können wegen mangelnder Sympathie, aber wenigstens die Roswitha hatte meine Einladung angenommen. Sie ist eine Teichente und sehr nett. Sie ist Bezirksmeisterin im Sporttauchen. Ich kenne sie aus dem Park hier um die Ecke. Auf jeden Fall ist sie tausend Mal interessanter als dieser aufgerüschte Frischkäse, dieser Schwan, dieser Harald, der Freund von der Mia. Den wollte ich hier unter keinen Umständen haben. Schließlich weiß ich, dass sich die Smilla ein bisschen fürchtet vor Schwänen. Die täten immer so unfreundlich fauchen, hat sie mir verraten. Tja, der Harald faucht auch, aber ich glaube, er kann nichts dafür. Das hängt mit dem langen Schlauchhals zusammen. Wenn Schwäne rülpsen, braucht’s halt seine Zeit und macht entsprechend komisches Luftgeschnörkele, bis das Geräusch oben angekommen ist. Schwäne fauchen also im Grunde nicht, sondern sind nur von ungehobelten Manieren.

Die Mia kostet die Meerrettichtunke
Als es endlich losging mit dem Futtern, waren auch die Matschfalter aufgestanden. Sie taten gleich die Smilla ansülzen: Wie toll das Buch über die französischen Wandkrakeleien sei, so was hätten sie sich schon immer gewünscht, daran merke man den Stil und die feine Kultur einer wahren Hundedame von Welt; das sei doch ‘n ganz anderer Snack als Spielzeugautos oder Lippenstifte:
„Sag mir, was du sammelst, und ich sag dir, was du im Kopp hast.“

Leider hockten zu viele Augen drum herum, sonst hätte ich die beiden Angeber gleich mal unter die Kommode geschnippt. So aber saßen sie auf der Decke, grinsten blöd und hielten ihre Hackbällchen ins Fett. Die Smilla hatte leider – das muss man zugeben – am meisten Schwierigkeiten, den Spieß in den Topf zu stecken. Das lag an ihren Tatzen; die sind eher gemacht für geschmackvolles Druckdesign oder fürs kraftvolle Abstemmen zum Hochsprung, nicht aber fürs Greifen. Natürlich haben wir ihr erlaubt, mit den Pfoten zu futtern. Sie hatte ohnehin die dicksten Stücke zu bewältigen, da dauerte es entsprechend lange, bis sie halbwegs durchgebrutzelt waren. Die Smilla hat sich so lange mit der Roswitha unterhalten. Übers Schwimmen haben sie Fachsimpelei betrieben, welche Paddeltechnik man am besten anwendet und wo’s die besten Taucherbrillen zu kaufen gibt.

Fonduebrocken
Nach dem Essen haben sich Gott sei Dank der Roosevelt und der Otis vom Acker gemacht. Sie sind in die Nacht hinausgesurrt. Die Mama tat die Reste zusammenklauben und das Geschirr spülen, während die Smilla, die Mia, die Roswitha und ich das Trivial-Pursuit-Spiel ausgebreitet haben. Klar war es die seltene, teure und sauschwere Sonderausgabe „Haus-, Wild- und Ziertiere“. Wir hatten unsere Ruhe, weil die Gardinen zugezogen waren. So konnten die Wojöre, die beknackten Dachtauben, nicht mehr reingucken. Ich als Kavalier habe natürlich die Mädels gewinnen lassen, ist doch klar. Meine süße Smilla wusste soooo viel, besonders über Hunde, aber auch über Frettchen, Wombats und Elefanten. Wo sie das nur alles her hat? Ich dachte, sie käme nicht zum Lesen vor lauter Zeitmangel. Opfert sich den ganzen Tag für ihr Frauchen auf, damit diese gut integriert bleibt in Beruf, Familie und Nachbarschaft, aber weiß trotzdem, wie viele Beine ein Zebra hat. Toll!

Irgendwann ist dann die Mama gekommen und hat gemeint, dass wir langsam Schluss machen sollten. Die Mia lag gerade in Führung. Aber meine Frage, wie die 10.000 Larven des F-Wurfs des Schmeißfliegenweibchens Hannelore aus Gera mit Vornamen heißen, das hat sie nicht beantworten können. Tja, dämlich versagt, nicht wahr? So hat die Smilla gewonnen, die der Mia in der Rangfolge vor dieser Frage deutlich in den Nacken geatmet hatte. Sie kriegte von mir zur Gratulation ein zärtliches Picken in die Oberlippe. Dann hat die Smilla die Roswitha noch schnell vor die Tür gebracht. Sie tat sowieso noch mal raus müssen. Ihr wisst schon … Pupsbeutel und so. Ob ich mitkommen sollte wegen Schutz vor Taubenbelästigung, habe ich gefragt, denn die Grauspanner täten doch sicher schon in der Dachrinne sitzen und warten. Aber die Smilla hat nur gemeint „Och nöö, lass man“, damit täte sie schon selbst fertig werden, sie sei nicht um einen saftigen Kommentar verlegen.

Fürs Nachtlager hatte die Mama der Smilla das Sofa zurecht gemacht. Als ich noch mal ins Wohnzimmer kam nach dem Zähneputzen wegen gute Nacht wünschen, dachte ich, ich seh nicht recht: Die Smilla hatte sich oben auf der Rückenlehne zurechtgequetscht, zwischen Wand und Polster.
„Mein Gott, warum legst du dich nicht unten lang? Dort ist doch genug Platz“, habe ich gefragt.
Ach, das täte nicht nötig sein, hat sie geantwortet. Sie sei das von daheim gewohnt. Der freiwillige Verzicht auf Bequemlichkeit täte sich günstig auswirken auf ihr Tantra oder Mantra oder Sandra oder wie das heißt. Aha. Ich kenne mich in fernöstlicher Orthopädie nicht so gut aus. Wenn sie’s gut findet – bitte schön.

Gern wäre ich ja die Nacht bei ihr geblieben. Ich hätte ihren Schlaf bewacht und ihr heimlich zugeschaut, wie sich nach jedem Atemzug ganz leicht die niedlichen Barthaare bewegt hätten. Ich finde einen Damenbart bei Mädchen nicht wirklich störend. Aber für solche Intimitäten war‘s wohl noch zu früh; wir mussten uns erst besser kennen lernen. So bin ich nach nebenan gegangen und habe wie immer neben der Mia in der Voliere auf der Stange geschlafen.

Falls ich viel Lust habe und von euch kein Gemecker kommt, erzähle ich euch später vielleicht, wie’s weiterging. Aber nur vielleicht. Ihr seid mir entschieden zu neugierig.

© Max: Papageiengeschichten
© Originalfotos (Hund): Smilla the Heeler
© Originalfotos (Vogel): A. L.